Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Aber wir haben natürlich Möglichkeiten, diverse Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich will es einmal angehen. Der Ärztemangel im ländlichen Raum ist nicht politisch gewollt. Er ist auch nicht politisch verursacht. Das hat etwas mit dem demografischen Wandel zu tun bzw. mit dem Umzug von Menschen von dort in die Ballungsräume, wo sie Arbeit finden.

Das betrifft nicht nur die gesundheitliche Versorgung, das betrifft auch die Kindergärten und Schulen, die immer weniger Kinder vorfinden, sodass es wirtschaftlich uninteressanter wird. Wir müssen uns mit verschiedensten Maßnahmen dagegenstemmen. Wir müssen kreative Lösungen finden. Ich finde, dass wir mit dem Gesundheitspakt 2.0, mit der Ansiedlungsförderung oder den Praktika in den Landarztpraxen richtige Initiativen eingeleitet haben. Bestimmte Sachen kann man aber nicht erzwingen. Wir können keinen Studenten zwingen und ihm sagen, um das Beispiel aufzugreifen: Mit der Ableistung deines Studiums kommst du nach Waldeck-Frankenberg. – Es bleibt immer noch die Berufsfreiheit, die Berufswahlfreiheit, und es ist schwierig, sie zu überzeugen.

Deswegen finde ich, es ist bei der Ansiedlung von Arztpraxen, oder wie sie geführt werden, ein richtiges Argument, zu sagen: Wenn wir wissen, dass Medizin immer weiblicher wird und dass viele von den abgehenden Medizinerinnen und Medizinern Angst davor haben, ein wirtschaftliches Risiko zu übernehmen, müssten wir kommunale Modelle noch stärker fördern, wie es in Büsum passiert ist, wo die Gemeinde Ärzte in einem medizinischen Versorgungszentrum angestellt hat und die Verwaltungsabrechnung vereinfacht hat. Das soll aber dort geschehen, wo es vor Ort benötigt wird.

Wir fordern die KVen auch auf, dort, wo es passiert, z. B. in Niddatal, wo es erkennbar ist, dass Ärzte fehlen, schneller zu reagieren und die Arztsitze freizugeben. Wir brauchen mehr von diesen Modellen. Wir brauchen ein entschlossenes Handeln von allen Akteuren, um die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum zu sichern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Thema, das mich mit größter Sorge umtreibt, ist die gesundheitliche Versorgung durch Pflegekräfte. Ich muss etwas lobend erwähnen, wenn es zutrifft. Die Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene sind noch nicht abgeschlossen. Aber gestern kam in der „Tagesschau“ – korrigieren Sie mich, wenn das nicht der letzte Stand ist – die Meldung, dass 8.000 Pflegekräfte zusätzlich finanziert werden sollen. Ich finde das erst einmal löblich. Ich lasse jetzt einmal das Komma weg, aber ich erwähne es trotzdem: Wir haben 13.000 Einrichtungen. Das bedeutet, „8.000 Pflegekräfte“ klingt viel, aber es ist für jede Einrichtung nur eine halbe Stelle mehr. Ich will es nicht schlechtreden. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es ist weitaus nicht das, was wir brauchen.

Ich wünsche mir, dass von der Bundesregierung noch mehr kommt. Aber es ist nicht falsch. Sie haben das Problem auf die Tagesordnung gesetzt, und wir müssen alles tun, damit der Beruf attraktiver wird. Sie haben auf Bundesebene auch gesagt, Sie wollen die Bezahlung verbessern. Jeder Schritt, der in die richtige Richtung geht, wird von uns GRÜNEN unterstützt, auch wenn er von der Großen Koalition kommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen mehr Pflegekräfte in den Einrichtungen. Ich glaube, hierfür arbeiten wir im Land mit unterschiedlichsten Maßnahmen. Die Stabsstelle Fachkräftemangel ist auch hier mit unterschiedlichsten Initiativen daran.

Zum Thema Krankenhaus. Ich nenne nur die Ortschaften; Sie wissen, was gemeint ist. Lindenfels wurde geschlossen. In Groß-Gerau hat der Landkreis sich selbst entschlossen, es weiterzuführen. Wir haben jetzt die Frage der HeliosKlinik in Bad Schwalbach. Es geht immer wieder um diese Frage. Natürlich haben die Landkreise die Verantwortung für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung.

