Als erste Rednerin hat sich Frau Kollegin Schott von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin Schott, Sie haben das Wort. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie wichtig der Landesregierung das Thema gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum ist, sieht man daran, dass sie heute einen Antrag einbringt, jetzt in der Mittagspause, also sozusagen mit Beginn der Debatte. Kein Mensch kann ihn mehr durchlesen und ernsthaft darüber nachdenken oder ihn hier sinnhaft beraten.
Es ist natürlich legitim, im Laufe der Plenarwoche Anträge einzubringen. Aber dass das heute Setzpunkt sein würde, wissen Sie seit voriger Woche, und dass der ländliche Raum ein wichtiges Thema ist, haben Sie selbst seit Wochen festgestellt. Sie erklären das auch scheibchenweise zu jedem Thema an jedem Tag.
Wenn es Ihnen also wichtig gewesen wäre, hätten Sie von sich aus etwas zum Thema Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum eingebracht.
Ich habe das nur überfliegen können. Allein das finde ich schon ziemlich traurig. Aber ich stelle fest, dass Sie auch einen Haufen merkwürdiges Zeug aufgeschrieben haben. Natürlich betreiben der Landtag und das Land keine Klinik im Rheingau-Taunus-Kreis. Darum geht es auch gar nicht.
Die Frage ist aber: Was für eine grundsätzliche Haltung hat die Landesregierung zum Thema gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum und zum Erhalt von Kliniken? Da hat man die Möglichkeit, mehr als Duftmarken zu setzen, nämlich ganz entschieden in die Debatte einzugreifen, Kommunen und Kreise zu unterstützen, ein Krankenhaus zu retten oder es zu lassen.
Der Gesundheitsminister erklärt bei jeder Gelegenheit, ob es passt oder nicht, was für ein Unsinn es war, in Groß-Gerau ein Krankenhaus zu erhalten, und mit den Menschen, die gute Ideen in Lindenfels hatten, hat er nicht einmal gesprochen. Das setzt eine Richtung fest, und das ist genau das, was wir hier anprangern.
Denn die Meldungen reißen in den letzten Tagen nicht ab. In den Horst-Schmidt-Kliniken wurden 80 Patienten innerhalb von 24 Stunden mit dem Rettungswagen eingeliefert. Ein Patient wurde im Rettungswagen von Rüsselsheim ins knapp 150 km entfernte Fulda gebracht; keine nähere Klinik konnte ihn aufnehmen. Im Klinikum Fulda werden inzwischen wegen der vielen Notfälle geplante Operationen verschoben.
Auch in Frankfurt mit einer relativ hohen Dichte an Krankenhäusern sind die Leitstellen für den Rettungsdienst überlastet. Nach Auskunft der Frankfurter Berufsfeuerwehr, die den Einsatz der 56 Rettungsfahrzeuge in der Stadt koordiniert, müssen derzeit täglich zwischen 450 und 500 Fälle statt üblicherweise 350 bewältigt werden.
Aus allen Teilen Hessens werden derzeit Probleme bei der Unterbringung von Notfallpatienten gemeldet. Ein ärztlicher Leiter eines Rettungsdienstes macht neben der Grippewelle die Krankenhausplanung dafür verantwortlich:
Ein Patient, den wir zu einem bestimmten Zeitpunkt als stabil einschätzen, kann später nicht mehr stabil sein. Längere Verlegungsfahrten haben natürlich Risiken. Ich hoffe, dass deswegen niemand stirbt.
Wir müssen das ernst nehmen. Die Grippewellen kommen nun einmal jedes Jahr, und es ist nicht so, dass sie kommen und gehen, sondern in der Zwischenzeit haben wir bundesweit 126 Tote in dieser Grippewelle. Das ist ein ernst zu nehmendes Problem.
Jetzt ist die sicherlich hartnäckige und weit verbreitete Grippe daran schuld, ja. Aber die Situation mit dem Abbau der Notfallbetten in den Horst-Schmidt-Kliniken vor zwei Jahren haben wir alle noch in Erinnerung.
Trotzdem hat die Hessische Landesregierung jetzt mit dem Krankenhausstrukturfonds nichts Besseres zu tun, als den Trägern Abwrackprämien zu zahlen, wenn sie ganze Stationen oder Kliniken schließen. Damit wird auch Helios bestärkt, die Klinik in Bad Schwalbach zu schließen, statt genau das Gegenteil zu tun. Die Patientinnen und Patienten
Sind Sie wirklich der Meinung, dass die Klinik in Bad Schwalbach für die Versorgung verzichtbar ist? Der Minister hat ziemlich ungläubiges Staunen im Ausschuss geerntet, als er erklärt hat, dass weder die Topografie noch die Straßen- und Wetterverhältnisse bei der Frage eine Rolle spielen, ob die Klinik notwendig ist oder nicht. Vielleicht hätte man im Internet nachlesen sollen:
Der Kreis ist in weiten Teilen von den Höhen und Ausläufern des Taunus durchzogen, die ihm insgesamt eine gebirgige Struktur mit überwiegend rauem Klima verleihen.
