Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat der Kollege Kasseckert für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner in dieser Runde finde ich kaum noch neue Argumente, aber Sie sehen, dass wir zumindest einer Meinung sind.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Dann mach schnell!)

Ja, ich mache auch schnell. – Das will ich auch an die Beschäftigten richten. Natürlich kritisieren wir auch, dass in einem Unternehmen, das in Deutschland, aber auch überall in Europa tätig ist, Arbeitsbedingungen herrschen, die – vorsichtig betrachtet – mit fairen Arbeitsbedingungen nichts zu tun haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Decker (SPD))

Das kritisieren wir an dieser Stelle. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir die Tarifautonomie zwischen den Verhandlungspartnern sehen; das drückt auch unser Antrag aus. Aus diesem Grund halten wir uns als Politik aus diesen Verhandlungen heraus. Nichtsdestotrotz, das darf ich Ihnen zurufen, unterstützen wir Sie, drücken Ihnen die Daumen und wünschen Ihnen viel Erfolg. Wir sind auch sicher, dass es der richtige Weg ist, einen Arbeitgeber in dieser Frage zur Vernunft zu bringen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Frau Kollegin Kinkel hat darauf hingewiesen, wir haben zu Recht das Streikrecht. Wir haben in der Vergangenheit schon viele Situationen erlebt, in denen wir am Ende dafür dankbar sein mussten, dass wir Tarifautonomie und Streikrecht haben, weil wir es damit geschafft haben, stabile soziale Verhältnisse in Deutschland zu schaffen. Das ist ein Wert für die Wirtschaft, das ist ein Wert für den Standort Hessen, das ist ein Wert für den Ballungsraum, und das ist ein Wert für die Luftfahrtgesellschaften.

Deswegen ist es an dieser Stelle richtig, dass wir unterstreichen: Tarifautonomie muss sein, Streikrecht muss sein. Beide Seiten müssen sich aufeinander zubewegen. Am Ende ist dieser Weg auch eine Möglichkeit, Wettbewerbsbedingungen gegenüber anderen Luftfahrtverkehrsgesellschaften gleichzusetzen. Auch das haben wir in der Vergangenheit diskutiert.

Wir haben Ryanair erst seit einigen Monaten am Frankfurter Flughafen als Billigfluglinie. Mit Sicherheit herrschen dort Bedingungen, die mit harten Bandagen umkämpft sind, die vielleicht wettbewerbsverzerrend sind – das will ich an dieser Stelle nicht abschließend beurteilen.

Wir glauben, dass über diesen Weg mehr Fairness in den Wettbewerb einziehen kann. In diesem Sinne kann ich noch einmal unsere Unterstützung zum Ausdruck bringen,

alles Gute. Es ist der richtige Weg, den Sie gehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Staatsminister Al-Wazir das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist die erste Debatte, bei der das Wort „Ryanair“ fällt und von SPD und LINKEN nicht bedauert wird, dass sie hier sind. Ich muss trotzdem sagen, liebe Kollegin Wissler, ich war, was die Fluggesellschaften angeht, nicht so erfreut darüber, dass Ryanair gekommen ist. Aber das ist nun einmal so, Entgelte gelten für alle. Flughäfen in Deutschland sind für alle Fluggesellschaften zugelassen, die eine europäische Zulassung haben. Das will ich an dieser Stelle noch einmal betonen.

Die Entgeltordnung, das ist auch wichtig, gilt nicht nur für diejenigen, die neu hinzugekommen sind, sondern sie gilt für alle, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das war mir noch einmal wichtig.

Das Zweite ist, das ist schon mehrfach gesagt worden, Stichwort: Tarifautonomie. Ich will das noch einmal ausdrücklich für die Landesregierung sagen: Wir können und wir dürfen nicht in Tarifauseinandersetzungen eingreifen. Die Tarifautonomie gilt aus gutem Grund. Wir sind an dieser Stelle Beobachter dessen, was gerade zwischen Ryanair auf der einen Seite und Cockpit und ver.di auf der anderen Seite stattfindet.

