Protokoll der Sitzung vom 20.06.2018

2004 von dem Facebook-Investor und PayPal-Erfinder Peter Thiel mithilfe von In-Q-Tel gegründet, dem Risikoinvestment-Arm des US-Geheimdienstes CIA. …

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Palantir steht im Verdacht, Kontakte zur Firma Cambridge Analytica unterhalten zu haben, die mit illegal erlangten Facebook-Daten die US-Präsidentschaftswahl manipuliert haben soll.

Der „Spiegel“ vom 6. April beschreibt dies sehr plastisch – ich zitiere –:

Der Kauf der Palantir-Software in Hessen ist auch deshalb heikel, weil die Firma in den USA wegen missbräuchlicher Nutzung von Kundendaten aufgefallen war.

(Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, das hat uns zu weiteren Fragen geführt.

Übrigens wissen wir aus einer Anfrage der GRÜNEN im Deutschen Bundestag vom Juni dieses Jahres, dass sich das Bundesverteidigungsministerium gegen Palantir entschieden hat.

(Günter Rudolph (SPD): Ist ja interessant!)

Trotz all dieser Bedenken ist Hessen einen Sonderweg gegangen und hat diese Analyseplattform namens „Gotham“ angeschafft. Diese Anschaffung wirft nun eine Menge Fragen auf. In dieser Analyseplattform werden Daten aus angeschlossenen polizeilichen Datenbanken in Hessen so aufgearbeitet, dass sie miteinander vergleichbar sind. Darüber hinaus können im Einzelfall diese Daten mit externen Daten z. B. aus sozialen Netzwerken verglichen werden. Es ermöglicht also einen sehr weitreichenden Eingriff in große persönliche Datenmengen.

Deshalb ist es eine sehr spannende Frage, die leider weder im Innenausschuss noch durch die erfolgte Akteneinsicht geklärt werden konnte, wie eigentlich der Schutz der Daten sichergestellt wird. Wie wird technisch sichergestellt, dass keine Daten der hessischen Sicherheitsbehörden an unbefugte Stellen und insbesondere die USA ausgeleitet werden? – Bislang wissen wir nur von einer vertraglichen NoSpy-Klausel. Das hat aber keine technischen Auswirkungen.

Offenbar gab es eine erste, sogar freihändige Vergabe bereits im Jahr 2017, in der gar nicht ausgeschrieben wurde, und eine zweite, die nur im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntgabe erfolgte, die auch Gegenstand im Innenausschuss war. Infrage steht auch, wie ernsthaft eine Marktanalyse stattgefunden hat oder ob schon von Anfang an entschieden war, nur Palantir zu wählen. Das ist für uns nach der Akteneinsicht und nach unseren Fragen überhaupt nicht zu beantworten, da die Akten nur unvollständig vorlagen und zum Teil geschwärzt waren.

Das Vergaberecht dient aber der größtmöglichen Transparenz und einem fairen Wettbewerb in Europa. Wir haben erhebliche Zweifel, ob beide infrage stehenden Verfahren vergaberechtlich ordnungsgemäß durchgeführt worden sind.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sie begründen das alles nur mit Sicherheitsrisiken. Ich halte das für in Gänze nicht ausreichend. Das gilt vielleicht für Teile des Vertrages, aber nicht insgesamt.

Ich will noch einmal deutlich machen: Wir lehnen eine solche Technologie zur Terrorismusbekämpfung nicht grundsätzlich ab. Wenn so etwas eingesetzt wird, sollte das nur durch einen zuverlässigen Anbieter, unter Berücksichtigung besonderer Datenschutzmaßnahmen und nach einer sorgsam erfolgten Grundrechtsabwägung geschehen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Immer mehr drängende Fragen sind aufgetaucht: Warum musste es ausgerechnet dieses umstrittene Unternehmen sein? Wer hat eigentlich entschieden, dass es Palantir werden soll? War der Innenminister in diese Entscheidung involviert? Weshalb wurden beide Verfahren nicht öffentlich ausgeschrieben? Warum wurde mitten im laufenden Ver

gabeverfahren die Zuständigkeit gewechselt vom Landeskriminalamt zum Polizeipräsidium Frankfurt?

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Das sind alles Fragen, die uns nicht beantwortet worden sind, weder durch die Akteneinsicht noch durch Dringliche Berichtsanträge. Deshalb kann dies alles nur in einem Untersuchungsausschuss geklärt werden, weil ein Untersuchungsausschuss Zeugen vernehmen kann. Ich hoffe, dass im Untersuchungsausschuss die Akten vollständig vorgelegt werden. Deshalb bitte ich um Unterstützung unseres Antrags.

