Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

Deswegen: Wenn wir über Innovationen und wirtschaftliche Dynamik reden, lassen Sie uns diesen Punkt gemeinsam anfassen und auf das Thema „Glasfaser im gesamten Land“ setzen. Ich freue mich, dass die Landesregierung nach und nach auch auf dieses Thema gekommen ist, damit wir wirklich eine Infrastruktur von morgen für die Wirtschaft von morgen in unserem Bundesland erarbeiten können.

(Beifall bei der SPD)

Auch das Thema Start-ups wurde immer wieder angesprochen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen aus der Regierungskoalition, es lässt sich doch nicht leugnen, dass es diverse Vergleichsstudien gibt, bei denen uns immer wieder gesagt wird, welche tollen Voraussetzungen wir in Hessen haben und was wir Tolles machen könnten, wenn das Land Hessen andere, weitere und richtige Instrumente hinzufügen würde, damit wir das Potenzial heben können.

Deswegen: Sagen Sie nicht einfach, wir täten schon viel. Offensichtlich gibt es trotzdem Veränderungsbedarf. Deswegen ist es richtig, dass die FDP genau das anmahnt und einen Fokus auf die Prüfung legen will, ob das Land die neuen Unternehmen richtig und sinnvoll fördert.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Aber lassen Sie uns bei aller Liebe zur Freiheit am Ende gemeinsam das Thema „Veränderung von Arbeit und Beschäftigung dank der Digitalisierung“ diskutieren, mit der Frage: Wie kann das Bundesland Hessen mit seinen Kompetenzen und mit seinen Möglichkeiten daran mitwirken, Arbeit im Interesse der Menschen unter den Bedingungen der Digitalisierung so zu gestalten, dass Gutes für die Menschen dabei herauskommt und die Wirtschaft davon profitieren kann? – Nur damit können wir Ängste nehmen, die Chancen betonen und die Wirtschaft gemeinsam weiterentwickeln. Deswegen ist es notwendig, unsere Instrumente zu nutzen. Die Landesregierung sollte in der Frage des Betriebsverfassungsrechts auch auf Bundesebene aktiv werden, damit Betriebsräte die digitale Transformation mitgestalten können. Die Landesregierung sollte hierbei auch mit Blick auf die eigenen Beschäftigten aktiv werden.

All diese Themen können wir intensiv diskutieren, aber Sie können uns nicht fünf Jahre lang erzählen, Sie hätten mit den gesellschaftspolitischen Debatten eigentlich nichts zu tun, denn das mache der Bund. Ich könnte Ihnen die Großen Anfragen, die wir hierzu gestellt haben, teilweise wörtlich zitieren, wenn die Zeit dafür bliebe. Dann könnten Sie deutlich sehen, dass Sie immer wieder sagen: Das macht der Bund, das verfolgen andere, aber nicht wir.

Kurz vor der Wahl – jetzt steht in der Zeitung, dass Sie sich mit Digitalisierung beschäftigen – zeigt sich die gesamte Schlafmützigkeit der Landesregierung bei diesem Thema. Jetzt holen Sie den Ethikrat hervor und sagen: Darüber wollen wir diskutieren. – Ich sage, das hätten wir schon längst diskutieren und aus Hessen Impulse zur Gestaltung geben können.

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Das wäre richtig und notwendig.

Sie sehen, es gibt einen großen Strauß von Themen, die wir beackern müssen, damit das wirtschaftlich starke Bundesland Hessen auch in Zukunft das ist, was wir uns wünschen, nämlich wirtschaftlich stark und für gute Arbeit für die Menschen sorgend. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Ab- geordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Eckert. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ausgerechnet die FDP fordert eine staatliche Agentur für radikale Innovationen.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Der Titel, den sie sich haben einfallen lassen, klingt witzig.

(Lachen bei der FDP)

Beim Lesen habe ich mir gedacht: Das klingt ein bisschen wie „Amt für revolutionäre Angelegenheiten“ oder „Behörde für den Umsturz“.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Damit kennen Sie sich aus!)

Bevor wir über die Behörde reden, will ich etwas zu den Inhalten sagen; denn dank der FDP können wir heute im Landtag über Fortschritt sprechen. Das ist bekanntlich ein Kernthema der LINKEN.

