Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr May, ich finde, das Wahlprogramm der GRÜNEN in Hessen ist ein schönes Thema. Je länger Sie regieren, desto besser gefällt mir Ihr Wahlprogramm. Ich stelle mir gerade vor, was Sie da noch alles gefordert haben. Deshalb unterhalte ich mich gerne mit Ihnen über Ihr Wahlprogramm und stelle fest, dass dort natürlich die Forderung nach einem Sofortprogramm zur Schaffung von mehr Wohnheimplätzen enthalten war.
Das habe ich jetzt im schwarz-grünen Koalitionsvertrag nicht mehr gefunden. Erklären Sie mir bitte, wo das steht.
Richtig ist: Es werden Wohnheimplätze gebaut. – Aber ich habe vorhin gerade gesagt, in welchem Verhältnis das zueinander steht. In Marburg stehen 800 auf der Warteliste, und es werden 60 Wohnheimplätze geschaffen. Da können Sie sich selbst ausrechnen, in welchem Verhältnis das zueinander steht. Das ist nicht das, was Sie in Ihrem Wahlprogramm gefordert haben.
Gehen wir noch anderes in Ihrem Wahlprogramm durch. Die GRÜNEN haben in den ganzen letzten Jahren immer gefordert – und das ist eine richtige Forderung, das haben die Mitglieder der SPD und wir auch gefordert –: Die Macht der Hochschulräte muss zurückgefahren werden. Sie haben immer gefordert, dass die Hochschulräte eine beratende Funktion bekommen müssen.
Wenn man jetzt in den Koalitionsvertrag hineinschaut, stellt man fest, dass daraus überhaupt nichts geworden ist. Das Gegenteil ist sogar der Fall.
Das muss man vielleicht noch einmal für alle sagen: Die Hochschulräte kommen vollkommen undemokratisch zustande. Sie sind mitnichten ein Spiegel der Gesellschaft. Vielmehr sitzen dort im Wesentlichen Leute aus der Wirtschaft und dann noch ein paar andere Leute, die vom Ministerium handverlesen ausgewählt wurden. Diese Hochschulräte tragen letztlich überhaupt keine Verantwortung. Sie stehen für ihre Entscheidungen auch nicht gerade. Sie sollen jetzt aber noch mehr Macht bekommen, nämlich bei der Wahl der Hochschulpräsidenten. Genau das steht in Ihrem Koalitionsvertrag. Genau das wollen Sie.
Wenn Sie vieles von dem, was Sie ursprünglich gefordert haben, in den schwarz-grünen Koalitionsvertrag hineingeschrieben hätten, dann wäre es zu einem akzeptableren Ergebnis gekommen.
Herr May, ich glaube aber nicht, dass Sie angesichts dieses Koalitionsvertrags – und, ehrlich gesagt, auch angesichts der Regierungspraxis in den letzten acht Monaten, in denen
ich relativ wenig Grün, aber sehr viel Schwarz sehe – hier etwas vorweisen können, was Sie durchgesetzt hätten. Das kann ich nicht erkennen. Die Situation ist nach wie vor schwierig, und Schwarz-Grün hat nichts unternommen, um das zu verändern.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Rhein, ich muss ganz offen gestehen: Nach Ihrer Rede bin ich enttäuscht.
Sie haben – da gebe ich Herrn Kollegen Grumbach recht – gut daran getan, nicht die vorbereitete Rede etwas anzureichern, sondern Sie haben sich grundsätzlich anders aufgestellt.
Dennoch vermisse ich eine Antwort auf die Frage, die wir als FDP-Fraktion Ihnen vor mittlerweile über einem halben Jahr gestellt haben.
Bei dem Titel: „Hessen schafft Wissen: Wir gestalten Zukunft!“ hätte ich doch erwartet, dass Sie auf die Forderung der FDP-Fraktion nach einer Qualitätsoffensive durch einen Zukunftspakt für die Qualität der Bildung in Hessen in irgendeiner Weise antworten – leider Fehlanzeige.