Ich will das einmal konkret machen. Der Rheingau-Taunus-Kreis hat sich dafür entschieden, eine Klinik zu privatisieren. 15 Jahre später läuft sie wirtschaftlich nicht mehr, weil sie nur noch eine Auslastung von 40 % hat. Man steht dann vor einer wirtschaftlich schwierigen Situation und entscheidet sich dafür, diesen Standort zu schließen und mit der Klinik in Rüdesheim die Kapazitäten zu retten. Diese Einrichtung soll dann in eine psychosomatische Klinik umgewandelt werden. Da werden wir als Land zur Verfügung stehen und das fördern.

Schließungen sind keine Lösung als solche. Wir brauchen Verbundlösungen. Wir müssen mit Unterstützung umstrukturieren, so wie es jetzt auch passiert. Das haben wir im Sozialpolitischen Ausschuss vorgestellt bekommen. Das ist der richtige Schritt. Wir wollen keine Schließungen. Wir wollen, dass die Gesundheitsversorgung überall gleichwertig sichergestellt wird. Wenn Menschen ihre eigene Klinik nicht mehr besuchen, dann muss man zur Verfügung stehen und Umstrukturierungsmaßnahmen einleiten. Auch hier geht die Landesregierung, wie ich finde, kreativ und vorbildlich voran.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Bei der Geburtshilfe steht uns ein großes Problem bevor. Ich will gerne bei der Helios-Klinik bleiben. Ich habe mir die Zahlen noch einmal angeschaut. Die Helios-Klinik und auch andere Krankenhäuser z. B. in Rüdesheim haben zum Teil nur eine 5-prozentige Auslastung der Geburtshilfe.

Das sind sehr wenige Geburten. Trotzdem haben sich diese Krankenhäuser angeboten.

Ich kann Ihnen sagen: Das ist in ganz vielen Krankenhäusern in Hessen so, gerade im ländlichen Raum. – Wir stehen also vor der großen Herausforderung, wie wir die Geburtshilfe den Schwangeren flächendeckend zur Verfügung stellen können. Wie gelingt es uns, wieder mehr Hebammen für diesen Beruf zu gewinnen? – Die Krankenkassen müssen die Hebammen besser finanzieren. Wir müssen endlich eine Lösung finden.

Ich hoffe, es kommt von der neuen Bundesregierung endlich, dass die Versicherung für die selbstständigen Hebammen übernommen wird oder in ein gutes Versicherungssystem überführt wird. Wenn die Bundesregierung wieder nicht reagiert, kann ich mir vorstellen, dass das Land dann eine Übergangslösung findet, weil wir den Hebammen in diesem Land helfen müssen. Denn wir brauchen sie bei der Begleitung, bei der Geburt und bei der Nachsorge für die gebärenden Frauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Astrid Wallmann (CDU))

Ich habe die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum, die Pflege, die Geburtshilfe und die zukünftigen Krankenhäuser beschrieben. Ich will noch ein letztes Thema ansprechen.

Ich glaube, dass das nicht nur eine Frage des ländlichen Raums ist, sondern auch eine der Ballungsgebiete: Wie organisiert sich die Gesundheitsversorgung in der Zukunft? – Es kann und darf nicht mehr so bleiben, dass die Krankenhäuser, die stationären Einrichtungen, für sich mit Scheuklappen bleiben und dass die ambulante Versorgung mit Scheuklappen vor sich hinarbeitet. Wir haben dann noch Rehabilitations- und Versorgungseinrichtungen. Ich nenne explizit noch die Apotheken und andere.

Wir müssen alle Akteure in Gesundheitsregionen zusammenbinden. Auch dafür gibt es ein gutes Modell. Ich nenne es einmal das Modell Beerfelden. Wenn es ausgewertet ist, werden wir versuchen, es dort, wo es gewünscht wird, flächendeckend auszustreuen. Das ist die Zukunft. Wir brauchen die Vernetzung aller Akteure im Gesundheitsbereich. Im Land Hessen werden schon erste konkrete Schritte gemacht.

