Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Zweitens. Das ist der große Unterschied: Sie bleiben der Systematik des KiföG verhaftet. Sie bleiben der Systematik der Berechnung des Personalbedarfs mit den FachkraftKind-Faktoren, die extrem kompliziert sind, verhaftet. Sie bleiben der Systematik des Betreuungsmittelwerts verhaftet, allerdings mit dem Unterschied – wenn ich mich richtig erinnere –, dass Sie an der Stelle den letzten Betreuungsmittelwert noch einmal finanziell unterlegen. Das ist okay. Aber es bleibt in dieser Systematik.

An einer Stelle allerdings durchbrechen Sie die Systematik, nämlich bei der Frage der Freistellung der Kitaleitungen. Das ist einer der Punkte, wo man sieht, dass die Verbesserung der Qualität durch eine Verbesserung des Personaleinsatzes mit der Logik des KiföG nicht wirklich gut zusammenpasst. Das haben Sie offensichtlich an der Stelle, wo es um die Freistellung der Kitaleitungen geht, auch gemerkt. Deshalb fallen Sie an dieser Stelle hinter die KiföGLogik zurück. Sie fallen auch an anderen Stellen hinter die KiföG-Logik zurück; nein, Sie bleiben in der KiföG-Logik.

(Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Doch, Kollege Hahn. Jetzt glauben Sie mir bitte: Davon verstehe ich wirklich ein bisschen mehr als Sie.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Aha!)

Ich versuche mich ja ernsthaft mit Ihrem Punkt auseinanderzusetzen. Sie machen weiter mit Sondertöpfen, z. B. bei der Frage des Übergangs von der Kita in die Schule. Das ist in der Tat ein ernstes Thema. Man könnte aus den Erfahrungen der Qualifizierten Schulvorbereitung eine Menge unterhalb des Themas Kinderschule lernen. Da war ich ja mit Herrn Bantzer und dem Minister immer einer Meinung, dass das nicht gut ist.

(Zurufe der Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn und Jür- gen Lenders (FDP))

Aber aus den Erfahrungen könnte man lernen: Das, was Sie hier vorschlagen, wird nicht realitätstauglich sein. Wenn man mit 500 € pro Kind an einem Versuch teilnimmt, der hier aber auch nicht benannt wird, wird man nicht wirklich weiterkommen. Es kommt entscheidend auf die Stärkung der grundsätzlichen Personalausstattung in den Kitas an. Das ist der Weg, den wir gehen. Wir sagen: Auf der Basis und mit den Schwerpunkten, die auf kommunaler Ebene gesetzt werden können, weil wir den Kommunen und den freien Trägern die Luft zum Atmen geben, kann es dann so gemacht werden, wie es vor Ort sowohl pädagogisch als auch beim Personaleinsatz sowie bei der Gruppengröße und den Öffnungszeiten für richtig gehalten wird.

Ich weiß, dass ihr gerne klatschen wollt. Ich komme aber auch ohne Applaus zurecht.

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

Ja, die warten darauf, dass ich einmal eine Pause mache. – Es ist der richtige Weg, dass wir die Eigenverantwortung der freien Träger und der Kommunen in dieser Frage stärken, indem wir ihnen finanziell und personell die Luft zum Atmen geben.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der Weg, den Sie hier so nicht gehen. Sie bleiben bei der Gängelung. Ich habe das in den KiföG-Debatten immer gesagt: Das KiföG ist eine Gängelung der freien Träger und der Kommunen mit seiner kleinkarierten, kleinteiligen Berechnung von Fachkraftschlüsseln und insbesondere auch mit der Art der Finanzierung, den Festbetragspauschalen. Das ist keine zukunftsfeste Finanzierung. Auch das haben wir oft gesagt.

Das ist der zweite große Punkt bei unserem Gesetzgebungsvorschlag. Wir sagen: Wir brauchen eine Finanzierung, die immer mit den realen Bedarfen mitgeht, so wie sie entstehen. Deswegen ist der Weg der Anteilsfinanzierung, den wir eingeschlagen haben, der richtige, was die Finanzierung angeht. Der Modus, in dem wir das vorgeschlagen haben, nämlich den Anteil nach den real existierenden Personalkosten zu bemessen, ist der einfachste.