An einem Punkt nun gebe ich Ihnen unumwunden recht: Sie schaffen mit dem, was Sie schon in der letzten Woche in der Pressekonferenz dargestellt haben und was Sie im Grunde genommen heute hier wiederholt haben, an den Hochschulen Planungssicherheit – nämlich wie alle Ihre Vorgänger seit Ruth Wagner, die dieses System des Hochschulpakts erfunden hat: eine Vereinbarung über eine mehrjährige finanzielle Planungssicherheit.
Sehr verehrter Herr Minister Rhein, die Durchsetzungskraft gegenüber dem Finanzministerium war dann leider doch nicht so erheblich. Die BAföG-Millionen, die aus Berlin, vom Bund, kommen, werden – anders als die Erwartungen, die Sie im Vorfeld geweckt hatten – nicht on top in der Hochschulfinanzierung eingesetzt. Vielmehr ersetzen Sie Landesgeld durch Bundesgeld für Maßnahmen, die Sie ohnehin schon – sowohl im Hessischen Hochschulpakt als auch beim Hochschulpakt 2020 – geplant und versprochen hatten.
Genau so wird ein Schuh daraus. Sie haben bei der FDPFraktion nachgefragt – und danke, dass Sie diese Forderung zur Kenntnis genommen haben –, warum wir gesagt haben, wir möchten die zusätzlichen Bundesgelder für einen alle Bildungsbereiche umspannenden Qualitätspakt einsetzen. Wir sind natürlich davon ausgegangen, dass Sie das, was Sie im Hochschulpakt 2020 bereits im Jahr 2011 zugesagt hatten, und das, was Sie im Dezember beim Ko
alitionsvertrag verhandelt haben – nämlich die weitere Fortführung in der zweiten und dritten Phase wie auch die Aufstockung des Grundbudgets um 1 bis 3 % über der Inflationsrate –, aus eigenen Landesgeldern finanzieren; denn letztendlich ist das der Stand Ende des Jahres 2012, ein Zeitpunkt, zu dem diese Bundesmittel noch gar nicht am Horizont der Wissenschaftspolitik zu sehen waren.
Unsere Forderung war so zu verstehen, dass die 80 Millionen € zu 50 % in den Schulbereich fließen, und zwar dort insbesondere zur Förderung der Lehrerqualifizierung, der dualen Berufsausbildung und der individuellen Förderung über den gesamten Bildungssektor, und weitere 40 Millionen € zusätzlich zu den Maßnahmen zur Erhöhung der Grundfinanzierung und der Weiterfinanzierung des Hochschulpakts 2020 auf den Hochschul- und Wissenschaftsetat draufgesetzt werden, um hier einen realen Zuwachs durch freie Finanzmittel zu haben, mit denen die Hochschulen, aber auch die anderen Wissenschaftseinrichtungen, wie z. B. die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, tatsächlich eine Qualitätssteigerung vornehmen können.
Herr Minister, es ist in der Diskussion heute hier schon angeklungen: Wir werden sehen, dass die Mittel, die Sie jetzt ersetzend über die Bundes-Millionen anstelle der Landesmittel in den Hochschulbereich geben, wahrscheinlich nicht einmal ausreichen werden, um die Tarifsteigerungen auszufinanzieren, die die Hochschulen angesichts ihres sehr großen Personalbestandes haben werden.
Diese 26 Millionen € für 2015 werden dafür möglicherweise gerade reichen. Es ist klar, dass sich die Hochschulen wenigstens darüber freuen, und ich sage auch unumwunden, dass wir es unterstützen, dass diese Tarifsteigerungen Jahr für Jahr ausfinanziert werden. Allerdings haben Sie immer noch die verfassungsrechtliche Ungewissheit, ob Sie nicht gemäß den Urteilen aus Nordrhein-Westfalen mit Ihrer Rechnung baden gehen, Tarifsteigerungen hier nur bei den öffentlich-rechtlichen Angestellten zu vereinbaren, nicht aber bei den Beamten. Wenn die Beamten dazukommen, wird diese Rechnung nochmals neu aufgemacht werden.
