Protokoll der Sitzung vom 12.12.2017

(Beifall bei der SPD)

Es ist geradezu grotesk, in dieser Phase das Frankfurter Polizeipräsidium, das nun wirklich ein gutes Beispiel dafür wäre – gerade weil es seit vielen Jahr leer steht –, nicht zu nutzen, um die Ansprüche der Wohnungsbauministerin an die Kommunen, nämlich öffentliches Gelände verbilligt für bezahlbaren Wohnraum abzugeben, für sich selbst gelten zu lassen. Das genaue Gegenteil passiert da.

(Beifall bei der SPD)

Sie kennen die Immobilie besser als viele andere in diesem Haus. Sie wissen, dass wir seit vielen Jahren darüber reden. Von Verbilligung bei dieser Immobilie kann überhaupt keine Rede sein. Der Finanzminister geriert sich hier wie der beste Immobilienspekulant in Frankfurt und will höchstbietend das Gelände verkaufen, damit die Landeskasse am besten stimmt.

Aber wenn er gleichzeitig den Kommunen sagt, sie müssten ihre Gebiete – völlig zu Recht, wie ich finde – verbilligt abgeben, dann finde ich, dass an dieser Stelle der Anspruch, der gegenüber den Kommunen zu Recht geltend gemacht wird, auch gegenüber dem Land gelten muss. Deswegen erwarten wir von Ihnen, Herr Finanzminister, dass Sie dieses unrühmliche Spiel beenden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn ich schon bei Ihnen bin: Sie haben ja eine Eigenmarketingabteilung, die großartig ist. Ich erlaube mir, heute dazu ein paar Bemerkungen zu machen. Sie haben sich

selbst neulich in einer Veröffentlichung als „Eier legende Wollmilchsau“ bezeichnet. Ich bin nicht sicher, ob das so klug war.

(Zuruf von der FDP: Nein, war es nicht!)

Inzwischen wissen nämlich auch Sie, weil Sie Zeitung lesen, auf wen das zurückgeht: auf ein Gedicht über das „Eier legende Wollschwein“ des DDR-Schriftstellers Renn. Er veröffentlichte dieses Gedicht erstmals 1955. Ich will Ihnen die entscheidenden Passagen des Gedichts vorlesen, damit man eine vernünftige Einordnung vornehmen kann. Am Ende des Gedichtes heißt es: „… und er schuf ein Huhn, das mähte, und ein Schwein, das morgens krähte, doch die Eier waren braun, schlecht zu riechen und zu schaun“.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abge- ordneten der FDP)

Das ist die Bilanz des „Eier legenden Wollschweins“. Ich erwähne das deswegen, weil das, was Sie beim Frankfurter Polizeipräsidium tun, ein Paradebeispiel dafür ist, dass sich die Selbstausrufung der „Eier legenden Wollmichsau“, die alles kann, die alles beherrscht, die unfehlbar ist, ins Gegenteil verkehrt. Dabei habe ich noch nicht über Ihre Initiativen zum Thema Cum-Cum, den Versuch, diese Problematik mittels bestimmter Strukturen – wir haben uns darüber mehrfach ausgetauscht – im Sinne von ein paar Akteuren zu regeln, und eine ganze Reihe anderer Initiativen gesprochen, einschließlich Ihres wirklich „brillanten“ Vorschlags, sich selbst zum Chefaufklärer, zum zentralen Aufklärer im Rahmen der Paradise Papers zumachen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das war fast ein Husarenstück von Ihnen. Ich erinnere daran, dass Sie, Herr Finanzminister, gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten jahrelang nicht müde wurden, hier zu erklären, warum beispielsweise der Ankauf von Steuer-CDs im Rahmen des geplanten Steuerabkommens Deutschland – Schweiz ein „krimineller Akt“ sei. Über die Nichtumsetzung des Steuerabkommens können wir übrigens heilfroh sein, weil das den öffentlichen Kassen ziemlich viel an zusätzlichen Mittel gebracht hat. Jetzt machen ausgerechnet Sie sich zum Chefaufklärer bei den Paradise Papers. Ich muss schon sagen, der Anspruch der „Eier legenden Wollmichsau“ ist selten so konterkariert worden wie durch Ihr Verhalten.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zum dritten Punkt, zur Mobilität. Auch darüber haben wir in den letzten Wochen mehrfach geredet. Es bleibt dabei: Auch dieses Thema wird für uns ein wichtiges sein. Es ist der dritte Baustein unseres Hessenplans.

