Zum Unterhaltsvorschuss kann man sagen – das ist einer der benannten Punkte –: Das nützt tatsächlich einigen, aber wiederum nicht den Grundsicherungsempfängerinnen. Da geht es nur von einer Sozialkasse in die andere.
Schließlich soll Kinderarmut durch den Ausbau der Familienzentren und die Familienkarte bekämpft werden. Das erzählen Sie uns hier auch schon eine ganze Weile. Den Beweis sind Sie uns allerdings bislang schuldig geblieben. Ausbildungsprogramme sollen den sogenannten späteren Vermittlungshemmnissen vorbeugen.
Da gibt es tatsächlich einiges zu tun. Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse und Ausbildungsbetriebe ist historisch niedrig. Etwa 14 % der 25- bis 34-Jährigen verfügen hierzulande über keine Berufsausbildung. Hier wäre etwas über eine verstärkte Beschäftigung im öffentlichen Dienst zu sagen. Das wäre eine Möglichkeit, wo Sie wieder unmittelbar Einfluss haben. Aber das will der Sozialminister auch nicht, gerade wenn wir vom öffentlichen Beschäftigungssektor oder Passiv-Aktiv-Transfer sprechen. Als Zwangsarbeit, wie Hubertus Heil, möchten wir es allerdings auch nicht.
Dann zum guten Schluss die Kinderrechtsbeauftragte mit ihrem schmalen Budget. Ob das Wirksamkeit zum Abbau von Kinderarmut haben wird, das ist doch stark anzuzweifeln.
Das können wir gerne später klären. – Das Einzige, was nützen würde, wäre, wenn Sie tatsächlich die Position des Beirats – –
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich hätte jetzt schon gerne gewusst, was Sie mit Zwangsarbeit meinen!)
Wenn man Menschen dazu zwingt, in bestimmten Beschäftigungsverhältnissen zu arbeiten, weil sie gerade arbeitslos sind. Das meine ich damit. Und das ist die Forderung vieler Menschen.
Das Einzige, was nützen würde, wäre, wenn Sie tatsächlich die Positionen des Beirats ernst nehmen würden. Damit meine ich natürlich diejenigen der Liga der Freien Wohlfahrtspflege – –
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist eine Unverschämtheit, dass Sie in diesem Hause und in solch einen Zusammenhang über Zwangsarbeit reden!)
Damit meine ich natürlich die der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, der Kirchen, des DGB, des Sozialverbands VdK und der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen. Hierin stecken viele Impulse, die auch mit unseren Positionen übereinstimmen.
Gerade in den letzten Tagen sind die Meldungen über schlecht ausgestattete Jugendämter in den Medien gewesen. Die schlechte Ausstattung ist bekannt. Die Kommunen haben schlichtweg zu wenig Geld für die Jugendhilfe. Es reicht weder für intensivpädagogische Maßnahmen noch für andere genaue Betreuung. Ich will Ihnen auch sagen: Ob man in einer Stunde Hausbesuch feststellen kann, ob eine Misshandlung vorliegt oder nicht – die Frage können Sie sich alle selbst beantworten.
Im Interesse der Kinder und ihres Schutzes ist eine bessere Ausstattung der Jugendämter mit mehr Ressourcen und Personal erforderlich. Dafür braucht es keine spektakulären Todesfälle, über die wir uns dann immer wieder aufregen.
Hier gibt es den Handlungsbedarf, die Kommunen für ihre Aufgaben ordentlich auszustatten. Dem kommen Sie nicht nach.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was dem einen seine fünfte Kolonne, ist der anderen ihre Zwangsarbeit. Frau Kollegin Schott, es gibt keinen Zusammenhang in diesem Lande, in dem Sie mit Recht von Zwangsarbeit reden könnten. Das gilt auch für den Bereich des SGB II. Das gilt auch für die Vorschläge des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil. Deswegen weise ich den Begriff „Zwangsarbeit“ in diesem Zusammenhang mit aller Entschiedenheit zurück.
Zweitens. Wenn man sich die Sachanträge anschaut, die zu dem Tagesordnungspunkt Landessozialbericht vorgelegt worden sind, bestätigt sich das, was wir an Überlegungen angestellt haben, als wir darüber nachgedacht haben, wie wir uns mit diesem Landessozialbericht parlamentarisch auseinandersetzen, der seiner Intention, seinem Umfang und durchaus auch seinem Gehalt nach geeignet wäre, zur Richtschnur einer gezielten Landessozial-, Jugend- und Gemeinwesenspolitik zu werden, und in Verbindung mit dem Enquetekommissionsbericht auch zur Integrationspolitik beitragen könnte.