Aber auch die Defizite in den Studentenwerken. Nach den Ihnen vorliegenden Gutachten, die Sie selbst in Auftrag gegeben haben, und nach den diesbezüglichen Äußerungen der hessischen Studentenwerke ist hier eine Zusatzfinanzierung von 4 bis 4,5 Millionen € erforderlich, um all das zu leisten, was an und für sich gesetzlich vorgeschrieben ist. Auch das kann aus diesen Steigerungen jetzt nicht mehr bedient werden. Dass Sie darüber hinaus HEUREKA und LOEWE gestreckt haben – das haben Sie heute selbst hier erwähnt –, ist nur eine vornehme Umschreibung für: um 20 % gekürzt.
Summa summarum heißt das: keine realen Aufwüchse, leider kein komplett freies Geld für die Qualitätssteigerung.
Lieber Herr Kollege May, da kann man es nicht gelten lassen, wenn Sie sagen: „Das ist doch toll, wir geben 99 Millionen € für den Hochschulpakt 2020“, und dann auch noch selbst vorrechnen, wie viele zusätzliche Studienplätze das sind. Das ist klasse. Das heißt aber doch nur, dass den Hochschulen eine weitere, zusätzliche Leistung in Form
von mehr Studienplätzen abverlangt wird, die dann über den Hochschulpakt 2020 nicht einmal voll ausfinanziert sind. Denn wir reden hier nicht über die Clusterpreise aus dem Hessischen Hochschulpakt, sondern nur über die Ausfinanzierung des Lehreanteils. Die Forschungsanteile, die wir in den Clusterpreisen im Hessischen Hochschulpakt haben, sind da noch nicht drin. Daher erhöhen Sie die Quantität, aber Sie erhöhen eben nicht die real frei verfügbaren Mittel, sodass die Qualität hier gesteigert werden könnte.
Sehr geehrter Herr Minister, deswegen bringe ich an diesem Punkt gerne nochmals unser FDP-Modell zur anderen Hochschulfinanzierung in Erinnerung. Denn wir müssen zur Kenntnis nehmen: Wir sind ein attraktiver Hochschulund Wissenschaftsstandort. Das finden wir gut. Seit Jahrzehnten haben wir dafür investiert, seit den Zeiten von Ruth Wagner, 1999 und folgende Jahre. Das führt dazu, dass wir wesentlich attraktiver sind als viele andere Hochschulen im Bundesgebiet.
Dann aber muss es so sein, dass Geld den Studierenden folgt. Es kann nicht sein, dass wir zulasten der Relation der Finanzmittel pro Studierenden oder pro Professor oder pro wissenschaftlichen Mitarbeiter alle anderen glücklich machen, quer durch die Republik, sondern wir müssen in Verhandlungen mit den Bundesländern eintreten, um ein Finanzierungsmodell zu bekommen, wonach jeder Studierende sich seine Hochschule aussucht und dann die entsprechenden Gelder aus dem Bundesland, aus dem er stammt, mitbekommt, wenn er sich nicht sein eigenes Bundesland ausgesucht hat, sondern einen hessischen Studienplatz. Dann hätten Sie zusätzliche Mittel, ohne mit dem Finanzminister streiten zu müssen. Vor dem Hintergrund des Wettbewerbs – Frau Kollegin Wissler, ich habe keine Schwierigkeiten, dieses Wort furchtlos auszusprechen – unter unseren Hochschulen und der guten Positionierung unserer Hochschulen ist das ein Zusatzgewinn.
Eigentlich geht es also um Qualitätssteigerung. Aber das Wort „Qualität“ ist in Ihren Ausführungen – ich überlege, ob es gar nicht vorgekommen ist – jedenfalls relativ selten gefallen. Natürlich hat das etwas damit zu tun, dass man, wenn man Qualität steigern will, wissen muss, wohin die Reise gehen soll. Welche Vision, welche Vorstellungen habe ich davon, wie ich diese Wissenschafts- und Hochschullandschaft gestalten will? Welchen Fragen, welchen Herausforderungen muss ich mich in den nächsten fünf, zehn, vielleicht auch 15, 20 Jahren stellen? Daraus muss ich dann ableiten, welche Entscheidungen heute zu treffen sind, damit wir die Chancen in der Zukunft überhaupt gewinnen können.
