Protokoll der Sitzung vom 04.02.2014

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lothar Quanz (SPD) und Florian Rentsch (FDP))

Das geschieht ausgerechnet in Hessen. Die hessische CDU steht für Skandale, schwarze Kassen und ausländerfeindliche Wahlkämpfe.

(Holger Bellino (CDU): Wo denn?)

Vor der Wahl nannte Tarek Al-Wazir den Ministerpräsidenten einen „Rechtspopulisten“. Er nannte ihn einen „Rechtspopulisten“. Herr Al-Wazir, jetzt stellt sich die Frage: Gilt das, was Sie vor der Wahl gesagt haben, nach der Wahl nicht mehr, oder regieren Sie jetzt mit jemandem,

den Sie für einen Rechtspopulisten halten? – Diese Frage stellt sich nämlich.

Im Wahlprogramm der GRÜNEN ist nachzulesen – ich zitiere –:

15 Jahre schwarz-gelbe Politik haben Hessen zur Beute von CDU und FDP werden lassen.

Aber anstatt der CDU diese Beute zu entreißen, um das einmal mit Ihren Worten zu sagen, gründen Sie jetzt einfach eine neue Beutegemeinschaft. Nichts anderes haben Sie mit diesem Koalitionsvertrag getan.

(Beifall bei der LINKEN)

Elfmal kann man im Wahlprogramm der GRÜNEN nachlesen, die CDU-geführte Landesregierung sei „erschöpft und verbraucht“. Nun verstehen sich die GRÜNEN offensichtlich als Frischzellenkur, um die müden Christdemokraten in Hessen wieder etwas munterer zu machen. Oder wie sollen wir das verstehen?

Durch diese erste schwarz-grüne Koalition gibt es für den Ministerpräsidenten die Möglichkeit, sich in die Geschichtsbücher einzutragen, ohne dass er dafür irgendwelche eigenen Ideen oder gar Zukunftskonzepte entwickeln müsste.

Meine Damen und Herren, allein in der letzten Wahlperiode gab es drei Untersuchungsausschüsse. Jetzt dürfen die Verantwortlichen für all diese Skandale dank der GRÜNEN einfach weiterregieren. Denn die Skandaltruppe der letzten Jahre gehört größtenteils auch dem neuen Kabinett wieder an:

Boris Rhein, der als Innenminister für rechtswidrige Personalentscheidungen und für die Aushöhlung des Demonstrationsrechts bei Blockupy verantwortlich war, ist jetzt Wissenschaftsminister. Was ihn dafür qualifiziert, bleibt das Geheimnis des Ministerpräsidenten. Ich bin der Meinung, dass die Wissenschaftspolitik und die Hochschulen in diesem Land viel zu wichtig sind, um in Ungnade gefallene Minister zwecks Degradierung dahin abzuschieben. Das haben die hessischen Hochschulen wirklich nicht verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Die bisherige Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann darf jetzt als Justizministerin weiter vor sich hinstümpern.

Die bisherige Umweltministerin, die zu verantworten hat, dass die Abschaltung des Atomkraftwerks in Biblis so stümperhaft vollzogen wurde, dass RWE jetzt Schadenersatz in Millionenhöhe vom Land einklagen kann, darf Hessen zukünftig im Bund und in Europa vertreten. Am 28. Februar letzten Jahres – Herr Wagner, das ist nicht mal ein Jahr her – haben die GRÜNEN Frau Puttrich mit einem Antrag zum Rücktritt aufgefordert. Jetzt sitzt man gemeinsam am Kabinettstisch. Ich finde es schon bemerkenswert, wie zwei Plätze auf der Regierungsbank ein derart beschädigtes Vertrauensverhältnis so schnell wieder kitten können.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Ich halte es für ein Armutszeugnis – das ist bereits angesprochen worden –, dass von 22 Regierungsmitgliedern nur fünf weiblich sind. Vor allem, wenn man noch in den Koalitionsvertrag schreibt, dass man mehr Frauen in Führungspositionen will, sollte man wenigstens mit gutem

Beispiel vorangehen und dieses Vorhaben nicht schon mit der ersten Entscheidung konterkarieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das neue Kabinett ist größtenteils das alte, und das ist seitens der CDU auch nur konsequent. Denn wenn sich an der Politik nur wenig ändert, dann muss man auch das Personal nicht austauschen. Wer sich den Koalitionsvertrag anschaut, stellt fest, dass es an vielen Stellen eine Fortsetzung der bisherigen schwarz-gelben Politik gibt.

(Ministerpräsident Volker Bouffier führt ein Ge- spräch.)

Herr Ministerpräsident, ich finde es langsam etwas störend. Wer selbst eineinhalb Stunden redet, der muss am Ende auch fünf Stunden zuhören; das haben Sie jetzt davon. Reden Sie nicht so lange, dann brauchen Sie danach auch nicht so lange zuzuhören.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Hugo Klein (Freigericht) (CDU): Wer nur Worthülsen von sich gibt!)

Herr Klein, das ist eine sehr mutige Aussage nach der Regierungserklärung.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE), zu Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU) gewandt: Dafür kriegen Sie noch Prügel!)

Dass von diesem Koalitionsvertrag keine Veränderung zu erwarten ist, das zeigt sich schon am Titel, den der Koalitionsvertrag trägt: „Verlässlich gestalten – Perspektiven eröffnen“. Von Veränderung oder gar von Politikwechsel, den die GRÜNEN vor der Wahl angekündigt haben, überhaupt keine Spur. Perspektiven zu eröffnen, das heißt nicht einmal, etwas zu verändern. Das heißt gerade mal, dass man vielleicht eruiert, ob irgendwann vielleicht einmal irgendetwas geändert werden könnte.

