Protokoll der Sitzung vom 25.09.2014

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich zum letzten Plenartag in dieser Woche.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Ich bitte um Ruhe, damit wir alles mitbekommen, und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Es sind noch Tagesordnungspunkte offen – dies habe ich Ihnen donnerstags immer mitzuteilen –: Noch offen sind die Punkte 12 bis 36, 39, 41, 43, 45 bis 48, 51, 64 bis 68, 72, 75, 76 und 77.

Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von einer Stunde. Wir beginnen mit den Anträgen für eine Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkte 64 ff., fünf Minuten Redezeit je Fraktion.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Nach Tagesordnungspunkt 67 wird Tagesordnungspunkt 76, ein Dringlicher Entschließungsantrag zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt. Nach der Aktuellen Stunde fahren wir mit Tagesordnungspunkt 36 fort.

Entschuldigt fehlen heute Herr Staatsminister Axel Wintermeyer ganztägig, Herr Staatsminister Dr. Thomas Schäfer ganztägig, Herr Abg. Kai Klose ist erkrankt.

Die Fußballberichterstattung wurde bereits gestern durch die Kollegin Habermann vorgenommen. Für diese Woche ist auch alles erledigt, unsere Bayern stehen vorn.

(Beifall des Abg. Holger Bellino (CDU))

Eine weitere Mitteilung: Heute Abend, im Anschluss an die Plenarsitzung, kommt der Untersuchungsausschuss 19/2 in Sitzungsraum 301 P zusammen. Bitte merken Sie dies vor.

So weit die Vorbemerkungen. Wir können in die Tagesordnung einsteigen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 64 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Muslime stehen auf ge- gen Hass und Unrecht – wichtiges Zeichen für Vielfalt und gegen Extremismus) – Drucks. 19/890 –

Erster Redner ist Kollege Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche sind die Muslime in ganz Deutschland gegen Hass und Unrecht aufgestanden. Dieser Aktionstag war ein unübersehbares Zeichen gegen jede Form von Rassismus, Hass und Intoleranz. Wir haben immer gesagt, dass die Muslime in Deutschland unsere Verbündeten im Kampf gegen Salafismus und Extremismus sind.

Wir beobachten, dass gerade auch junge Muslime und Konvertiten aus Deutschland ausreisen und sich an den barbarischen Gräueltaten der ISIS in Syrien und im Irak beteiligen. Diese jungen Menschen aus Deutschland bringen undendliches Leid über die Menschen in diesen Regionen: Sie morden, sie verschleppen, sie vergewaltigen, sie vertreiben Menschen aus ihrer angestammten Heimat, sie hinterlassen eine Spur der Verwüstung, und sie begehen grausame Hinrichtungen vor laufenden Kameras. Ihr Hass und ihre Intoleranz sind erschreckend. Mit brutaler Gewalt verbreiten sie Angst und Schrecken und missbrauchen den Islam für ihren Fundamentalismus.

Deshalb war es so wichtig, dass die Muslime in unserem Land mit diesem Aktionstag ein sehr deutliches Zeichen gegen Hass und Intoleranz gesetzt haben.

(Allgemeiner Beifall)

Ein besonderes Zeichen bei diesem Aktionstag in Frankfurt war die Anwesenheit des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Dieter Graumann. Gemeinsam und unmissverständlich wurde deutlich gemacht, dass Rassismus, Ausgrenzung und Extremismus bei uns keinen Platz haben. Wer diskriminiert, der hat uns alle, der hat die Menschen in Deutschland gegen sich. Das wurde sehr deutlich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und der FDP)

Nicht Extremismus und Ausgrenzung, sondern ein friedliches und tolerantes Miteinander ist das, wofür wir in Deutschland gemeinsam stehen, wofür wir in Deutschland gemeinsam eintreten.

