Protokoll der Sitzung vom 20.06.2018

Herr Merz, wenn Sie hinschauen, sehen Sie, dass Sie bei Veränderungen zunächst einmal eine massive Beteiligung der kommunalen Ebene haben. Das finde ich gut. Es ist aber unser Job, dafür zu sorgen, dass daraus eine konstruktive Beteiligung zur Lösung des Gesamtproblems wird.

Sie haben die Nassauische Heimstätte angesprochen. Ich würde gerne schon noch auf zwei oder drei Themen eingehen, die Sie angesprochen haben. Sie haben erklärt, Sie wollten, dass die Mieten für Menschen mit mittlerem Einkommen, die dort wohnen, in den nächsten fünf Jahren um höchstens 1 % steigen. Es kann sein, dass sie gar nicht steigen. Sie sagen, das solle für alle gelten.

Um es drastisch zu formulieren, sage ich: Der Banker, der in einer Wohnung der Nassauischen Heimstätte lebt, braucht unserer Ansicht nach keine Mietpreisdeckelung. Da sind wir unterschiedlicher Auffassung. Ich finde, das kann man aussprechen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir diejenigen sind, die sehr viel mehr betriebswirtschaftlich, sehr viel konkreter und vernünftiger denken als die Sozialdemokraten oder als Herr Feldmann, der sagt: Eigentlich soll es Freibier für alle geben, völlig unabhängig vom Einkommen.

Wir würden damit doch dem Unternehmen Geld entziehen, das es braucht, um neue Wohnungen zu bauen. Ich glaube, da sind wir sehr viel näher an den Bedarfen dieses Marktes.

(Beifall bei der CDU)

Karin Wolff hat es mir gerade noch einmal gegeben. Wir reden bei der Nassauischen Heimstätte über 5,71 € Miete pro Quadratmeter im Landesdurchschnitt. Es sind 5,71 €. Ich glaube, das ist eine vertretbare und bezahlbare Miete. Sie liegt übrigens deutlich unter der der ABG, über die hier so häufig gesprochen wird. Das lässt es zu, dass sich die meisten Menschen diese Wohnungen leisten können.

Sie haben schon wieder die Schimäre angeführt, dass dort massenweise Wohnungen verkauft würden. Selbstverständlich verkauft eine Wohnungsbaugesellschaft mit 40.000, 50.000 oder 60.000 Wohnungen auch einmal welche davon. Das tut sie dort, übrigens mit der Zustimmung des Aufsichtsratsmitglieds Peter Feldmann, Oberbürgermeister von Frankfurt aus der SPD.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Woher wissen Sie das? Jetzt wird es spannend!)

Gerne. Das mache ich sofort. Zumindest einmal unterstelle ich das. Denn ich habe von Ihnen nicht gehört – –

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Darf ich zu Ende sprechen?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Ich kann gleich noch etwas zu den Aufsichtsratstätigkeiten des Herrn Feldmann sagen. Herr Schäfer-Gümbel, möglicherweise war er wie bei der Aufsichtsratssitzung der Fraport wieder einmal nicht da, Ihr Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das kann auch sein!)

Auf jeden Fall wurde von diesem Aufsichtsrat mehrheitlich beschlossen, dass man Wohnungen verkauft, die teilweise sogar leer stehen. Möglicherweise gibt es Interessenten, die leer stehende Wohnungen im Vogelsberg oder im WerraMeißner-Kreis kaufen. Ich kann nicht erkennen, dass das ein Problem sein soll.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Die Nassauische Heimstätte verkauft sogar Reihenhäuser in Frankfurt-Westhausen. Ich glaube, es sind 327. Da schreien Sie wahrscheinlich wieder „Skandal“. Da frage ich: Warum denn nicht? – Wenn die Bestandsmieter in diesen Reihenhäusern angesichts des aktuell niedrigen Zinssatzes sagen: „Ich möchte das gern kaufen“, dann lassen wir sie das doch tun.

Herr Grumbach, die, die es nicht tun, bleiben dort wohnen, und sie bleiben Mieter der Nassauischen Heimstätte. Wo ist denn da, bitte schön, das Problem? – Das ist doch abenteuerlich.