Frau Präsidentin, wenn ich darf, möchte ich noch eine kleine Änderung zu unserem Antrag vorbringen. Ich danke Herrn Wilken für die Anregung. Unter Frage 12 möchten wir ergänzen: „wenn ja, ob und wann Sicherheitsüberprüfungen aller Mitarbeiter durchgeführt wurden“. Ich gebe Ihnen das gerne auch zu Protokoll. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Danke, Frau Kollegin Faeser. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Bellino von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit keine Missverständnisse aufkommen, weise ich vorweg darauf hin, dass es für Parlamentarier selbstverständlich ist, auch wenn mitunter der Eindruck erweckt wird, dass das nicht der Fall ist, dass die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen nicht nur ein legitimes, sondern auch ein wichtiges und selbstverständliches Minderheitenrecht der Opposition darstellt. Deshalb tritt ein Untersuchungsausschuss zusammen, wenn das nötige Quorum – ein Fünftel der Abgeordneten – erreicht ist. Das ist für uns nicht nur eine Selbstverständlichkeit. Ich sage ausdrücklich, dass es auch gut so ist, dass das Parlament solche Ausschüsse einrichten kann.

(Beifall bei der CDU)

Wann und wie eine qualifizierte Minderheit dieses Instrument nutzt, das liegt in der Verantwortung – ich sage bewusst: Verantwortung – der einzelnen Fraktionen.

Wir sind davon überzeugt, dass im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport eben auch durch die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Recht und Gesetz gehandelt wurde und gehandelt wird und dass auch alle Transparenzanforderungen eingehalten wurden. Wir sind sicher, dass wir richtig und frühzeitig informiert wurden. Mit „wir“ meine ich die Politiker beispielsweise im Innenausschuss, liebe Frau Faeser. Ich kann das Timing für die Öffentlichkeit noch einmal darstellen.

Am 10. April gab es einen Dringlichen Berichtsantrag zum Thema Palantir. Zwei Tage später, am 12. April, wurde der Innenausschuss durch das Innenministerium nicht nur aus

führlich, sondern, wie ich meine, auch sehr sachgerecht informiert.

Das war nicht ohne Gefahr. Wenn man innerhalb von einem Arbeitstag die Antworten zusammenträgt, dann kann dabei auch einmal ein Fehler passieren. Insofern hätte das Innenministerium auch sagen können: Da lassen wir uns einmal ein paar Tage oder eine Woche Zeit und machen eine Sondersitzung. – Nein. Das haben sie nicht gemacht. Auf den Antrag vom 10. April wurde am 12. April berichtet.

Der Berichtsantrag der SPD vom 2. Mai wurde in der Sitzung am 9. Mai durch das Ministerium beantwortet. Am 5. Juni wurde Akteneinsicht eingefordert von SPD und FDP. Bereits am 6. Juni, also einen Tag später, sagt das Ministerium: Kommt vorbei, ihr könnt alles einsehen. – Das ist alles keine Selbstverständlichkeit; denn es müssen auch entsprechende Vorbereitungen getroffen werden. Insofern sehen wir an dieser Stelle keinen Grund zur Kritik.

Meine Damen und Herren, wir sind aber auch der Meinung, dass wir über ein sehr sensibles Thema sprechen. Es geht um den Schutz unserer Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen, vor organisierter Kriminalität, vor Extremismus, egal von welcher Seite er kommt. Insofern ist es unseres Erachtens geboten, dass das Ministerium schnellstmöglich und hoch kompetent sich entsprechender Softwareinstrumente, in diesem Fall, oder anderer Techniken bedient. Insofern können wir der Behauptung, dass diese Analysesoftware nicht sicher sei, nicht folgen. Ich erinnere daran, dass diese Software in den Vereinigten Staaten bei höchsten Regierungsstellen zum Einsatz kommt. In Deutschland nutzen auch Unternehmen wie Merck dieses Instrument und sind damit hochzufrieden. Außerdem wird in anderen Bundesländern geprüft, ob diese Software wegen ihres Erfolgs zum Einsatz kommt.

