Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, die allein durch dieses Programm initiiert werden, dann sprechen wir von 260 Verbundvorhaben mit über 800 Partnern. Das ist flächendeckend. Hier spielen alle eine Rolle: Hochschulen, Unternehmen, Forschungseinrichtungen bis hin zu Gebietskörperschaften. Das bedeutet, wir verankern Forschung, Entwicklung und Technologie im gesamten Land flächendeckend. Ich finde, das ist die richtige Antwort auf die Frage, wie wir heute etwas unternehmen können, damit Hessen auch in Zukunft stark bleibt.

Zu der Übertragungs- und Kommunikationsstärkung von 50 MBit/s und zu dem Mobilfunkprogramm wurde bereits etwas gesagt. Ich möchte aber eines betonen: Ich begrüße, dass die Rede von Kollegen Lenders eben etwas abweicht von der Pressemitteilung von gestern. Sie war nämlich etwas grober. Das muss ich einmal ehrlich sagen. Heute war das sehr viel dezidierter und auch sehr viel zielorientierter.

Denn wer dem Land vorwirft, es würde nichts passieren, der spricht nicht ganz die Wahrheit. Wenn Sie sagen, wir bräuchten neue Vorschläge, und Sie wollten das Ganze ergänzen, was es schon gibt, dann kommen wir relativ schnell zueinander. Dann komme ich auch zu Ihrem Antrag, in dem Sie einzelne Dinge vorschlagen. Sie schlagen vor, ein Tech Quartier zu gründen. Das ist eine Superidee. Im November 2016 wurde ein solches in Frankfurt gegründet.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich das anschauen – das lässt sich im Internet wunderbar verfolgen, da ist sogar ein Flyer zu sehen, mit welchen Programmen sie aufwarten können –, dann sehen Sie, 3.500 m2 stehen dort den Gründern zur Verfügung. Ein zweiter Standort soll noch im September eröffnet werden, und zwar für Green Tech, Clean Tech und anderes.

Die Entwicklung eines Masterplanes in diesem Tech Quartier umfasst ungefähr 20 Einzelmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von rund 20 Millionen €.

Warum erwähne ich das? – Weil ein Teil der Vorschläge genau in Ihren Antrag hineingreift. Es wird nämlich genau dort auch weiter hinterfragt, wie man diese digitalen Freiheitszonen, die Sie ja auch wünschen, tatsächlich umsetzen und einführen kann – als Spin-off, Experimentierräume, niedrige bürokratische Vorgaben, damit Gründer hier erst einmal anfangen können, zu arbeiten.

Sie sehen also, an manchen Punkten ist Hessen bereits gut aufgestellt. Ich muss tatsächlich wiederholen: Ein bisschen mehr Recherche an manchen Punkten hätte vielleicht die Fragestellung anders ausfallen lassen.

Sie werden nicht überrascht sein, dass ich bei Ihrem Begriff „Agentur für radikale Innovationen“ etwas überrascht war, so etwas von der FDP zu hören.

(Zuruf von der FDP: Das nennt sich halt so!)

So radikal wirken Sie gar nicht. Sie orientieren sich hier ein bisschen an dieser Defense Advanced Research Project Agency aus Amerika, richtig? – So habe ich das zumindest verstanden. Ob wir das vergleichen können, wage ich zu bezweifeln. Diese Agentur hat in Amerika allein 3,2 Milliarden Dollar Volumen. Das ist eine etwas andere Liga als Hessen.

Zum Zweiten muss man auch wissen: Diese Agentur hat gar keine eigenen Kapazitäten, sondern sie lotet Wettbe

werber aus. Teilweise ist das politisch initiiert. Da gibt es sehr viel Zusammenarbeit und Bündelungen aus universitären Kapazitäten und militärischen Zielrichtungen. Ob Sie das wirklich auf Hessen übertragen können, da habe ich meine Zweifel. Was allerdings richtig ist, ist, die Frage zu stellen, ob man mit Wettbewerbsmodellen punktuell quasi etwas aus den klugen Köpfen herausreizen könnte. Aber auch das ist mit dem, was wir in Frankfurt haben, bereits geschehen. Dort diskutiert man das bereits, und auch dort sind wir bereits auf einem guten Wege.

Meine Damen und Herren von der FDP, ich finde es prima, dass Sie einen Antrag gestellt haben. So können wir das Thema heute einmal ein bisschen besprechen. Ich stelle aber auch fest, dass von den vier Vorschlägen, die Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, drei bereits umgesetzt sind, und einer ist mit Industrie 4.0 ebenfalls in Arbeit. Die Frage wäre also: Muss man das in dieser Art und Weise hier heute überhaupt bereden?