(Beifall bei der CDU)

Ich bleibe dabei: Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen bezahlbaren Wohnraum finden – das ist der wesentliche Punkt. Dazu hat die Nassauische Heimstätte durch die Entscheidung der Landesregierung einen wichtigen Beitrag geleistet. Übrigens noch eine Nebenbemerkung: Wir verzichten deshalb auf die Dividende des Landes Hessen. Ich

warte da auf die Entscheidung der Stadt Frankfurt am Main, die das größte Problem in dem Zusammenhang hat.

Wir als Union glauben – das sehen Sie Gott sei Dank auch im Koalitionsvertrag im Bund so, wo Sie mit dabei sind –, dass die Eigentumsbildung ein wichtiger Punkt ist, um Menschen auf Dauer in diesen Gebäuden und Wohnungen zu belassen

(Zuruf des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

und ihnen damit gleichzeitig eine ordentliche Altersvorsorge zu verschaffen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es um die Alterssicherung geht, gibt es nichts Besseres, als am Ende im eigenen Haus zu wohnen, ohne Miete zahlen zu müssen.

Ich will dies als Letztes sagen, und ich bleibe dabei. Aber ich habe noch zwei kurze Punkte, wenn es die Zeit erlaubt.

Erstens. Ja, wir müssen ernsthaft darüber reden, dass Wohnen und Bauen massiv teurer geworden sind durch Dinge, die man immer umsetzen wollen, müssen und sollen wird, nämlich Brandschutz, behindertengerechte Wohnungen, energieeffiziente Wohnungen und, und, und. Wir haben uns selbst das Leben schwerer gemacht, aber sehenden Auges. Das müssen wir auch einmal ehrlich sagen. Wir sollten nicht einfach so erklären: Es wird immer teurer, das ist blöd. – Sie merken: Wir sind selbst dafür verantwortlich, dass es so ist. Darüber müssen wir reden. Das passiert in den Arbeitsrunden, die die Ministerin dazu geschaffen hat. Dort diskutiert man intensiv über die Prioritätensetzungen, um am Ende vielleicht wieder zu vernünftigen, moderaten Preisentwicklungen zu kommen.

Zweiter und letzter Punkt. Wir müssen vor allem dazu kommen – Herr Schäfer-Gümbel, den Satz unterstreiche ich, und den toppe ich sogar noch –: Bauen, bauen, bauen, sagen Sie. Ich sage: bauen, bauen, bauen, bauen. Wir sind gar nicht auseinander.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie reden nur darüber, und wir wollen es machen! Das ist der Unterschied!)

Wir reden jetzt noch einmal über das Rhein-Main-Gebiet. Wir müssen dafür sorgen, dass wir Flächen haben, die erschlossen werden und die als solche gemeinsam in der kommunalen Familie ausgewiesen sind und jetzt nur noch realisiert werden müssen. Da bin ich doch bei Ihnen – das habe ich auch an anderer Stelle auf unserem Parteitag gesagt –: Ja, wir brauchen mehr Solidarität in unserer Metropolregion wie in unserer Gesellschaft insgesamt. Es wäre schon schön, wenn nicht gleich die erste Bürgerinitiative um die Ecke kommt. Aber ich möchte dem Bürgermeister, dem CDU-Kommunalpolitiker, dem SPD-Kommunalpolitiker gerne dabei helfen, dass er noch bessere Argumente dafür hat, dass er Bauland erschließt – beispielsweise indem wir darüber reden.

Dazu werden wir – wir verabschieden ja gerade unsere Wahlprogramme für die nächste Legislaturperiode – sehr dezidierte Vorschläge machen, die wir gerade in der Partei diskutieren. Ich möchte, dass ein Bürgermeister nicht immer zuerst das Argument anbringt: Wenn ich erschließe, kostet das Geld. Ich habe noch keinen, der da wohnt. Ich muss die Kita bauen, ich muss die Grundschule bauen und weiß der Teufel was noch alles an Leistungen vorhalten. Fünf, acht oder zehn Jahre später kommen dann die Einwohner, die mir auch ein bisschen Geld in die Kasse spülen. – Ich möchte, dass wir diesen Einwohner möglicher

