Protokoll der Sitzung vom 15.07.2014

stimmten Kapazitätszubau von Wind an Land brauchen, um die Ziele der Energiewende zu unterstützen, wie sie in Berlin formuliert wurden, um damit eine eigene Landesperspektive aufzumachen.

Ich sage Ihnen heute mit Blick auf ein paar Probleme, die Sie dankenswerterweise wenigstens angesprochen haben, dass die entscheidende Frage nicht lautet, welche Flächen in irgendwelchen Plänen am Ende ausgewiesen sind – ich bin ziemlich sicher, dass Sie da am Ende mit den 2 % hinkommen werden. Die entscheidende Frage wird sein, ob wir 2 % der Fläche so haben, dass anschließend auch Windkraftanlagen darauf stehen, die betrieben werden können, um die Kapazität zur Verfügung stellen zu können.

(Beifall bei der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Und was heißt das?)

Sie haben die Entwürfe beschrieben. Sie haben beispielsweise Hessen-Nord beschrieben. Sie wissen ganz genau, dass es dort nach wie vor einen nicht gelösten Konflikt mit der Bundeswehr in Fritzlar gibt, ob dem Aufbau von Windkraftanlagen rund um den Flugplatz und die Einflugschneisen, die ziemlich weit gezogen wurden, überhaupt zugestimmt wird. Wir wissen heute noch nicht, ob wir überhaupt die rechnerischen Kapazitäten im Regionalplan Nordhessen zur Verfügung gestellt bekommen haben.

In Hessen-Süd gibt es noch immer eine muntere Debatte. In Mittelhessen gibt es noch immer eine muntere Debatte. Es ist ja nicht umsonst so, dass Ihnen dieser Tage gerade von der Regionalversammlung Mittelhessen ein Brandbrief zugeschickt wurde, der mit Blick auf die Konflikte des Naturschutzes und Vogelschutzes auf der einen und dem Aufbau von Windkraft an Land auf der anderen Seite sagt, dass sie endlich einmal ein paar Entscheidungen bräuchten. Der entscheidende Satz in diesem längeren Brief an Sie lautet:

Es kann nicht sein, dass die gute und qualifizierte Arbeit der Mitarbeiter des Regierungspräsidiums,

die Sie eben ausdrücklich und zu Recht gelobt haben –

die hinsichtlich der Bemühungen, durch einen Teilregionalplan Energie zügig die notwendigen Festsetzungen zum Erreichen der Energieziele des Landes und der Regionalversammlung zu schaffen, bisher durch einen breiten fraktionsübergreifenden Konsens gekennzeichnet war, durch fehlende Abstimmung der zuständigen Ministerien

ich ergänze: Wirtschaft und Umwelt, beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

(Beifall und Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Deswegen sage ich Ihnen: Es ist ausdrücklich an Ihnen, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Die einzige konkrete Maßnahme, die Sie heute vorgeschlagen haben, ist die Einrichtung eines Arbeitskreises der Staatssekretäre. Das begrüßen wir; ich hätte allerdings heute gern gehört, in welchen Zeitfenstern, mit welchen Vorgaben und in welchen Verfahren mit welchen Zielsetzungen dieser Arbeitskreis entscheidet, Herr Minister. Dazu aber haben Sie leider nichts gesagt. Das allerdings hätte in eine Regierungserklärung gehört, die den Namen auch verdient, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das ist aber nur der eine Teil. Der zweite Teil betrifft die Debatte innerhalb der Union, wie es eigentlich mit den Abstandsflächen weitergeht. Herr Arnold guckt schon, er weiß auch, warum.

(Lachen der Abg. Judith Lannert (CDU))

Auf dem Energiegipfel haben wir Abstandsflächen von 1.000 m verabredet. Aus bis zu 1.000 m wurden 1.000 m. – Herr Arnold, ich sehe in Ihre Richtung, weil Sie geschmunzelt haben. Unmittelbar vor der Landtagswahl hatten Sie sich dazu gehäußert, und zwar in der „Fuldaer Zeitung“ mit dem Hinweis darauf, dass das Thema der 1.000 m noch mal aufgerufen werden müsse.

Natürlich haben nicht nur Sie das getan, sondern auch andere aus Ihren Reihen. Da gibt es beispielsweise einen Helmut Heiderich, seines Zeichens Bundestagsabgeordneter für Hersfeld-Rotenburg und Werra-Meißner, der als CDUBundestagsabgeordneter einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten geschrieben hat und darin sagt, dass das doch anders werden müsse und man die bayerische Regelung bitte anwende.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Nun könnte ich Ihnen sagen – das haben wir auch schon während der Energiegespräche auf Bundesebene immer wieder diskutiert –: Mich hätte im Rahmen einer solchen Regierungserklärung schon interessiert, wie denn die Antwort der Landesregierung zu den Abstandsflächen aussieht.