Staatssekretär Jo Dreiseitel hat bei der Veranstaltung in Frankfurt, bei der er die Landesregierung vertreten hat und bei der auch der Kollege Schäfer-Gümbel für die SPDFraktion anwesend war, sehr treffend unseren Bundespräsidenten Joachim Gauck zitiert. Joachim Gauck hat zum 10. Jahrestag des NSU-Anschlags in Köln gesagt:

Wir schenken denen, die Gewalt und Hass verbreiten, nicht unsere Angst. Denn wir wollen sie nicht größer machen, als sie sind. Aber wir reden sie auch nicht klein. Wir wissen: Es sind nur wenige. Doch was sie zerstören wollen, das ist uns unendlich wertvoll. Es ist das, was unser Land ausmacht – der Respekt vor der Würde des Menschen, das „Ja“ zu den Menschenrechten, zur Achtung des Rechts und zu einem Leben in Pluralismus und Offenheit.

Diese Werte gilt es gegen jene zu verteidigen, die – aus welchen Motiven auch immer – Hass und Intoleranz, Mord und Terrorismus in die Welt bringen.

Wir mussten aber auch in den vergangenen Wochen und Monaten erleben, wie auf Demonstrationen und Kundgebungen in Deutschland teilweise offen antisemitische und judenfeindliche Parolen skandiert wurden. Das ist zutiefst verabscheuungswürdig, das ist schändlich.

(Allgemeiner Beifall)

Unsere historische Verantwortung verbindet uns in ganz besonderer Weise mit den Juden in Deutschland, aber auch mit den Menschen in Israel. Deshalb ist es so wichtig, dass Muslime, Juden und Christen gemeinsam ein unüberhörbares Zeichen gegen Hass und religiöse Intoleranz gesetzt haben.

(Allgemeiner Beifall)

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sagte, die Terrorgruppe ISIS trete in Syrien und im Irak zwar unter der Fahne Allahs auf, aber mit ihren Verbrechen würden diese Fundamentalisten zeigen, dass sie kein Wort von dem verstanden haben, was Allah den Menschen offenbart habe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir betonen in Aktuellen Stunden des Hessischen Landtags oft das, was uns trennt. Das tun wir sehr offen und auch sehr herzlich, da schenken wir uns nichts. Aber ich glaube, wir sollten heute im Hessischen Landtag gemeinsam betonen und gemeinsam ein Zeichen in dieser Debatte setzen, dass Hass und Intoleranz, dass Antisemitismus und Diskriminierung in Hessen keinen Platz haben.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Das Wort hat der Abg. Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Aktionstag, zu dem der Koordinationsrat der Muslime am vergangenen Freitag aufgerufen hatte und an dem 2.000 Moschee-Gemeinden in vielen Städten teilgenommen haben, hat die muslimische Glaubensgemeinschaft ein kraftvolles Zeichen gesetzt.

Die breite Beteiligung der größten muslimischen Dachbzw. Glaubensorganisationen an dem Aktionstag und den Kundgebungen in sieben Städten ist ein deutliches Signal, sowohl nach innen, also in die muslimischen Glaubensgemeinschaften, wie auch nach außen in unsere gemeinsame Zivilgesellschaft in Deutschland.

Wir als FDP-Fraktion haben in den Debatten der vergangenen Monate stets deutlich gemacht, dass wir der festen Überzeugung sind, dass die weit überwiegende Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime und der deutschen Muslime fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht und weder Gemeinsamkeiten zu religiösen Extremisten hat noch solche sucht. Ich glaube, diese Auffassung teilen alle Fraktionen in diesem Hause.

(Allgemeiner Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Mehrheit der Muslime distanziert sich, aber das reicht nicht – das sind nicht meine Worte, sondern die des von dem Kollegen Frömmrich schon zitierten Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime Aiman Mazyek.