Es ist eben nicht so, dass es immer nur schönes Wetter gibt, wo man relativ schnell eine andere Klinik erreichen kann. Es braucht nur einmal irgendetwas passieren wie höherer Schneefall jetzt noch im März, und schon bricht alles zusammen.
Man sollte den Strukturfonds, wie es in anderen Bundesländern gemacht wird, lieber dafür verwenden, eine Gesundheitsinfrastruktur vor Ort zu gestalten, indem man den Kliniken das Geld für Umstrukturierungen, für die Überwindung der Sektorengrenzen ambulant und stationär, für die Zusammenarbeit von Kliniken zur Verfügung stellt.
Schließlich haben auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte im Untertaunus für den Erhalt der Klinik gesprochen. Nicht nur, dass Ärzte und Patienten mit der Klinik zufrieden sind – die Ärzte sehen die Klinik als unbedingt erforderlich an, um die Grundversorgung im Landkreis zu erhalten.
Ich bin nicht der Meinung, dass man Helios aus der Verantwortung entlassen sollte. Aber daran zeigt sich einmal mehr, wohin die Privatisierung führt. Solange Profite eingefahren werden, gibt es Krankenhäuser. Wenn es nicht mehr funktioniert, werden sie zugesperrt. Deshalb gehören Krankenhäuser in die öffentliche Hand.
Die ambulante Versorgung in Hessen hängt auch an allen Ecken und Enden. 13 Mittelbereiche haben bereits jetzt den häuslichen Versorgungsgrad von 100 % unterschritten. Die Versorgungsaufträge werden weniger und die Bevölkerung pro Allgemeinmediziner mehr – bei einer immer älter werdenden Bevölkerung und einer immer älter werdenden Ärzteschaft ein Konzept, das nicht aufgeht. Fast die Hälfte der hessischen Allgemeinmedizinerinnen ist älter als 58 Jahre.
Ich will nicht behaupten, dass niemand etwas dagegen tut. Wir haben aber den deutlichen Eindruck, dass diejenigen, die die Verantwortung tragen – das sind die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesregierung –, nicht gemeinsam und koordiniert, sondern aneinander vorbei und teilweise sogar gegeneinander arbeiten. Ich frage mich schon, warum die Kassenärztliche Vereinigung nicht dabei ist, wenn die Landesregierung eine Kabinettsitzung zur gesundheitlichen Versorgung vor Ort macht. Ich frage mich auch, warum die KV nicht von dem einvernehmlichen Vorhaben, dass die Erstellung regionaler Vorsorgeatlanten nach dem Pilotprojekt aufgegeben werden soll, informiert war.
Man braucht nur den aktuellen Doppelhaushalt anzuschauen, um zu sehen, dass der Versorgungsatlas keine Rolle mehr spielt. Man sieht aber, wo das Geld für die Gesundheitsversorgung hingeht: in die Digitalisierung. Da freuen sich sicher einige Anbieter, dass sie Anschubfinanzierung durch das Land von jährlich in der Zwischenzeit fast 6 Millionen € erhalten. Das mag so sein. Das kann auch durchaus Nutzen haben, wenn Ärztinnen und Ärzte mit nicht ärztlichen Praxisassistenten vor Ort elektronisch in Kontakt treten. Aber wie sagte ein Patient im mittleren Alter, als er nach seiner Meinung zur Telemedizin gefragt wurde? – „Es nutzt mir nichts. Ein Computer kann mich nicht anfassen und feststellen, was mir fehlt.“
Wenn es um die gesundheitliche Versorgung geht, sollten wir auch die Geburtshilfe erwähnen. Hier handelt es sich nicht um Krankheiten, sondern um das Gegenteil, um ein eigentlich tolles Ereignis, einem neuen Menschen auf die Welt zu verhelfen. Leider ist dies für manche Frauen traumatisch, für andere zumindest belastend. Bereits in den ersten Wochen der Schwangerschaft muss Frau sich eine Hebamme suchen, und selbst das ist keine Garantie, dass sie auch eine findet, die noch Kapazitäten frei hat. Kaum eine Hebamme hat Zeit, eine Frau während der gesamten Geburt ungestört zu betreuen. Die Hälfte der Befragten betreut häufig drei Frauen parallel. Fast zwei Drittel der Hebammen müssen aufgrund von Personalengpässen regelmäßig Vertretungen übernehmen. Sie können Pausen nicht einhalten und leisten immer mehr Überstunden.
