Ich sage das noch einmal. Dann bin ich mit der Abarbeitung der Vergangenheit fertig. Die Arbeit in der Enquetekommission war eine ganz besondere. Ich habe schon der einen oder anderen Enquetekommission dieses Landtags angehört. Ich habe viele Auseinandersetzungen in diesem Haus in den letzten 30 Jahren miterlebt. Teilweise habe ich es auch persönlich mitgestaltet. Ob das immer klug war, sollen die Historiker entscheiden.
Was wir da geschafft haben, ist schon etwas Besonderes. Ich glaube, das leistet dem Hause insgesamt und damit auch der Politik in unserem Land insgesamt einen positiven Beitrag.
Wir haben uns zugehört. Ja, liebe Bürgerinnen und Bürger, das macht man in einem Parlament nicht immer. Wir haben nicht nur unsere eigenen Vorstellungen als besonders wichtig erachtet. Wir haben vielmehr versucht, eine Brücke zwischen den verschiedenen Interessen zu bauen. Dass die eine oder andere Person, mit der ich im vergangenen Jahrzehnt häufig aneinandergeraten bin, nunmehr ein freundschaftlicher Kombattant geworden ist, ist gut.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass man noch die eine oder andere Änderung hätte machen können. Da nehme ich die beiden Vorschläge, die für die Mitglieder der FDPFraktion immer noch auf der Tagesordnung stehen. Das eine Thema ist die Begrenzung der Amtszeit des Ministerpräsidenten. Das andere betrifft die Frage der Rechte der Opposition im Hessischen Landtag.
Ich fange einmal mit dem scheinbar Einfacheren an. Ja, wir schlagen vor, dass der Ministerpräsident des Landes Hessen eine auf zwei Legislaturperioden begrenzte Amtszeit haben soll. Ja, ich bin auch von Freunden aus der Fraktion der Union eben noch einmal mit der Feststellung geärgert worden, das sei illiberal, weil man damit die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger, zu wählen, begrenze.
Das ist nur bedingt richtig. Ich will das jetzt einmal auf das praktische Leben herunterbrechen. Wir sagen nicht, dass die Menschen nach zehn Jahren nicht mehr Volker Bouffier wählen sollen. Wir sagen nur, dass Volker Bouffier nach zehn Jahren nicht mehr erneut Ministerpräsident werden soll.
Das hat mit Volker Bouffier nichts zu tun. Das hat mit Volker Bouffier gerade einmal gar nichts zu tun. Vielmehr ist das eine Frage, die auch in anderen Bundesländern diskutiert wird. Markus Söder hat das für sich entschieden. Vielleicht hat er auch nur einfach einmal auf seine Lebenstafel geschaut.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rede jetzt von mir. Ja, ich bin 31 Jahre Mitglied dieses Landtags. Dass ich noch frische Ideen habe, hat etwas damit zu tun, dass ich meine Aufgaben häufig gewechselt habe. Ich glaube, wenn man 10 oder 15 Jahre dieselbe Aufgabe hat, ist man hinsichtlich der Ideen nicht mehr so frisch.
Ich glaube, man ist dann viel zu sehr in den Strukturen drinnen. Wir wollen mit dem Gesetzentwurf dieses erreichen. Die Mitglieder der Koalition möchten das nicht. Also wird es den Bürgerinnen und Bürgern auch nicht vorgelegt werden.
Die zweite Thematik betrifft jetzt nicht CDU und GRÜNE als diejenigen, die unseren Vorschlag nicht wollen, sondern die Sozialdemokraten. Ich muss gestehen, lieber Herr Kollege Schmitt, lieber Herr Kollege Schäfer-Gümbel: Ich verstehe euch nicht. Die parlamentarische Opposition ist ein grundlegender Bestandteil der parlamentarischen Demokratie.
Herr Kollege Rudolph, bisher waren die Verhandlungen andere, damit die Menschen das auch wissen. Jetzt rufen Sie bitte nicht falsch dazwischen. Die Schwarzen und die GRÜNEN sind bereit, den FDP-Vorschlag zu unterstützen – nur die SPD ist es nicht.
(Günter Rudolph (SPD): Ja, der reicht nicht! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir haben gesagt, wir wollten es uns überlegen!)