Der Leiter des Landesverbandes Hamburg der DITIB, Zekeriya Altug, spricht gar von einer Deutungshoheit des Islam durch Extremisten, die ihm die Mehrheit der friedliebenden Muslime in Deutschland wieder entreißen müsse. Dies ist eine klare Botschaft, gerade auch an die jungen Muslime, die von vermeintlichen geistlichen Führern wie Pierre Vogel auf den Irrweg gelotst und dann in Krisengebiete im Irak oder Syrien direkt in den Tod und ins Verderben geschickt werden.

Es ist vor allem aber auch ein unbedingt notwendiges Signal nach innen, in die eigenen Gemeinden hinein. Auch

das sage nicht ich, sondern eben dieser Zekeriya Altug in einem Interview mit der „Welt“ und „Hürriyet“ vom 17. September, also der letzten Woche. Ich darf zitieren. Er hat dort gesagt:

Wir wollen unsere eigene Gemeinde sensibilisieren und eine einheitliche Haltung der Muslime in Deutschland dadurch erreichen, …

All das unterstützen wir ausdrücklich. Wir fühlen uns bestärkt darin, dass der von uns eingebrachte Antrag auf eine umfassende Anhörung des Landtags zum Thema Salafismus, der insbesondere auch die islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland einbindet, der richtige Schritt ist. Ich freue mich, dass unser Antrag gestern einstimmig beschlossen wurde und wir mit den anderen Fraktionen auch schon die Termine der Anhörung im Januar 2015 festlegen konnten.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Gelegenheit muss aber auch auf Folgendes hingewiesen werden. Gerade in den letzten Tagen – die Nachrichten des gestrigen Abends und des heutigen Morgens haben das wieder gezeigt – haben die Meldungen zur Gefährlichkeit und den Gräueltaten der Terrororganisation ISIS eine neue Qualität erreicht. Bei uns in Hessen war festzustellen: Bereits gegen 50 ausgereiste Personen aus Hessen wird strafrechtlich ermittelt. Die ersten Verfahren laufen. Teilweise sind Verfahren eingestellt worden, weil die Angeschuldigten mittlerweile verstorben sind.

Zwei junge Wiesbadener, einer davon erst 15 Jahre alt, wurden auf dem Weg zu den IS-Truppen von der Freien Syrischen Armee aufgegriffen und nach Deutschland zurückgeschickt. Von deren Radikalisierung, die vorausgegangen ist, will niemand etwas mitbekommen haben. Bereits fünf Selbstmordattentate wurden belegbar durch Deutsche im Irak und Syrien durchgeführt. Die Dunkelziffer ist nicht klar abschätzbar, aber mit Sicherheit immens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb darf niemand mehr wegsehen. Die muslimischen Gemeinschaften in Deutschland tun dies nicht. Sie haben ein klares Signal gesetzt und Verantwortung übernommen, in ihrem Einflussbereich gegen Radikalisierungstendenzen vorzugehen.

Unseren Teil in Hessen müssen wir durch einen breiten gesellschaftlichen und politischen Diskurs, konsequentes Handeln der Sicherheitsbehörden und den Ausbau der Präventionsarbeit leisten. Um es zum Schluss einmal mehr mit den Worten des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zu sagen: Gegenüber „Verbrechern, Mördern, die den Islam kidnappen“, darf niemand schweigen. Ich füge hinzu: Im Gegenteil, wir müssen gegen Terroristen mit aller Konsequenz vorgehen und unseren Rechtsstaat verteidigen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Greilich. – Das Wort hat Herr Abg. Holger Bellino, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am vergangenen Sonntag haben Muslime und Juden in Frankfurt am Main gemeinsam ein Zeichen gegen religiösen Extremismus gesetzt, und dafür danken wir. Denn dies ist eine wichtige Botschaft, eine Botschaft, die hoffentlich viele Herzen und Köpfe erreicht, eine Botschaft, die viele am Gelingen der Integration interessierte Menschen erfreut, und hoffentlich auch eine Botschaft, die manche Fanatiker und Irregeleitete nachdenklich macht.