Protokoll der Sitzung vom 31.01.2018

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser amtierender Finanzminister ist ja berühmt-berüchtigt für seinen Wortwitz. Die Eier legende Wollmilchsau wird in Hessen heimisch. Jetzt triumphiert er, dass er eine schwarze Null verkünden kann.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn ich die Hessenkasse umschreiben müsste, so würde ich sagen: ein faules Ei.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Auf den ersten Blick ist es vielversprechend; bei genauerem Hinsehen und Hinriechen fängt es an, zu stinken. Je länger man sich damit beschäftigt, umso schlimmer wird es.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Die Hessenkasse ist ein faules Geschäft. Wären Thomas Schäfer und die Sprecher der Regierungsfraktionen Banker, so würden sie sagen: Es ist ein schlechter Deal für die meisten hessischen Kommunen und genau das Gegenteil von dem, was Dr. Walter Arnold eben vorgetragen hat.

(Beifall des Abg. René Rock (FDP) – Dr. Walter Arnold (CDU): Das sehe ich aber anders!)

Dass Sie das anders sehen, ist klar. Sonst würden Sie das auch nicht einbringen. Ich versuche, Sie davon zu überzeugen – aber das muss ich gar nicht allein, Herr Dr. Arnold, das hat heute Vormittag z. B. schon wieder der Hessische Städtetag gemacht –, dass die Hessenkasse in der nun vorgelegten Art und Weise ungerecht, unfair und leistungsfeindlich ist. Alle drei negativen Kriterien sind durch die gestrige Pressekonferenz nunmehr belegt. Deshalb müssen wir uns daran begeben, dieses Werk ein bisschen zu durchleuchten.

Ursprünglich und eigentlich noch im Gesetzentwurf von CDU und GRÜNEN notiert, sollten Kassenkredite in Höhe von 6 Milliarden € vom Land übernommen werden. Seit der gestrigen Pressekonferenz heißt es nunmehr, es sind nur 5,1 Milliarden €.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, wir beide haben doch einmal gemeinsam regieren gelernt. Wir beide waren doch einmal gemeinsam Azubis in der vorherigen Landesregierung.

(Zuruf von der CDU)

Damals haben wir gelernt, seriös ist es, wenn richtig auf Papier gebracht wird, was auch sechs Wochen später noch zählt. Was Sie hier machen, ist nicht seriös.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben noch Ende des letzten Jahres gehört, dass es 6 Milliarden € seien. Das ist noch keinen Monat her. Der Finanzminister ist seit Juli, August letzten Jahres laufend durch Hessen gereist und hat auf allen möglichen Symposien, auf allen Dienstversammlungen von Bürgermeistern usw. usf. darauf hingewiesen, dass es 6 Milliarden € seien.

Ich bin ja nun wirklich nicht ganz unerfahren in diesem Bereich. Außerdem komme ich aus der Wetterau. Ich kann Ihnen sagen, dass das eine und das andere dort in der Vergangenheit nicht ganz korrekt gelaufen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann ja sein, dass es nur Kassenkredite in Höhe von 5,1 Milliarden € gibt, die unter die Definition für die Hessenkasse fallen. Aber warum erfahren wir das, nachdem der Gesetzentwurf eingebracht worden ist, und einen Tag vor der ersten Lesung in diesem Hause? Das ist keine solide Arbeit, lieber Herr Boddenberg. Das macht man einfach nicht.

(Beifall bei der FDP – Zurufe des Abg. Norbert Schmitt (SPD) und des Ministers Tarek Al-Wazir)

So geht man mit der Opposition nicht um. So geht man mit den Kommunalen Spitzenverbänden nicht um.

(Zuruf des Ministers Tarek Al-Wazir)

Herr Al-Wazir, tun Sie mir einen Gefallen und seien bitte ruhig. Ich kann es nicht mehr haben, dass Sie immer meinen, alles kommentieren zu müssen.

(Beifall bei der FDP)

Was Sie da machen, ist zum Fremdschämen, Herr Kollege Al-Wazir.

(Michael Boddenberg (CDU): Der war gut! – Holger Bellino (CDU): Hat der Azubi gelernt?)

Wenn Sie sich nicht disziplinieren können, dann müssen Sie leider hinausgehen oder auf die Abgeordnetenbank wechseln. Das stört eminent. Sie wissen das, weil Sie es früher auch immer getadelt haben. Also bitte seien Sie nicht nur etwas ruhig, sondern ganz ruhig.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie sagen, ist ja zum Fremdschämen. Ich habe es vielleicht drei-, viermal gemacht, und dann habe ich es eingestellt, weil ich wusste, dass man es nicht tut.

(Unruhe)

Sie können mich gar nicht vom Thema ablenken. Was ist denn auf einmal in den letzten Wochen passiert? Wieso haben Sie denn von 6 Milliarden € auf 5,1 Milliarden € reduziert? – Das geschah auf alle Fälle nicht, um die Belastung und den Umfang der Hessenkasse den Notwendigkeiten anzupassen. Das haben Sie nicht getan.

