Ich erinnere: Es gab das „Staufreie Hessen 2015“. Daraus wurde „Mobiles Hessen 2020“. Das ist die Strategie mit den 38.000 km Stau.
Entschuldigung, es sind 38.000 Stunden Stau. Daneben gibt es mit eine der unpünktlichsten S-Bahnen in Deutschland. Das wird jetzt weiterentwickelt zur „Mobilitätsstrategie Hessen 2035“.
Da wird die Fantasie eines Autofahrers, der im Stau steht, oder eines Pendlers, der in einer überfüllten S-Bahn fahren muss, ganz schön beflügelt, was ihn da wohl erwartet.
Welche Ziele die Strategie mit Ausnahme der Klimaschutzziele hat – ich sage ausdrücklich, dass es da klare Zielvorgaben gibt –, bleibt unklar. Es gibt keine konkreten Ziele für die Mobilitätswende. Es gibt keine Angabe darüber, wie sich der Modal Split in der Verkehrsleistung mit den damit verbundenen Wegen in den nächsten fünf, zehn oder 15 Jahren verändern soll. Daher gibt es auch kein stringentes Maßnahmenbündel, wie diese Ziele erreicht werden sollen.
Es gibt da ein Programm und da einen Fördertopf. Das ist alles ohne einen erkennbaren Zusammenhang. Das geschieht unter der Überschrift „Mobiles Hessen 2020“.
Geradezu enttäuschend sind für die Sozialdemokraten die Aussagen zur Verkehrssicherheit. Das ist ein Thema, das für uns eine herausragende Bedeutung hat. Neben dem bereits erwähnten Hinweis, dass aus „Mobiles Hessen 2020“ die „Mobilitätsstrategie Hessen 2035“ wird, findet man ein Bekenntnis zur „Vision Zero“. Wer will das nicht? Die Landesregierung erwähnt dann, dass man eine Organisationseinheit, das Referat „Lärmschutz Straße, Verkehrssicherheit“ geschaffen habe und an einem Konzept arbeite.
Wir wissen, dass es zu wenig Geld für den Landesstraßenbau gibt. Nach wie vor ist der Betrag, den Schwarz-Grün für den Landesstraßenbau zur Verfügung stellt, viel zu gering, um den Werteverzehr aufzuhalten. Unter SchwarzGrün geht also die Vernichtung öffentlichen Eigentums bei den Landesstraßen weiter.
Hinsichtlich des ÖPNV gibt es nur Altbekanntes. Es gibt kein Zukunftskonzept für einen integrierten Verkehr. In Hessen gilt: Während man im Ballungsraum in überfüllten und verspäteten Zügen sitzt, ist man im ländlichen Raum froh, wenn überhaupt noch ein Bus kommt.
Wir haben das am Mittwoch miteinander beredet. Im ländlichen Raum ist das Angebot derart unattraktiv, dass ein Pendler auf keinen Fall in einer akzeptablen Zeit seinen Arbeitsplatz erreichen und wieder nach Hause fahren kann.
Der Minister ist nicht da. Der Staatssekretär wird in der Antwort darauf verweisen, was man alles in Angriff genommen hat. Da gibt es die Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität, „Mobilfalt“, „Garantiert Mobil!“ im Odenwald usw. Aber die Summe der Einzelmaßnahmen ergibt noch lange kein tragfähiges Zukunftskonzept.
Herr Al-Wazir hat heute Morgen erklärt, dass man viel in Angriff genommen habe. Sinngemäß hat er heute Morgen davon gesprochen, was man alles in Angriff genommen habe: Da haben wir einmal ein paar Leute richtig angeschoben. – Wenn der Minister anschiebt, dann geht es, das war die Botschaft, die wir heute Morgen mitgenommen ha
ben. Aber wir wissen doch alle genau, dass sich in Hessen gerade einmal drei Schienenprojekte im Bau befinden. Bei allen anderen werden Jahre vergehen, bis sie realisiert sind. Die Planungs- und Planfeststellungsverfahren sind in Deutschland sehr aufwendig und zeitintensiv. Bei den Infrastrukturmaßnahmen dauert es viel zu lange, bis sie realisiert werden. Das schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Das schadet auch dem Wirtschaftsstandort Hessen.
Das ist seit vielen Jahren bekannt. Daran hat sich hier in Hessen in den letzten 19 Jahren unter den CDU-geführten Landesregierungen überhaupt nichts geändert.
Eine herbe Enttäuschung ist, wie die Landesregierung mit den Herausforderungen in der Automobilwirtschaft umgeht. Der Verkehrsminister ist gleichzeitig Wirtschaftsminister. Er ist für den Wirtschaftsstandort Hessen verantwortlich. Die Beschäftigten in der hessischen Automobilindustrie erwarten von Ihnen, dass Sie sich kümmern. Ich prophezeie: Nach dem Urteil vom Dienstag wird sich das Tempo bei dem Strukturwandel in der Automobilindustrie noch beschleunigen. Es geht dabei um qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze. Ich zitiere jetzt aus der Antwort der Landesregierung: Die Landesregierung
… sieht allerdings – auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchungen – keine ausreichend verlässliche Basis, um zu dem durch eine Umstellung auf Elektroantrieb induzierten Nettobeschäftigungseffekt in der hessischen Automobilindustrie und den direkten Zulieferern eine Einschätzung abgeben zu können.
