Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kennen das in der Tat von der FDP. Die FDP hat sich leider wieder einmal verbissen in das Thema Energiewende bzw. Energiepolitik, und zwar auf eine Art und Weise, die nicht zu einem richtigen Umgang mit Fakten passt.

Das beginnt mit der Behauptung, der Durchschnittsstrompreis für Haushaltskunden in Deutschland läge bei 33,6 Cent; er liegt bei 30,5 Cent. Das ist in der Tat sehr hoch. Deutschland liegt damit gemeinsam mit Dänemark an der Spitze in Europa. Hier werden aber die regulären Tarife miteinander verglichen. Es gibt kein Land in Europa, das eine so gestaffelte Tariflandschaft hat wie Deutschland. Das heißt, in Deutschland gibt es sehr viele Möglichkeiten, deutlich unter diesen Durchschnittsstrompreis zu kommen. Dann muss man aber natürlich zum Wechsel bereit sein. Insofern hat Kollege Landau natürlich völlig recht, wenn er sagt, dass wir uns auch darum kümmern müssen, dass die Menschen wissen, dass man den Anbieter ohne große Probleme wechseln kann. Zudem muss man regelmäßig überprüfen, ob der Strompreis noch angemessen ist. Dann sieht das gleich schon ganz anders aus.

Wirklich ärgerlich ist aber das Verdrehen von Fakten bei der Differenzierung zwischen Haushaltsstrom und Industriestrom. Die Kollegen von der FDP sollten das eigentlich wissen.

(René Rock (FDP): Ich habe die VhU zitiert!)

Genau. – Beim Industriestrom liegt Deutschland auf dem drittletzten Platz in Europa, und zwar, weil hier die drittniedrigsten Preise zu bezahlen sind. Noch günstiger ist es nur noch in Luxemburg und Litauen. Ich weiß das, weil ich Strom an Industrieunternehmen verkauft habe, bevor ich in den Landtag eingetreten bin. Das heißt, der Industriestrompreis in Deutschland ist ein Standortvorteil für unsere Industrie. Es ist absolut fahrlässig, im Hessischen Landtag zu behaupten, in Deutschland wären die Industriestrompreise so hoch wie nirgendwo sonst in Europa.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Damit zerstört man das Vertrauen in den Industriestandort Hessen und in den Industriestandort Deutschland. Deshalb

rate ich sehr dringend von dieser Polemik und dieser Faktenverdrehung ab.

(Wortmeldung des Abg. René Rock (FDP))

Nein, keine Zwischenfrage.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es ist nicht wahr, was von Ihnen hier dargestellt wurde. Ich bin leider gezwungen, das wieder richtigzustellen, was Sie an Fakten hier verdreht haben. Das ist doch die Problematik, um die es hier geht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie verwechseln Haushaltsstrompreis und Industriestrompreis. Das hat aber natürlich etwas miteinander zu tun. Das ist ja auch schon erwähnt worden. Der hohe Haushaltsstrompreis hat etwas damit zu tun, dass wir die Industrie großzügig von der EEG-Umlage ausgenommen haben.

(Demonstrativer Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Faktisch subventionieren viele Haushaltsstromkunden damit die Industrie in Deutschland. Das ist übrigens ein Subventionstatbestand, den die EU-Kommission immer wieder moniert. Daran müssten wir also arbeiten.

Mit Verlaub: Wissen Sie, welcher Bundesminister diese Art der Spaltung massiv vorangetrieben hat? – Es war Herr Bundesminister Rösler von der FDP, der diese Spaltung vorangetrieben hat. Insofern sind es in der Tat Krokodilstränen, die Sie hier weinen. Es war die FDP, die diese Spaltung massiv vorangetrieben hat. Insofern: Belästigen Sie uns doch bitte nicht mit dieser Art von Faktenverdrehung,

(Beifall bei der SPD)

sondern kommen Sie endlich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Ein letztes Wort: Die günstigste Art von Energiewende, die wir vollführen können, ist nicht, zwei verschiedene Energiesysteme parallel zueinander weiter zu betreiben. Das ist die Problematik mit dem CO2, das ist die Problematik, dass wir weiterhin Braunkohle- und Kohlekraftwerke betreiben, obwohl wir bereits genug Strom hätten. Deutschland ist nämlich, um in Ihrem Diktum zu bleiben, Europameister im Stromexport,

(René Rock (FDP): Verschenken!)

und zwar dank der Braunkohlekraftwerke und Kohlekraftwerke. Das sind die Fakten. Insofern muss ich feststellen: Die FDP ist auch Europameister, aber eben leider im Faktenverdrehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die FDP hat eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Deutschland ist Euro

pameister bei den Strompreisen“ beantragt. Ich finde, das verbindet gleich zwei nervige Dinge miteinander: zum einen Fußballfloskeln in der Politik

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

und zum anderen das ständig wiederkehrende Genörgel der FDP über die ach, so teure Energiewende.

(Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Sie beziehen sich auf eine Statistik von Eurostat, die zu dem Ergebnis kam, dass Deutschland den höchsten Durchschnittspreis für die Kilowattstunde Strom habe. Für Hessen trifft das übrigens nicht einmal zu, weil in Hessen der Durchschnittswert für einen vierköpfigen Haushalt unter den von Eurostat angesetzten Werten liegt.

Ja, die Strompreise steigen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Für die Industrie trifft das nicht zu; das hat Kollege Grüger schon ausgeführt. Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist das ein Problem. Es gibt Energiearmut in Deutschland.

(René Rock (FDP): Aha, Energiearmut!)

Wir nehmen das ernst, und zwar schon lange – anders als die FDP, die das Thema Strompreise für einkommensschwache Haushalte ja erst im Kampf gegen die Energiewende entdeckt hat, genauso wie den Artenschutz, die Wälder und die Umwelt. Für all das hat sich die FDP in der Vergangenheit ebenso wenig eingesetzt wie für einkommensschwache Haushalte.

Wir lassen nicht zu, dass hohe Strompreise der Energiewende in die Schuhe geschoben werden. Das ist wirklich eine absolut absurde Argumentation und verdreht vollkommen die Fakten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Während Kohle und Atom seit Jahrzehnten aus Steuermitteln gefördert sind und dies aufgrund der Folgekosten auch noch lange sein werden, werden die Kosten der Energiewende dem Strompreis aufgebürdet – und damit den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Die Energiepreise steigen, weil diese Bürde auch noch ungleich verteilt wird. Anstatt die EEG-Umlage als Werkzeug für eine tatsächliche Energiewende zu nutzen, wird die energieintensive Industrie entlastet und werden die privaten Haushalte belastet. Herr Kollege Grüger hat bereits ausgeführt, dass die privaten Verbraucher letztlich mit dafür bezahlen, dass energieintensive Betriebe so viel Strom verbrauchen können, wie sie verbrauchen.

Familien im Hartz-IV-Bezug wird mit Stromsperren das Licht abgestellt. Es gibt in Deutschland über 800.000 Stromsperren pro Jahr, während die Industrie kaum Anreize erhält, auf energiesparendere Produktion umzustellen.

Auch leisten wir uns den Luxus, das herkömmliche Energiesystem und das erneubare, dezentrale Energiesystem parallel zu betreiben. Auch das kostet Geld. Ein schneller und vollständiger Wechsel zu erneuerbaren Energien würde hier also helfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Seit einiger Zeit holen die alten Energiekonzerne zum Gegenschlag aus. Sie versuchen, sich die Energiewende, die eine dezentrale sein sollte und muss, doch noch zu eigen zu machen. Die milliardenschweren Tauschgeschäfte von RWE und E.ON in den Bereichen Energieerzeugung und Netze führen zwangsläufig zu einer Machtkonzentration und zur Verfestigung der Machtpositionen dieser Konzerne.

Auch das macht natürlich einen Teil der steigenden Preise aus. Dominieren große Energiekonzerne weiterhin den Energiemarkt,

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

wird das nicht ohne Folgen für die Ökostrombranche bleiben. Wir erwarten von den Kartellbehörden, dass sie hier genau hinschauen.

Es gäbe eine ganze Menge Möglichkeiten, den Strompreis zu senken. Aktuell besteht ein Überschuss in Milliardenhöhe auf dem EEG-Konto, welches die Stromkunden gefüllt haben.

Die Stromkostenpauschale bei Hartz-IV-Beziehern müsste schnellstens aktualisiert und angepasst werden. Wir brauchen endlich Transparenz bei den Netzentgelten und – ja – wieder eine staatliche Strompreisaufsicht, wie es sie bis zum Jahr 2007 gegeben hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann doch nicht sein, dass die vier privaten Netzbetreiber die Preise nach Gutsherrenart willkürlich und auf Kosten der Privathaushalte festlegen.

Natürlich müssen wir auch die Privilegien der Industrie in Höhe von bundesweit 7,7 Milliarden € im letzten Jahr ansprechen; denn sie treiben den Strompreis für alle anderen in die Höhe, z. B. durch Entlastungen bei der Stromsteuer. All das böte Möglichkeiten, den Strompreis zu senken.

Aber wir senken den Strompreis nicht, indem man den Strompreis nutzt, um gegen die Energiewende zu polemisieren, wie es die FPD in diesem Hause permanent tut.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)