Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

80 Millionen € segensreichen Regens gibt es nun vom Bund durch die Änderungen beim BAföG. Aber trotz mehrfacher Nachfragen nicht nur im Plenum, sondern auch im Ausschuss gibt es keine Antwort darauf – auch nicht im Antrag –, wie Sie damit gezielt Innovation, Technologietransfer und Forschung fördern wollen. Stattdessen gibt es einen ominösen Hochschulfonds, bei dem man eher befürchten muss, dass damit die Kofinanzierungsmittel für den Hochschulpakt 2020 gegengerechnet werden, als dass in irgendeiner Weise in die Qualität von Forschung und Lehre investiert wird.

(Beifall bei der FDP)

Kein Wort dazu, ob z. B. auch die außeruniversitären Forschungsinstitute von diesen Geldern profitieren werden. Das aber wäre dringend nötig; denn wer sich in diesem Bereich ein bisschen umtut, merkt, dass hier die Finanzierung dem laufenden Erfolg nicht angepasst wurde. Das bedeutet, wir geraten insbesondere bei unseren Forschungsinstituten momentan in eine Lage, in der diese wahrscheinlich in nächster Zukunft gezwungen sein werden, ihre Aktivitäten zu beschränken, weil die Grundfinanzierung, die institutionelle Finanzierung durch das Land nicht mit den Drittmitteleinwerbungen mitgehalten hat, die diese Institute so erfolgreich gestaltet haben. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, Innovation wird hier sehenden Auges kaputt gemacht.

Dann fehlt mir, ehrlich gesagt, auch eine Aussage zur Weiterentwicklung des Technologietransfers. Das ist deswegen so wichtig, weil man weiß, dass Innovation und Erfindung zweierlei Paar Schuhe sind. Aus einer Erfindung wird erst dann eine Innovation, wenn sie sich am Markt durchsetzt.

(Beifall bei der FDP)

Das heißt, wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die Lücke zwischen Labor auf der einen Seite und Markt auf der anderen Seite schließen. Ich finde hierzu aber absolut nichts in Ihrem Antrag und vor allem auch kein Eingehen auf die neuen Entwicklungen unserer Gesellschaft, z. B. Stichwort Industrie 4.0 im Hinblick auf die

Digitalisierung. Was sind da Ihre neuen, innovativen VierSterne-Konzepte?

Meine Damen und Herren, stattdessen beschränken Sie sich darauf, die Unterstützung in einzelnen Bereichen einzuschränken. Innovation findet demnächst nur noch bei Energieeffizienz, Materialeffizienz und Umwelttechnologie statt. Das halte ich für einen großen Fehler. Auch wenn ich mit Ihnen einer Meinung bin, dass hier noch große Innovationspotenziale bestehen, haben wir aber auch andere Bereiche in Hessen, wo entsprechende Entwicklungen vorangehen und unterstützt werden müssen.

Ich nenne nur ein Beispiel: im ganzen Antrag kein Wort zu den Herausforderungen der Lebenswissenschaften, und das angesichts einer immensen demografischen Herausforderung, die wir auch in irgendeiner Weise in Hessen schultern müssen.

Frau Kollegin Beer, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, indem ich noch einmal darauf hinweise, dass Sie stattdessen gleichzeitig die Rahmenbedingungen für das Agieren aller hessischen Unternehmen, auch der Forschungseinrichtungen verschlechtern, indem Sie Energie verteuern, Straßenbau einschränken, die Grunderwerbsteuer erhöhen und auch ansonsten die Politik eher ideologiebetrieben betreiben, also nur einzelne Bereiche hervorheben, statt insgesamt eine innovationsgeprägte, eine aufbruchgeprägte, eine die Chancen anpackende Politik in diesem Land zu gestalten.

Wenn man einen Schlussstrich darunterzieht, dann heißt das: Unsere Unternehmen, unsere Forschungseinrichtungen sind wahrscheinlich eher trotz als wegen dieser Landesregierung erfolgreich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön. – Als Nächster spricht Kollege Wilken, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Peinliche an diesem Antrag ist, dass Sie sich für etwas loben, bei dem hier im Haus niemand ernsthaft glaubt, dass Sie etwas dafür getan haben.

