Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Wilken. – Damit liegen mir keine Wortmeldungen mehr vor.

Die erste Lesung ist erfolgt, und wir verweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Hauptausschuss.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Brandund Katastrophenschutzgesetzes und des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung – Drucks. 19/6053 –

Zur Einbringung spricht Herr Staatsminister Beuth. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir legen Ihnen die Änderungen zum Hessischen Brand

und Katastrophenschutzgesetz zur Beratung vor. Wir haben Ihnen nach einer ausgiebigen Evaluierung des Gesetzes folgende Vorschläge zu machen.

Wir haben uns neben der normalen und gängigen Evaluierung eines solchen Gesetzes natürlich auch an dem Rechtsrahmen zu orientieren, der sich um uns herum ergeben hat. Daher hatten wir die Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie ebenfalls im Gesetz vorzunehmen. Danach werden die Anforderungen für die Erstellung und den Inhalt von Notfallplänen entsprechend der Seveso-III-Richtlinie vorgesehen.

Meine Damen und Herren, das Land Hessen fördert den Brand- und Katastrophenschutz wie kaum ein anderes Land in Deutschland, wahrscheinlich sogar darüber hinaus. Wir haben insbesondere im Jahr 2017 den Brand- und Katastrophenschutz wieder sehr umfangreich ausgestattet. Wir haben im Lande eine Förderung für den Brand- und Katastrophenschutz, insbesondere für die Feuerwehren, von 22 Millionen € im Jahr 2017 vorgesehen. Das war der höchste Förderbetrag, den es jemals gegeben hat, eine Rekordsumme innerhalb eines Haushaltsjahres. Allein im Jahr 2017 – ich finde, es ist wichtig, dass wir das im Rahmen der Beratungen des Grundgesetzes unserer Feuerwehren und Katastrophenschutzorganisationen verdeutlichen – haben wir mit 190 Fahrzeugen in der Beschaffung, dem Vorbescheid über 50 weitere Fahrzeuge und dem Bau von 50 Feuerwehrhäusern eine herausragende Unterstützung für unsere Feuerwehren geleistet. Ich finde, darauf können wir insgesamt sehr stolz sein.

Meine Damen und Herren, zuvor haben wir in den letzten zehn Jahren mit fast 1.300 Maßnahmen und rund 105 Millionen € genau in diesem Bereich gefördert. Für unsere 80.000 Angehörigen der freiwilligen Feuerwehren und Helferinnen und Helfer im Brand- und Katastrophenschutz, für deren Dienst wir sehr dankbar sind, haben wir, was die Ausstattung angeht, ordentlich gesorgt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Darüber hinaus will ich nicht verhehlen, dass wir auch im Bereich des Katastrophenschutzes in den letzten Jahren seit 2008 ungefähr 50 Millionen € investiert haben. Wir haben allein dort den Fahrzeugpark an Landesfahrzeugen von 278 auf über 600 mehr als verdoppelt. Das ist eine schöne Zahl. Die Tatsache, dass wir dafür vom Bund benachteiligt werden, ist ein sicherer Hinweis dafür, dass in anderen Bundesländern die Förderpraxis ganz offensichtlich eine andere ist. Bei uns ist sie jedenfalls gut.

Das Brand- und Katastrophenschutzgesetz sieht nunmehr ein paar Veränderungen vor, die für unsere Feuerwehren und für den Katastrophenschutz außerordentlich wichtig sind. Zum einen haben wir vorgesehen, dass die Städte und Gemeinden verdeutlicht bekommen, dass sie für den Erhalt und die Gewinnung unserer ehrenamtlichen Kräfte mit zuständig sind. Ich finde, dass wir gegenüber den Trägern der Aufgabe auch im Rahmen des Gesetzes noch einmal sehr dezidiert deutlich machen, dass sie ihren Beitrag entsprechend zu leisten haben. Wir tun das ebenfalls seitens des Landes.