„Staufreies Hessen“: mein Lieblingsthema. Ich will Sie heute mit wenigen Zahlen – die übrigen Zahlen haben wir schon in den letzten Sitzungen vorgetragen – zumindest darauf hinweisen, dass 2014 in Hessen eine Gesamtstauzeit von 25.700 Stunden, 2015 von 28.900 Stunden und 2016 von 31.600 Stunden zu verzeichnen war – sinnlos verlorene Zeit. Dem steht eine Verkehrs- und Mobilitätspolitik gegenüber, eine Verkehrswendepolitik, die am Ende nur aus Stückwerk besteht. Der Leitspruch des Verkehrsministers, Sanierung vor Neubau, ist angesichts der Verhältnisse, in denen wir uns befinden, nicht aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Wir werden mit Blick auf die Zuwanderungssituation in Großraum Frankfurt/Rhein-Main, aber auch im Großraum Kassel Ausbauprogramme mit einem Schwerpunkt auf dem schienengebundenen ÖPNV brauchen – aber nicht ausschließlich, um auch das gleich zu sagen. Ich will mit Blick auf den Odenwaldkreis, auf das Marburger Hinterland, auf Teile des Lahn-Dill-Kreises und des Kreises Waldeck-Frankenberg – um nur einige Beispiele zu nennen – darauf hinweisen, dass diese Regionen auf eine bessere verkehrliche Anbindung warten und eine solche einfordern. Übrigens wird dieser Anspruch durch den Wunsch, ein paar Hotspots in diese Regionen zu bringen, nicht konterkariert.

Ihre Botschaft ist aber, dass in den nächsten fünf Jahren im Odenwaldkreis an Planungsprojekten gerade einmal gar nichts passiert. Das gilt auch für andere Bereiche. Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass der Personalabbau in den letzten Jahren nicht reduziert wurde. Deswegen bleibt es für uns dabei: Wir brauchen ein Ausbauprogramm, und wir brauchen einen Landesbetrieb Hessen Mobil, der völlig neu aufgestellt wird; denn die Straßen und Schienen, die nicht geplant werden, werden anschließend auch nicht gebaut. Wir werden bei diesen Projekten aber keine 30 Jahre warten können, sondern wir müssen die Planungs- und Bauzeiten deutlich verkürzen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Ich will mir an der Stelle eine Nebenbemerkung nicht verkneifen. Die Flughafenpolitik will ich heute zwar nicht ins Zentrum meiner Rede stellen, aber ich will zumindest zu Protokoll geben, Herr Bouffier, dass durch die Ereignisse der letzten zwei Jahre, durch Ihr konkretes Handeln in den letzten Jahren der ursprüngliche Konsens, der zwischen den drei ausbaubefürwortenden Fraktionen – CDU, SPD und FDP – bestand, schlicht und einfach aufgekündigt wurde, und zwar einseitig. Ich möchte das hier einmal hinterlegen, damit es dokumentiert ist. Dabei will ich gar nicht auf die Details eingehen.

Zwei Punkte will ich für uns am heutigen Tag allerdings festhalten. Das, was ich hier bereits vor einigen Monaten gesagt habe, bleibt auch weiterhin unser Ziel. Ich glaube, dass es richtig und notwendig ist – auch mit Blick auf die Rolle des Landes in Bezug auf die Entwicklung der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge –, dass der Anteil des Landes an der Fraport AG wieder erhöht wird, auch und gerade deswegen, um die Chancen der Erneuerung der Systempartnerschaft zwischen Fraport und Lufthansa zu verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Der von Ihnen mit zu verantwortende Subventionswettbewerb um die billigsten Arbeitsplätze am Frankfurter Flughafen stößt nach wie vor nicht auf unser Einverständnis, und wir werden alle Bemühungen darauf richten, diesen zu beenden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Damit komme ich zu einer dritten Bemerkung, die viel mit der Verkehrswende zu tun hat, Herr Boddenberg. Wir halten die Verkehrswende für einen zentralen Punkt der sozial-ökologischen Modernisierung unserer Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten. Ich will offen bekennen, dass ich die „Arbeitsteilung“ zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Sozialdemokratie in den letzten Jahren

die GRÜNEN für Ökologie, die Sozis für Soziales – für falsch halte und dass wir sie korrigieren müssen. Dazu gehört aus meiner Sicht auch, dass wir einen Neustart in der Energiewende in Hessen brauchen,