Deswegen ist unser Vorschlag nicht nur weiter gehend, was die Qualität angeht. Er ist weiter gehend, weil er die gleiche Priorität auf die Gebührenbefreiung für Familien und auf die Finanzierung durch die Kommunen setzt. Er hat auch den Vorzug, dass er in der Praxis unbürokratisch ist, da sowohl die Personalbedarfe als auch die zu erwartenden Zuwendungen durch das Land einfach zu berechnen und für jedermann transparent sind – übrigens auch für Eltern, die sich in den Kommunen zum gegenwärtigen Zeitpunkt damit herumschlagen müssen, dass sie nicht nachvollziehen können, wie die Finanzströme in Sachen Kita

gebührenbefreiung nach dem derzeitigen schwarz-grünen Gesetz laufen. Versuchen Sie einmal, den Leuten in Bürgerversammlungen und Veranstaltungen zu erklären, wie das läuft und wer jetzt eigentlich wofür verantwortlich ist.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nach unserem Gesetz sonnenklar. Das versteht jeder. Das können Sie ausprobieren. Ich habe es in vielen Veranstaltungen ausprobiert. Das verstehen auch die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande. – Das kann man von der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht sagen, und das hört man auch von Ihrem Gesetzentwurf. So redlich die Absicht ist und so substanziell der Schritt in die richtige Richtung der Qualitätsverbesserung geht, so wird man das von Ihrem Gesetzentwurf dennoch nicht sagen können.

Bei aller Sympathie für die Absicht ist das gewählte Mittel nicht so, wie wir es uns vorstellen. Deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Bocklet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er kann auch sagen: Merz hat recht!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur noch zwei Redebeiträge, und dann lockt die Mittagspause.

Wir haben diese Diskussion – Kollege Rock ist jetzt verhindert – schon im Rahmen der ersten Lesung geführt. Es gibt keine neuen Argumente mehr. Es bleibt dabei, dass ich es richtig und gut finde, dass die FDP in den Ideenwettstreit eintritt, wie man die Qualität in Kindergärten verbessert und mit welchen Schritten bzw. Gesetzesvorhaben man dies tut. Insofern hat die oppositionelle FDP eine Vorlage gemacht, über die man in seriösester Weise diskutieren kann.

(Zuruf von der FDP: Vielen Dank!)

Sie haben darin – das habe ich auch schon im Rahmen der ersten Lesung gesagt – unterschiedliche Instrumente vorgeschlagen, die Sie für geeignet halten, die Qualität zu verbessern. Ich habe damals schon gesagt: Ich halte viele dieser Punkte vom Ziel her nicht für strittig. Ich nenne explizit die Verkleinerung von Gruppen, die bessere Ausstattung von Fachpersonal, die Freistellung von mittelbarer pädagogischer Arbeit. Vieles andere, was Sie gefordert haben, halten wir nicht für falsch, und begrüßen das Ziel, daran weiterzuarbeiten.

Diese besseren Rahmenbedingungen werden dazu führen, dass die Fachkräfte vor Ort besser, länger und intensiver mit Kindern arbeiten können. Deswegen ist es fachlich richtig, sich damit weiterhin zu beschäftigen.

Aber über alldem steht Folgendes. Ich habe auch Herrn Rock gesagt, dass wir die FDP so kennen, dass sie alle ihre Vorschläge finanziell seriös hinterlegt hat.

(Jürgen Lenders (FDP): Aus Haushaltsmitteln!)

Sie müssen ehrlicherweise sagen, Herr Kollege Lenders, dass Sie, wenn Sie alles machen wollen, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorschlagen, einen höheren dreistelligen Millionenbetrag vorsehen müssen. An dem Tag, wenn man die Regierung übernimmt, trennt sich die Spreu vom Weizen; das wissen Sie auch noch aus Ihrer Zeit.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ihr werdet es sehen!)

Es gibt viele kluge Vorschläge, aber man muss sie am Tag X auch finanzieren. Ich habe gesagt, niemand von der CDU oder den GRÜNEN widerspricht dem Ziel, die Qualität weiter zu verbessern. Wir haben angefangen, im Doppelhaushalt die Entlastung der Eltern um 440 Millionen € vorzusehen. In der Endausbaustufe werden wir jährlich 50 Millionen € durch die Verdreifachung der Qualitätspauschale in die Verbesserung der Qualität fließen lassen. Insgesamt stehen für die Kinderbetreuung für die Kommunen in Hessen 1,5 Milliarden € zur Verfügung. All das zeigt, dass sich das Land auch bei einer originären kommunalen Aufgabe sehr intensiv finanzpolitisch engagiert. Bei der Bereitschaft, da mehr tun zu wollen, haben wir keine Flanke offengelassen.

Mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozialbereich sind wir uns einig, dass wir auch in der nächsten Legislaturperiode das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht haben werden. Wir wollen die weitere Verbesserung der Qualität.