Wir haben vorgesehen, dass die Städte und Gemeinden bei der Evakuierung einer Mitwirkungspflicht unterliegen. Auch das ist im Gesetz entsprechend vorgesehen. Darüber hinaus haben wir uns das Thema Brandschutzerziehung vorgenommen, das unter vielfältigen Gesichtspunkten wichtig für den Brandschutz in unserem Land ist, zum einen dafür, dass wir schon Kindern vor Augen führen, wie

mit Feuer und Licht umgegangen wird. Zum anderen bietet die Brandschutzerziehung für die Feuerwehren natürlich die Möglichkeit, innerhalb der Schulen für Nachwuchs zu werben. Hier werden wir die Erstattungsansprüche für die ehrenamtlich tätigen Feuerwehrkräfte entsprechend verändern.

Wir werden darüber hinaus eine Befugnisnorm mit § 12 Abs. 11 HBKG schaffen. Das ist nicht so ganz einfach. Es ist keine einfache Geschichte, die wir uns da vorgenommen haben. Denn damit werden wir ein bisschen an der Autonomie der Feuerwehren in unserem Land kratzen. Aber es war der ausdrückliche Wunsch des Landesfeuerwehrverbandes und der ausdrückliche Wunsch der Kommunalen Spitzenverbände, dass wir für die Städte und Gemeinden, die ein Bauaufsichtsamt haben, die Möglichkeit schaffen, den Stadtbrandinspektor hauptamtlich zu führen. Auch das ist eine wichtige Veränderung, die wir vorschlagen.

Das Folgende ist etwas, was im Land natürlich diskutiert wird. Ich bekomme dazu auch die eine oder andere Zuschrift aus den Landkreisen. Wir brauchen für die Feststellung eines Katastrophenfalls objektive Standards. Die haben wir in der Vergangenheit nicht gehabt.

Wir dürfen nicht vergessen, dass, wenn auf der Kreisebene der Katastrophenfall ausgerufen wird, wir die Ermächtigung dafür schaffen, dass in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger sehr massiv eingegriffen werden kann. In einem Katastrophenfall stehen Grundrechte wie die Freizügigkeit, die Unverletzlichkeit der Wohnung oder die Gewährleistung des Eigentums vorübergehend möglicherweise unter Einschränkung.

Ich finde, wir sollten sicherstellen, dass wir eine angemessene Kontrolle bei diesen schwerwiegenden Grundrechtseingriffen haben, indem wir einheitliche Standards sicherstellen. Das geht, indem die Zustimmung der obersten Katastrophenschutzbehörde in dem besonderen Fall der Ausrufung des Katastrophenfalls eingeholt wird. Ich halte das für wichtig, um in diesem Fall allgemeine Standards sicherzustellen.

Lassen Sie mich ein letztes Thema ansprechen, das wir ebenfalls regeln werden. Das ist die Neuregelung für das Tragen der Kosten bei der sogenannten Tragehilfe. Wir hatten in der Vergangenheit häufiger die Situation, dass die Hilfsorganisationen von den Feuerwehren unterstützt werden mussten, um den Transport stark übergewichtiger Patienten aus den Häusern sicherzustellen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Feuerwehren, auch wenn sie zum großen Teil mit ehrenamtlichen Kräften unterwegs sind, die Kostentragungspflicht auslösen und die Kosten erstattet bekommen.

Meine Damen und Herren, nach einer umfassenden Evaluierung ist das der Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes. Ich freue mich mit Ihnen auf eine muntere Debatte in den Ausschüssen und während der weiteren Lesungen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, vielen Dank. – Zu Wort hat sich Herr Kollege Franz für die SPD-Fraktion gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die eingebrachte Novelle des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes und die damit verbundenen Änderungen des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung sollen die Gesetze besser machen. Das ist jedenfalls der formulierte Anspruch. Ob dieser Anspruch erreicht wird, hängt für die Mitglieder der SPDFraktion von drei Kategorien der Bewertung ab:

Erstens. Was ist bei den vorgesehenen Änderungen des Entwurfs rechtlich unstrittig oder wird nur der erforderlichen redaktionellen Ergänzung dienen?