Herr Schäfer-Gümbel, regen Sie sich ab. Ich weiß, dass Sie das trifft. Ihr habt euch politisch einfach falsch entschieden,
mit der Begründung: Wir werden das ja trotzdem weitermachen, auch wenn es in der Verfassung drinsteht. – Das macht ja deutlich, dass Sie da keine Chance sehen, selbst MP zu werden.
Das ist die eine Ebene der Diskussion. Die andere Ebene der Diskussion ist: bitte doch immer lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist abscheulich! – Günter Rudolph (SPD): Was haben Sie denn davon?)
Ihr könnt jetzt gerade dazwischenrufen, was ihr wollt. Ihr seid in einer schlechten Lage, weil ihr als Opposition noch nicht einmal bereit seid, eine Regel, die in Bayern gilt, in die Hessische Verfassung aufzunehmen.
(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Das war ein typischer Hahn!)
Herr Rudolph, hören Sie doch auf. Wenn ihr einen Fehler macht, dann müsst ihr zu dem Fehler stehen. Aber ich habe das Recht, den Fehler hier im Landtag auch deutlich zu machen – genauso, wie das manchmal auch die Kollegen
Jetzt lassen Sie mich noch eine Sorge zu Protokoll geben – ich weiß, ich habe nur noch viereinhalb Sekunden. Wir müssen unseren Kolleginnen und Kollegen, Bürgerinnen und Bürgern ganz geschickt deutlich machen: Es gibt eine Verfassungsänderung. Sie findet am 28. Oktober statt, und das und das sind die Themen. – Bisher ging das Interesse gen null; wir bekommen es überall mit.
Vielen Dank an den Vorsitzenden unserer Kommission, Herrn Jürgen Banzer. Vielen Dank an den Präsidenten, den Kollegen Norbert Kartmann. Wir machen ja alles möglich, um dafür zu werben und den Menschen zu sagen: Es gibt eine Verfassungsänderung. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, hoffentlich werden wir es schaffen, die Menschen bis zum 28. Oktober zu motivieren, doch mitzumachen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Zug in Richtung Verfassungsreform bleibt – wenn ich das einmal in der Bildersprache ausdrücken darf – auf dem richtigen Gleis. Er fährt auch weiter geradeaus. Wir gehen heute einen weiteren wichtigen Zwischenschritt und werden bald den Teil beenden, den der Landtag in dieser Frage zu entscheiden hat. Zum zweiten Schritt ist auch schon einiges gesagt worden.
Wir sind heute in der zweiten Lesung zu einem Gesetzgebungsverfahren, nämlich den Gesetzen zur Änderung der Hessischen Verfassung. Wir sind klassischerweise an dem Punkt, wo man eine Zwischenbilanz, aber noch keine Schlussbilanz zieht. Es sind hier drei Lesungen vorgeschrieben, in denen auch die Anhörungen und weitere Aspekte, die im Verfahren noch vorgetragen wurden, zumindest noch einmal zwischenbewertet werden sollten.
Wir können heute feststellen, dass die Fraktionen und der Hauptausschuss sich dazu entschlossen haben, ohne Änderungen in die zweite Lesung zu gehen. Wir haben eine eintägige Anhörung hinter uns. Zur Vollständigkeit zählt aber auch, dass wir im Rahmen der Enquetekommission schon eine extrem intensive dreitägige Anhörung vorgeschaltet hatten, wo wir sehr viele dieser Fragen noch intensiver und breiter beraten haben. Sie haben auch Einfluss auf die Gesetzentwürfe gehabt, die von den vier Fraktionen getragen worden sind. Diese haben zusammen die 15 Gesetzentwürfe eingebracht, die – wenn ich das einmal so sagen darf – nach heutigem Stand auch eine Aussicht auf eine Mehrheit im Landtag haben.
