Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

(Janine Wissler (DIE LINKE): Um was geht es denn dann?)

Meine Damen und Herren, liebe Frau Kollegin Wissler, wir vertrauen auf die Gerichte und darauf, dass die ihre Arbeit ordentlich machen.

Klar ist – das haben auch Sie zur Kenntnis zu nehmen, und da war ich vorhin schon etwas über die Beurteilung überrascht, die wir gehört haben –, das Verwaltungsgericht Frankfurt hat in einem sehr sorgfältig ausgearbeiteten und begründeten Urteil erklärt, dass der Kessel, wie er damals durchgeführt wurde, rechtmäßig war. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, aber es ist durchaus lesenswert.

Weil das hier ein bisschen untergangen ist, will ich doch einmal an die Vorgeschichte der Ereignisse im Juni 2013 erinnern. Völlig aus dem Fokus geraten ist, was ein Jahr vorher passiert ist, im Mai 2012. Damals hatten wir bürgerkriegsähnliche Zustände in der Frankfurter Innenstadt,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was?)

bürgerkriegsähnliche Zustände in der Frankfurter Innenstadt. Und die Polizei musste sich anschließend mit Recht fragen lassen, wieso sie nicht noch entschiedener gegen die Aggressoren, denen es nie um die Meinungsbekundung, sondern offenkundig um Gewalt ging, vorgegangen war.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ein Ergebnis dieser zugegebenermaßen schwierigen Ausgangslage für die zu erwartenden Proteste im kommenden Herbst zur EZB-Eröffnung ist jetzt der vorliegende Antrag der Regierungskoalition. Ich finde das schon nachvollziehbar. Ich habe ein bisschen geschmunzelt, als ich den Antrag gesehen habe, weil es in der Tat schwierig ist, die sich abzeichnende Konfliktsituation zwischen CDU und GRÜNEN vernünftig aufzulösen.

Reagieren die Polizeikräfte aus Sicht des linkeren Spektrums zu hart, kommen die Kollegen von den GRÜNEN in Erklärungsnöte, wenn Sie sich das vor Augen führen, was Sie in der Vergangenheit erklärt haben. Ziehen dagegen die Gewalttäter durch die Stadt und terrorisieren die Bevölkerung so, wie vor zwei Jahren geschehen,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Terrorisieren die Bevölkerung?)

wird die Union in Schwierigkeiten kommen, ihre Position entsprechend zu erklären.

Herr Kollege Beuth, ich muss offen sagen, ich beneide Sie nicht um das, was Sie an politischer Situation zu meistern haben. Der vorliegende Antrag soll offensichtlich alle Eventualitäten abdecken. Wer diesem Antrag zustimmt, der bescheinigt der Landesregierung indirekt, alles Nötige getan zu haben, um zum einen das Versammlungsrecht und zum anderen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren von der schwarz-grünen Koalition, Sie werden verstehen, wir werden Ihnen diesen Blankoscheck ebenso wenig ausstellen wie sonstige Blankoschecks, die Sie gerne hätten.

(Michael Boddenberg (CDU): Nö!)

Wir halten die offeneren Kommunikationsformen der Polizei, die in dem Antrag beschrieben werden, für sinnvoll und die richtige Lehre aus den Vorkommnissen im vergangenen Juni. Selbstverständlich sollte, solange das vertretbar ist, immer Deeskalation dem harten Zugriff vorgezogen werden.

Ich sage eines und damit eine kleine Bemerkung zu Frau Faeser: Sie haben gemeint, man solle sich weniger bei dem

Thema des Instruments Twitter bedienen und mehr reden. Darin stimme ich Ihnen völlig zu.

Twitter kann nur eine Notlösung sein. Dass die Polizei zu dieser Notlösung greift, hat etwas damit zu tun, dass das Gespräch verweigert wird, dass genau die Gesprächsangebote nicht wahrgenommen werden. Dann finde ich es besser, wenigstens über Twitter zu versuchen, die eine oder andere Botschaft zu setzen, als gar nichts zu tun.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Dann muss die Gegenseite folgen!)

