Protokoll der Sitzung vom 15.07.2014

(Clemens Reif (CDU): Kommt noch, kommt noch!)

Ich bin sehr gespannt. Das sagen Sie seit sechs Monaten, Herr Reif. Ich kenne Sie jetzt lange genug und bin ziemlich sicher: Sie werden noch ein paar Jahre damit auskommen, anzukündigen, was irgendwann kommt.

(Clemens Reif (CDU): Wir haben noch viereinhalb Jahre Zeit!)

Das ist nicht das, was ich möchte. Ich bin da ungeduldiger als Sie. Das liegt vielleicht daran, dass Sie ein bisschen älter sind als ich. Das mag so sein. Meine Rolle ist aber auch, hier darauf hinzuweisen, was Sie schneller tun müssen oder überhaupt tun müssen.

(Clemens Reif (CDU): Wir haben wirklich noch viereinhalb Jahre Zeit!)

Deswegen sage ich zum Schluss: Wer Hessen an die Spitze führen will – und dafür wünsche ich Ihnen von Herzen alle Kraft und Energie; Sie wissen auch, dass ich das sehr persönlich meine –, der muss ein bisschen mehr transportieren als das, was heute gelungen ist. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Vielen Dank, Kollege Schäfer-Gümbel. – Als Nächster hat Kollege Stephan, CDU-Fraktion, für 30 Minuten das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Energiewende in Hessen lebt. Sie ist auf dem richtigen Weg. Mit den Korrekturen, die vorgenommen werden, wird sie noch stärker und mit noch größerer Akzeptanz hier bei uns weiterentwickelt werden – gemeinsam mit den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern.

(Beifall bei der CDU)

Die Energiewende in Hessen profitiert von dem neuen Schub durch die schwarz-grüne Koalition hier bei uns. Schwarz-Grün ist neue Energie für die Energiewende in Hessen.

(Beifall bei der CDU)

Wer außer uns könnte dieser Energiewende denn mehr neuen Schub geben? Wir bringen Ökonomie und Ökologie zusammen. Beides gewichten wir gleichzeitig.

Ich möchte mich sehr herzlich bei Herrn Minister Al-Wazir bedanken – für die Rede, die er heute gehalten hat, für die Impulse, die er gegeben hat, für die Visionen, die er aufgezeigt hat. Das wird der Weg sein, mit dem wir in Hessen die Energiewende weiter vorantreiben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, 2011 hat der hessische CDUMinisterpräsident Volker Bouffier zum Energiegipfel eingeladen – einmalig in Deutschland. Alle Parteien waren dabei, alle gesellschaftlichen Gruppen waren dabei. Aber wenn man schaut, wer die treibende Kraft war, dann sieht man, es waren die Beteiligten von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Lachen bei der SPD – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Was? Das waren mehr die Ahnungslosen!)

Erinnern wir uns doch: Da fand die Sitzung in der Staatskanzlei statt. Da ist verhandelt und gearbeitet worden, und die SPD stand vor der Staatskanzlei und hat Presseerklärungen abgegeben. Das war der Beitrag der SPD zur Energiewende, zum Energiegipfel.

(Beifall bei der CDU – Timon Gremmels (SPD): Das ist gelogen!)

Herr Schäfer-Gümbel, wenn Sie jetzt schon Themen und Begriffe ansprechen, die Herr Scheer geprägt hat, oder Ideen der Energiewende, oder wer den Energiegipfel erfunden hat: Einen riesigen Unterschied gibt es zwischen Ihnen und uns. Sie machen Boulevardschlagzeilen, und wir machen aktive Politik für die Menschen in Hessen. Das ist der Weg zur Energiewende, und das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die LINKEN haben 2011 die Energiewende insgesamt abgelehnt, obwohl sie von der überwältigenden Mehrheit der gesellschaftlichen Gruppen getragen wurde, und die FDP ist leider gerade dabei, sich von der Energiewende zu verabschieden – schade.

Was bleibt also übrig, um das Generationenprojekt der Energiewende voranzutreiben? – Das sind die Parteien von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir sind uns alle darüber im Klaren: Es ist keine leichte Aufgabe, unser Land in ein nachhaltigeres Handeln zu führen und die Schöpfung zu erhalten. Zur Nachhaltigkeit gehört die Finanzpolitik, aber vor allem auch die Energiepolitik. Wir wissen alle – es ist darüber schon gesprochen worden –, dass auch die größten Bodenschätze einmal zu Ende gehen. Ob es bis dahin andere Technologien gibt, wissen wir nicht.

