Protokoll der Sitzung vom 22.08.2018

Der Begriff „Katastrophe“ ist in § 24 HBKG klar definiert und findet sich auch im Katastrophenschutzgesetz des Landes wieder. Er heißt wie folgt:

Katastrophe im Sinne dieses Gesetzes ist ein Ereignis, das Leben, Gesundheit oder die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung, Tiere, erhebliche Sachwerte oder die natürlichen Lebensgrundlagen in so ungewöhnlichem Maße gefährdet oder beeinträchtigt, dass zur Beseitigung die einheitliche Lenkung aller Katastrophenschutzmaßnahmen sowie der Einsatz von Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes erforderlich sind.

Die Definition impliziert nach allgemeinem Verständnis immer Gefahr im Verzug. Hessen hat also mit dieser neuen Formulierung in § 34 ein echtes Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. In Hessen gibt es Katastrophen mit Gefahr im Verzug und solche, die bei den Behörden durchaus mit etwas Zeit bearbeitet werden können.

(Tobias Eckert (SPD): Das gibt es nur in Hessen!)

In Wahrheit und in der Praxis bedeutet es aber, dass im Grunde genommen der alte Zustand des § 34 für die unteren Katastrophenschutzbehörden mit dieser Deutungsakrobatik wiederhergestellt worden ist. Auf Umwegen ist damit auch der SPD-Änderungsantrag in diesem Punkt erfüllt.

(Beifall bei der SPD)

Die Festlegungen des § 12 haben ebenfalls zu Widerspruch geführt. Vorgesehen war, dass Gemeinden mit eigener Bauaufsicht die Option zur Bestellung hauptamtlicher Gemeindebrandinspektoren haben. Unsere Kritik entzündete sich daran, dass in einem solchen Fall den Feuerwehren lediglich das minimale Beteiligungsrecht der Anhörung ein

geräumt werden sollte. Das war ein krasser Affront gegen die demokratischen Gepflogenheiten in den Feuerwehren und auch keine gute Voraussetzung für eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen.

Wir waren und sind der Auffassung, dass eine solche Stellenbesetzung nur im Einvernehmen mit den Feuerwehren geschehen kann. In der Anhörung hat Dr. Ackermann vom Landesfeuerwehrverband auf die Defizite des Entwurfs im Hinblick auf das demokratische Grundverständnis und das Erfordernis echter Beteiligung der Feuerwehren verwiesen. Im Änderungsantrag der Koalition heißt es jetzt:

Eine Besetzung … durch den Gemeindevorstand erfolgt mit Zustimmung der Mehrheit der aktiven ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen.

Nach meinem Sprachgebrauch sind die Formulierung „im Einvernehmen“, wie im SPD-Antrag, und die Formulierung „mit Zustimmung“ identisch.

Dass nun alle kreisangehörigen Gemeinden diese Option der hauptamtlichen Stellenbesetzung haben sollen, ist eine richtige Antwort auf die gegenwärtigen Probleme. Es wird immer schwieriger, diese verantwortungsvollen und zeitintensiven Führungsposten ehrenamtlich zu besetzen. Auch hier müssen die Feuerwehren erst zustimmen. Falls ja, dann ist ein Sprecher der Feuerwehren für deren Interessenwahrnehmung zu wählen. Damit sind die Feuerwehren von Anfang an mit im Boot. Das ist gut und zwingend geboten.

(Beifall bei der SPD)

Die Regelung in § 61, der die Kostenpflicht der Leistungserbringer im Rettungsdienst oder beim Krankentransport vorsieht, wird meiner Meinung nach ohne juristische Auseinandersetzung kaum zu bewältigen sein. Dies sieht Innenminister Beuth allerdings anders. Zu dieser Auffassung kann man allerdings nur kommen, wenn die Weitergabe der zusätzlichen Kosten durch die Leistungserbringer an die Kostenträger, also die Krankenkassen, ausgeblendet wird.

Die Leistungserbringer müssen zahlen, aber sie könnten auf den Kosten sitzen bleiben. Dazu liegen bereits Urteile von Verwaltungsgerichten vor. Die AOK Hessen hat auf meine Nachfrage hin durch ihre Rechtsabteilung Folgendes mitgeteilt:

Nach unserer Rechtauffassung handelt es sich bei den von Ihnen beschriebenen Einsätzen grundsätzlich um Einsätze nach § 61 Abs. 6 HBKG. Demnach ist für die Rettung und auch für die Bergung von Menschen aus Gefährdungssituationen die Feuerwehr bzw. der Katastrophenschutz zuständig, sodass für diese Leistungen von den Krankenkassen weder Gebühren noch Ersatz eingefordert werden kann.

Herr Minister, ich weiß nicht, woher Sie Ihre absolute Sicherheit nehmen, dass dies alles ohne Rechtsstreitigkeiten zu vollziehen ist. Vielleicht können Sie dazu noch einmal kurz Stellung nehmen.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu unserem Abstimmungsverhalten. Inhaltlich ist vieles verbessert und auf den letzten Drücker in die richtige Richtung gebracht worden.

