Am Ende ist eines der Probleme, wenn wir über Mobilität im ländlichen Raum reden, dass diese Landesregierung in den letzten Jahren gerade bei diesem wichtigen Thema eigene Ideen und eigene Anstrengungen hat vermissen lassen und die Probleme, die Sie beschrieben haben, erst heraufbeschworen hat.
Ja, es ist wahr: Der ländliche Raum braucht verlässliche, dauerhafte und bezahlbare Mobilitätsangebote.
Der verlässliche ÖPNV auf der Schiene und auf der Straße ist das Rückgrat eines alternativen Mobilitätsangebotes jenseits des eigenen Kfz im ländlichen Raum.
Herr Boddenberg, wenn auch noch die Frankfurter etwas zum ländlichen Raum sagen, können wir noch lange diskutieren.
Ich will Ihnen ein Beispiel bringen. Das Konzept der sogenannten Bürgerbusse wurde im Jahr 1977 in den Niederlanden entwickelt. Keine 40 Jahre später schafft es diese Landesregierung, das als ihre Innovation und eine Verbesserung darzustellen.
Meine Damen und Herren, das zeigt, dass Sie am Ende ein richtiges und wichtiges Instrument für das nutzen, wofür es aus Ihrer Sicht eigentlich gedacht ist. Das ist kurz vor der Landtagswahl ein nettes Beispiel dafür, wie Sie sich angeblich um den ländlichen Raum kümmern, wie angeblich wichtig Ihnen die Mobilität im ländlichen Raum ist.
Das Gegenteil ist der Fall. Das ist wie so oft: Selbst nichts auf die Kette bekommen, aber eigene PR können Sie.
Deswegen finde ich es schon mutig – dazu kann Ihnen die Kollegin Alex sicherlich noch ein paar Takte mehr erzählen –, wenn Sie nun die Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ ins Spiel bringen, um zu verdeutlichen, was Sie tun. Kollegin Alex wird Ihnen sicherlich erklären, dass es sehr mutig von Ihnen ist, das als Vehikel für die Beratungsangebote zu nehmen.
Ja, es geht um eine Ergänzung bestehender Mobilitätskonzepte. Es geht um eine Ergänzung bestehender Angebote im ländlichen Raum. Das ist aus unserer Sicht aber auch ein Stück weit ein Feigenblatt für das, was Sie versäumt haben.
Sie reden über 60 Bürgerbusse, die jetzt mit gefördert werden. Sie vergessen dabei aber vollkommen, was in Hessen in diesem Bereich bereits unterwegs ist. Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker haben eigene Ideen gemeinsam mit der Bürgerschaft umgesetzt und damit die Idee der Bürgerbusse vorangetrieben.
Herr Boddenberg, ich verrate Ihnen einmal ein Geheimnis. Im Landkreis Limburg-Weilburg gibt es die Stadt Runkel. Diese hat neun Stadtteile. Der kleinste Ortsteil zählt 270 Einwohner. Dort gibt es seit zehn Jahren den Bürgerbus.
Eingeführt wurde dieser durch den Bürgermeister und die Stadtverordnetenversammlung. Raten Sie einmal, wer jedes Jahr bei jeder Haushaltsdebatte genau an dieser Stelle Kürzungen vornehmen möchte, weil es ihm nicht in den Kram passt? – Das sind Ihre Parteifreunde vor Ort in Runkel. Sie wollen genau das nicht, weil der Bürgerbus gegen ihre Überzeugung steht. Vor Ort wird vorgetragen, dafür gebe es ja den ÖPNV, die Verkehrsträger und die Verkehrsverbünde.
Meine Damen und Herren, Ehrlichkeit und Redlichkeit sehen anders aus. Deswegen sage ich: Der ländliche Raum braucht verlässliche, dauerhafte und bezahlbare Mobilitätsangebote. Bürgerbusse ergänzen dort, wo der ÖPNV im Dauerbetrieb wirtschaftlich nicht darstellbar ist.
Liebe Kollegin Müller, lieber Kollege Landau, das aber nachher als Beispiel zu beschreiben für eine Innovation bzw. für ein alternatives Mobilitätsangebot im ländlichen Raum, dafür ist das ein bisschen wenig. Wir brauchen für den ländlichen Raum eine Menge an Ideen, an Know-how, um dort Mobilitätsangebote vorhalten zu können. Deswegen unterstützen Sie die bisher bestehenden Bürgerbusse. Deshalb habe ich Ihnen ein Beispiel dafür genannt, wo Schein und Sein, wo Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen. Deswegen haben wir die Probleme. Gemeinsam können wir daran arbeiten, dass das besser wird. Sie reden mit Ihren Leuten, und dann können wir solche Angebote in der Fläche auch realisieren. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die GRÜNEN haben beantragt, dass wir heute Bürgerbusse bejubeln. Bürgerbusse – wer das nicht kennt – resultieren aus der Initiative von Menschen vor Ort, die ehrenamtlich Lücken im ÖPNV-Netz füllen wollen. Sie organisieren, dass Menschen in ihrer Freizeit andere Menschen beispielsweise in VW-Bussen eines Vereins fahren, die sonst keine Mobilitätsalternative haben. Das fördern das Land sowie die Landesstiftung „Miteinander in Hessen“, und das wird innovativ genannt.