Im Ergebnis möchte ich eines festhalten. Die Landesregierung ist seit Jahren in dem Bereich gut aufgestellt, gut unterwegs, und das gesamte Programm entwickelt sich auch. Das ist ein dynamischer Prozess, der bereits im vergangenen Jahr rund 1.000 neue Arbeitsplätze hervorgebracht hat. Das sind immerhin 400 mehr als im Vorjahr. Durch die Förderprogramme und Förderangebote, die wir haben, ist eine Investitionssumme von etwa 470 Millionen € initiiert worden. Es konnten 1.000 Vorhaben mit insgesamt ungefähr 18.000 Arbeitsplätzen gefördert werden. Auch das ist, so finde ich, ein Erfolg und genau das Gegenteil von dem, was Sie gestern in der Pressemitteilung haben verlauten lassen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit 132 Gründern je 1.000 Einwohner liegt Hessen tatsächlich auf Platz 4. Damit können wir uns sehen lassen. Es ist sicherlich richtig, dass wir uns fortwährend mit der Thematik auseinandersetzen. Ob wir uns mit China oder amerikanischen Modellen in Hessen vergleichen müssen, habe ich meine Zweifel.

Aber ich habe nicht meine Zweifel, dass Forschung und Technologie bei dieser Landesregierung in guten Händen sind und dass man viel unternommen hat und weiterhin viel unternehmen wird, damit Hessen auch in Zukunft eine gute Perspektive hat. Oder, anders ausgedrückt: Wir arbeiten täglich, damit Hessen stark bleibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Möller. – Das war die erste Rede in der 19. Wahlperiode. Aber Herr Kollege Möller ist kein Neuling.

(Klaus Peter Möller (CDU): Nein! Schauen Sie mal in die Protokolle!)

Ich habe leider in meinen Unterlagen diese Aussage gefunden. Aber ich weiß ja, dass Sie kein Neuling sind, Herr Möller. Wir kennen Sie aus zwei weiteren Wahlperioden.

(Zuruf von der SPD: Da steht „Müller“! – Klaus Pe- ter Möller (CDU): Bekomme ich jetzt auch Blumen?)

Machen wir weiter. Jetzt rufe ich unseren Kollegen Eckert von der SPD-Fraktion auf. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Offensichtlich ist aus dem Herrn Müller ein Herr Möller geworden. Aber der war auch gestern schon dran.

Trotz allem ist es richtig und wichtig, dass wir uns hier im Hessischen Landtag darüber unterhalten, mit welchen Strategien wir die wirtschaftliche Dynamik in unserem Bundesland für ein wirtschaftlich starkes Hessen von morgen befördern, unterstützen und auch das eine oder andere Potenzial, das in diesem Land noch schlummert, herauskitzeln.

Aber bei allem, was passiert, was die beiden Vorredner erzählt haben, lässt sich doch der Punkt nicht wegdiskutieren: In der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft wird deutlich gemacht, dass der Abstand in der wirtschaftlichen Dynamik von Hessen zu Bayern und Baden-Württemberg in allen Kerngrößen zur Bewertung des Wirtschaftsstandortes immer größer wird. Das lässt sich doch nicht wegdiskutieren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn Sie damit zufrieden sind, dass dieses Land in der Mitte unserer Republik im Mittelfeld bei der wirtschaftlichen Dynamik liegt, dann ist das Ihr Thema. Unsere Vorstellung ist eine andere. Deswegen ist es richtig, dass wir darüber diskutieren.

Der europäische Innovationsindex zeigt deutlich auf: Wir sind von Platz 7 auf Platz 10 zurückgefallen. Beim Thema Patentanmeldungen sieht es folgendermaßen aus: Wenn wir uns das Jahr 2000 mit 4.818 Anmeldungen anschauen und es vergleichen mit dem Jahr 2017 mit 1.925 Anmeldungen, stellen wir fest, wir haben uns verschlechtert. Sie könnten jetzt viele Gründe nennen, warum sich das global und warum auch immer überall so darstellt. Aber nein: In Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen ist auf jeweils unterschiedlichem Niveau diese Zahl stabil geblieben – über die ganzen Jahre. Diesen Einbruch, den Sie in Hessen über die Dauer Ihrer Regierungszeit zu verzeichnen haben, gibt es in diesen Ländern nicht. Deswegen ist es sehr wohl ein hessisches Thema, was wir in Hessen dafür tun können.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag schreiben, sie setzen sozusagen klar auf Innovationen und treiben dieses Land voran, und wenn Sie daneben die kleine Steigerung von Patentanmeldungen von 2015 auf 2017 betrachten und unterstellen, dass der Fortschritt auf diesem Niveau anhält, dann stelle ich fest, es braucht nur noch 152 Jahre, bis wir wieder auf dem Stand von 2000 sind. Sie merken, der Fortschritt mag eine Schnecke sein, aber er muss nicht so verdammt langsam sein, wie Sie das im Moment in Hessen haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ob man dann über staatliche Agenturen diskutieren muss, sei einmal dahingestellt. Aber ich finde in der Tat die Frage sehr spannend, wie wir die Wirtschaftsförderinstrumente in unserem Land aufstellen. Hinzu kommt die Frage ei

ner kritischen Überprüfung der Hessen Agentur und aller Varianten, wie wir arbeiten und wie wir versuchen, Wirtschaftsförderung zu betreiben. Das ist richtig und notwendig.