Ich glaube, die Koalition und die GRÜNEN sind da sehr gut aufgestellt. Ich bin guten Mutes, dass die wenigen Möglichkeiten, die die Landespolitik hat, in vollem Umfang genutzt werden. Das ist sehr ehrgeizig. Gerade der Gesundheitsminister wird auf Bundesebene immer wieder als Experte herangezogen. Er wird gefragt: Wie macht ihr das eigentlich in Hessen?

Diese Schritte muss man weiterhin machen. Die Landespolitik muss tatsächlich jeden einzelnen Strohhalm – ich nenne es einmal so – nutzen, damit wir die Versorgung im ländlichen Raum und in den Städten gewährleisten können. Wir müssen genug Pflegepersonal haben. Wir müssen genug Nachwuchs bei den Ärzten haben. Wir müssen die Krankenhäuser und die Praxen so vorfinden, dass es bedarfsgerecht ist.

Ich bin sehr optimistisch, dass uns das gelingen wird. Das ist eine Herkulesaufgabe. Daran muss man täglich schwer Schritt für Schritt arbeiten. Ich glaube aber, dass wir gut aufgestellt sind. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Minister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den Beiträgen der Rednerinnen der Opposition weiß ich nicht immer ganz genau, ob es nur Oppositionsrhetorik ist oder ob es tatsächlich ein Mangel an dem Durchdringen des Systems des Gesundheitswesens in Deutschland ist. Ich denke, es ist wahrscheinlich beides. Denn ansonsten würden solche Reden, wie sie Frau Dr. Sommer und auch Frau Schott gehalten haben, nicht gehalten werden können.

Ich hatte das große Vergnügen – oder auch nicht, je nachdem, wie man es nimmt –, im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene drei Tage in der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ zu sitzen. Sie werden sich wundern. Die Themen, die Sie angesprochen haben, die uns alle bewegen, sind welche, die auch dort intensiv diskutiert wurden. Denn es sind die Themen, die im deutschen Gesundheitswesen nicht singulär in Hessen in einem Landkreis sind, sondern sie existieren flächendeckend in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

An dieser Stelle wird auch klar, dass diese Probleme nicht gelöst werden können, indem die Hessische Landesregierung erklärt, dort müsse ein Arzt seinen Sitz haben, aber es ist immer noch kein Arzt da. Da geht es um die freie Berufswahl und den Aufbau des Gesundheitssystems in Deutschland, bei dem unglaublich viele Verantwortlichkeiten auf die Selbstverwaltungskörperschaften übertragen wurden. Das kann man für richtig oder für falsch halten. Aber wir müssen mit dem System leben.

Beispielsweise hat das Dr. Bartelt gesagt. Weil sich die Kassenärztliche Vereinigung Hessen in den Honorarverhandlungen nicht mit den Krankenkassen geeinigt hat, hat sie die Förderung der Ansiedlung, zu der sie sich gegenüber dem Land Hessen verpflichtet hat, ausgesetzt, indem sie gesagt hat: Wir machen schlicht und einfach keine Ansiedlungsförderung mehr, weil wir die Kohle für unsere Honorare brauchen.

(Zuruf)

Das hat Herr Dr. Bartelt genau so gesagt. Er hat gesagt: Aus systemwidrigen Gründen hat sich die Kassenärztliche Vereinigung Hessen aus einem Teil des vereinbarten Paktes zurückgezogen.

(Zuruf)

Das sage ich Ihnen. Sie haben sich zurückgezogen, weil die Honorarverhandlungen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit den Krankenkassen im ersten Anlauf gescheitert sind. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hat dann gesagt: Das Geld, zu dessen Auszahlung wir uns gegenüber dem Land verpflichtet haben, bezahlen wir nicht aus. Wir behalten es für uns selbst. – Das hat dazu geführt, dass ich die Verantwortlichen einbestellt und erklärt habe: Pacta sunt servanda.