Im Übrigen weist die Landesregierung darauf hin, dass die Entwicklung der Branche und ein etwaiger Stellenabbau in erster Linie von Unternehmensentscheidungen abhängen, die dem Einfluss der Landesregierung entzogen sind.
So kommen Sie mir nicht aus der Verantwortung. Die Gewerkschaften fordern seit Langem den Dialog zwischen Unternehmen, Politik und den Arbeitnehmervertretern. Die Sozialdemokraten führen diesen Dialog, insbesondere mit den Arbeitnehmervertretern. Ich kann Ihnen sagen: Sie sind von den bisherigen Angeboten der Landesregierung und von Schwarz-Grün enttäuscht.
Ich stelle fest: Die Landesregierung hat keine schlüssigen Antworten auf die drängenden Herausforderungen in der hessischen Mobilitätsentwicklung. Wir befinden uns jetzt beim letzten Tagesordnungspunkt dieser Plenartage. Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie nachher gut und sicher nach Hause kommen.
Den Autofahrern wünsche ich, dass sie nicht im Stau stehen. Denjenigen, die mit Bus und Bahn unterwegs sind, wünsche ich, dass sie einen Sitzplatz bekommen und pünktlich zu Hause ankommen. Das alles ist in Hessen
nicht selbstverständlich. Den Radfahrern sage ich: Ziehen Sie sich warm an. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Heiterkeit – Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ja- nine Wissler (DIE LINKE) und Jürgen Lenders (FDP))
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute bzw. die ganze Woche an dieser Stelle schon des Öfteren über die Verkehrspolitik des Landes Hessen gesprochen. Es ist klar, dass es unterschiedliche Ansätze dazu gibt, wie wir uns den Verkehr in Hessen im Jahre 2030 vorstellen.
Zunächst einmal auch von unserer Seite aus einen herzlichen Dank an die Landesregierung, die eine sehr umfängliche Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion gegeben hat. Die Antwort spiegelt in Teilen vielfach auch schon die Diskussion wider, die wir schon mehrfach geführt haben.
Lassen Sie mich deswegen zu Anfang – und am Ende dieser Plenarwoche – vor allem auf ein ganz vordringliches Thema eingehen, das uns allen sicherlich auf den Nägeln brennt: das ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, wie es jetzt mit den Dieselmotoren weitergeht.
Ich halte es in der aktuellen Diskussion – zumindest wie sie in den Medien geführt wird – für einen wirtschaftlichen Wahnsinn, wenn wir auf eine Technologie verzichten wollen, in der wir in Deutschland wirklich führend sind, nämlich der Diesel-, der Antriebstechnologie, und diese, quasi politisch motiviert, in den Orkus kippen.
Ein Dieselfahrzeug der Euro-6-Norm saugt mehr Dreck an, als es hinten herausgibt. Aus der Perspektive der Effizienz gibt es auf dem Markt der Antriebstechnologien nichts Besseres als die Dieseltechnologie.
Wir geben diese Technologie, in der wir in Deutschland wirklich marktbeherrschend sind, unnötigerweise aus der Hand.
Meine Damen und Herren, dennoch kann man sich Grenzwerte nicht einfach so zurechtbiegen, wie sie einem gerade schmecken – das stimmt. Ich hätte mir zwar gewünscht, dass die Bundesregierung, als die EU die Grenzwerte festgelegt hat, mit mehr Augenmerk vorgegangen wäre, was die Auswirkungen auf die deutsche Automobilindustrie betrifft. Aber die Grenzwerte sind festgelegt, und sie werden an vielen Stellen überschritten. Das kann keiner bestreiten. Die Gerichte haben das festgestellt. Die Gerichte haben darüber hinaus festgestellt, dass es den Kommunen möglich ist, in einem strengen Rahmen auch Fahrverbote zu erteilen.
Meine Damen und Herren, wie viele Politiker haben nicht nur an diesem Pult, sondern in der ganzen Bundesrepublik
immer wieder gesagt: „Wir wollen Fahrverbote vermeiden“? Dann müssen sie uns aber auch sagen, wie denn jetzt mit dem Gerichtsurteil umgegangen werden soll. Ich glaube, dass das Thema der NOx-Konzentration zu einem Zeitpunkt kommt, wo diese seit Jahren zurückgeht. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo sich die Fahrzeugflotten umstellen, die Dieseltechnologie eine der fortschrittlichsten wird und es Zeit braucht, bis die Flottenverbünde mit der Euro-6-Norm da sind und dadurch die NOx-Belastungen signifikant gesenkt werden könnten, kommt genau diese Diskussion auf: Hat der Diesel überhaupt noch eine Zukunft?
Meine Damen und Herren, das Gericht hat den Kommunen Spielräume gegeben, die diese auch nutzen müssen: Ausnahmegenehmigungen für Handwerker, Ausnahmegenehmigungen für Anwohner und Anlieger, klar begrenzte Geltungsbereiche. Bevor wir mit pauschalen Verboten reagieren, sollten vor allem die Kommunen die Spielräume nutzen, die sie jetzt haben.