Ich finde, das hat Jens Schneider in einem Kommentar in der „Süddeutschen“ sehr gut auf den Punkt gebracht. Er schreibt, die Beschlüsse von Schwarz-Grün seien „erbärmlich“, und das Einzige, was sich verändert habe, seien die GRÜNEN selbst. Sie würden sich die CDU schönreden, „ausgerechnet die männerbündisch verschlossene, biedere hessische Union“. Die GRÜNEN hätten sich politisch selbst entkernt und stünden „als Karikatur dessen da, was diese Partei einmal ausmachte und wofür sie einst gegründet wurde“.

(Minister Tarek Al-Wazir: Der wurde vor dem Ko- alitionsvertrag geschrieben!)

Er kommt zu dem Schluss:

Für ein paar Krümel Verbesserung braucht man die GRÜNEN nicht; das kann die CDU alleine. Die GRÜNEN haben sich zum Ornament für den modernen bürgerlichen Lebensstil reduziert. … All jene, die sich gegen den Lauf der Dinge stellen wollen, werden sich neue Ansprechpartner suchen müssen, ob es nun um den Flughafen geht oder um die Energiewende.

Ich finde, treffender kann man das kaum ausdrücken.

(Beifall bei der LINKEN)

Tarek Al-Wazir hat in einem Interview gesagt, es werde sich zeigen, ob die hessischen GRÜNEN als Helden oder als Deppen in die Geschichte eingehen. Herr Minister, ich

sage ganz ehrlich: Wir haben dazu bereits eine Arbeitshypothese.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Herr Ministerpräsident, statt konkrete Vorhaben zu präsentieren, haben Sie an vielen Stellen wieder Schönfärberei betrieben. Ihre Botschaft ist: Hessen ist ein starkes Land, Hessen geht es gut, alles ist in Butter. – Das stimmt, allerdings nur für einen Teil von Hessen. Das blendet die Lebensrealität vieler Menschen in diesem Land völlig aus. Herr Ministerpräsident, wenn Sie über die niedrige Erwerbslosenquote reden und diese bejubeln, dann sollten Sie hinzufügen, dass über 300.000 Menschen in diesem Land zu Niedriglöhnen arbeiten, dass mittlerweile jede dritte Frau im Niedriglohnsektor beschäftigt ist, dass immer mehr Menschen trotz Vollzeitjob gezwungen sind, ihre niedrigen Einkommen aufzustocken, dass prekäre Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, Minijobs, Midijobs immer stärker um sich greifen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist falsch, weniger!)

Laut einer Studie lebt jedes fünfte Kind in Hessen in Armut, und damit liegt Hessen über dem Durchschnitt der westdeutschen Länder. Das hat natürlich auch etwas mit der Deregulierung des Arbeitsmarktes zu tun und damit, dass die regulären Beschäftigungsverhältnisse immer weiter verdrängt werden.

Es gibt das wachsende Problem der Altersarmut in Hessen. Sie reden überhaupt nicht darüber, dass viele Menschen von ihrer Rente nicht mehr leben können.

Im Koalitionsvertrag finden sich, wenn überhaupt, nur sehr vage Aussagen zum Thema gute Arbeit. Es ist richtig, es wird ein Tariftreue- und Vergabegesetz angekündigt. Aber es gibt eben keine klaren Eckpunkte dafür, und vor allem fehlt eine verbindliche Aussage für die Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohns völlig. Herr Wagner, das kommt im Koalitionsvertrag leider nicht vor.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo wird der auf Landesebene geregelt?)

Ich zeige Ihnen noch einmal die Gesetzentwürfe, die wir in den letzten Jahren diskutiert haben, und wie Sie da gestimmt haben.

Wir als LINKE sind der Meinung, dass Unternehmen, die nicht ausbilden, die Lohndumping betreiben und Umweltstandards unterlaufen, nicht noch durch öffentliche Aufträge belohnt werden dürfen. Deswegen brauchen wir ein vernünftiges Tariftreue- und Vergabegesetz. Herr Wagner, natürlich kann man darin einen vergabespezifischen Mindestlohn festlegen. Das haben mittlerweile ganz viele Bundesländer gemacht, sogar Bundesländer, in denen Sie regieren.

(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bundeseinheitlich!)

Der DGB bezeichnet den Koalitionsvertrag als „sehr enttäuschend“. Wörtlich:

Insgesamt vermittelt der Koalitionsvertrag den Eindruck, dass die Interessen der abhängig Beschäftigten für Schwarz-Grün keine große Bedeutung haben.

Man kann sagen, dass gilt ganz besonders für die Landesbeschäftigten. Denn im öffentlichen Dienst wird es massi

ve Verschlechterungen geben, 3.000 bis 4.000 Stellen sollen gestrichen werden. Da frage ich: Herr Ministerpräsident, was sagt das eigentlich über Ihre Wertschätzung gegenüber der Landesverwaltung aus? Da helfen auch die warmen Worte in einer Regierungserklärung nicht, dass Sie die Landesverwaltung schätzen, dass Sie der Polizei sagen, dass sie einen tollen Job macht, wenn Sie gleichzeitig erklären, dass Tausende von ihnen verzichtbar sind, und dann noch bei ihren Gehältern sparen wollen. Da helfen keine warmen Worte, wenn Sie so eine Politik gegen die Beschäftigten des Landes machen.

Die Beamten müssen faktisch eine Reallohnsenkung hinnehmen. Auch die Reduzierung der 42-Stunden-Woche auf 41 Stunden ist eine Mogelpackung, weil es überhaupt keinen Personalausgleich gibt. Das heißt, es läuft auf eine Verdichtung der Arbeit hinaus.

Ich halte es schon für einen Skandal, dass das Land Hessen auch unter Schwarz-Grün nicht in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder zurückkehrt,