Wir können nicht feiern, dass es so etwas immer häufiger in unserem Land gibt. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist großartig, dass Menschen die Initiative zur Selbsthilfe ergreifen und viele Ehrenamtliche anderen Menschen helfen und sie in ihrer Freizeit fahren. Diesen Menschen gilt ausdrücklich unser Dank.
Das ist kein zusätzliches Angebot neben einer guten bestehenden Verkehrsinfrastruktur, sondern das ist der Versuch, die Folgen einer fehlenden Infrastruktur im ländlichen Raum zumindest ein bisschen abzufedern. Deshalb können wir die Tatsache, dass Bürgerbusse zunehmend notwendig sind, überhaupt nicht bejubeln.
Ebenso wenig bejubeln wir die Existenz der Tafeln. Auch dort gilt: Toll, dass es Freiwillige gibt, die helfen. Es ist aber eine Schande, dass sie notwendig sind. Ich finde, Bürgerbusse sind ein bisschen so etwas wie die Tafeln der Mobilität.
Ähnlich verhält es sich mit den skurrilen Mitnahmebänken, die an manchen Orten aufgestellt werden, damit Menschen per Anhalter bei Fremden mitfahren können. Mir wurde als Kind immer gesagt, dass ich niemals einfach zu Fremden ins Auto steigen soll. Heute werden Mitnahmebänke aufgestellt.
Das alles mag die Hilfsbereitschaft der Menschen zeigen – und das will ich überhaupt nicht schlechtreden –, aber das
Ob Bürgerbusse, Mobilitätsbänke oder Mitnahme-Apps: Diese Notlösungen sind da notwendig, wo der Staat seine Aufgabe nicht erfüllt, die Mobilität der Menschen sicherzustellen. Das ist ein Eingeständnis, dass man auf dem Land ohne ein Auto – oder vielleicht auch zwei Autos – nicht mobil sein kann.
Das hat nichts mit einem modernen Mobilitätskonzept zu tun, sondern das ist Mobilität als Almosen für Menschen mit Behinderungen und alte Menschen, die kein Auto mehr fahren wollen oder können, sowie für Menschen, die sich kein Auto leisten können. So fühlt es sich für die Menschen auch an: Sie nehmen einen Gefallen an. Ich habe schon ältere Menschen gehört, die sagen, dass sie deshalb den Bürgerbus nicht nutzen wollen.
Für Pendler ist das gar keine Alternative. Das ist kein verlässliches Angebot, mit dem die Menschen ihren Wohnund Arbeitsort und ihr Mobilitätsverhalten planen können.
Noch einmal ausdrücklich: Den Menschen, die ehrenamtlich in ihrer Freizeit anderen Menschen helfen, zollen wir Respekt und Anerkennung und danken für ihren Einsatz. Aber sie stopfen die Löcher, die das Kaputtsparen der Infrastruktur im Land gerissen hat.
Unsere Vision einer Verkehrswende für den ländlichen Raum ist eine andere. Derzeit werden die Busse oft nicht genutzt, weil sie viel zu selten fahren, sodass man sowieso so viele Autos wie erwachsene Familienmitglieder haben muss. Wir brauchen also zunächst einmal ein verlässliches und attraktives Verkehrssystem, damit die Fahrgäste überhaupt kommen. Die Takte müssen erhöht werden. Wir brauchen schnelle und möglichst umsteigefreie Verbindungen, auch in den Tagesrandzeiten. Zwei Schulbusse am Tag sind eben kein ÖPNV-Angebot.
Das heißt nicht zwangsläufig immer – das wird man nicht hinbekommen –, dass überall im Zehnminutentakt mit großen leeren Bussen Luft durch die Gegend gefahren werden muss. Eine gute Vertaktung mit dem Regional- und dem Fernverkehr ist wichtig, um die Reisezeiten von der Haustür zum Ziel wenigstens einigermaßen konkurrenzfähig zum Auto zu machen.
Schnellbusse beispielsweise, die nur bei Bedarf von der Umgehungsstraße ins Dorf fahren, sind anderswo schon längst Praxis. Weitere Beispiele sind Linientaxis, neue Bedienformen über Apps sowie ein in den ÖPNV integriertes Bike- und Carsharing. Die technischen Möglichkeiten sind zahlreich. Es braucht Mut und Visionen, und es braucht auch Geld. Es wird Geld kosten, um die Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum wieder aufzubauen.
An anderer Stelle ist das Land auch nicht knauserig. Gerade hat das Land Hessen 325.000 € springen lassen, damit Fraport zwei Elektrobusse für den Passagiertransport auf dem Flughafengelände anschaffen kann. Fraport erwartet 2018 einen Gewinn von 400 Millionen €. Ich denke, davon sollte sich Fraport ein paar Elektrobusse selbst leisten kön
Ich komme zum Schluss. Ein Grundrecht auf eine flexible Mobilität ohne Auto ist wichtig. Wir brauchen einen öffentlichen Nahverkehr mit professionellen, gut bezahlten und fest eingestellten Berufskraftfahrern, statt Menschen, die in ihrer Freizeit Busfahrer sind. Das alles brauchen wir zu einem Preis, der einlädt, dieses Angebot auch zu nutzen. – Vielen Dank.