Ich bin Herrn Dr. Dieter sehr dankbar, dass er heute noch einmal darauf hingewiesen hat – ich zeige die Folien jetzt nicht, weil jeder sie schon auf seinem Rechner hat –: Wie

so kommt auf einmal der weitere Titel „sonstige kommunale Zwecke“ hinzu, wenn der Bedarf zum 30. Januar 2018 nur noch bei 5,1 Milliarden € liegt, die Zinsen nur noch bei 2,55 und nicht mehr bei 3 % liegen und das Investitionsprogramm meinetwegen von 510 Millionen auf 600 Millionen € erhöht wird? Was soll das denn bedeuten? 1,260 Milliarden € wollen Sie nunmehr aus der Hessenkasse herausnehmen, damit Sie als Abgeordnete von CDU und GRÜNEN und insbesondere die Mitglieder der Landesregierung nach einem Kriterienkatalog, den keiner von uns kennt, in den nächsten Monaten durch das Land ziehen und den Kommunen Schecks ausschreiben können. Das macht man nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das ist nicht nur unseriös. Das macht man einfach nicht. Ich kann die Kommunen verstehen, wenn sie auf die Barrikaden gehen. 76 % – 76 %! – der Kosten der Hessenkasse zahlen die Kommunen selbst. Jetzt muss ich mich auf das beziehen, was gestern gegolten hat, weil ich die neue Berechnung noch nicht habe.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Herr Dr. Arnold hat es eben sogar vorgetragen. Vielen Dank für diese Ehrlichkeit. Wenn man das addiert, dann beträgt der Eigenanteil 3 Milliarden €. Die Gewerbesteuerumlage für den Fonds Deutsche Einheit sind Mittel der Kommunen in Höhe von 1,8 Milliarden € ab 2019. Der erste Vorwurf lautet: 76 % des Geldes, das umverteilt wird, haben die Kommunen eigentlich in ihrer eigenen Kasse zu haben. Das Land hat ihnen dieses Geld nicht wegzunehmen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Der zweite Vorwurf ist: Warum müssen sich eigentlich auch die Kommunen an dieser Finanzierung beteiligen, die nichts aus der Hessenkasse bekommen, die nicht finanzschwach sind und die auch keine Investitionszuschüsse bekommen? Warum wird ihnen im Zuge der Gewerbesteuer, warum wird ihnen im Zuge des Landesausgleichsstocks Geld entzogen? Finden Sie das fair? Finden Sie das gerecht? Ist es schwarz-grüne Kommunalpolitik, dass die Ehrlichen, diejenigen, die ihre Haushalte in den Griff bekommen haben, jetzt die Dummen sind?

Manche haben nach dem Motto „Koste es, was es wolle“ gewirtschaftet. Schöne Grüße an den Landkreis Offenbach und eine ganze Reihe von Kommunen im Landkreis Offenbach. Sie trinken keinen billigen Faber-Sekt mehr. Sie trinken nur noch den teuersten Champagner, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die haben über Jahrzehnte hinweg gut gelebt und Schulden über Schulden gemacht. Jetzt soll das z. B. Eschborn, Bad Vilbel oder auch Mainhausen zahlen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist denn daran gerecht? Was ist daran fair? Wie können Sie uns so etwas vorlegen?

(Beifall bei der FDP)

Ich will Ihnen zum Abschluss sagen – die zehn Minuten Redezeit will ich gar nicht ausnutzen –: Angesichts dessen, wie sich der Gesetzentwurf in den letzten 24 Stunden verändert hat, kann ich Ihnen nur raten, ihn zurückzuziehen. Ich kann Ihnen nur raten, die Arbeiten noch einmal zu beginnen. Ich kann Ihnen nur raten, mit den Vertretern der Kommunen noch einmal ins Gespräch zu kommen.

Ich habe es in den vergangenen 30 Jahren nicht erlebt, dass sich einer der drei großen Verbände der kommunalen Familien mit einer Kampagne in die Debatte einmischt. Das hat der Hessische Städtetag heute getan, und ich danke ihm noch einmal ausdrücklich dafür, denn er konnte die Zahlen aufarbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Schwarzen und den GRÜNEN, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie mit dem Hauruckverfahren, das Sie geplant haben – sogar für das Verfahren –, durchkommen. Natürlich wird es – Sie werden den Gesetzentwurf nicht zurückziehen – eine ausführliche Anhörung geben. Jeden Bürgermeister und jede Bürgermeisterin, die unter die Kategorie „Wir kriegen nichts von der Hessenkasse, aber wir müssen dafür etwas zahlen“ fallen, werden wir bitten, als Anzuhörende in den Landtag zu kommen, damit Ihnen einmal deutlich wird, was Sie in den Kommunen anrichten.

Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Ihre eigenen Parteifreunde – ich könnte Ihnen aus der Union fünf nennen – es gut finden, was Sie da machen. Ich habe gestern, als wir in einem anderen Zusammenhang darüber diskutiert haben, von jemandem gehört – ich glaube, es war der Innenminister, der mir das vorgehalten hat –, ein Kommunalpolitiker müsste auch schlechte Entscheidungen treffen. Recht hat er.

(René Rock (FDP): Das war Herr Bauer!)

Das war Herr Bauer, okay.

Herr Kollege Hahn, jetzt haben Sie es doch geschafft, die Redezeit zu überziehen.

Ich stehe voll und ganz hinter dieser Aussage. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss hinter den Entscheidungen stehen, die man selbst trifft. Sie oktroyieren einer Vielzahl von Kommunen, die das nicht wollen, die Entscheidung, auf Geld zu verzichten. Deshalb sind wir gegen diesen Gesetzentwurf. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Warnecke, SPD-Fraktion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Präsidentin! Herr Dr. Hahn hat den Fokus zu Recht auf die Frage gelegt, wie das ganze Verfahren war. Ich will den Fokus noch auf ein paar andere Dinge lenken.

Erstens. Herr Dr. Arnold, ich danke Ihnen herzlich dafür, dass Sie jetzt gesagt haben, Sie wollten das Verfahren etwas entzerren. Das entspricht eigentlich auch den demokratischen Usancen.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)