Im Übrigen tut man so, als ob das Thema jetzt erst aufkommen würde. Wir haben im Jahr 2011 den ersten Pakt zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung auch in ländlichen Gebieten mit den Beteiligten in Hessen geschlossen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie loben die „Landpartie 2.0“ und glauben, dass sie vom Himmel gefallen sei. Sie gibt es aber, weil wir schon seit Jahren die Kompetenzzentren Weiterbildung in der Allgemeinmedizin an den Universitäten in Frankfurt und in Marburg fördern. Wir fördern sie als Land mit 250.000 € im Jahr. Über diesen Weg werden die „Landpartien 2.0“ gemacht. Da geht es um Honorarverhandlungen und um die Zulassungen. Da geht es um die Fragestellung der Zulassungssperren. Da geht es um die Bedarfsplanung und um Kinderärzte.

Als ob wir nicht wüssten, dass es schwierig ist, einen Kinderarzt zu bekommen. Also frage ich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen nach. Witzigerweise hat dann der Vorsitzende etwas gesagt. Das kann man sagen, ohne die Vertraulichkeit zu brechen, weil das in einem großen Kreis gewesen ist. Er sagte: Ich bin in eine der aufstrebendsten Städte Hessens gezogen, nämlich nach Offenbach. Ich bin Vater von Zwillingen geworden. Leider finde ich aber in Offenbach keinen Kinderarzt. – Da habe ich gefragt: Was tust du denn jetzt? – Dann sagte er: Nach der Bedarfsplanung gibt es dort 119 %. Wir sind da überversorgt. – Dann sagte ich: Dann geht doch, bitte schön, hin und macht dort eine Sonderzulassung. – Dann sagte er: Das müssten wir dann selbst bezahlen.

Bei diesen Fragestellungen kann die Landesregierung das nicht auf den Weg bringen. Vielmehr geht das nur durch bundesgesetzliche Regelungen. Ich hoffe, dass es trotz der Umfrageergebnisse, die heute bekannt wurden, in der Tat zu einer Koalition in Berlin kommt. Denn das, was wir für den Gesundheitsbereich vereinbart haben, wird uns Ländern endlich die Möglichkeit eröffnen, tatsächlich auch steuernd mit eingreifen zu können. Das ist dann ein Stück weit weg von der Selbstverantwortung hin zur staatlichen Verantwortung.

Dann können wir darüber diskutieren, welche Verantwortung wir haben. Frau Dr. Sommer, solange wir diese Verantwortung nicht haben, sollten Sie es nachlesen, wenn Sie es nicht wissen, oder die Oppositionsrhetorik lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

An der Stelle will ich schon eines sagen. Das ist nicht hessenspezifisch. Heute kamen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage heraus. 85 % der Versicherten sind mit dem Gesundheitssystem in Deutschland zufrieden oder sehr zufrieden. Es sind 85 %. Da sind auch 85 % der Hessen dabei.

(Manfred Pentz (CDU): So ist das!)

Wir gehen frühzeitig die Probleme an, die sich uns stellen. Wir versuchen, mit den Partnern, die die Verantwortung tragen, Lösungen zu suchen.

Unseren Beitrag leisten wir dazu. Wir leisten ihn, indem wir die Digitalisierung vorantreiben. Ich nenne nur ein Beispiel, weil Sie die „Landpartie“ angesprochen haben. Wir waren bei einem Landarzt im Bereich Hersfeld-Rotenburg. Er hat gesagt: Früher habe ich als Arzt persönlich 200 Hausbesuche im Quartal hinbekommen. Jetzt habe ich zwei VERAHs eingestellt, also Versorgungsassistentinnen

im hausärztlichen Bereich. Wir haben die Zahl der Hausbesuche auf 220 im Quartal hochgeschraubt, aber ich persönlich mache nur noch 50 davon. Die 150 Besuche, die ich einspare, bin ich für meine Patienten in der Praxis da. – Das unterstützen wir mit unserer Digitalstrategie.

(Beifall bei der CDU)

Das unterstützen wir, indem wir Hilfestellungen leisten.

(Beifall bei der CDU)

Das unterstützen wir, indem wir in den unterschiedlichsten Bereichen etwas auf den Weg bringen. Damit ist der ArztPatient-Kontakt gewahrt.