Ich will ausdrücklich sagen, das gilt an dieser Stelle für alle: Ohne Gewerkschaftsmacht haben wir keine Möglichkeit, dass es zu Tarifverträgen kommt. Genau darum dreht sich die Auseinandersetzung.

Wir haben es in der jetzigen Situation mit einer anderen Situation zu tun als 1949, als das Grundgesetz in Kraft trat. 1949 konnte man sich europaweit tätige Konzerne in der Art und Weise, wie wir sie heute haben, gar weltweit tätige Konzerne, so nicht vorstellen.

Ich will noch einmal daran erinnern, dass starke Gewerkschaften auch freie Gewerkschaften sein müssen. Staatlich gelenkte Gewerkschaften haben noch nie etwas für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht. Auch das gehört zur Tarifautonomie dazu.

Ich will auch noch einmal daran erinnern, dass wir auch in anderen Bereichen öfter die Frage hatten, wie das eigentlich bei Unternehmen aussieht, die unterschiedliche Standorte haben. Ich kann mich gut an ein Gespräch erinnern, das ich vor vielen Jahren einmal mit dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden von Opel geführt habe, dem Kollegen Klaus Franz. Er erklärte mir, wie das Benchmarksystem bei GM läuft, und sagte, er erreiche mehr für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Rüsselsheim, wenn er dafür sorge, dass die Gewerkschaft in Gliwice gestärkt wird.

Darüber muss man erst einmal nachdenken bei unterschiedlichen Lohnniveaus. Aber dann wird relativ schnell

klar, warum eine europaweite Organisation bei europaweit tätigen Konzernen so wichtig ist. Das sage ich in Anerkennung der Tarifautonomie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass ebenfalls unstrittig ist, dass Unternehmen, die in Deutschland agieren, natürlich das in Deutschland geltende Streikrecht akzeptieren müssen. Da gibt es kein Vertun. An dieser Stelle wird die Landesregierung immer Partei ergreifen für die Normen und Werte, die in unserer Verfassung stehen.

Natürlich ist klar, dass zur sozialen Marktwirtschaft auch faire Wettbewerbsbedingungen der unterschiedlichen Teilnehmer gehören. Wir beobachten das. Ohne mich in die Auseinandersetzungen einzumischen, darf ich sagen: Es gibt auch gute Gründe, dass wir manchen in dieser Auseinandersetzung viel Erfolg wünschen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen? – Herr Kollege Weiß, SPDFraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil von einigen Rednern darauf hingewiesen wurde, dass es sich hier um Tarifautonomie handle.

Ich will dazu gerne einmal etwas sagen. Aus Sicht der Sozialdemokraten ist die Politik dafür verantwortlich, für Waffengleichheit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu sorgen. Wenn diese Waffengleichheit herrscht, dann soll sich die Politik aus diesen Tarifverhandlungen raushalten.

Worum es hier allerdings geht, da kann von Waffengleichheit nicht einmal im Ansatz die Rede sein, liebe Kolleginnen und Kollegen – nicht einmal im Ansatz.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Selbst die Metapher von David und Goliath würde hier fehlgehen, weil die jungen Leute, die dort oben sitzen, nicht einmal im Besitz einer Schleuder sind. Was die dort gemacht haben, ist, ein großes Risiko einzugehen.