Herr Kollege, Sie müssten zum Ende kommen.

Allerdings ist der Umgang von Schwarz-Grün mit unseren konstruktiven Änderungsanträgen von parlamentarischer Arroganz und Überheblichkeit geprägt. Aus dem Grund werden wir uns bei der Verabschiedung dieses Gesetzes der Stimme enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Kollege Franz. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Greilich für die FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dass ich die Redezeit nicht ausnutzen muss. Kollege Franz hat schon sehr viel Zutreffendes zu diesem Thema gesagt.

Es wäre alles relativ einfach gewesen, wenn Sie entweder die beiden problematischen Passagen von vornherein nicht in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen hätten, der ansonsten im Wesentlichen völlig einvernehmlich zu sehen ist, oder wenn Sie sehr schnell reagiert und gesagt hätten: Die Sozialdemokraten haben einen sinnvollen Änderungsantrag vorgelegt. Das übernehmen wir so, auch wenn SPD darauf steht.

In der Sache ist es richtig, was die SPD beantragt hat. Die Anhörung hat es durchgängig bestätigt. Die einhellige Kritik an den beiden wesentlichen Punkten Ihrer Vorlage ist jetzt durch Ihren Änderungsantrag aufgenommen worden. Ich finde, es ist nicht so gut aufgenommen, wie es die SPD formuliert hat. An einer Stelle läuft es wirklich auf das Gleiche hinaus. Das ist die Frage der Beteiligung der Ehrenamtlichen an der Entscheidung, ob die Stelle eines Stadtbrandinspektors hauptamtlich besetzt wird oder nicht.

Es war ein Affront gegenüber ehrenamtlichen Feuerwehrleuten, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorgelegt hatten. Zum Glück haben Sie darauf gehört und jetzt eine Formulierung gewählt, die, na ja, sehr hölzern und gesetzestechnisch nicht besonders schön daherkommt, die aber inhaltlich das regelt, was die Sozialdemokraten richtig formuliert hatten.

Wenn Sie das auch im zweiten Fall gemacht hätten, könnte man zustimmen – und da bin ich ein bisschen anderer Auffassung als der Kollege Franz. Was hier jetzt für den Fall der Ausrufung des Katastrophenfalls vorgesehen ist, ist schon eine Veränderung. Nun könnte man – das ist juristisch durchaus vertretbar –, Herr Kollege Franz, zu Ihrer Interpretation kommen: „Na ja, es ist ja eigentlich doch das Gleiche“. Aber wie ich aus der Praxis der Rechtsprechung und Rechtsanwendung weiß, gibt es Menschen, die unterstellen uns als Gesetzgeber, dass wir uns bei dem, was wir machen, etwas denken. Und wenn wir uns etwas dabei denken, dann wird man sich überlegen: „Gut, wenn das da noch einmal extra drinsteht, mit Einvernehmen nur dann nicht, wenn Gefahr im Verzug ist, wird sich der Gesetzge

ber etwas dabei gedacht haben“, und dass das ein anderer Fall sein wird als der von Ihnen beschriebene allgemeine Katastrophenfall, bei dem man in der Tat annehmen sollte, dass dort Gefahr im Verzug ist.

Worum es hier geht, ist Rechthaberei. Das ist offensichtlich das Thema der Koalition und des Innenministers.

(Beifall der Abg. Wiebke Knell (FDP))

Die Vorgeschichte kennt ja nun jeder. Es geht darum, dass Ihr Parteifreund Cyriax sich seinerzeit im Jahr 2015 seiner Zuständigkeit und Kompetenz als Landrat bewusst war und gesagt hat: „Okay, ich habe hier einen Katastrophenfall, dann stelle ich ihn auch fest“ – zum Ärger des Innenministers, zum Ärger des Innenministeriums, zum Ärger dieser Landesregierung. Das wollte man für die Zukunft vermeiden. Deshalb kommt jetzt dieser verunglückte Vorschlag zu einer Gesetzesänderung.

Dieser Weg ist nicht gut. Auch hier haben die Sozialdemokraten das aufgegriffen, was der Landesfeuerwehrverband schon in seinen ersten Stellungnahmen sagte, nämlich: „Hier brauchen wir Wiesbaden nicht“, so das wörtliche Zitat von Herrn Dr. Weltecke.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Hätten Sie auf ihn gehört, hätten Sie diesen Fehler nicht gemacht, dann hätten wir sogar dem Gesetzentwurf zustimmen können. So aber müssen wir uns enthalten, da Sie bei der Feststellung des Katastrophenfalles nach wie vor etwas an einem Gesetz verschlimmbessern, das an sich gut ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Goldbach von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf einige Punkte betreffend den Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU eingehen.

Wir haben es eben schon gehört: Die ehrenamtliche Besetzung der Funktion der Gemeindebrandinspektoren soll auch für Gemeinden möglich sein, nicht nur für Städte. Das ist eine sinnvolle Änderung. Der Kollege Greilich sprach eben noch einmal über die Einvernehmensregelung im Katastrophenfall. Ich denke, es lohnt sich, darüber noch einmal ein paar Worte zu verlieren.

