Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Wer kümmert sich denn im Bundesrat darum, Frau Kollegin Schott, für eine echte Hardwareumrüstung zu kämpfen? – Diese Umweltministerin.

Wer kümmert sich um das Thema „blaue Plakette“? Darauf können wir gern näher eingehen. – Diese Umweltministerin.

Wenn Sie sich hierhin stellen und so tun, als spiele das Thema Luftreinhaltung keine Rolle, muss ich Sie fragen: Lesen Sie eigentlich Zeitung, Frau Schott?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der CDU: Nein! – Zuruf: Nur „Neues Deutschland“! – Marjana Schott (DIE LIN- KE): Ich lese, was die Ministerin tut!)

Ich versuche, zum Thema zu kommen.

(Zuruf von der LINKEN: Das ist gut!)

Eigentlich geht es um das Thema „Dieselskandal und ÖPNV“. Darüber hat leider die Frau Kollegin nicht so viele Worte bei ihrer Beschimpfung der GRÜNEN verloren. Der Dieselskandal läuft nun schon seit drei Jahren. Die Aufklärung geht schleppend voran. Es gibt eine Salamitaktik, bei der immer neue Dinge ans Licht kommen. Der Verlust an Vertrauen in die deutsche Automobilindustrie wird immer größer. Das ist das Problem. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher haben Dieselautos in dem Glauben gekauft, dass es gute Autos seien, und wurden herb enttäuscht. Das Vertrauen dieser Verbraucherinnen und Verbraucher muss man zurückgewinnen. Dafür trägt in erster Linie die Automobilindustrie die Verantwortung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade leistet die Staatsanwaltschaft beste Aufklärungsarbeit. VW hat nun ein Bußgeld in Höhe von 1 Milliarde € akzeptiert.

(Zuruf von der FDP: Zahlen die das aus dem Län- derfinanzausgleich?)

Ich hoffe sehr, dass die Unternehmen verstehen, dass es in ihrem Interesse liegen muss, endlich Verantwortung zu übernehmen und den Willen zur Aufklärung und zur Ko

operation zu zeigen. Das jahrelange Verschleppen und Vertuschen muss endlich ein Ende haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Genau deshalb brauchen wir ein klares Signal der Umkehr von der Automobilindustrie. Dazu muss ich ganz klar sagen: Diese Forderungen nach Software-Updates bzw. dieses Angebot bringen überhaupt nichts. Das bringt nichts für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Das bringt nichts für die Umwelt und für die Gesundheit der Menschen. Wir brauchen endlich eine Hardwareumrüstung aller Dieselautos auf Kosten der Hersteller. Die Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen hierfür nicht herangezogen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich finde es schade, dass sich das Bundesverkehrsministerium und das Bundesumweltministerium immer noch im Streit über diese Frage befinden. Denn die Hardwareumrüstung wäre möglich, und die Kosten sind tragbar. Das Chaos der Großen Koalition führt hierbei überhaupt nicht weiter.

Die Musterfeststellungsklagen, die gerade vom Bundestag eingeführt worden sind, stellen einen wichtigen ersten Schritt dar. Aber ich empfinde sie als halbherzig; denn es ist zwar gut, wenn Verbraucherverbände jetzt Verbraucherinnen und Verbraucher vertreten können, aber die eigentliche Hürde betrifft die Frage der Schadensersatzansprüche. Die müssen gesondert angegangen werden, falls die Klagen erfolgreich sind – dann mit vollem Risiko aufseiten der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Wenn jemand für die Verbraucherinnen und Verbraucher kämpfen muss, ist es die Bundesregierung gegen die Interessen der Automobilindustrie. Von ihr würde ich viel mehr Rückendeckung erwarten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Schott, ich habe nicht ganz verstanden, was Sie eigentlich mit dem Thema „blaue Plakette“ wollen. Ich habe auch, ehrlich gesagt, überhaupt nicht verstanden, was Sie überhaupt in Sachen Luftreinhaltung fordern – vom kostenlosen ÖPNV abgesehen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das habe ich auch nicht verstanden!)