Wir haben das festgestellt, nachdem der ganze Prozess der Erarbeitung schon weitgehend als Arkanum der Landesregierung abgelaufen war. Allerdings geschah dies unter Hinzuziehung eines Beirats, was ich ausdrücklich lobe. Das hat sich auch ausgezahlt. Aber das geschah unter Abschirmung aller anderen Bereiche der Politik. Das finde ich nicht gut. Das finde ich auch im Nachhinein nicht gut. Es gab nicht die Absicht, den Landtag mit diesem Landessozialbericht von sich aus zu beschäftigen.
Es hat dazu auch keine Regierungserklärung gegeben. Ich muss sagen: Wenn sich etwas für eine Regierungserklärung des Sozialministers angeboten hätte, wäre es das gewesen. Wir haben schon überflüssigere Regierungserklärungen in den letzten Wochen, Monaten und Jahren gehabt.
Nachdem es das alles nicht gegeben hat – wie man uns während einer Ausschusssitzung auf unser Befragen mitgeteilt hat –, haben wir darüber nachgedacht, wie man damit vernünftig umgehen kann. Wir haben davon abgesehen, einen Sachantrag zu stellen. Wenn ich lese, was sowohl von den Kolleginnen und Kollegen der LINKEN als auch von der Koalition heute auf den Tisch gelegt wurde, dann bestätigt sich das. Das ist kein Werk, das sich für eine Zehn-Minuten-Debatte im Hessischen Landtag eignet. Das ist es jedenfalls nicht, wenn die Absicht nicht ist, zu sagen: Wir haben das damit besprochen, man kann es jetzt ablegen, Ende der Durchsage. – Das ist nicht die Art und Weise, wie man unserer Ansicht nach damit vernünftig umgehen kann.
Denn das, was der Antrag der Fraktion DIE LINKE beinhaltet, haben wir alles schon einmal im Zusammenhang mit dem Vorschlag für einen Landesaktionsplan Kinderarmut gelesen und gehört. Das ist seither nicht falscher, aber auch nicht richtiger geworden.
Die Antworten der Kollegen der Koalition aus Schwarz und Grün ist das, was wir immer wieder bei solchen Gelegenheiten lesen. Es ist das allfällige Loben der Landesregierung, und dass alles schon allein gut werden wird, wenn man die Landesregierung nur machen ließe.
(Es war) …nicht die Aufgabe der wissenschaftlichen Institute…, Handlungsprioritäten und einzelne Maßnahmen zu bestimmen. Dies ist die Aufgabe der Politik…
Das ist richtig. Zur Politik gehört auch der Hessische Landtag. Deswegen muss der Hessische Landtag an der Diskussion und der weiteren Bearbeitung dieses Berichtes intensiv beteiligt werden.
Der erfolgreiche und gewinnbringende Dialog mit dem Beirat und allen sozialpolitischen Akteuren ist und bleibt auch hier wesentlicher Bestandteil zielgerichteten politischen Handelns.
Wir vermissen jede Aussage darüber, wie dieser zielgerichtete Dialog zwischen allen Akteuren weitergeführt werden soll. Weil das so ist, ist unsere Stoßrichtung in der Tat, dass der zuständige Ausschuss eine Anhörung durchführen soll, bei der entlang der von uns formulierten Fragen versucht werden soll, nicht nur noch einmal über die in dem Bericht durchaus enthaltenen Schwerpunktsetzungen und Handlungsvorschläge zu diskutieren und Schwerpunkte zu setzen. Vielmehr soll auch über einzelne Instrumente diskutiert werden, und zwar auf eine Art und Weise, wie wir das gewöhnlich nicht tun. Wie gesagt, das ist hier alles zu kurz gekommen.
Ich stimme Frau Kollegin Schott zu, dass die eigenständigen Handlungsempfehlungen der Landesregierung angesichts eines über 200 Seiten langen Berichts mit sehr ausführlichen Handlungsempfehlungen ziemlich mager ausgefallen sind. Sie sind ziemlich mager ausgefallen. Ihr zusammenfassender Teil bringt es auf sieben oder acht Seiten. Davon sind gerade einmal zwei Seiten Handlungsempfehlungen.
Zum Thema Kinderarmut ist das in der Tat ziemlich schmal geraten. Wenn man die lange Passage über die noch abzuwartenden Ergebnisse der Beschäftigung der – ich habe das schon oft gesagt – sehr geschätzten Kinderbeauftragten der Landesregierung einmal weglässt, dann wird die ganze Sache noch weniger.