Die Beschäftigten von Ryanair bekommen kein Geld bei Krankheit – ihre ganzen Fixkosten laufen entsprechend weiter. Ihnen droht, ihre Jobs zu verlieren, wenn sie sich hier gegen ihren Arbeitgeber stellen. 80 % der Streikenden, die gestern gestreikt haben, sind befristet beschäftigt. Alle, die gestern gestreikt haben, bekommen ein Disziplinarverfahren – und nicht nur diejenigen, die gestreikt haben, sondern auch diejenigen, die gestern frei hatten, weil Ryanair davon ausgeht, dass die auch nicht bereit waren, einzuspringen und Streikersatz zu machen. Das ist es, was uns die jungen Leute eben erzählt haben. Um so einen Arbeitgeber geht es hier, von Waffengleichheit kann hier aus unserer Sicht keine Rede sein.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der zweite Punkt, warum wir hier darüber reden und warum es richtig ist, dass wir hier darüber reden. Was sich hier abspielt, spielt sich an Hessens größter Arbeitsstätte ab, und noch dazu ist diese größte Arbeitsstätte mehrheitlich in öffentlicher Hand. Das Land Hessen ist größter Anteilseigner an dieser öffentlichen Arbeitsstätte. Wo, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollen wir denn diese Debatten führen, wenn nicht genau hier im Hessischen Landtag?

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU)

Frau Kinkel, ich habe bei Ihrer Rede zwischendurch viel geklatscht, auch beim Kollegen Heiko Kasseckert. Ich hätte mir nur gewünscht, dass Sie alles, was Sie hier zu den Arbeitsbedingungen oder zur Solidarisierung mit den Beschäftigten gesagt haben, auch in Ihren Antrag hineingeschrieben hätten – dann hätten wir dem nämlich zustimmen können. Aber da steht leider nichts davon drin.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das finde ich ein bisschen schade. Deswegen werden wir uns an dieser Stelle zu Ihrem Antrag nur enthalten können.

Der letzte Punkt ist etwas, was man Ihnen nicht durchgehen lassen kann. Frau Kinkel, wenn Sie sich hierhin stellen und sagen, niemand hätte sich Ryanair in Frankfurt gewünscht, oder wenn sich der Minister hierhin stellt und sagt, er könne im Prinzip gar nichts dafür: Wer glaubt denn ernsthaft, bei dieser Eigentümerstruktur und bei der politischen Relevanz dieser Entscheidungen, die dort getroffen wurden, dass diese Entscheidung vom Vorstand ohne politische Rückendeckung des größten Anteilseigners getroffen wurde? Wer glaubt das denn ernsthaft?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist das der Fall.

(Zuruf von der CDU)

Der Vorstandsvorsitzende hat ja gerade seinen Vertrag noch einmal verlängert bekommen. So unzufrieden scheint also auch die Landesregierung mit der Arbeit und mit der Ansiedlung von Ryanair durch den Vorstand nicht zu sein, wie sie hier tut. Daher muss man das hier einmal erwähnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man auf eine LowCost-Strategie hätte setzen wollen, hätte es, wenn Sie Gewerkschaften fragen, durchaus andere Anbieter gegeben, bei denen die Mitarbeiterfreundlichkeit eine ganz andere ist. Das ist bei easyJet der Fall, das ist beispielsweise auch bei Eurowings der Fall oder bei anderen. Aber es war explizit der Vorstandsvorsitzende der Fraport, der über Monate Ryanair hinterhergelaufen ist, und zwar mit Rückendeckung dieser Landesregierung.

Das kann ich Ihnen auch insoweit belegen, als der Ministerpräsident sich direkt nach der Entscheidung hingestellt und gesagt hat, er finde das gut und begrüße das, er finde auch die neue Entgeltordnung gut. Als der Minister sich hingestellt und gesagt hat, er müsse erst einmal prüfen, ob er die überhaupt genehmige, hat der Ministerpräsident sich schon hingestellt und gesagt, er finde, das sei zulässig, und er finde es auch gut, dass Ryanair komme. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, so einen schlanken Fuß kann man sich nicht machen.

Und wenn die GRÜNEN beim Flughafen immer auf alles zeigen, wofür sie alles überhaupt nichts könnten und wofür

überall Schwarz, Gelb und auch die SPD verantwortlich seien – beim Thema Ryanair können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Das ist eine schwarz-grüne Entwicklung und eine schwarz-grüne Entscheidung.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)