Beim Thema „blaue Plakette“ hat leider auch die neue Bundesumweltministerin die Segel gestrichen. Da wünsche ich mir Barbara Hendricks zurück, liebe SPD. Sie hat immer gestanden, auch wenn Gegenwind kam. Denn diese Grenzwerte existieren wegen der Gesundheit der Menschen, weil gerade kleine Kinder und ältere Menschen vom Stickstoffdioxid besonders betroffen sind.

Wir GRÜNE haben jahrelang vor diesen Überschreitungen der Grenzwerte für Stickstoffdioxid gewarnt. Wir haben jahrelang gefordert, dass endlich etwas passiert. Jetzt stehen die Länder leider mit dem Rücken an der Wand, weil die Urteile kommen. Ein Urteil folgt aufs andere.

Jetzt kommen die ersten Fahrverbote. Frau Kollegin Schott, vielleicht denken Sie einmal über ein generelles Fahrverbot im Vergleich zur blauen Plakette nach. Das Stichwort „generelles“ Fahrverbot ist das wichtige. Denn

wenn man keine blaue Plakette hat, gibt es generelle Fahrverbote: entweder für ganze Straßenzüge oder für ganze Städte. In Hamburg hat das angefangen. In einigen Städten sind wir kurz davor. Auch in Hessen drohen Fahrverbote.

Wir GRÜNE – das ist nicht die Meinung des Koalitionspartners – sind der Meinung, dass die Einführung einer blauen Plakette wichtig ist. Dann könnten diejenigen, die einen saubereren Diesel besitzen, in diese Straßenzüge einfahren. Das wäre sinnvoll und besser, als dass niemand hineinfahren kann.

Ganz wichtig sind – vielleicht haben Sie an dem Punkt Interesse – die Ausnahmen. Sie kann man in Umweltzonen regeln, etwa für Handwerker oder Krankenwagen. Deswegen finden wir eine blaue Plakette besser als generelle Fahrverbote.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte gerne mit Ihnen über die Frage des ÖPNV diskutiert. Sie haben das mit dieser Debatte verbunden. Das finde ich richtig; denn das ist ein Anlass, über die echte Verkehrswende zu reden. Man könnte an dieser Stelle über die Frage des Autokaufverhaltens reden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, stimmt!)

„Immer größer, immer breiter, immer schönere Reifen“ – ist auch eine Frage, aber das stellt keine Aufgabe der Politik dar. Aufgabe der Politik ist es, Alternativen zu stärken. Mit Blick auf diese Alternativen haben wir eine Menge getan, Frau Kollegin Schott. Auch hierzu frage ich mich, wo Sie die letzten fünf Jahre eigentlich waren.

Wir haben nämlich die Weichen für eine umweltfreundliche Verkehrswende gestellt. Wir haben bessere Bus- und Bahnverbindungen erreicht, indem wir die hessischen Verkehrsverbünde gestärkt haben. Bis 2021 jährlich rund 800 Millionen €, also ein Viertel mehr als vorher – das ist einiges für die Verkehrswende, Frau Kollegin Schott.

Wir haben Rekordinvestitionen bei der Schieneninfrastruktur getätigt. Wir bauen Radwege aus. Wir haben die AG Nahmobilität gegründet, die den Kommunen hilft, bessere Rad- und Fußwegkonzepte zu machen. Wir haben die E-Mobilität gestärkt; das ist eine Alternative zum Diesel. Wir haben die Busförderung in Wiesbaden vorangebracht. Wir fördern die Ladeinfrastruktur.