Frau Kollegin Wissler, die „Gegenseite“,

(Michael Boddenberg (CDU): Das sagt schon alles!)

das ist schon der Duktus, der genau passt. Für Sie ist die Polizei immer nur die Gegenseite. Die Polizei ist aber nicht die Gegenseite. Die Polizei ist die Institution, die unseren Rechtsstaat vor Gewalttätern schützt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dass die Koalition dies alles sinnvoll umgesetzt hat, dass dies die besten und die geeignetsten Maßnahmen sind, die zur gleichmäßigen Wahrung aller berechtigten Interessen führen,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Auch Herr Greilich!)

das kann ich aus jetziger Sicht im Vorhinein sicherlich nicht so ohne Weiteres bestätigen. Wir werden das genau beobachten und analysieren. Wir werden Sie am Ergebnis messen. Wir hoffen und wünschen uns für alle Beteiligten, seien es die friedlichen Demonstranten, seien es die Bewohner der Stadt Frankfurt, dass die Proteste einen friedlichen Verlauf nehmen und es keiner Klärung durch Gerichte oder einer Aufarbeitung hier im Landtag bedarf. Warten wir es ab.

Eines will ich vorab sagen, und zwar an die Adresse der Linkspartei. Der Solidarisierungsgrad mit der BlockupyBewegung ist bei Ihnen – wie wir wissen – besonders hoch. Das ist Ihr gutes Recht. Aber nehmen Sie bitte Ihre Verantwortung nicht nur gegenüber den Demonstranten, sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Frankfurt und den Einsatzkräften der Polizei wahr. Sorgen Sie dafür, dass die Gesprächsangebote angenommen werden, was bis heute nicht der Fall ist. Bislang fehlt diese Einsicht bei Ihnen offensichtlich vollständig, wie die Rede vorhin deutlich gemacht hat.

(Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Wann ist denn die EZB-Eröffnung?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die FDP-Fraktion steht unverrückbar an der Seite friedlicher Demonstranten, gleich welcher politischen Richtung. Sie steht für die umfassende Gewährleistung des Versammlungsrechts. Wir stehen aber nicht als Steigbügelhalter für Chaoten zur Verfügung, die das Versammlungsrecht für ihre Zwecke missbrauchen wollen, um ihren Bedarf nach Krawall zu decken. Dem wird entschieden entgegenzuhalten sein. Und da wird uns die Polizei an ihrer Seite finden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Greilich. – Für die Landesregierung hat sich Staatsminister Beuth zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich sehr herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen für die Debatte und auch für den Antrag bedanken. Ich finde, es ist wichtig, dass wir die Gelegenheit hier wahrnehmen, miteinander über Fragen zu diskutieren, von denen wir heute schon wissen, dass sie uns und vor allen Dingen auch unsere Behörden in den nächsten Monaten beschäftigen werden. Ich danke vor allen Dingen auch für die Inschutznahme der Kolleginnen und Kollegen der Polizei gegen die wirklich unsäglichen Angriffe der Linkspartei, die hier eben geschehen sind.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, Polizeibeamte in Hessen, aber auch darüber hinaus, ermöglichen das Recht, Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit wahrzunehmen. Das ist deren tägliches Geschäft. Wenn ich „tägliches Geschäft“ sage, dann meine ich tägliches Geschäft in Frankfurt. An jedem Tag findet in Frankfurt eine Demonstration statt. An jedem Tag. Kollege Bauer hat es gesagt, 1.000 sind es im Jahr.