(Beifall bei der LINKEN – Karin Wolff (CDU): Na, na, na!)

Meine Damen und Herren „Innovation Leader“ nennen Sie sich selbst in dem Antrag, außerdem verwechseln Sie Innovation mit Wirtschaftswachstum. Vieles, was Sie hier aufgeschrieben haben, ist nichts anderes als ein Fortschreiben eines – auch noch fehlgeleiteten – Wachstums und der Maximierung dieses Wachstums und natürlich auch der Maximierung der Profite, die aus diesem Wachstum herauskommen.

(Michael Boddenberg (CDU): Schon wieder dieses garstige Wort!)

Das ist alles andere als Innovation.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will das wegen der fortgeschrittenen Zeit nur an einem kleinen Beispiel erläutern. Sie loben die Pharmaindustrie.

(Karin Wolff (CDU): Ja!)

Ein Problem, das ich bei der Pharmaindustrie sehe, ist, dass nur 10 % der Forschungsaufwendungen der Pharmaindustrie in 90 % der Gesundheitsprobleme fließen. Wir wissen, Sie wissen wahrscheinlich auch, dass jährlich 2 Millionen Menschen an Malaria sterben, weil ihnen der nötige Zugang zu den unbezahlbaren und patentierten Arzneimitteln fehlt. Auf der anderen Seite verdienen Unternehmen wie eben auch Merck Milliarden an Blockbustern für Wohlstandsleiden.

(Karin Wolff (CDU): Und was kostet ein neues Medikament?)

Mit der Pharmainitiative für Deutschland haben unternehmensgeführte Forschungskonsortien mit 800 Millionen € eine fette Spritze bekommen. Bayer, BASF, Merck und ähnliche Unternehmen profitieren von dieser falschen Subventionspolitik. Allein Merck verdiente im Jahr 2010 vor Steuern 1,11 Milliarden €. Das hat nichts mit Gesundheit zu tun. Das hat viel mit Gesundheitswirtschaft zu tun, da gebe ich Ihnen recht. Aber eine innovative Lösung für die Probleme in der Welt ist das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen kurz skizzieren, was Innovationen z. B. für einen sozialen ökonomischen Umbau ausmachen würden. Wir brauchen selbstverständlich neue Modelle der Energieversorgung, der Verkehrssysteme und deswegen auch der Bildung, der Wissenschaft und der Gesundheitsversorgung, die die Arbeitswelt ändern, die Ernährung und auch privaten Konsum ändern. Das wären Innovationen, für die es sich einzusetzen lohnt.

Es geht dabei sicherlich auch immer noch um private Wertschöpfung – das will ich gar nicht bestreiten –, insbesondere auch in der Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Es ist Ziel der LINKEN, dass die gefördert werden.

(Michael Boddenberg (CDU): Die aber um Gottes willen keinen Profit machen dürfen!)

Aber das, wofür Sie sich hier loben, ist, traditionelles Wirtschaftswachstum zu fördern, was nicht die Probleme löst, die vor uns liegen. Deswegen können wir diesem Antrag selbstverständlich nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Das ist auch gut so!)

Vielen Dank. – Herr Staatsminister Al-Wazir, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch hier: Eigentlich hatte ich gedacht, man könnte sich an bestimmten Punkten zumindest etwas einiger sein, als der Verlauf der Debatte es bisher hergegeben hat.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Tarek, du bist diese Woche schon einmal gelobt worden! Entspanne dich!)