(Jürgen Lenders (FDP): Ach!)

Der Konservativen ganz sicher nicht. Ideen für radikale Innovationen – glauben Sie mir – haben wir jede Menge.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Innovationen geschehen. Sie sind immer Ausdruck der menschlichen Weiterentwicklung und sind per se erst einmal nicht gut oder schlecht.

Menschen sahen sich immer wieder Innovationen gegenüber, die ihr Leben schwieriger gemacht haben und die vielleicht neue Belastungen geschaffen haben. Aber natürlich gibt es auch viele Innovationen, die das Leben besser machen, die die Gesundheit verbessern und die Mehrwerte liefern. Diese Innovationen sind tatsächlich gesellschaftlicher Fortschritt.

Der Fortschrittsbegriff der LINKEN fördert die Auseinandersetzung mit den Fragen von Verteilungsgerechtigkeit und Teilhabe. Er verknüpft bessere Lebensqualität mit guter Arbeit und der Senkung des Ressourcenverbrauchs. Wir glauben, dass Gewinnerzielungsabsichten eine schlechte Triebfeder sind, um diese Ziele zu erreichen. Der Gemeinnutzen sollte vielmehr immer an erster Stelle stehen. Daran sollte man erkennen können, ob eine Innovation womöglich gesellschaftlichen Fortschritt mit sich bringt. Es ist natürlich schon die Frage, ob er möglichst vielen Menschen zugutekommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir heute über Innovationen reden, dann geht es natürlich auch um die Frage der ganz konkreten Probleme, die vor uns liegen. Dazu gehört natürlich auch der sozialökologische Umbau der Gesellschaft. Dazu gehören neue Modelle der Energieversorgung, der Verkehrssysteme, aber auch von Bildung und Wissenschaft, der Gesundheitsversorgung, der Arbeitswelt, der Ernährung oder des privaten Konsums.

Private Wertschöpfung kann dabei nicht das Hauptziel verantwortlicher Innovationspolitik sein. Natürlich sollen Menschen auch wirtschaftlich profitieren, aber nicht nur einige wenige, sondern möglichst viele.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Förderung strukturschwacher Regionen sowie kleiner und mittlerer Unternehmen dient der Schaffung regionaler ressourcenschonender Wirtschaftskreisläufe und zukunftssicherer Arbeitsplätze. Viele der Probleme, vor denen unsere Gesellschaft heute steht, insbesondere der Klimawandel, bedürfen zu ihrer Lösung einer Kombination aus einer Verhaltensänderung im sozialen System und neuen Technologien.

Beispielsweise die notwendige Reduzierung unseres Energieverbrauchs kann natürlich ohne neue Technologien, aber auch ohne eine Umstellung unserer Lebens- und Arbeitsweise überhaupt nicht erreicht werden. Gleichzeitig brauchen wir ein neues Energiesystem mit neuen Erzeugungs- und Speichertechnologien sowie intelligenter Vernetzung von Strom-, Verkehrs- und Wärmenetzen.

Bei aller Hoffnung auf den Fortschritt – ich finde, gerade in den Bereichen Energie und Verkehr gibt es allen Anlass für die Hoffnung, dass man die Energie- und Verkehrswende hinbekommt – muss man natürlich einem blinden Technikoptimismus ein Stück weit vorbeugen und immer auch die Frage stellen: Führen z. B. die Digitalisierung und die steigende Effizienz zu mehr Wohlstand für alle bei weniger Arbeitszeit, oder führen sie dazu, dass viele Menschen ihre Arbeit verlieren und wenige Menschen davon profitieren?

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Die Frage ist: Verdient nur noch Amazon am Einzelhandel, während die Innenstädte veröden? Sollen Lieferheld & Co. 30 % vom Verdienst des Pizzabäckers abgreifen? Was für Arbeitsverhältnisse haben scheinselbstständige Click-Worker, App-Worker usw., ob am heimischen Computer oder auf den Deliveroo-Fahrrädern? Das sind natürlich Fragen, die mit technischen Vorschriften zusammenhängen. Welche Leitplanken, welche Regulierungen ziehen wir ein? Es ist gut, dass wir heute darüber diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist die Frage, ob ein Unternehmen wie Uber im nächsten Anlauf vielleicht doch unser ÖPNV-System schwächt. Es ist die Frage, inwieweit nationale Regierungen oder ein Landesparlament den internationalen Konzernen künftig überhaupt noch etwas entgegensetzen können. Positiv gefragt: Können wir die Digitalisierung nutzen, um die Demokratie und die Mitbestimmung zu stärken?