Zweitens. Wo ist ein notwendiger Anpassungs- und Regelungsbedarf durch veränderte Rahmenbedingungen gegeben? Wie wird das ausgestaltet?

Drittens. Gibt es vorgesehene gesetzliche Änderungen, die im Gegensatz zu einer erfolgreich ausgeübten Praxis stehen, diese konterkarieren und damit Widerstände oder Fehlinterpretationen provozieren?

Unter Punkt eins ist sicherlich unstrittig, dass die sogenannte Seveso-III-Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats in nationales Recht übernommen werden soll. Da der Katastrophenschutz in die Zuständigkeit der Länder fällt, muss eine Regelung in § 48 HBKG erfolgen.

Für Städte und Gemeinden mit einem Störfallbetrieb ist diese Richtlinie von besonderer Bedeutung. Für diese muss die untere Katastrophenschutzbehörde in erweitertem Umfang externe Notfallpläne erstellen.

Sicherlich ist auch im Rahmen der Änderung des HSOG unstrittig, dass die Behörden und die Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, d. h. die Polizei, die Feuerwehr und die Rettungsdienste, auf einen überall voll funktionsfähigen digitalen Funk Zugriff haben müssen. Das erfordert eine klar definierte Zuständigkeitsregelung, wie sie mit der Landeskoordinierungsstelle beim Hessischen Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung vorgesehen wird.

So weit, so gut. Im letzten Jahr hat Herr Staatssekretär Koch auf der Versammlung des Landesfeuerwehrverbandes formuliert, es gebe beim Digitalfunk noch 100 Baustellen. Da ist es sicherlich die Aufgabe, zunächst die Optimierung auf allen Ebenen herbeizuführen, damit man dann auch sinnvoll koordinieren kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unstrittig ist daher, dass die neu eingeräumte Ermächtigung ermöglichen muss, auch gegen den Willen der Eigentümer oder der Nutzungsberechtigten in größeren Objekten, z. B. in den Einkaufszentren, Gebäudefunkanlagen zu installieren.

Dass die Landkreise und die kreisfreien Städte künftig die Kosten der Aufschaltung der Brandmeldeanlagen mit einer zentralen Leitstelle einschließlich einer Brandmeldeempfangszentrale refinanzieren können, ist zu begrüßen. Bei der Modernisierung der Leitstellen geht es nach Ansicht

des Landesfeuerwehrverbandes nur im Schneckentempo voran. Wenn dann auch noch der hessische Sozialminister formuliert, die Leitstellen seien der Spielplatz für die Feuerwehrmänner, muss ich sagen, schießt man weit über das Ziel hinaus und diskreditiert letztendlich die, die in diesem System arbeiten.

Zugleich liefert diese Aussage natürlich erneut Argumente dafür, die Zuständigkeit für die Rettungsdienste im Innenministerium zu verankern. Das Programm der SPD für die Landtagswahl im Herbst sieht dies jedenfalls vor.

Mit § 61 HBKG soll nunmehr die sogenannte Tragehilfe geregelt werden. Der Herr Minister hat schon darauf hingewiesen. Es ist teilweise so, dass das Verständnis der öffentlichen und privaten Arbeitgeber für solche Einsätze nachvollziehbar schwierig ist. Aber das ist eine Aufgabe, die erfüllt werden muss. Teilweise sind sogar die Geräte und die Transportmöglichkeiten technisch neu anzupassen, damit man die entsprechende Statik vorhalten kann.

Zweitens. Wo ist ein Bedarf für notwendige Anpassungen der Regelungen durch veränderte Rahmenbedingungen gegeben? Wie sind diese ausgestaltet? Ich will dabei die Themen Evakuierung und Nachwuchsgewinnung in den Fokus nehmen.