(Beifall bei der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Das steht doch im Landesentwicklungsplan!)

Bleibt es bei dem, was gesagt wurde? Oder fangen Sie an, diese Frage aufzurufen? Dazu haben wir heute leider nichts gehört.

Dritter Punkt. Das ist sozusagen mein Lieblingsbeispiel. Natürlich hat der Minister dabei auch mit einem Teil seiner Bemerkungen ausdrücklich recht: Konflikte löst man am besten dadurch, sie möglichst schnell transparent anzugehen. – Da gibt es ein bisschen was zu tun: Hünfeld, Steinau, Gründau, Neu-Anspach, Biedenkopf. Das sind nur einige Beispiele, wo es eine heftige Auseinandersetzung gibt.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Es gibt noch ganz viele. Ich sagte ausdrücklich, es seien ein paar Beispiele. Das ist keine abschließende Aufzählung. – Es ist eine Reihe von Beispielen, bei denen sich Bürgerinitiativen zu Windkraftanlagen gebildet haben, teilweise unter maßgeblicher Initiierung und Unterstützung durch Teile der Union.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Dazu will ich ausdrücklich sagen, dass dort manchmal auch GRÜNE oder Sozialdemokraten dabei sind, ganz oft die FDP.

Ihre Antwort darauf: Wir machen Mediation über die Hessen-Agentur und stellen dafür weiter Mittel zur Verfügung. – Herr Arnold, ich muss jetzt wieder auf Sie zukommen. Ihr Landrat hat mit Blick auf die Konflikte in Ihrem Landkreis das ausdrückliche Angebot der Mediation durch die Hessen-Agentur abgelehnt.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

So funktioniert das nicht. Wenn wir uns hier in diesen Debatten ernst nehmen und sagen, dass die Energiewende in

der Tat ein großes Projekt und eine große Herausforderung ist, muss man das Ganze auch entsprechend angehen. Dann darf man nicht, wenn vor Ort Konflikte auftreten, sich einfach abducken oder auf die Hessen-Agentur mit einem entsprechenden Programm verweisen.

(Beifall bei der SPD)

Auf die Horrormeldungen von Herrn Beuth vor der Landtagswahl mit 1.200 Windrädern im Rheingau-TaunusKreis und manch anderem mehr will ich jetzt gar nicht weiter eingehen.

Sie wissen selbst, welche Verantwortung Sie bei den Konflikten vor Ort haben, und zwar an ganz vielen Stellen in Hessen. Deswegen sage ich Ihnen, dass eine Regierungserklärung dann glaubhaft ist, wenn der Vertreter der hessischen Union, der sicherlich gleich das Wort ergreifen wird, hier erklärt: In Zukunft werden wir überall da, wo es solche Konflikte gibt, offen mit unseren Parteigliederungen reden, damit wir das, wovon der Minister hier gerade vollmundig gesagt hat, dass wir es erreichen wollen, am Ende auch wirklich hinkriegen. – Ohne Sie wird es nämlich nicht gehen. Wegducken gilt nicht mehr.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch einmal auf die Bundesebene springen und darauf hinweisen, dass der Ausbaupfad der erneuerbaren Energien auf der Bundesebene klar vorgezeichnet ist: jährlich 2,5 GW Fotovoltaik und 2,5 GW Windenergie an Land. Im Übrigen sind – nur zum Mitschreiben für diejenigen, die sich in diesen Debatten bisher nicht so sehr engagiert haben – die 2,5 GW Windenergie an Land in den letzten zehn Jahren nur ein einziges Mal zugebaut worden. Davor waren die Zubauten immer etwas niedriger, teilweise sogar deutlich niedriger. Deswegen sind diese Ziele sehr wohl ambitioniert.

Das gilt auch für den Anteil der Erneuerbaren am Primärstrom. Heute beträgt ihr Anteil 25 %. 2025 soll er nach den Vorgaben dieser Koalition bei 40 bis 45 % und 2035 bei 55 bis 60 % liegen. Wenn Hessen sein mickriges Ergebnis, das es aufgrund der Blockade der letzten Jahre bisher beiträgt, jetzt verdoppelt, heißt das ausdrücklich nicht – das will ich nur für das Protokoll festhalten –, dass der vom Minister heute formulierte Anspruch, dass Hessen an die Spitze springt, erfüllbar ist; denn wenn alle anderen zügig und engagiert vorangehen und man hinterherläuft, geht das mit dem Erreichen der Spitzenposition leicht daneben, wenn man als Anspruch nur die Verdoppelung hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, ich unterstütze alles das, was Sie hier beschrieben haben, sehr. Wir sollten aber wenigstens nicht ganz so vollmundig Erklärungen in den Raum setzen, in denen wir Ziele definieren, von denen wir heute schon wissen, dass wir sie nicht erreichen können – und schon gar nicht in einer Periode. Das hat schlicht und einfach etwas mit den Ausbauwegen anderer Bundesländer zu tun.