Ich finde, dafür brauchen wir klare Regeln. Dafür braucht man Leitplanken, die sich eine Demokratie geben muss. Diese müssen wir neu diskutieren, weil das neue Themenfelder sind. Es braucht zwingend auch die Beteiligung von Menschen, die von den Veränderungen betroffen sind.

Um innovative und alternative wissenschaftliche Ansätze zu fördern, müssen Verbände, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und gemeinnützige private Forschungseinrichtungen als Produzentinnen und Produzenten von Wissen einen angemessenen Stellenwert in der staatlichen Förderpolitik erhalten. Das gilt ebenso und insbesondere für die Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen sowie für die Hochschulen. Die Demokratie muss sich im Zweifelsfall entschlossen gegen die Profitinteressen von wenigen stemmen und das Gemeinwohl schützen und durchsetzen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir hierbei die gleichen Vorstellungen haben wie die FDP. Ich glaube, zu den digitalen Freiheitszonen haben wir unterschiedliche Ansichten.

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Ich bin davon überzeugt, ohne sinnvolle Regulierung wird am Ende aus der Innovation kein gesellschaftlicher Fortschritt werden. Ich glaube, das muss der Kernpunkt sein, von dem wir ausgehen.

Forschungspolitik darf nicht einfach Wirtschaftsförderung sein. Wir glauben, dass der Dreh- und Angelpunkt von Innovationen starke und unabhängige hessische Hochschulen sein müssen. Diese können mit der Wirtschaft zusammenarbeiten. Das ist an der einen oder anderen Stelle auch sinnvoll. Das kann für die Forschung und die regionale Wirtschaft gleichermaßen wichtige Impulse ergeben. Die Forschung darf aber nicht von wirtschaftlichen Interessen abhängig werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie darf nicht die Wissenschaftsfreiheit ersetzen oder die Ziele allein vorgeben. Nur eine unabhängige Forschung kann zukunftsweisende Analysen in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung liefern und sich Fragestellungen jenseits ihrer finanziellen Rentabilität annehmen. Deshalb setzen wir uns bekanntermaßen für einen hohen Anteil von grundfinanzierter Forschung ein, um genau diese Wissenschaftsfreiheit zu erreichen.

Ich komme zum Schluss. Wir wollen, dass Fortschritt allen zugutekommt. Dazu gehört auch die Entfesselung des Wissens. Wir wollen nicht das marktliberale Modell der Wissensgesellschaft, das durch seine restriktive Handhabung des sogenannten geistigen Eigentums künstliche Grenzen für die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse erzeugt und eine breite Anwendung verhindert. Menschen in armen Regionen sollen nicht dadurch benachteiligt werden, dass sie beispielsweise dringend benötigte Medikamente nicht bekommen. Wir wollen nicht, dass Software aufgrund von Patenten nicht weiterentwickelt werden kann. Ich glaube, an dieser Stelle muss sich etwas ändern, damit Innovation zum gesellschaftlichen Fortschritt wird und allen zugutekommt, anstatt nur bei wenigen anzukommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler.

Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne eine Gruppe des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Hessen e. V., die heute unseren Landtag besucht. Meine Damen und Herren, herzlich willkommen.

(Beifall)

Für die Landesregierung hat sich Herr Wirtschaftsminister Al-Wazir zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich zu spät kam. Sie wissen, dass ich ein stetiger Bewohner der Regierungsbank bin. Ich war von 8:50 Uhr bis etwa 13 Uhr ununterbrochen hier. Mir hat man allerdings gesagt, dass es um 14:30 Uhr weitergeht. Das ist bei mir falsch angekommen. Hierfür bitte ich um Entschuldigung.