In der Geburtshilfe wird besonders deutlich, wie wenig die Fallpauschalen funktionieren. Geburtshilfestationen schließen auch in Hessen reihenweise, weil Geburten zu schlecht vergütet sind. Wegen der schlechten Bezahlung und hohen Arbeitsbelastungen findet man am Ende keine Hebammen mehr, und die freiberuflich tätigen ersticken in der Haftpflichtversicherung bei den geringen Vergütungssätzen.
Wir brauchen keine Gesundheitsversorgung, die die Interessen der Konzerne wie Fresenius Helios bedient. Der Umsatz dieses Konzerns betrug im Jahr 2016 6 Milliarden €. Aussagekräftiger ist die EBIT-Marge. Diese liegt bei 12 %, wesentlich höher als bei durchschnittlichen DAX-Konzernen mit 8,8 %. Dieses Geld wird mit unseren Versicherungsbeiträgen verdient. Und das ist nicht das einzige Unternehmen, das auf Kosten unserer Gesundheit hohe Dividenden an seine Aktionäre ausschütten kann. Mit diesen Aktien wird dann spekuliert. Dazu gehören die Pharmakonzerne, die es schaffen, 100 mal so teure Medikamente verschreibungspflichtig zu machen wie absolut gleichwertige, Medizingerätehersteller, Krankenhaus- und Altenheimkonzerne, die ihre Personalquote drücken, um mehr Profite herauszuholen. Aus dem Verhältnis Arzt/Patient ist eine Geschäftsbeziehung geworden, und das ist nicht im Interesse der Menschen.
Was muss sich in Hessen ändern, damit wir eine gute flächendeckende Gesundheitsversorgung bekommen? – Der Hessische Krankenhausrahmenplan ist 2008 erstellt worden, die Überarbeitung war längst fällig. Wir haben seit Einführung der DRGs in Hessen 30 Krankenhäuser verloren. Wir müssen endlich Wege finden, wie wir eine Gesundheitsversorgung tatsächlich gewährleisten können. Wir brauchen die Gesundheitskonferenzen kleinräumiger, sie müssen weiterentwickelt werden, und sie müssen partizipativ sein.
Wenn wir Krankenhäuser haben, die Überschüsse erzielen und diese dringend brauchen, um die Investitionen zu tätigen, dann ist das eben auch falsch. Wir brauchen eine ganze Menge Dinge, die Sie in unserem Antrag nachlesen können. Es ist überfällig, dass die Landesregierung das ernst nimmt und sich damit auseinandersetzt, und nicht herumläuft und Showveranstaltungen im Land macht. Sie sollte lieber ihre Arbeit machen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Dr. Bartelt von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag betreffend „gute, flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Hessen“ gibt uns die Gelegenheit, vorzutragen, was diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen eben für die gute, flächendeckende Versorgung getan haben.
Ich möchte einige wenige Punkte nennen und mit dem Schwerpunkt „Versorgung im ländlichen Raum“ beginnen.
Im Doppelhaushalt 2018/19 werden erneut Mittel zur Förderung von Praxisgründungen und -übernahmen im ländlichen Raum eingestellt. In diesem Zusammenhang sind wir optimistisch, dass die Kassenärztliche Vereinigung nur vorübergehend aus dem Pakt zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung ausgestiegen ist. Wir bedauern dies, schauen aber optimistisch in die Zukunft. Wer hinausgegangen ist, muss auch wieder hereinkommen.
Meine Damen und Herren, dort, wo Praxisnachfolgen nicht erfolgen, wollen wir medizinische Versorgungszentren finanziell unterstützen. Hierfür werden 1,5 Millionen € in den Haushalt eingestellt. 3,6 Millionen € werden für Gemeindeschwestern ausgegeben. Sie steigern – neben vielen anderen Aufgaben – auch die Qualität der medizinischen Versorgung durch die Hausärzte. Die 6 Millionen € für E-Health kommen zu ganz großen Teilen dem ländlichen Raum zugute; denn sie fördern die Kommunikation zwischen den behandelnden Hausärzten, Kliniken, Fachärzten und medizinischem Assistenzpersonal. Ds erhöht die Qualität.
Wir befürworten die Aussagen im Koalitionsvertrag in Berlin zur Versorgung im ländlichen Raum und werden dies bei der Umsetzung tatkräftig unterstützen. Das betrifft besonders die vollständige Aufhebung von Zulassungseinschränkungen im ländlichen Raum und die Möglichkeit der KV, noch kleinräumiger zu planen. Es war seinerzeit Hes
Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum ist und bleibt für uns der wichtigste Schwerpunkt der Gesundheitspolitik der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen.