Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, für diese Äußerung haben Sie Herrn Klose vor einem Jahr noch hart rangenommen. Heute ist das alles kein Problem mehr, heute wird alles mit den Gute-Laune-Anträgen der schwarzgrünen Koalition weggewischt.
Ich kann Ihnen versichern: Wenn Sie sich vor Ort in den Unternehmen umhören, stellen Sie fest, dass man dort schon in Sorge ist, wie das zukünftig unter dieser Regierungskoalition mit den Genehmigungsverfahren in Hessen aussehen wird. Gibt es zukünftig eine wesentlich restriktivere Genehmigungspraxis? Es wird befürchtet, dass es zu längeren Genehmigungsverfahren kommen wird, die nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit dieser für den Industriestandort Hessen wichtigen Branche beeinträchtigen.
Ich beziehe mich nur auf Fakten und habe einmal in das Regierungsprogramm der GRÜNEN hineingeschaut. Darin haben die GRÜNEN die Genehmigungspraxis als Konfliktfeld bezeichnet. Weiterhin gehören nach Auffassung der GRÜNEN zu diesen Konfliktfeldern in der Branche die Energiepolitik und die Agrogentechnik.
Meine Damen und Herren, Sie haben in Ihren Beiträgen, aber auch in dem Antrag kein Wort zu diesen Konfliktfeldern gesagt. Wie gehen Sie damit zukünftig um? Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen? – Fehlanzeige, Bekenntnisantrag abliefern, alles ist gut. Aber was gemacht werden soll, erfährt das Plenum nicht.
Auch diese Sorge nehmen wir wahr – jetzt hören Sie genau zu –: Ist es so wie beim Straßenbau – darauf sind wir auch angesprochen worden –, dass sich der grüne Teil gegenüber dem schwarzen Teil der Regierungskoalition durchsetzen wird? Auch da gibt es Befürchtungen vor Ort.
Erinnern wir uns: Es ist noch gar nicht so lange her, da haben wir hier darüber debattiert, dass 2014 im Landesstraßenbau massive Kürzungen vorgenommen werden. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben geschwiegen, und Sie haben mitgemacht.
Jetzt fragen sich voller Sorge viele Beschäftigte in der Chemie- und Pharmaindustrie: Was erwartet uns unter Schwarz-Grün? Gilt das, was der wirtschaftspolitische Sprecher der GRÜNEN zu dem schwierigen und kritischen
Verhältnis zur Chemie- und Pharmaindustrie gesagt hat, oder gilt weiterhin das, was die CDU in Bekenntnisanträgen suggeriert: „Der Chemie- und Industriestandort Hessen ist uns wichtig“?
Meine Damen und Herren, Sie geben in dem vorliegenden Antrag keine Antworten. Sie blenden die Konflikte einfach aus. Dabei sind genau hier die Antworten wichtig. Viele stellen sich die bange Frage: Wer wird sich zum Schluss durchsetzen? Werden die GRÜNEN schwärzer, oder werden die Schwarzen grüner? Das ist doch die entscheidende Frage, die sich die Beschäftigten vor Ort stellen.
Da gibt es keine Antworten. Natürlich ist das House of Pharma & Healthcare wichtig. Aber ich sage einmal: Trotz Schwarz-Grün funktioniert das gut, weil die Akteure vor Ort in diesen Bereichen eine wunderbare Arbeit leisten. Womit wollen Sie sich eigentlich als Landesregierung schmücken?
Wissen Sie, wir machen nicht nur Praxistage, sondern wir besuchen in der Sommerpause auch die betreffenden Unternehmen. Da ist es schon bezeichnend, dass weder der Redner der CDU noch der der GRÜNEN, noch der Antrag darauf eingegangen ist, was wir wahrnehmen, was die Pharmaindustrie im Moment am meisten beschäftigt: Wie sieht es aus mit AMNOG, dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz? Von Ihnen findet sich kein Wort dazu im Antrag. Wir sind einmal gespannt, ob der Minister etwas hierzu sagen wird, wie Sie gedenken, damit umzugehen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, zukünftig bei diesem wichtigen Thema nicht bei Willensbekundungen zu bleiben. Der Chemie- und Pharmastandort Hessen hat mehr verdient. Wir Sozialdemokraten bekennen uns ausdrücklich zu diesem wichtigen Standort in Hessen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen hier über einen Jubelantrag von Schwarz-Grün zum Chemie- und Pharmastandort Hessen, mit dem der Landtag feststellen soll, dass alles prima ist, und die Landesregierung gebeten wird, alles noch ein bisschen toller zu machen.
Für Hessen ist die chemische Industrie zweifelsohne von besonderer Bedeutung. Wir reden hier über 60.000 Arbeitsplätze und einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes in Hessen. Dass diese Branche erfolgreich ist, ist nun kein Verdienst der Landesregierung,
sondern es ist in allererster Linie ein Verdienst der Beschäftigten, die einer harten Arbeit, und zwar sehr oft im Schichtdienst, nachgehen. Das erwähnen Sie in Ihrem Antrag überhaupt nicht. Sie loben sich als Landesregierung. Dabei sind es in erster Linie die Beschäftigten, die zu diesem Erfolg beitragen.