Das haben wir Ihnen in den letzten Jahren immer beschrieben: Wir brauchen eine kritische Evaluation unserer Instrumente; denn am Ende wollen wir eine effiziente Unterstützung unserer Wirtschaft. Da habe ich, ehrlich gesagt, einige wenige Bedenken, der Hessen Agentur immer neue Aufgaben vor die Füße zu kippen. Das ist vielleicht nicht immer der richtige Weg.

Lassen Sie uns eher den Weg gehen, die Details zu betrachten und zu prüfen: Was ist richtig, was ist notwendig, und was können andere vielleicht sogar besser machen?

(Beifall bei der SPD)

Deswegen habe ich einen Punkt in der gesamten Debatte vermisst. Wenn wir in der Frage der Steigerung und Förderung wirtschaftlicher Dynamik über die Unterstützung des Innovations-Know-hows gerade kleiner und mittelständischer Unternehmen in unserem Bundesland reden, hat bisher noch kein Mensch den Blick in Richtung Bund gerichtet und gesagt: Das Thema der steuerlichen Forschungsförderung ist richtig, wichtig und notwendig. – Ich bin, ehrlich gesagt, froh, dass das jetzt auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene so aufgenommen worden ist. Vorher hat es der Finanzminister ausgebremst, deswegen gibt es jetzt einen anderen Finanzminister.

(Hartmut Honka (CDU): Na, na, na!)

Ich habe die Hoffnung, dass das jetzt auf Bundesebene umgesetzt wird; denn das ist ein gutes Instrument zur Unterstützung der Innovationskraft unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen. Deswegen ist die steuerliche Forschungsförderung ein wichtiges Instrument. Leider hat bisher niemand darüber gesprochen. Deswegen wollte ich es erwähnen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn eines der Hauptthemen für unser Bundesland die Frage der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes ist, reden wir über die Fachkräfte von morgen und über die Frage von Aus- und Weiterbildung der Menschen in unserem Land. Wie schaffen wir es, jenseits dieses technischen Innovationsbegriffs, über den Sie alle bisher gesprochen haben, das Know-how in die Köpfe unserer Menschen zu bekommen? – Dazu fehlt mir in allen Anträgen ein Ansatz.

Deswegen sage ich es an dieser Stelle noch einmal. Ich habe es von diesem Pult aus auch schon ein-, zweimal erwähnt, nämlich unser Papier „Ausbildung? Garantiert!“ Darin zeigen wir auf, was wir tun müssen, um Menschen in der Ausbildung und in der beruflichen Weiterbildung entsprechende Instrumente anbieten zu können. Denn in diesem Land sind nur kluge Innovationen möglich, wenn es kluge Köpfe gibt. Meine Damen und Herren, darüber sollen wir reden, damit es mehr Innovationen in diesem Land gibt.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die große Frage der Gestaltung der Digitalisierung und die Auswirkungen der Digitalisierung auf unseren Wirtschaftsstandort völlig zu Recht beschrieben. All das haben wir an dieser Stelle immer wieder diskutiert. Aber wenn ich nicht weiß, wie spezifische Instrumente bei

uns in Hessen wirken, kann ich natürlich landespolitisch nicht dagegenhalten.

Deswegen sage ich an dieser Stelle wieder einmal: Es wäre wichtig und notwendig, tatsächlich den Fokus auf den Wirtschaftsstandort Hessen mit einer Studie zum Thema der Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigung und Arbeit sowie auf die Wirtschaft in diesem Bundesland zu lenken. Denn nur dann kann man die richtigen Schlüsse ziehen, um die Zukunft aktiv zu gestalten.

(Beifall bei der SPD)

Aber es ist für uns natürlich ein großes Infrastrukturthema. Auch hat die zu Anfang erwähnte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft deutlich gemacht – das stützten auch Umfragen der VhU –, wie viele Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land genau das beschreiben, dass sie nämlich in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Land gehindert sind, weil wir schlechte Infrastrukturvoraussetzungen haben, weil ihnen Telekommunikationsinfrastruktur nicht in dem Maße zur Verfügung steht, wie sie es brauchen, um sich so zu entfalten und weiterzuentwickeln, wie sie es von ihrem Geschäftsmodell her eigentlich könnten.

Deswegen: Wenn wir über Innovationen und wirtschaftliche Dynamik reden, lassen Sie uns diesen Punkt gemeinsam anfassen und auf das Thema „Glasfaser im gesamten Land“ setzen. Ich freue mich, dass die Landesregierung nach und nach auch auf dieses Thema gekommen ist, damit wir wirklich eine Infrastruktur von morgen für die Wirtschaft von morgen in unserem Bundesland erarbeiten können.