(Beifall bei der SPD)

einen Neustart, der sich auch und stärker auf Fragen der Energieeffizienz und der Energieeinsparung orientiert. Wir brauchen einen Neustart der Energiewende, der die Akzeptanzfragen neu aufruft, weil wir vor Ort viele Konflikte haben, und zwar völlig egal, welchen Parteien die Menschen angehören. Ich bekomme Anrufe von Kollegen der Union, der GRÜNEN und auch der Sozialdemokratie, die mir erklären, warum Anlagen der erneuerbaren Energien bei ihnen vor Ort gerade einmal gar nicht gehen, man aber trotzdem grundsätzlich der Auffassung ist, dass die Energiewende irgendwie funktionieren muss. Langer Rede kurzer Sinn: Wir werden darüber zu reden haben, wie wir in der Nachhaltigkeitspolitik auch an dieser Stelle zu Kurskorrekturen kommen.

Ein weiteres Thema, das ich in diesem Zusammenhang ganz oben auf der Tagesordnung sehe, ist der Umbau des Landesbetriebs Hessen-Forst mit Blick auf das Thema nachhaltige Wirtschaft. Ich glaube, dass man Hessen-Forst ein gutes Stück weit aus seiner Umklammerung als Wirtschaftsbetrieb befreien und den Betrieb neu darauf ausrichten muss, dass er in der Lage ist, nachhaltige Forstwirtschaft zu betreiben – zu welchen Standards, über die wir im Moment ja ganz munter diskutieren, am Ende auch immer.

Für mich bleibt aber der entscheidender Punkt – das will ich auch am Ende dieses Kapitels formulieren –: Auch bei der Energiewende gilt, man muss sie nicht nur wollen, sondern muss sie auch können.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zum vierten Punkt: Zukunft für Heimat und Zugehörigkeit. Herr Bouffier, Sie regieren seit 18 Jahren, und Sie haben 18 Jahre lang eine Politik der Zentralisierung und des Rückzugs aus der Fläche betrieben. Wie ich am Freitag gelesen habe, haben Sie jetzt eine Umfrage durchgeführt. Aufgrund des Ergebnisses der Umfrage kommen Sie zu der Erkenntnis: Man muss jetzt etwas für den ländlichen Raum tun.

(Michael Boddenberg (CDU): Das machen wir schon lange, das wissen Sie doch! Das ist doch nichts Neues!)

Ich will Ihnen offen sagen: Wir hätten dazu keine Studie gebraucht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, wenn die Studie zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, dann hätten Sie, wie ich vermute, wahrscheinlich irgendein anderes Programm entwickelt und hätten anschließend ebenfalls erklärt, dass Sie das sowieso schon immer so gemacht haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Das ist genau das, was Sie machen.

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Wunderbar!)

Der Ministerpräsident stimmt zu. – Ich kann nur sagen: So ein Zugang zu solchen Fragen erinnert mich eher an „wahllos, ziellos, konzeptionslos“.

(Michael Boddenberg (CDU): Da können Sie einmal sehen, wie nahe wir an dem Volksempfinden sind, Herr Kollege! Wir sind genau bei den Menschen mit unseren Einschätzungen!)

Es ist ganz offensichtlich so, Herr Boddenberg, dass Sie diese Sachen mit niemandem vorher abgestimmt haben, außer mit Ihren Werbeagenturen. Das ist offensichtlich.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Am Ende ist ein Sammelsurium von Punkten übrig geblieben, die Sie sowieso machen. Der dickste Brocken ist, dass Sie einmal alle Positionen im Kommunalen Finanzausgleich zusammengezählt haben. Die Frage, wie viele Mittel Sie zusätzlich zu dem aufwenden, was Sie im letzten Jahr sowieso gemacht haben, und was jetzt eigentlich das Neue ist, konnte weder der Wirtschaftsminister noch der Ministerpräsident beantworten.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie bestätigen selbst, dass wir das schon lange machen!)

Das war schon ein erstaunliches Momentum. Aber Hauptsache, Sie haben mit dem neuen Programm eine neue, zusätzliche Stabsstelle geschaffen.

(Günter Rudolph (SPD): Nein? – Zurufe von der CDU)

Das haben Sie hingekriegt. – Offensichtlich trifft der Punkt. Aber wir kommen dazu gleich noch einmal im Detail.

(Günter Rudolph (SPD): Wer muss denn versorgt werden? – Manfred Pentz (CDU): Geht es euch um das Thema, oder was?)