Trotzdem würden wir uns freuen, wenn dieses Bundesland, das so wirtschaftsstark und so innovationsfreudig ist, am Ende dieser Periode 25 % seines Stromverbrauchs mit erneuerbaren Energien produzierte. Da wünschen wir Ihnen nicht nur viel Glück, sondern werden Sie dabei auch tatkräftig unterstützen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, von einer Regierungserklärung darf man mehr erwarten als eine mehr oder weniger vollständige Benennung wichtiger Themenfelder bei der Energiewende und die Ankündigung einer Arbeitsgruppe von zwei Staatssekretären, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Um zu zeigen, wie das anders geht, muss ich Sie leider noch einmal – weil Sie so schön versucht haben, sich an Sigmar Gabriel und seinem Bundeswirtschaftsministerium abzuarbeiten – auf das Bundeswirtschaftsministerium verweisen. Beide Minister sind seit mehr oder weniger sechs Monaten im Amt – zugegeben: der Bundeswirtschaftsminister drei Wochen mehr. Dort ist inzwischen ein klarer Aktionsplan vorgelegt worden – mit Zeitangaben, mit der Definition von Themen, die in den nächsten vier Jahren bearbeitet werden sollen, mit Verfahren usw. Das kann jeder auf den Internetseiten des Bundeswirtschaftsministeriums nachlesen. Diese Arbeit ist dort in sechseinhalb oder sieben Monaten gemacht worden.

Herr Minister, ich hätte mir gewünscht – das will ich so offen sagen –, dass angesichts des Jahrhundertprojekts der Energiewende ein hessischer Wirtschafts- und Energieminister, der erstmals diese Doppelkompetenz hat, genauso engagiert wäre und am heutigen Tage nicht nur die Allgemeinplätze bedient hätte, sondern hier auch ein konkretes Maßnahmenpaket vorgestellt hätte. Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass er so, wie es Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in der Großen Koalition in Berlin gemacht hat, heute einmal dargestellt hätte, was eigentlich in Hessen passiert.

(Beifall bei der SPD – Clemens Reif (CDU): Das glauben Sie doch nicht im Ernst!)

Stattdessen wiederholen Sie – mit Ausnahme des Punktes der Arbeitsgruppe der Staatssekretäre – das, was Sie im Koalitionsvertrag schon abstrakt geregelt haben. Mehr ist dahinter nicht gekommen. Deswegen bleibt es dabei: Eine Regierungserklärung ist deutlich mehr als die Aneinanderreihung von mehr oder weniger richtigen Einzelpunkten. Sie muss vor allem eine Perspektive aufweisen.

Jetzt will ich allerdings noch einen zentralen Unterschied zwischen Ihnen und Sigmar Gabriel in der formalen Zuständigkeit formulieren.

(Ministerin Priska Hinz: Das hat Sie getroffen!)

Das hat mich deswegen getroffen, Frau Ministerin, weil ich es billig finde, sich hierhin zu stellen und sich dann, wenn man selbst nichts auf den Tisch legen kann, an jemand anderem abzuarbeiten, so wie es der Minister gemacht hat. Das finde ich einfach nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD – Judith Lannert (CDU): Dann müssten Sie sich jetzt aber ganz schnell setzen!)

Es gäbe in der Sache noch vieles zu sagen – zu den Themen Netzausbau, CO2-Vermeidung, Kapazitätsmarkt, HGO-Änderung, Wärmemarkt und Gebäudesanierung. Ich bin sehr gespannt.

Es gibt allerdings einen zentralen Unterschied. Sie haben anders als Sigmar Gabriel in der Tat auch die Zuständigkeit für den Verkehrssektor. Dafür ist in Berlin ein gewisser Herr Dobrindt zuständig. Er ist mit dem Teil der Verkehrswende beauftragt. Sie haben die einmalige Chance, auch dieses Feld mit zu bearbeiten. Auch da hätten wir uns allerdings am heutigen Tage gewünscht, dass ein bisschen mehr kommt.

(Clemens Reif (CDU): Kommt noch, kommt noch!)