Nach dem Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz des Bundes obliegt die Zuständigkeit für Evakuierungen den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden. Bisher war das in § 28 HBKG geregelt. Der Standard dieser Aufgabenerfüllung wird jedoch erweitert werden. Das heißt, für die Aufnahme und die Versorgung der evakuierten Bevölkerung sind notwendige Vorbereitungen und Maßnahmen zu treffen.

Die Frage der Konnexität stellt sich nach meiner Einschätzung hierbei nicht. Uns, die Mitglieder der SPD-Fraktion, interessiert in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der Kommunalen Spitzenverbände. Darauf sind wir gespannt.

§ 10 Abs. 1 Satz 4 HBKG wird noch einmal verstärkt betonen, dass die Gemeinden im Rahmen ihrer Unterstützung und Förderung für die Erhaltung und Gewinnung ausreichenden Personals bei den freiwilligen Feuerwehren zu sorgen haben. Das ist allgemein formuliert, aber doch mit einer klaren Erwartungshaltung versehen.

Die Personalfrage ist die Herausforderung für alle freiwilligen Feuerwehren. Patentrezepte gibt es dafür sicherlich nicht. Über die Vor- und Nachteile der Arbeit in den Feuerwehren reden gerade junge Aktive sehr offen.

Ein junger Feuerwehrmann hat mir in seiner wöchentlichen Übungsstunde gesagt: Ich bin gerne Feuerwehrmann, aber ich bin auch gleichzeitig Schiedsrichter für den Hessischen Fußball-Verband. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mich für die Tätigkeit als Schiedsrichter entscheiden. – Ich habe ihn dann gefragt: Warum? – Er sagte: Ich bekomme eine kleine Aufwandsentschädigung. Zudem habe ich, wie übrigens alle Schiedsrichter in Hessen, die gleichen Vorteile mit einem günstigen Leasingangebot für ein Fahrzeug. Zusätzlich komme ich in die Fußballstadien der Bundesliga hinein.

Ich will hier nicht einer Bezahlung das Wort reden. Vielmehr will ich den Fokus auf etwas anderes richten. Es wäre sicherlich nicht richtig, wenn aufgrund dieser Änderung des Gesetzes ein Wettbewerb entstehen würde, welche

Kommune die günstigsten Bedingungen für die ehrenamtlich Tätigen bei den freiwilligen Feuerwehren liefern kann.

Ich bin der Überzeugung, dass das landesweit möglichst gleich sein muss, damit auch diejenigen, die in Gemeinden wohnen, die nicht so finanzstark sind, die gleichen Vorteile in dem Bereich nutzen können. Ansonsten hielte ich eine solche Regelung, eine solche Spreizung letztendlich auch für verantwortlich dafür, dass das System der freiwilligen Feuerwehren über kurz oder lang infrage gestellt wird. Ich bin der Meinung, auch hier gibt es eine Koordinierungsaufgabe für den Landesfeuerwehrverband, sodass man landesweit möglichst in eine Richtung vorgehen kann und es nicht zu gravierende Unterschiede in dem Bereich gibt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Unabhängig davon wird eine intensivere Unterstützung der ehrenamtlichen durch hauptamtliche Kräfte vonnöten sein. Die Regelung, dass neben den Sonderstatusstädten auch Städte mit eigenem Bauaufsichtsamt ihre Stadtbrandinspektorin oder ihren Stadtbrandinspektor bestimmen und hauptamtlich bestellen können, ist sicherlich hilfreich. Ob allerdings lediglich die Anhörung der Ehrenamtlichen dazu ausreicht, eine solche Entscheidung zu legitimieren, stelle ich infrage.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen beruht auf der Anerkennung der fachlichen Kompetenz und der dazu erforderlichen sozialen Kompetenz. Statt des schwachen Instruments der Anhörung sollte daher eine echte Beteiligung in Form eines positiven Votums eingeräumt werden.

(Beifall bei der SPD)