Ja, die Branche stellt viele wichtige und nützliche Produkte her. Hier werden zahlreiche Materialien und Baustoffe entwickelt, wie zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien, Gebäudeisolierung und Verpackungen. Sicher werden viele nützliche Medikamente in der pharmazeutischen Industrie hergestellt. Aber ich muss schon sagen, ich bin über diese sehr unkritische Begeisterung der GRÜNEN für die Chemieindustrie doch etwas überrascht; denn hier geht es nicht nur um Gebäudeisolierung. Hier geht es auch um gefährliche Weichmacher z. B. in Babyfläschchen.
Hier geht es um Fracking. Hier geht es um Tierversuche. Und hier geht es darum, dass es in der Chemieindustrie immer wieder zu Unfällen kommt, die schlimme Folgen für die Umwelt haben können. Deshalb kann es nicht nur Aufgabe der Landespolitik und der Bundespolitik sein, diese Branche zu stärken und zu unterstützen, sondern es muss Aufgabe sein, sie auf den Schutz der Gesundheit und die Nachhaltigkeit zu verpflichten.
In dem Antrag hätte ich mir auch das eine oder andere kritische Wort zum Thema Arbeitsplätze gewünscht. Sie schreiben in Ihrem Antrag, Sie wollten Arbeitsplätze in der Branche sichern. Ich will nur einmal darauf hinweisen, dass aktuell in der Pharmabranche in Hessen Arbeitsplätze abgebaut werden.
Das Chemieunternehmen Clariant will 700 Stellen in Deutschland abbauen. Bis Mitte 2013 wollte Stada Arzneimittel aus Bad Vilbel 800 Stellen abbauen bzw. ins billigere Ausland verlagern. Die Darmstädter Firma Merck setzt gerade ein umfassendes Kürzungsprogramm um, dem jeder zehnte Arbeitsplatz zum Opfer fallen soll. Vor einiger Zeit waren Mitarbeiter des Schweizer Tochterunternehmens Merck Serono in Darmstadt, um gegen die komplette Schließung ihres Werks in Genf zu demonstrieren. Und bei Merck sollen im Rahmen des Sparprogramms „Fit für 2018“ 1.100 Stellen abgebaut werden.
Mir ist nicht bekannt, was die Landesregierung bisher unternommen hat, um diese Arbeitsplätze zu sichern.
Es ist ja nicht so, dass wir es hier mit einem Not leidenden Unternehmen zu tun hätten – ganz im Gegenteil. Im vergangenen Jahr konnte Merck seinen Überschuss auf 1,2 Milliarden € verdoppeln und erzielte einen Rekordgewinn. Deshalb hat der Konzernchef Karl-Ludwig Kley den Aktionären auch eine erhöhte Dividende in Aussicht gestellt.
Herr Boddenberg, ich halte das für ungeheuerlich. Ich halte es für ungeheuerlich, dass den Beschäftigten ein Kürzungsprogramm oktroyiert wird,
dass die Stellenabbau hinnehmen müssen, während den Aktionären das dann wieder versilbert wird. Ja, Herr Boddenberg, das halte ich für ungeheuerlich.
Gerade wird eine milliardenschwere Übernahme eines USKonzerns verkündet. Herr Boddenberg, diese Massenentlassungen sollen kein Unternehmen vor dem Ruin retten, sondern die Gewinnmarge vergolden. Ich vermisse den geringsten Hinweis in Ihrem Antrag, dass Sie diese Praxis ablehnen.
Wer über die Bedeutung von Arbeitsplätzen in der Industrie spricht, der darf nicht schweigen, wenn Arbeitsplätze in der Industrie gefährdet und abgebaut werden.
Die Chemieindustrie ist ein wichtiger Arbeitgeber, und sie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Aber es sind ein paar kritische Worte nötig.
In der „Welt“ habe ich gerade ein Interview mit dem Merck-Chef Kley gelesen, der gleichzeitig der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie ist. Die Überschrift des Interviews lautet: „Mich nervt diese verbohrte deutsche Nein-Haltung“. Damit ist offenkundig der Wunsch der Bevölkerung nach unbedenklichen Produkten und umweltfreundlichen Verfahren gemeint.
Kley fordert in dem Interview, dass man Fracking in Deutschland zulassen soll. Er beklagt eine Stillstandskultur in Deutschland. In seinem Buch „Deutschland braucht Chemie“ polemisiert er gegen die Gegner von Fracking und gegen die Gegner der Gentechnik, insbesondere der sogenannten grünen Gentechnik. Nun ist es auch so, dass die Chemiebranche bekannterweise eine sehr energieintensive Industrie ist.
Herr Kley macht in dem Interview, wie ich finde, in bemerkenswerter Offenheit deutlich, wer seiner Meinung nach die Kosten für die Energiewende tragen soll. Ich will das einmal zitieren. Es sei „absolut richtig, dass die Privathaushalte … die Hauptlast der Anpassungskosten für die Energiewende zahlen“. Die „Welt“ fragt kritisch nach: „Der Bürger hat es so gewollt, nun muss der Bürger auch bezahlen?“ – Kley: „So ist es.“
Das ist der Chef eines Konzerns, der gerade einen Rekordgewinn erzielt hat, der eine Dividendenerhöhung in Aussicht gestellt hat, und der erklärt, die privaten Haushalte sollen das zahlen, weil die Industrie das nicht bezahlen möchte.