Ganz besonders stolz sind wir darauf, dass wir das Schülerticket auf den Weg gebracht haben. Alle Schülerinnen und Schüler in Hessen, alle Azubis in Hessen und alle in Hessen, die als Bundesfreiwillige tätig sind, können für 1 € am Tag in ganz Hessen Bus und Bahn fahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Landesticket ist nicht kostenlos, sondern Teil der Tarifeinigung. Alle Angestellten sowie alle Beamtinnen und Beamten des Landes Hessens können kostenlos mit Bus und Bahn fahren. Wir gehen also als Arbeitgeber mit gutem Beispiel voran.

Das Spannende daran ist, dass die Leute plötzlich neue Wege finden. Sie merken plötzlich, dass Umsteigen attraktiv ist. Wir haben ganz viele Rückmeldungen, die sagen: Ich habe gar nicht gewusst, dass meine Verbindung doch eigentlich ganz günstig ist. Ich lese jetzt etwas auf dem Weg zur Arbeit. Ich finde das total entspannend. Ich habe eine neue Freiheit hinzugewonnen.

Es wäre natürlich schön, wenn die Schülerinnen und Schüler auch an den Klimaschutz denken würden. Seien wir aber doch einmal realistisch: Die Schüler denken an die nächste Party, die sie machen wollen. Sie wollen sich mit Freunden in Frankfurt treffen und ein schönes Konzert besuchen. Mit dem Schülerticket haben sie eine echte Freiheit hinzugewonnen. Das ist genau die Politik, die erfolgreich ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Genau da wollen wir hin. Wir wollen ein Bürgerticket, das allen Bürgern diese Freiheit bietet. Wir haben bewiesen, dass wir die ersten Schritte möglich gemacht haben und dass wir die kommenden Schritte auch machen können. Das Seniorenticket ist ein weiterer Schritt, den wir uns als GRÜNE vorstellen.

An dieser Stelle zeigt sich der große Unterschied zu den LINKEN, Frau Kollegin Schott. Man kann ja von einem ÖPNV träumen, den die Kunden nicht mehr bezahlen müssen, der über Steuern finanziert wird. Die Debatte darüber ist nicht neu, sondern sehr alt. Wir wollen aber vorankommen. Wir wollen, dass unsere Vision jetzt Wirklichkeit wird, nicht irgendwann einmal.

Sie müssen irgendwann auch einmal die Frage beantworten können, wie Sie das in diesem Bundesland umsetzen wollen, Frau Kollegin Schott. Was wollen Sie tun? Wir wollen uns an unseren Taten messen lassen können. Ich bin kein Politikwissenschaftler wie Tarek Al-Wazir oder Mathias Wagner, die an dieser Stelle Feuerbach-Thesen erörtern.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): Die haben Sie ja nicht verstanden!)

Dazu fühle ich mich als Psychologin nicht berufen. Ich habe aber ein Zitat von Rosa Luxemburg gefunden. Diese Frau ist für die LINKEN jedenfalls ein wichtiges Vorbild. Rosa Luxemburg hat gesagt:

Du wirst nicht danach beurteilt, was du sagst, sondern was du tust.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau!)

Genau das haben wir getan. Wir haben mit dem Schülerticket und mit dem Jobticket bewiesen, dass ein Einstieg in das Bürgerticket möglich ist. Genau diesen Einstieg wollen wir weiterverfolgen.

Ich frage die Kollegen der LINKEN: Wenn das so einfach ist, was haben denn die Kollegen in Thüringen gemacht?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nichts!)

Warum haben die es nicht eingeführt? Die Kollegen in Thüringen würden sich freuen, wenn sie das Schülerticket einführen würden. Frau Kollegin Wissler hat hier im Plenum einmal sehr ausführlich darüber gesprochen, wie es eigentlich sein konnte, dass Tarek Al-Wazir damals, als der Bund angeboten hat, in einigen Städten einen sogenannten kostenlosen ÖPNV einzurichten, sich gerade an dieser Stelle skeptisch zeigte. Ich habe einmal Protokolle von Plenarsitzungen aus Thüringen nachgelesen, wo das auch Thema war.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Wer ist da Umweltministerin?)