Deswegen stelle ich erstens fest: Wir sollten wissen, dass Innovationen sowohl für Unternehmen als auch für Forschungseinrichtungen als auch für den staatlichen Bereich eine sehr wichtige Grundlage von wirtschaftlicher Entwicklung und von Fortschritt ist, wo wir uns eigentlich nicht so streiten müssten, wie wir es gerade aus Anlass dieses Antrags getan haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens möchte ich feststellen, auch wenn mir das Kabarettistische des Kollegen Quanz gut gefallen hat, dass auch diese Koalition Hessen in Europa lassen möchte und daran nichts ändern will.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens müssten wir uns auch an diesem Punkt einig sein. Wenn wir uns anschauen, wo Hessen beispielsweise bei der Informations- und Kommunikationstechnologie steht, dann sieht man, was sich rund um Darmstadt entwickelt hat. Wir arbeiten momentan an einer Digitalstrategie auch für das Land Hessen, nach der wir die Zukunftsbereiche, die in diesen Punkten entstehen, auch nutzen können. Da sind wir nicht schlecht, Frau Kollegin Beer. Ich finde, an diesem Punkt muss man auch nicht kritisieren – ich weiß doch, dass Sie lange Jahre im Hochschul- und im Bildungsbereich dabei waren –, wenn wir darauf hinweisen, dass wir als Bundesland Hessen in diesen Bereichen dazu beitragen, dass Deutschland auf Platz 3 bei dieser Studie gelandet ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich betrachten, welche Debatte wir seit letztem Sommer führen, Stichwort: Cybersicherheit, dann sind wir in Darmstadt wahnsinnig vorne dran. Schauen Sie einmal: Wenn heute Experten zu der Frage gesucht werden, wie wir Daten sicher halten können, wie wir Kommunikation sicher halten können, landen die Leute immer in Darmstadt. Ich will darauf hinweisen: Diese Stärke wollen wir ausbauen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Wilken, in Sachen Chemie und Pharma: Ja, wir sind ein wichtiger Pharmastandort, ausdrücklich. An diesem Punkt will ich sagen, wir haben natürlich gesehen, dass es bei der Frage, wie Innovation im Pharmabereich in den nächsten Jahren noch zustande kommen wird, so sein wird, dass die Firmen angesichts der ganzen Zulassungsverfahren, die daran hängen, zunehmend Probleme haben werden, die Forschung alleine zu finanzieren.

Deswegen finde ich es ausdrücklich richtig, dass wir auch bei diesem Punkt an die Vorgängerregierung anschließen und fragen: Wie kriegen wir es mit der Zusammenführung von Grundlagenforschung auf der einen Seite, die an den Hochschulen stattfindet, und spezieller Forschung in den Unternehmen auf der anderen Seite hin, so etwas wie Open-Source-Forschung, um das neumodisch auszudrücken, zu erreichen, dass man sich in Grundlagenfragen an den Universitäten über Drittmittel Gedanken macht, wo

vielleicht mehrere Firmen davon profitieren und das am Ende dazu führt, dass wir in bestimmten Bereichen auch Medikamente entwickeln, die eine Firma allein nicht entwickeln würde?

Das ist vielleicht genau das, was Sie gerade angesprochen haben: Wie gelingt es uns – Stichwort House of Pharma –, das voranzubringen? An diesem Punkt bin ich für alle guten Vorschläge dankbar. Aber man muss nicht kritisieren, wo es nichts zu kritisieren gibt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Beer, wer immer noch glaubt, dass Material-, Ressourcen- und Energieeffizienz irgendeine spinnerte Idee von irgendwelchen GRÜNEN ist, der hat nicht verstanden, was die Herausforderungen der nächsten 10, 15 Jahre sein werden. Wer im Bereich der Energie-, Ressourcen- und Materialeffizienz vorne ist, der wird auch in den nächsten 30, 40, 50 Jahren vorne sein.

An einem Punkt – dann kommt Ihre Zwischenfrage, Sie können vielleicht auch gleich darauf eingehen – verstehe ich die FDP überhaupt nicht. Wenn Sie kritisieren, dass diese Koalition, dass diese Landesregierung den Entschluss getroffen hat, dass die komplette Entlastung im Bereich des BAföG, die wir durch Entschlüsse auf Bundesebene bekommen, in den Hochschulbereich geht, dann verstehe ich das nicht. Kein anderes Bundesland hat die Entscheidung getroffen, dass diese Mittel komplett in Hochschule und Forschung bleiben,

(Michael Boddenberg (CDU): Genauso ist das!)