Die Vorschläge, die Sie vorgelegt haben, werden wir Schritt für Schritt diskutieren. Dann müssen wir aber eine Priorität setzen; denn wir werden nicht alles, was vorgeschlagen wird, auf einen Schlag finanzieren können.

Zur SPD muss ich in dem Fall nichts sagen. Wir haben ihre Vorschläge diskutiert. Wir wissen, dass sie am Ende des Tages über 1 Milliarde € kosten werden. Wer allen alles verspricht, begeht eigentlich kalkulierten Wortbruch.

Ich finde es in Ordnung, dass Sie diesen Gesetzentwurf vorlegen, um zu sagen, wohin Sie wollen, dass Sie die Qualität verbessern wollen und wie man das tut. Die FDP hat dazu eine Vorlage gemacht, über die zu unterhalten es sich mehr als lohnt. Aber noch lohnenswerter ist, die finanzpolitische Priorität zu setzen, was man als nächsten Schritt angehen kann.

Diese Hausaufgabe müssen Sie noch erfüllen. Wir sind offen dafür, das weiter zu diskutieren. Niemand von den die Regierung tragenden Fraktionen hat gesagt, dass mit dem Doppelhaushalt und dem KiföG in der vorliegenden Form alles in Beton gegossen sei und nichts mehr verändert werden könne. Wir müssen weiter in die Qualität der Kindergärten und in die Betreuung investieren. Wir haben die Vorschläge. Sie liegen auf dem Tisch. Auch im KiföG wird Evaluation angesprochen. Wir haben sie nicht negiert. Wir haben da die Probleme nicht abgesprochen, aber wir haben gesagt, man muss es auch Schritt für Schritt finanzieren.

Wir haben mit den Zahlen, die ich genannt habe, einen großen Schritt sowohl zur Entlastung der Eltern als auch zur Stärkung der Qualität mit über 50 Millionen € getan. Übrigens fließen 86 Millionen € in den weiteren Ausbau der Betreuungsplätze, damit alle Eltern zu allen Uhrzeiten einen Betreuungsplatz für ihre Kinder finden.

Diesen Dreiklang wollen wir fortführen. Wir haben eine finanzpolitische Priorität gesetzt. Wir werden sie in der neu

en Legislaturperiode neu diskutieren. – Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Bocklet. – Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Staatsminister Grüttner. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind nicht zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode dabei, uns über die Frage von Kinderbetreuung und den richtigen Weg dafür auseinanderzusetzen. Ich habe heute wieder einige neue Erfahrungen gemacht, etwa dass Frau Schott zum pädagogischen Mittel der dauernden Wiederholung greift. Ich wusste nicht, dass Frau Schott das pädagogisch meint. Das Wiederholen von inhaltsleeren Sätzen bringt möglicherweise die Debatte inhaltlich nicht voran.

Das Zweite, was ich heute gelernt habe, ist, dass Selbstsuggestion durchaus etwas Spannendes ist. Das war der Beitrag von Herrn Merz, der noch einmal seinen Gesetzentwurf bzw. denjenigen der SPD dargestellt, aber vergessen hat, die entscheidende Frage zu beantworten, wie er die Milliarden, die dieses Wunschkonzert kostet, überhaupt finanzieren will und woher er sie bekommt.

(Beifall bei der CDU)

Auch dies wird immer wieder unterschlagen.

Das Dritte ist, dass die FDP auf Qualität setzt. Herr Kollege Rock sagt, über die 700 Millionen € könnten am 28. Oktober die Menschen in Hessen entscheiden. – Das meiste, das in diesem Gesetzentwurf steht, tritt allerdings erst im Jahr 2024 in Kraft. Das ist in der übernächsten, nicht jedoch in der nächsten Legislaturperiode.

(Jürgen Lenders (FDP): Sonst wäre es nicht finanzierbar!)

In dem Moment, wenn 2024 die Erhöhung des Fachkraftschlüssels in Kraft treten soll, sollen die 10 % Leitungsfreistellungen, die bis 2063 sukzessiv eingeführt werden sollen, also die 2 % pro Jahr, wieder abgeschafft werden. Nach dem Gesetzentwurf läuft das im Jahr 2023 aus. Deswegen ist es in der Tat eine völlig – –

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich verstehe das. Nicht jeder Abgeordnete kann jeden Gesetzentwurf seiner eigenen Fraktion inhaltlich durchdringen und ihn entsprechend darstellen. – Aber das ist der Fall; das ist Fakt.