Das kann nicht das Ende der Diskussion in diesem Landtag sein. Deswegen bitte ich sehr herzlich darum, dass Sie unserem Vorschlag zustimmen, dass wir im Ausschuss oder gegebenenfalls in einer zu entwickelnden konsultativen, das Land, die Kommunen und die Wohlfahrtsverbände einschließenden Kommission – oder wie auch immer wir es nennen wollen – verabreden, über konkrete Sachverhalte zu sprechen.
Ich will einmal ein Beispiel herausgreifen, das Frau Schott eben ein bisschen ironisch-sarkastisch abgetan hat. Wenn man überlegt, was unsere Kernaufgabe bei der Bekämpfung der Kinderarmut ist, kann man relativ einfach zu der Überzeugung kommen, dass es da um Prävention geht. Wenn man zu der Überzeugung kommt, dass es darum geht, Präventionsketten aufzubauen, und wenn man weiß, dass das nicht ganz einfach und keine triviale Aufgabe ist, Präventionsketten in dem Geflecht der Zuständigkeiten aufzubauen, das wir zwischen Sozialhilfe und Jugendhilfe auf der rechtlichen Seite und zwischen Bund, Ländern und Kommunen auf der Seite der politischen Ebenen haben, dann weiß man, dass die Herstellung der Präventionsketten eine der wichtigsten, aber auch eine der schwierigsten Aufgaben ist. Vor dem Hintergrund könnten Familienzentren in der Tat ein geeignetes Mittel sein.
Das wird im Moment politisch unter Wert gehandelt und auch unter Wert weiterentwickelt. Das wäre eine der Fragen, die fachlich zu diskutieren wären: wie wir mit dem Programm Familienzentren tatsächlich zu einer Art gemeindenahem und sozialraumnahem Basislager kommen, um genau diese Vernetzung der Akteure und die arbeitsteilige Kooperation der Akteure im Interesse der Herstellung der Präventionsketten im praktischen Alltag des Gemeinwesens in den Kommunen zu erreichen.
Das ist eine Aufgabe, die wir zu leisten hätten. Ebenso geht es darum, wie wir insgesamt die Kindertagesstätten noch stärker in den Dienst der Armutsprävention stellen. Denn die Bildungsarmut ist ein zentraler Vererbungsmechanismus für Armut. Es geht um die Frage, wie wir das durchbrechen. Das ist in der ganzen Debatte, die wir in den letzten Wochen und Monaten über die Bildung geführt haben, ein wenig zu kurz gekommen.
Wir haben das immer als einen Bestandteil unserer Kindergartenpolitik begriffen. Deswegen ist unser Fokus sehr stark gleichzeitig auf die Verbesserung der Qualität und auf die Entlastung der Kommunen gerichtet. Natürlich ist eine familienpolitische Entlastung, eine Einkommensentlastung gerade in dem Segment der tendenziell abnehmenden Mittelschicht – darauf wird in dem Bericht auch hingewiesen – eine Armutspräventionsmaßnahme.
Ich will mit diesen beiden Beispielen sagen, dass es sich lohnt und lohnen muss, über die Ergebnisse dieses Sozialberichtes nicht nur mit mehr oder weniger groben Strichen mit Anträgen mit fünf Punkten hinwegzuhuschen. Vielmehr lohnt es sich, die Arbeit im Detail zu machen und die Diskussion im Detail zu führen. Man kann das an konkreten Projekten machen und dann definieren, wen man
braucht, um dieses Projekt zu machen. Ich bleibe jetzt einmal bei meinem Beispiel. Da gilt es, die weitere Entwicklung der Familienzentren voranzutreiben, und zwar sowohl konzeptionell als auch finanziell.
Dazu gibt es keinen Hinweis, wie die Debatte aus Sicht der Landesregierung weitergeführt werden soll. Deshalb komme ich auch zurück zu dem, was ich zu Beginn gesagt habe: Wenn Armutsberichterstattung einen Sinn haben soll, muss sie Handlungsempfehlungen vorlegen – das ist geschehen, das will ich loben. Dies ist in der Tat qualitativ eine deutliche Weiterentwicklung im Verhältnis zum ersten Landessozialbericht, den wir hatten. Aber es darf sich nicht darauf beschränken, dass die Regierung einen Bericht in Auftrag gibt – dann wird er abgeliefert, und dann möge Gott im Himmel sehen, was damit geschieht. Es muss damit von vornherein ein weiter gehender, vertiefter ins Detail gehender politischer Prozess verknüpft sein. Dafür werben wir mit unserem Antrag, um dessen Annahme ich hiermit herzlich bitte. – Herzlichen Dank.