Auch die Mobilität ist eine alltägliche Sorge der Menschen. Auf dem Land ist der ÖPNV vielerorts schlecht, und wer sich kein Auto leisten kann oder will, der ist in seiner Mobilität gewaltig eingeschränkt. Zwei Schulbusse am Tag sind keine ÖPNV-Infrastruktur. Wer den ländlichen Raum immer weiter abhängt, wer die Versorgung ausdünnt, der sorgt doch dafür, dass die Menschen gezwungen sind, in die Städte zu ziehen oder zu pendeln, mit den bekannten Folgen.
Deshalb braucht der ländliche Raum keine PR-Kampagnen dieser Landesregierung. Was der ländliche Raum braucht, sind Investitionen und eine Infrastruktur, damit er auch lebenswert bleibt.
In den Ballungsräumen verbringen Menschen viel Zeit in überfüllten und unzuverlässigen Bahnen oder in Staus. Die Lawinen von fahrenden und parkenden Autos beeinträchtigen die Lebensqualität, Schadstoffe vergiften die Luft. Natürlich sind es vor allem die Menschen mit niedrigen Einkommen, die an den besonders stark belasteten und befahrenen Straßen wohnen und besonders unter Lärm und Schadstoffen leiden. Immer mehr Menschen müssen auch pendeln, weil sie sich Wohnen in Arbeitsnähe einfach nicht mehr leisten können.
Für all diese Probleme wären einmal Visionen, große Würfe notwendig, eine Verkehrswende, die ihren Namen verdient – aber hier war die Landesregierung, namentlich der grüne Verkehrsminister, leider über weite Strecken ein Totalausfall.
Angesichts des Klimawandels und der Belastung für Gesundheit und Umwelt sollten wir gar nicht die Frage stellen, ob wir uns den Ausbau des ÖPNV und den Nulltarif
leisten können. Wir sollten uns vielmehr die Frage stellen, ob wir es uns leisten können, es nicht zu tun. Können wir uns die Folgeschäden für Klima, Umwelt und Gesundheit durch immer mehr Autos und Flugbewegungen leisten, sowie immer neuere Straßen und teure Subventionen von Auto- und Luftverkehr? Viel teurer als der Nulltarif und ein Ausbau des ÖPNV sind ein „Weiter so“ und das Anrichten immer weiterer Schäden.
Im Rhein-Main-Gebiet ist das Thema Fluglärm ein Problem, das Nachtflugverbot wird immer löchriger, SchwarzGrün lässt Terminal 3 bauen und Ryanair landen. Das ist die völlig falsche Richtung. Die Grenzen des Wachstums sind längst überschritten. Wir wollen einen Flughafen im Einklang mit der Region, mit acht Stunden Nachtflugverbot und guten Arbeitsbedingungen.
Die öffentliche Infrastruktur darf nicht weiter kaputtgespart werden. Die Folgen sehen wir doch in vielen Städten: marode Schulen, marode Brücken, marode Straßen, auf denen, wie in Offenbach, Bürger aus Protest schon Schlaglochminigolf spielen. Die Schienen sind marode, die Krankenhäuser. Schwimmbäder und soziale Einrichtungen schließen. Die Gebühren steigen teils dramatisch an, wie bei den unsozialen Straßenausbaubeiträgen – und das alles wegen des Fetischs der schwarzen Null. Ich habe nie verstanden, was daran generationengerecht sein soll, wenn wir den Kindern und Kindeskindern eine marode Infrastruktur vererben. Wir brauchen endlich Investitionen in die Städte und Gemeinden, damit sie auch von den höheren Steuereinnahmen profitieren.
Es gäbe noch viel zu sagen – zur Kinderbetreuung, die jetzt angeblich gebührenfrei ist, was sie aber tatsächlich nicht ist, und auch das wieder auf Kosten der Kommunen –, aber ich muss zum Schluss kommen.
Die Frage ist: Dient die Wirtschaft im Lande Hessen dem Wohle des ganzen Volkes und der Befriedigung seines Bedarfs, wie es die Verfassung fordert, geht es Hessen gut? – Darauf muss man leider antworten: leider nicht allen. Für einige im Land ist Hessen ein guter Standort zum Leben, aber viele haben zu wenig. Diese Ungleichheit im Land hat sich unter Schwarz-Grün noch verstärkt.
Was wir brauchen, ist endlich mehr für die Mehrheit und keine Politik, die die Sorgen vieler Menschen ausblendet. – Vielen Dank.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD und der LINKEN – Anhaltende Unruhe – Glocken- zeichen der Präsidentin)
Alles in Ordnung. – Wir wollen über den Wirtschaftsstandort reden, das war Inhalt der Anträge von SPD und FDP. Natürlich strahlt die Wirtschaft auch in alle anderen Politikbereiche ab. Vielleicht sind wir uns da einig.
Aber vielleicht muss man nach dieser sehr wahlkampfgeprägten Debatte ein bisschen über die Fakten reden.