An jedem Tag sorgen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dafür, dass die Menschen ihr Recht auf Meinungsfreiheit, auf Versammlungsfreiheit ausüben können. Das tun sie, indem sie dafür Sorge tragen, dass die Aufzüge den richtigen Weg finden, dass der Verkehr geregelt ist. Sie sorgen sich um die Sicherheit der Demonstrationsteilnehmer in diesem Umfang. Ich finde, das sollte der Hessische Landtag auch zu schätzen wissen. Ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen das tun. Deswegen ein herzliches Dankeschön für die Debatte.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind gut beraten, bei der Frage der Ermöglichung von Versammlungen und Demonstrationen darauf zu sehen, dass wir mit den Veranstaltern kooperieren, dass wir dafür Sorge tragen, dass die Veranstaltungen in geordneten Bahnen verlaufen und friedlich über die Bühne gehen können.

Das macht die Polizei. Darum sorgt sich die Polizei – übrigens bei größeren Demonstrationen weit im Voraus, wie wir das jetzt auch hier im Zuge der EZB-Eröffnung schon fast ein Jahr im Voraus miteinander diskutieren. Die Polizei übt Zurückhaltung, natürlich. Sie hat gar keinen Grund, sich in den Vordergrund zu spielen, weil die Demonstranten, die wenigen, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausüben wollen, im Vordergrund stehen.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte müssen dann auch differenzieren und differenzieren dürfen zwischen denen, die friedlich ihre Meinung sagen, und anderen, die etwas anderes im Schilde führen. Auch das muss die Polizei leisten.

Meine Damen und Herren, ich glaube, die Diskussion, die wir hier und sicherlich auch in den nächsten Wochen und

Monaten miteinander führen, soll auch ein bisschen denjenigen signalisieren, die friedlich demonstrieren wollen, dass sie auch eine Verantwortung haben – nicht nur die Polizei.

Die Differenzierung muss möglich sein zwischen denen, die friedlich demonstrieren, und denen, die etwas anderes im Schilde führen. Auch das ist wichtig. Da besteht aber eine Verantwortung, die einem jeden Demonstrationsteilnehmer am Ende auch selbst gestellt ist.

Meine Damen und Herren, ich will es mit aller Deutlichkeit auch an diejenigen, die friedlich demonstrieren wollen, sagen: Es darf keine Solidarität mit Gewalt in solchen Aufzügen geben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. René Rock (FDP))

Die Ausgestaltung des Demonstrationsrechts ist am Ende natürlich ein Stückchen auch in den Händen derjenigen, die das ausüben möchten. Es gibt kreative Formen. Es mag bunt sein, es mag abwechslungsreich sein. Das ist nicht das Thema. Es ist auch nicht unser Thema, das zu beurteilen. Es gibt aber eine Grenze: Gewalt ist keine Form des Protests.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN )

Wenn Gewalt gegen Menschen, gegen Polizeibeamte oder Sachen ausgeübt wird oder wenn Straftaten verübt werden, gibt es keinen Handlungsspielraum. Dann gilt das Legalitätsprinzip. Dann muss die Polizei konsequent handeln. Dann hat die Polizei auch die Unterstützung der politisch Verantwortlichen dieses Hauses verdient. So ist es.

Ich bin ein bisschen über das Verhältnis zum Rechtsstaat erschrocken, das gerade vom Vertreter der Fraktion DIE LINKE hier geäußert wurde. Die Beurteilung, wie das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt gelaufen ist, und welche Beweisanträge es da gegeben hat, sollte eigentlich nicht Sache des Hessischen Landtags sein. Vielmehr ist das die Sache des Verwaltungsgerichts. Es verbietet sich für uns, uns darüber zu erheben und das in einer solchen Debatte ins Feld zu führen.

Herr Dr. Wilken, ich will eines aufgreifen. Sie haben gesagt: Der Veranstalter muss über die Durchführung der Demonstration entscheiden. – Ich sage Ihnen: nein. Friedliches Vorgehen und die Einhaltung von Recht und Ordnung ist nicht disponibel, und zwar nicht in Hessen und nirgendwo in Deutschland. Das muss auch in Zukunft so bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)