weise schon früher incentivieren und sagen: Wir tun jetzt einfach einmal so, als wohnten sie schon in der Kommune. Dann kann der Bürgermeister nämlich vor seine Gemeinde treten und sagen: Übrigens, wir haben auch etwas davon, wenn wir hier Wohnraum schaffen und dafür sorgen, dass die Menschen auch und gerade in der Rhein-Main-Region zu einigermaßen vertretbaren Preisen wohnen können.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Thema werden wir uns gerne im Landtagswahlkampf auseinandersetzen. Wir werden das gerne festmachen an dem, was Sie eben bei der Nassauischen Heimstätte kritisiert haben. Die SPD, um es überspitzt zu sagen – in Wahlkämpfen darf man zuspitzen –, will, dass bei der Nassauischen Heimstätte auch der Vorstand der Kreissparkasse, der Stadtsparkasse oder der Sparkasse X von einer Mietdeckelung profitiert. Das würde ich dem auch gern gönnen.

Kollege Boddenberg, kommen Sie bitte zum Schluss.

Man sollte nur die unterstützen, die es wirklich brauchen. Das sind diejenigen mit mittleren Einkünften. Darüber können wir gerne mit Ihnen streiten. Auf diese Auseinandersetzung freue ich mich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1999 regiert in Hessen alleine oder mit wechselnden Partnern – zunächst mit der FDP, seit 2014 mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – –

(Zuruf: Die CDU!)

Die CDU. Das habe ich doch gesagt.

(Zurufe: Nein!)

Nein? – Also noch einmal, das sollten alle wissen: Seit 1999 regiert in Hessen die CDU alleine oder mit wechselnden Partnern – zunächst mit der FDP, seit 2040 mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

(Zurufe: 2014! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Fang doch noch einmal an!)

seit 2014 mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – So, hat es jetzt jeder verstanden?

(Zurufe: Ja! – Heiterkeit)

Danke, Herr Staatssekretär. – Die Menschen im Ballungsraum Rhein-Main, aber auch an den hessischen Hochschulstandorten, bemerken dies vor allem an der Ver

ringerung von bezahlbarem Wohnraum und explodierenden Mieten.

Allein an den Bestandszahlen des sozialen Wohnraums in Hessen lässt sich dies äußerst anschaulich belegen. Kollege Schäfer-Gümbel hat schon darauf hingewiesen: Ich habe in meiner Kleinen Anfrage vom 24. Mai 2012 seinerzeit nach dem Bestand an Sozialwohnungen in Hessen zum 31. Dezember 1999 gefragt. Demnach waren zu diesem Datum in Hessen 177.545 Sozialwohnungen vorhanden. Zum 31. Dezember 2017 existierten davon nur noch knapp 85.000.

Die verschiedenen CDU-geführten Landesregierungen in Hessen haben es also in 18 Jahren geschafft, den Bestand an sozialem, also für Menschen mit niedrigem Einkommen bezahlbarem, Wohnraum mehr als zu halbieren. Besonders dramatisch hierbei sind die Zahlen der letzten vier Jahre. Obwohl die verantwortliche Umwelt- und Landwirtschaftsministerin ständig neue propagandistische Ankündigungen in Sachen Wohnungspolitik macht, sind seit dem Beginn der schwarz-grünen Landesregierung fast 30.000 Sozialwohnungen verloren gegangen.

Allein die Zahl der offiziell registrierten anspruchsberechtigten Haushalte, die derzeit nicht mit entsprechendem Wohnraum versorgt werden können, lag Ende 2017 bei über 51.000 Haushalten. 2010 waren dies übrigens noch 40.662, also erheblich weniger. Dabei ist die Dunkelziffer der Anspruchsberechtigten weitaus größer. So haben laut dem Wohnungsdezernenten der Stadt Frankfurt, Mike Josef, 47 % der Haushalte in Frankfurt ein Einkommen, das sie berechtigen würde, eine geförderte Wohnung zu erhalten.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Hessen lediglich 582 neue Sozialwohnungen gebaut. Hinzu kommen noch sage und schreibe 69 Studierendenwohnungen, die in ganz Hessen neu errichtet wurden.