Nachdem eben eine etwas schlechte Stimmung aufkam, will ich vielleicht etwas zur Befriedung beitragen. – Es wäre noch mehr denkbar gewesen. Es ist von allen schon viel dazu gesagt worden, dass man sich natürlich mehr als die
15 Gesetzentwürfe hätte vorstellen können. Das war uns allen klar. Wir hatten aber auch das gemeinsame Ziel, dass wir in diesem Verfahren zusammenbleiben. Ich glaube, es wiegt am Ende höher, dass die vier Fraktionen diese 15 Gesetzentwürfe, die mutmaßlich in vier Wochen eine Mehrheit finden werden, zusammen eingebracht haben, als dass wir heute darüber streiten, warum nicht ein 16., 17., 18. oder 25. Gesetzentwurf möglicherweise noch eine Mehrheit findet.
Es gibt verschiedene Punkte. Die SPD hatte noch Ideen, auch nach der ersten Lesung und der Anhörung. Die FDP hatte noch etwas vorgetragen. Das ist zu Recht ausgeführt worden. Die Koalitionsfraktionen haben sich in diesen beiden Fällen, die genannt waren, bereit erklärt, das jeweils mitzutragen. Das ist dann aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedlichen Bewertungen innerhalb von zwei Oppositionsfraktionen nicht zustande gekommen. Aber das ist ausdrücklich kein Vorwurf von dieser Seite; denn es gibt über diesen 16. und 17. Punkt hinaus noch die Punkte 18 bis 30, die unserer Fraktion noch eingefallen wären. Die anderen Kollegen haben auch mindestens genauso viele andere gute Ideen gehabt, die, für sich genommen, sicherlich gerechtfertigt und berechtigt wären. Aber wenn man mit vier Fraktion etwas gemeinsam macht, dann kommt am Ende ein fein austarierter Kompromiss heraus, der ja nicht nur die breite Mehrheit hier im Landtag haben soll, sondern auch die innere Akzeptanz der betroffenen Parlamentsfraktionen. Deshalb glaube ich, dass das nach wie vor ein sehr gutes Paket ist, was wir heute hier gemeinsam beraten.
Die weitere Bereinigung, Modernisierung und Aktualisierung der Verfassung können vielleicht eines Tages – in zehn oder 15 Jahren – unsere Nachfolger noch einmal in einem ganz großen Wurf angehen. Ich glaube aber, dass wir, die wir auf 72 Jahre moderne Verfassungsgeschichte in Hessen zurückblicken, weiterhin stolz darauf sein können, dass wir in diesen 72 Jahren den größten Wurf wagen. Wenn man alle Änderungen summiert – von der ersten im Jahr 1950, die sich damals mit dem Landtagswahlrecht beschäftigt hat, bis zur Schuldenbremse 2011 –, kommt man jedenfalls nicht auf die 15 Änderungen, die wir vermutlich in vier Wochen gemeinsam beschließen werden.
Unter den 15 Gesetzentwürfen ist sehr viel Gutes: Neben formalen, staatsorganisatorischen Aspekten, die modernisiert werden sollen, ist eine ganze Reihe von Staatszielen enthalten, die unser Land weiter voranbringen werden, allen voran die Staatsziele Ehrenamt und Infrastruktur, um nur zwei herauszugreifen. Auch das Bekenntnis zu Europa möchte ich hervorheben, das zu dieser Zeit kaum besser, wichtiger und richtiger platziert sein könnte, als es je war, seit wir über ein vereintes Europa sprechen.
Endlich, nach 72 Jahren, wagen wir es auch einmal, die Streichung der Todesstrafe anzugehen, wovor man sich bisher immer gedrückt hat. Das war falsch. Sie war zwar seit Mai 1949 nicht anwendbar, aber sie hat nie in diese Verfassung gehört. Dass wir auch das angehen und eine Abstimmung dazu durchführen – auch wenn es im Moment keine materiellen Auswirkungen hat –, ist ein wichtiger, richtiger und mutiger Schritt.
Es gibt weitere Themen. Wir schaffen auch neue Grundrechte wie das Grundrecht auf Datenschutz. Auch das passt in die heutige Zeit und zu den aktuellen Debatten, die in den klassischen und modernen Medien einen breiten Raum einnehmen. Das ist ein ganz bewusstes Signal dafür, dass
wir das Grundrecht auf Datenschutz nicht nur durch Rechtsprechung in unsere Entscheidungsfindung mit einfließen lassen wollen, sondern dass wir es in unserer Hessischen Verfassung im Jahr 2018 kodifizieren wollen.