Den Klimawandel spüren wir jeden Tag, wenn wir die Wetterkapriolen erleben. Wir müssen davor warnen: Es wird noch schlimmer werden. Wenn wir unser Leben nicht noch stärker durch den Klimawandel belasten wollen, dann müssen wir gegenhalten, damit auch die nachfolgenden Generationen in Zukunft noch die gleichen Lebenschancen haben wie wir. Wir genießen ja dieses Leben und diesen Wohlstand heute.

Da ist das Ziel einer verlässlichen, bezahlbaren, ökologisch sauberen, gesellschaftlich akzeptierten und ausgewogenen Energieversorgung ein hohes Ziel, aber ein Ziel, das wir unbedingt erreichen müssen, das wir unbedingt erreichen wollen und das wir erreichen werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, Energiewende ist nicht einfach das Umlegen eines Schalters im Kraftwerk, sondern in vielfältiger Weise greift diese Energiewende in die Gesellschaft ein, in die Technik, in die Natur, in das Verhalten der Menschen. Wir alle sind betroffen, und daher ist die Energiewende ein sehr langfristiger Prozess. Schauen Sie sich die Ergebnisse des Energiegipfels in Hessen an. Die Zielsetzungen lauten: bis 2050 möglichst 100 % regenerative Energien, bis 2019 die Verdoppelung ihres Anteils an der Stromerzeugung in Hessen und die Erhöhung der Gebäudesanierungsquote – ein wesentliches Element der

Energiepolitik der Zukunft, des Energiesparens – auf 2,5 bis 3 % pro Jahr.

Vor allem aber wollen wir die stärkere Einbindung der Menschen, die Beteiligung der Menschen an der Energiewende. Kolleginnen und Kollegen, Energiewende ist vor allem eine Chance für engagierte Menschen, für engagierte Mitbürgerinnen und Mitbürger und für engagierte Unternehmen. Herr Al-Wazir hat die Potenziale, die Chancen aufgezeigt. Ich brauche das hier und heute nicht zu wiederholen.

Ich bin mir auch sicher, dass die große Mehrheit der hessischen Bürger hinter der Energiewende steht. 96 % der Hessen haben sich 2013 wohlgefühlt – in einer Zeit, als wir auch schon heftig über Energiewende diskutiert haben, als die Themen die gleichen waren wie die, über die wir heute diskutieren. Die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Energiewende sind in Hessen also gegeben. Die Chancen sind da, die Chancen werden genutzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich an einigen Punkten ausführen, was uns in der Zukunft am Herzen liegt. Zunächst ein Satz zur EU-Politik. Ich fasse den gesamten Teil in einem Satz zusammen: Eine einheitliche EU-Energiepolitik trägt sicherlich auch zur beschleunigten Energiewende in Hessen bei. Wir brauchen eine integrierte Strategie in Europa. Bei Herrn Oettinger sind wir bei allem Hin und Her auf einem guten Weg. Auch ich habe Herrn Oettinger in der letzten Sitzung hier wegen des einen oder anderen Bürokratischen kritisiert. Aber ich meine, er hat in der Summe eine hervorragende Arbeit für die europäische Energiewende geleistet.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Gibt es dafür ein Beispiel?)

Neue Energie für die Energiewende in Hessen muss also auch aus Brüssel kommen.

Schauen wir uns die Bundesrepublik an. Wesentliches Element der Bundespolitik war die Novellierung des EEG. Viele unterschiedliche und widerstrebende Interessen mussten unter einen Hut gebracht werden. Die Interessen waren zu bündeln. Hessen konnte über die Kanzlerinnenrunde mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten wesentliche Verbesserungen aus hessischer Sicht erreichen. Resümee in einem Satz: Das repowerte EEG ist ein guter Weg zur Strompreisbremse und zu mehr Marktwirtschaft. Doch weiterhin gibt es Handlungsbedarf, insbesondere was den Schutz der Arbeitsplätze in Hessen betrifft. Wir werden mit dem EEG in Hessen leben, und wir werden auch unter dem neuen EEG in Hessen sowohl die regenerativen Energien als auch das Energiesparen weiterentwickeln.

Wenn wir über das Energiesparen reden, ist festzustellen, es gibt dringenden Handlungsbedarf in Berlin. Das ist die steuerliche Begünstigung von Gebäudesanierung. Dort ist eine Flanke offen, die geschlossen werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Al-Wazir hat auf die geplante Initiative der Hessischen Landesregierung hingewiesen. Ich kann nur sagen: Auf der Tagung der umwelt- und energiepolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktionen haben wir das gleiche Ziel ausgerufen.

Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Energiewende in Hessen vorantreiben. Es ist unser Bundesland, und es geht um das, was wir hier machen können. Der Energiegipfel ist die Roadmap, ist die Leitschnur, an der wir uns entlangarbeiten.