Die Einvernehmensregelung wird weiterhin für erforderlich gehalten. Das hat Gründe. Wie wir wissen, hat ein Landrat immer zwei Hüte auf, er ist ein Verwaltungsorgan mit Doppelfunktion. Er ist der Hauptverwaltungsbeamte des Kreises, der Gebietskörperschaft, aber gleichzeitig der Leiter der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde. In dieser Funktion führt er staatliche Aufgaben aus, und zu diesen staatlichen Aufgaben gehört auch der Katastrophenschutz.

Wenn nun der Katastrophenfall ausgerufen wird, dann sind auf Anforderung der Einsatzleitung erhebliche und weitrei

chende Eingriffe in das Vermögen von Privatpersonen und Gewerbetreibenden zulässig. So sind

1. dringend benötigte Hilfsmittel, insbesondere Fahrzeuge, Geräte, Maschinen, bauliche Anlagen, Einrichtungen oder Tiere, die zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr oder zur Beseitigung einer öffentlichen Notlage geeignet und erforderlich sind, von jeder Person,

2. dringend benötigtes Verbrauchsmaterial, insbesondere zur Bekämpfung und zur Verhütung der weiteren Ausdehnung von Schadensereignissen, Betriebs- und Brennstoffe sowie Lebensmittel von den damit Handeltreibenden sowie den Inhaberinnen und Inhabern von Gewerbebetrieben,

3. bei großflächigen Evakuierungen Beherbergungsstätten oder sonstige geeignete bauliche Anlagen zur kurzfristigen Unterbringung evakuierter Personen von den Eigentümerinnen und Eigentümern, Besitzerinnen und Besitzern sowie sonstigen Nutzungsberechtigten

bereitzustellen.

Wir sehen, dass es im Katastrophenfall erhebliche Eingriffe in das Privatvermögen und das gewerbliche Vermögen gibt. Das rechtfertigt doch unserer Ansicht nach, dass im Katastrophenfall der Landrat, der in diesem Fall die Auftragsverwaltung übernimmt, das Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde herstellt.

Trotzdem haben wir eine Änderung in unseren Änderungsantrag aufgenommen, nämlich diese Eilfallregelung. Herr Greilich, das ist nicht Rechthaberei, sondern es gibt Situationen, in denen Gefahr im Verzug ist. Nun ist die Frage, was das eigentlich bedeutet. Sie als Jurist können das sicher beantworten: Es können z. B. Situationen sein, in denen es rein zeitlich nicht möglich ist, dieses Einvernehmen schnell herzustellen – das kann nachts sein, das kann am Wochenende sein, oder es kann überhaupt eine sehr kritische Situation sein, die eben sofortiges Handeln erfordert.

Gefahr im Verzug ist definiert, vor allem zeitlich, und für diesen Fall gilt, dass der Katastrophenfall sofort ausgerufen werden kann, ohne dass vorher das Einvernehmen mit der obersten Behörde hergestellt werden muss. Wir finden, das ist ein guter Kompromiss, der im Übrigen auch zusammen mit den Kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet wurde. Sie haben diesem Kompromiss auch zugestimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben noch ein paar Änderungen aufgenommen, die sehr sinnvoll sind, nämlich dass der Begriff „Beschäftigte“ nicht alles erfasst hat, was dort an Personen tätig ist, sondern dass alle abhängig tätigen Personen zu subsummieren sind. Dann haben wir eine Begriffsänderung von „Naturgefahren“ zu „Schadensereignissen“ vorgenommen, weil es darum geht, dass die Bereitstellungspflicht von Bindemitteln bei Gefahrgutaustritten sonst nicht mit erfasst wäre. Dann gibt es noch eine Ergänzung, wer zu verständigen ist: nicht nur Mobiltelefone, sondern die erweiterte Nennung der Erreichbaren unter Angabe der E-Mail-Adresse und sonstigen Kommunikationsverbindungen. Wir wissen, dass man heute via WhatsApp, Threema und über soziale Netzwerke erreichbar ist. Auf allen Verbindungswegen müssen die Leute erreichbar sein.

Dann gibt es noch die Frage, welche Einsätze gebührenpflichtig sind. Wir wissen, wenn es zu einer Schadenslage aufgrund von Naturereignissen kommt, sind die Einsätze grundsätzlich gebührenpflichtig. Es gibt nur die Ausnahmen, wenn es sich um eine Katastrophe infolge von Naturereignissen handelt, wenn eine besondere Härte vorliegt oder wenn auf der Grundlage des Verweises auf das Kommunalabgabengesetz eine Stundung, ein Erlass oder eine Niederschlagung möglich sind, dass es nicht gebührenpflichtig ist. Um den besonderen Anforderungen des Einzelfalls bei einem Schadensereignis gerecht werden zu können, soll den Kommunen auch die Möglichkeit eröffnet werden, von der Geltendmachung der Gebühren abzusehen.