Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

(Nancy Faeser (SPD): CDU!)

Was habe ich denn gerade gesagt? Entweder wollen Sie jetzt, dass sie mit uns im Boot sitzt, oder nicht. Aber entscheiden Sie sich doch einmal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Scheuer meint, dass Softwarenachrüstungen effektiver wären als Hardwarenachrüstungen. Es gibt aber ganz viele Gutachten, die genau das Gegenteil zeigen. Ich kann ja einmal den ADAC zitieren. Das ist normalerweise eine Organisation, die wir als GRÜNE nicht ganz so oft zitieren. Er hat nachgewiesen, dass man bei Pkw je nach Temperatur bei der Hardwarenachrüstung eine Reduktion von 50 bis 68 % messen könnte. Daran sehen Sie: Hardwarenachrüstungen sind extrem wirksam.

Deswegen meine ich, dass wir heute ein ganz starkes Signal aus diesem Hessischen Landtag aussenden sollten. Deshalb haben wir Ihnen ganz bewusst einen einfachen und schnörkellosen Antrag vorgelegt, der auf jegliche weitere Bewertung verzichtet; denn es ist klar: Bei diesem Thema kann man an der einen oder anderen Stelle eine andere Perspektive haben. Aber ich finde, hinter der einen Forderung müssten wir hier doch gemeinsam stehen. Ich lese es Ihnen einmal vor, damit Sie wissen, worüber wir nachher abstimmen wollen:

Der Landtag unterstützt neben den bereits ergriffenen Maßnahmen der Landesregierung deren Forderung, dass die Automobilindustrie auch die Hardware der Dieselfahrzeuge auf eigene Kosten nachrüstet. Das wäre die effektivste Maßnahme, um die Stickstoffdioxidwerte deutlich zu senken und die in der Europäischen Union geltenden Grenzwerte einhalten zu können. Durch entschlossenes Handeln der Bundesregierung könnten so generelle Fahrverbote

auch in belasteten hessischen Städten vermieden werden.

Diesen Antrag haben wir Ihnen vorgelegt. Ich denke, hinter diesem Ansinnen müsste sich das ganze Haus versammeln können.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Ich denke, dass wir angesichts der Situation in Frankfurt diesen Druck – den Druck des gesamten Hauses – auch brauchen. Insofern würde ich mir wünschen und fordere Sie auf: Stimmen Sie alle unserem Antrag zu. Lassen Sie uns heute ein gemeinsames Signal an die Bundesregierung setzen gegen Fahrverbote und für gesunde Luft. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Eckert von der SPD-Fraktion.

(Michael Boddenberg (CDU): Bitte nicht so schnell, Herr Kollege!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Betrug der Automobilindustrie gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern und dessen Auswirkungen ziehen sich durch die politische Debatte seit dem Aufkommen des Dieselskandals. Um es jetzt ganz am Anfang einmal deutlich zu sagen: Betrug muss man auch Betrug nennen, und das darf man nicht verniedlichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man sollte nicht die Schummelsoftwareschmutzeleien der Automobilindustrie verniedlichen, wie wir es immer lesen können, sondern es auch so benennen.

Im vergangenen Jahr wurden bundesweit in 65 Städten, darunter in Frankfurt, aber auch Wiesbaden, Darmstadt, Offenbach oder beispielswiese auch Limburg, die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten. Trotz SoftwareUpdates und Umtauschprämien sinken die Belastungen nicht hinreichend. Auch Flottenerneuerungen haben kurzfristig keinen ausreichenden Effekt auf die Luftqualität in unseren Städten.

Mobilität für Menschen und Wirtschaft zu organisieren, zu ermöglichen und gleichzeitig Menschen vor Belastungen durch Lärm und Luftverschmutzung zu schützen, ist die Herausforderung für staatliche Regulierung. Seit dem Aufkommen des Dieselskandals, aber spätestens nach den ersten Urteilen zu Dieselfahrverboten war klar: Ein Aussitzen und Wegducken allein reicht nicht.

Gerade deshalb ist das Handeln oder auch das Nichthandeln der amtierenden Hessischen Landesregierung in vielen Bereichen nicht nur falsch und fahrlässig; nein, es kommt schlicht einer Arbeitsverweigerung gleich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Damit schaden Sie den Menschen in den Städten, den Pendlerinnen und Pendlern, Handwerkern und Dienstleis

tern, dem Handel in unseren Städten und vielen Betroffenen.

Meine Damen und Herren, nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Wiesbaden ist der Luftreinhalteplan der Landesregierung für die Stadt Frankfurt unzureichend.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich habe ja noch ein paar andere Städte aufgezählt. Auch in Limburg – das wurde heute angekündigt – gibt es die nächste Klage dazu. Das Thema wird uns weiter beschäftigen. Aber warum erwähne ich dabei auch Limburg? Für Limburg kenne ich den Entwurf des Luftreinhalteplans, den das Land vorgelegt hatte. In Limburg war man vor Ort fassungslos ob der wenig tiefgründigen – um es freundlich zu formulieren – Sach- und Ortskunde, die die Landesregierung an den Tag legt, und mit welchen Vorschlägen sie um die Ecke gekommen ist. Meine Damen und Herren, der Plan war von Anfang an untauglich. Deswegen verwundern einen solche Urteile nicht, wie sie jetzt wegen Frankfurt gefallen sind.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist das Urteil der vergangenen Woche gegen Sie als Landesregierung ergangen. Deswegen liegt auch die Verantwortung bei Ihnen. Sie tragen Mitverantwortung für drohende Fahrverbote in hessischen Städten. Sie waren und sind gefordert, wirksame Maßnahmen vorzuschlagen – weiter Wegducken reicht nicht. Aber Sie bleiben bei Ihrer Haltung und ducken sich auch heute wieder hier im Plenum weg. Es ist ganz einfach: Sie in der Koalition wissen nicht, was Sie wollen.

(Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Hallo?)

Zumindest können Sie sich nicht einigen, und die Leidtragenden sind die Menschen in den betroffenen Städten; es sind die Menschen in Frankfurt.

(Beifall bei der SPD)

Was das segensreiche Wirken der Landesregierung sein soll, dem wir jetzt zustimmen sollen – wie Frau Kollegin Dorn es hier gerade eben beworben hat –, sehen wir in keinster Weise.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können auch dagegen stimmen!)

Wir haben schon lange gefordert, dass wir z. B. auch in unserem Bundesland Hessen einen Dieselgipfel einberufen, bei dem wir alle Beteiligten – Betroffene und Verantwortliche – zusammenrufen müssen, damit wir Lösungen erarbeiten und umsetzen können. Aber auch dieser Idee verschließt sich die Landesregierung hartnäckig. Das ist Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ehrlicherweise kann man es ja fast nachvollziehen. Wenn wir zu so einer Runde in Hessen kommen würden, dann müsste ja die in den letzten 20 Jahren unter CDU-Verantwortung betriebene Mobilitätspolitik schonungslos offengelegt werden. Jeder und jede in diesem Land würde dann noch einmal vor Augen geführt bekommen, wann und wo Sie entweder nichts getan haben oder, wenn Sie etwas getan haben, was Sie falsch getan haben. Die dringend nötige Verkehrswende mit günstiger, sauberer und in Stadt und Land verfügbarer Mobilität hat in Hessen nicht stattgefunden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Aber auf Ihre Befindlichkeiten in der Koalition können die Menschen keine Rücksicht nehmen. Deswegen fordern wir Sie heute noch auf: Kommen Sie Ihrer Verantwortung nach. Berufen Sie z. B. in Hessen endlich einen Dieselgipfel ein, um gemeinsam die Herausforderungen zu meistern. Wenn Sie das nicht tun, wie Sie es bei vielen anderen Maßnahmen auch machen – z. B. bei effektiven Luftreinhalteplänen und Ähnlichem mehr –, dann liegt das in der Verantwortung des Landes. Deswegen kommen Sie an den Stellschrauben, wo Sie drehen können, Ihrer Verantwortung endlich nach, und handeln Sie.

(Beifall bei der SPD und der FDP –Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und Sie lassen uns lieber im Regen stehen!)

Meine Damen und Herren, was aber überhaupt nicht sein kann, ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher am Ende die Dummen sind

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

und dass sie in gutem Glauben Investitionen getätigt haben und es nun quasi einer kalten Enteignung gleichkommt, wenn sie ihr Kfz nicht mehr nutzen können oder dürfen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen am Ende nicht die Zeche für die Fehler und den Betrug der Automobilindustrie und für die Handlungsunfähigkeit dieser Landesregierung in der Verkehrspolitik zahlen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. René Rock (FDP))

Um es an der Stelle deutlich zu sagen: Die Kosten für die Umrüstung von Dieselfahrzeugen muss die verantwortliche Automobilindustrie zahlen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Oder, um es mit den Worten des saarländischen Verbraucherschutzministers Reinhold Jost zu sagen – Frau Präsidentin, ich zitiere –: „Wer bescheißt, der zahlt.“ Meine Damen und Herren, genau da hat er recht.

Ja, es braucht statt Fahrverboten auch den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, die Modernisierung der Busflotten und Innovationen, vor allem bei Wirtschaftsverkehren und Antriebssystemen. Zur kurzfristigen Erreichung der Grenzwerte führt kein Weg an einer Hardwareumrüstung vorbei. Der Bund muss sich endlich bewegen und der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer seine Blockade endlich beenden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist gut, wenn sich Konservative formal nun nach langem Zögern der Forderung der Bundesumweltministerin Svenja Schulze oder unseres stellvertretenden Bundesvorsitzenden Thorsten SchäferGümbel angeschlossen haben und diese Nachrüstung auf Kosten der Verursacher, auf Kosten der Automobilindustrie fordern.

Es ist aber doch Ihr Parteifreund der Unionsfamilie, Andreas Scheuer, der für diese Blockade in Berlin verantwortlich ist. Deswegen, auch wenn er heute nicht hier ist und sich für dieses Thema nicht so richtig interessiert, wäre der stellvertretende Bundesvorsitzende der Union einmal gefordert, hier nicht nur zu reden, sondern sich in Berlin auch einmal ernsthaft für diese Forderungen einzusetzen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD)

Wenn Sie jetzt sagen: „Ja, die Kanzlerin hat gesagt, darüber müsste man reden, und da sollte Bewegung in die Sache kommen“, dann entgegne ich: Na ja, das mit der Richtlinienkompetenz, und wie es ist, wenn sie sich mit CSUMinistern streitet, haben wir in den letzten Wochen und Monaten in diesem Land erlebt. Da setzt sie sich in diesem Fall leider nicht durch. Deswegen nehme ich ihr das auch nicht ab, wenn sie sich jetzt da an die Spitze der Bewegung setzen will.