Lassen Sie mich einen wichtigen Punkt herausarbeiten: die Akzeptanz für die Energiewende als wesentlicher Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Energiewende. Fortschrittsskepsis gibt es, eigene Betroffenheit bei Veränderungen, echte oder wahrgenommene Belastungen, echte und vermeintliche Risiken der Energiewende oder auch mangelnde Information und mangelnde Beteiligung – sie sind die Ursachen für das sogenannte Wutbürgertum.

Als die Bilder des Unfalls in Fukushima auf allen Kanälen zu sehen waren, forderten alle: sofort raus aus der Kernenergie, sofort raus aus der Kohleenergie. Das Wutbürgertum war Ausdruck des Volkswillens. Man war froh, dass Lösungen aufgezeigt wurden, wie mit Energieeinsparung und Energieeffizienz, vor allem aber mit neuen regenerativen Energien aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse, mit Energiespeichern, mit neuen Leitungen die Energiewende vorangetrieben werden könnte.

Wenn ich heute durch die Landschaft schaue, nenne ich nur ein Beispiel: Stromtrassen, die zu bauen sind. Die Pläne sind auf dem Tisch, und dann spricht der lokale Bürgermeister von Monstermasten. Dann sind wir wieder dort, wo wir vor vielen Jahren waren, wovon wenigstens wir von der CDU weg sind, nämlich bei der Verteufelung der Energiewende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bürgermeister hat ausgeführt: Wir produzieren mehr regenerative Energien, als wir selbst verbrauchen können; deswegen brauchen wir doch keine Strommasten. – Ich habe ihn dann in der Anhörung gefragt: Wie bringen Sie Ihren überschüssigen Strom weg? Was machen Sie damit? – Dafür brauche ich natürlich Leitungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man so denkt und nach dem Motto handelt: „Ich denke nur an mich, ich denke nicht an die anderen“, dann, glaube ich, werden wir die Energiewende nicht so gut voranbringen können.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ein netter Vorwurf, den Sie dem Bürgermeister da machen! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da hat Herr Stephan recht!)

Kolleginnen und Kollegen, Herr Al-Wazir hat vorhin über den finanziellen Ausgleich zwischen Kommunen gesprochen, wenn es denn Eingriffe durch Windenergieanlagen gibt. Ja, darüber muss man nachdenken. Aber ich möchte an der Stelle noch einen anderen Punkt ansprechen: die Belastung, die manche Bundesländer haben, weil sie industriestark sind, weil sie Kraftwerke haben, weil sie viele Stromleitungen haben, weil sie viel Verkehr haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Vielleicht sollten wir uns beim Länderfinanzausgleich auch ein bisschen dahin bewegen, dass wir nicht das Geld in die Naturidyllen schicken, wo keine Industrie ist, wo kein Einkommen produziert wird, sondern dorthin, wo die Menschen durch den Wohlstand, den alle haben, belastet sind. Die Belastungskomponente können wir diskutieren beim Windrad, wir müssen sie aber auch bei der Energiepolitik insgesamt diskutieren.

Wir kennen es aus vielen Diskussionen: Natürlich bin ich für Energiewende, natürlich bin ich für Windenergie, aber doch bitte nicht bei mir, es gibt viele andere und viel bessere Plätze. – Kolleginnen und Kollegen, gerade der Ausbau der Windenergieanlagen polarisiert. Da wir die Belastung für Menschen und Landschaft und die Natur reduzieren wollen, wollen wir in Hessen über die Regionalplanung Ordnung in den Ausbau der Windenergie bringen. Nicht überall und nicht mehr über die Privilegierung im Außenbereich sollen Windenergieanlagen gebaut werden, sondern geordnet auf 2 % der Landesfläche. 98 % der Landesfläche bleiben ausgeschlossen, und mindestens 1.000 m Abstand zur Siedlungsbebauung sind einzuhalten.

Herr Schäfer-Gümbel, zwei Anmerkungen zu Ihren Ausführungen. Dieses 2-%-Ziel ist ein Ziel bis 2050. Wenn wir jetzt die 2 % festlegen und sich herausstellt, dass es eine Teilfläche gibt, die nicht bebaut werden kann, dann haben wir noch drei weitere Regionalplanaktualisierungen bis 2050, um weiter an diesem Ziel arbeiten zu können. Tun wir doch nicht so, als ob die 2 % im Jahr 2020 bebaut seien. Das wollten wir nicht. Das werden wir nicht haben. Deswegen sind die 2 % ein wichtiger erster Schritt, ein Signal.

(Beifall bei der CDU)