Insofern fragen wir uns, ob dieser Untersuchungsausschuss wirklich sinnvoll ist oder ob es nicht, wenn es Ihnen um weitere Informationen geht, sinnvoller wäre, eine Sondersitzung des Innenausschusses zu beantragen, wie dies auch beim tragischen Fall Susanna der Fall gewesen ist. So könnte der Minister erneut befragt werden. Es könnte aber auch eine weitere Akteneinsicht gefordert werden, wie dies vom Minister angeboten wurde. Der Minister hat klar gesagt: Wenn es weitere Nachfragen gibt, wenn es noch Unklarheiten gibt, dann fragt und kommt vorbei. Wir stehen jederzeit zur Verfügung. – Das hätten wir für sinnvoller gehalten, weil man dadurch diese Informationen schneller gewinnen kann. Dadurch würde man schneller handlungsfähig bzw. entscheidungsfähig.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage es noch einmal: Das ist Ihre Verantwortung. Das ist Ihre Entscheidung. Sie haben sich entschieden. Ob es dem Fair-Play-Gedanken entspricht, dies bereits in der vergangenen Woche anzukündigen, aber erst zwei Stunden vor der Debatte einen Antrag einzureichen, das mögen Sie entsprechend beurteilen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sagt der, der 50 Seiten Änderungsantrag von heute auf morgen einreicht!)

Im Einsetzungsantrag steht üblicherweise, dass der Untersuchungsausschuss prüfen soll, ob und, wenn ja, warum etwas passiert ist. Sie hingegen stellen bereits in Ihrem An

trag fest, dass es Verstöße gegen das Vergaberecht gegeben habe und dass Schäden entstanden seien. Dies ist meines Erachtens eine Finalprojektion, aber nicht unbedingt ein Indiz dafür, dass Sie sachlich aufklären wollen. Wir werden sehen, wie sich das im weiteren Verlauf gestalten wird.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, dass das dann sehr sachorientiert und kein Wahlkampfmanöver wird nach dem Motto: Wenn wir das Spiel schon nicht gewinnen können, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt. – Ich hoffe, dass das nicht der Fall ist und dass wir im Ausschuss sachorientiert zusammenarbeiten können. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bellino. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Greilich von der FDP-Faktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bellino, Sie dürfen sicher sein, wie bei der Fußballweltmeisterschaft sollten wir uns auch hier verhalten. Wir werden Ihnen den Rasen nicht kaputt treten, aber wir werden uns darum kümmern, dass der hessische Rasen sorgfältig gepflegt wird. Das ist das Thema, um das wir uns heute kümmern.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Wir wollen den Videobeweis!)

Ich will die Vorgeschichte einmal kurz erläutern. Das Ganze hat ja eine Vorgeschichte, auch wenn wir plötzlich aus der Zeitung von der Vergabe an Palantir erfahren haben. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass es im Mai 2016 eine Delegationsreise des Innenministers ins Silicon Valley gab, an der, wie üblich, auch Abgeordnete teilgenommen haben. Dabei ist auch die Firma Palantir besucht worden. Ganz nebenbei weise ich darauf hin, dass anschließend auch das FBI in Washington besucht wurde.

Wir waren schon beeindruckt. Wir waren beeindruckt von der Leistungsfähigkeit und den Einsatzmöglichkeiten, die sich aus den uns gezeigten Dingen ergeben haben. Deswegen sind wir durchaus gemeinsam mit dem Minister der Auffassung, dass wir uns darum bemühen müssen, dass wir vernünftige technische Möglichkeiten auch für die hessischen Sicherheitsbehörden nutzbar machen. Das ist unstreitig.

Wir wollten als Innenausschuss den Kontakt weiterverfolgen. Auch das gehört zur Vollständigkeit der Geschichte. Als wir das Innenministerium baten, bei Terminvereinbarungen behilflich zu sein, war Palantir plötzlich nicht mehr erreichbar. Das hat uns schon damals gewundert. Der Kollege Holschuh erinnert sich sicher noch sehr genau daran. Wir haben das aber zunächst hingenommen, bis wir dann hellhörig wurden, als diese Vergabeentscheidung durch die Zeitungsveröffentlichungen bekannt wurde.

Die Vergabe des Auftrags für die Beschaffung wirft Fragen auf. Dies betrifft einerseits die Frage – Frau Kollegin

Faeser hat den Hintergrund beleuchtet –, ob hessische Sicherheitsinteressen durch die Vergabe an dieses amerikanische Unternehmen verletzt werden. Die Kontakte und das Umfeld von Palantir wurden bereits beleuchtet. Wir haben Nachfragen gestellt. Wir haben einen Dringlichen Berichtsantrag gestellt. Die SPD hat ebenso einen Antrag gestellt. Es folgten unvollständige Auskünfte des Ministers. Fragen zur Korrektheit des Vergabeverfahrens tauchen deshalb an dieser Stelle auf.

Parallel dazu ist durch einen akribisch arbeitenden Journalisten bekannt geworden, dass auch in anderen Behörden im Geschäftsbereich des Innenministers offensichtlich sehr lasch mit der Beachtung des Vergaberechts umgegangen wird.