Zuallererst einmal eine Feststellung: Der Wirtschaftsstandort Hessen, auch der Arbeitsmarkt, ist in einer sehr guten Verfassung. Ich finde, das ist eine gute Nachricht für alle Menschen in Hessen.
Auch an dieser Stelle die Bemerkung, dass im Wahlkampf öfter einmal ein grober Klotz gehauen wird. Es wurde auch zitiert, was im letzten Wahlkampf von manchen gesagt wurde. Ich glaube, am Ende des Tages ist es wichtig, was real passiert, was bei den Menschen in Hessen ankommt und wie es sich verteilt – das will ich ausdrücklich unterstreichen.
Unter dem Strich will ich festhalten: Unser Wirtschaftsstandort Hessen ist der drittstärkste in Deutschland. Er ist der internationalste in Deutschland.
Er ist der Wirtschaftsstandort mit der höchsten Arbeitsproduktivität in Deutschland – auch das ist wichtig –, besser als Bayern, besser als Baden-Württemberg. Auch Hessens Bruttoinlandsprodukt wächst 2016 und 2017 wieder im Schnitt bzw. sogar über dem Bundesschnitt.
Aber was mir noch viel wichtiger ist: Hessens Arbeitsmarkt ist in einer sehr guten Verfassung; denn das ist das, was bei den Menschen wirklich ankommt.
Wir haben im letzten Monat eine Arbeitslosenquote von 4,6 % gehabt. Das ist die niedrigste Arbeitslosenquote seit 37 Jahren. Denken wir einmal 37 Jahre zurück. Der Bundeskanzler hieß Helmut Schmidt. Ich wechselte wie damals alle jungen Offenbacher von der Grundschule auf die Förderstufe, und „Wetten dass..?“ hatte die Erstausstrahlung. Das war der letzte Juli, der eine solche Arbeitslosenquote hatte.
Ich finde, an dieser Stelle ist es eine gute Nachricht, weil das wirklich bei den Menschen ankommt. Wir stehen auch
besser da als andere Bundesländer, was die Beschäftigung angeht. Wir haben 2017 einen Beschäftigungsaufbau in Hessen gehabt, der über dem Bundesschnitt lag. Das macht sich natürlich auch beim Rückgang der Arbeitslosigkeit bemerkbar, der übrigens alle Personengruppen betrifft, der allen Personengruppen zugutekommt, auch den Langzeitarbeitslosen. Auch das ist eine gute Nachricht.
Ich will es an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich sagen: Natürlich muss man sich anschauen, wem das zugutekommt. Aber es gibt auch einen Rückgang bei den Langzeitarbeitslosen. Diese Landesregierung hat in der Verantwortung des Sozialministers zu Beginn der Legislaturperiode ein Modellprojekt begonnen, mit dem wir uns auch Gedanken über die Langzeitarbeitslosen machen, die das haben, was man multiple Vermittlungshemmnisse nennt, die also auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht ankommen.
Das hat inzwischen 1.500 Menschen betroffen, von denen schon 500 in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung oder Ausbildung gelandet sind. Ich bin gespannt, ob die Bundesregierung mit ihrem Projekt des sozialen Arbeitsmarkts sich auch auf die hessischen Erfahrungen stützt. Es wäre ihnen zu raten; denn wir haben noch einiges zu tun, aber wir haben auch schon einiges getan.
Die Zahl der Erwerbstätigen hat in Hessen einen Rekordstand erreicht und liegt bei annähernd 3,5 Millionen Menschen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist überhaupt das erste Mal über 2,5 Millionen gestiegen. Das zeigt übrigens auch, dass manche Sorgen vor dem Mindestlohn nicht nur unbegründet, sondern schlicht falsch waren. Diese Bedenken wurden übrigens ebenfalls einmal von Herrn Hüther und dem IW vorgetragen. Das zu dem, der diese Studie gemacht hat.
Wir haben in dieser Legislaturperiode über 200.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Hessen bekommen. Das sind mehr, als Kassel Einwohner hat. Da muss man vielleicht auch an dieser Stelle überlegen, welches Bild vom Land man zeichnet und wie es wirklich ist.
Ja, ich habe mir die Studie genau angeschaut. Natürlich gibt es an manchen Punkten noch vieles, was wir zu tun haben. Das ist ganz klar. Aber ich will es einmal freundlich ausdrücken. Dieser Dreiklang, der von Herrn Hüther vom IW gemacht wurde und der von der VhU übernommen wurde und auf den sich jetzt zu meiner Verwunderung die SPD stützt – also Steuern senken, gleichzeitig Schulden abbauen und mehr investieren –, meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht nicht.
Jeder hat seine unterschiedlichen Auffassungen, aber der Antrag der FDP beginnt mit einer Reminiszenz an das Gut
achten des IW, und ich bin sicher, Herr Fratzscher ist beleidigt, wenn sich die SPD auf das IW stützt.