Das Problem ist aber, dass der Einblick, den Sie bislang haben – vielleicht auch nur der Einblick, den Sie uns als Legislative, als erste Gewalt in diesem Land bisher geben –, wesentlich verkürzt ist. Wir erfahren von Ihnen auch heute wieder nichts dazu, in welche Richtung Sie z. B. den Hessischen Hochschulpakt führen wollen. Ich erwarte natürlich nicht, dass Sie vor dem Abschluss der Gespräche, der Verhandlungen mit den hessischen Hochschulen das Verhandlungsergebnis verkünden – sonst wären es keine Verhandlungen –, aber Sie müssten doch wenigstens eine Vorstellung davon haben, mit welcher Strategie, mit welchen Vorschlägen inhaltlicher Art Sie in diese Diskussion gehen.
Wie verhalten sich die einzelnen Budgets zueinander? Wie sind sie nominell ausgestaltet? Beim Grundbudget ist sicherlich die spannendste Frage: Wird es eine Rückkehr zu einem echten Preismodell – wie zur Zeit von Ministerin Ruth Wagner – geben, oder wird es weiterhin ein ruinöses Rennen um einen immer noch gedeckelten Topf geben, auch wenn dieser Topf ein wenig größer geworden ist? Wird es eine schnellere Anpassung der Leistungszahlen an die Istwerte geben? Inwiefern berücksichtigen Sie den gewünschten Aufbau wissenschaftlichen Mittelbaus an unseren Fachhochschulen? Schlägt sich dieser wichtige Punkt für die Weiterentwicklung unserer Fachhochschulen in den Clusterpreisen nieder, oder wird es wenigstens ein entsprechendes Sonderprogramm geben?
Herr May, die FDP-Fraktion ist der festen Überzeugung, dass wir in diesen Bereich investieren müssen; denn es gibt hier einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Quantität und Qualität. Es reicht nicht, eine große Zahl an Studienplätzen an den Fachhochschulen aufzubauen, sondern Sie müssen diesen Studienplatzaufbau mit entsprechender Qualität, d. h. auch mit genügend Professoren und einem wissenschaftlichem Mittelbau, unterlegen, wenn Sie es ernst meinen mit Forschung und Lehre an den hessischen Fachhochschulen.
Im Zusammenhang mit dem Faktor Qualität stellt sich eine weitere Frage: Warum soll im Bereich der Lehre nur die Quantität, also das Köpfe-Zählen, im Vordergrund stehen, anstatt auch die Qualität zu berücksichtigen? Wir sind als FDP-Fraktion der festen Überzeugung, dass es nicht nur darum gehen kann, die Zahl der Studierenden mit Blick auf die Lehre zu berücksichtigen. Wir müssen vielmehr dazu übergehen, Kriterien für eine gute Lehre festzulegen und diese dann auch zu honorieren; denn ansonsten haben wir das, was momentan stattfindet – und weiterhin stattfinden wird, wenn Sie Ihre Pläne nicht ändern –, nämlich einen ruinösen Wettbewerb um mehr Köpfe, ohne darauf zu sehen, dass man dies angesichts der Gefahr tut, dass die Lehre immer schlechter wird. Zurzeit handeln Sie nach dem Motto: „Mehr Studierende bringen mehr Geld in die Kasse, aber wir erhöhen die Qualität der Ausbildung an der Stelle nicht“. Herr May, da helfen eben auch die Hochschulpakt2020-Mittel nicht zu 100 % weiter, weil gerade der Bereich Forschung nicht ausfinanziert ist.
Nächster Punkt: das Verhältnis von Forschung und Lehre. Wie wollen Sie dieses Verhältnis im neuen Hessischen Hochschulpakt im Hinblick auf die Honorierung guter Forschung und Lehre gewichten? Das ist eine spannende Frage, gerade auch vor den durchaus unterschiedlich gewichteten Interessen von Universitäten auf der einen Seite und Fachhochschulen auf der anderen Seite. Daran schließen sich meine Fragen an, z. B. nach Sonderprogrammen für Fachhochschulen im Hinblick auf den Aufbau eines wissenschaftlichen Mittelbaus. Wichtig für den Bereich Forschung ist aber auch hier, die Parameter dahin gehend zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, z. B. mit Blick darauf, nicht nur große Forschergruppen, sondern auch kleinere Forschungsgruppen und ihre Erfolge in die Anreizfunktionen einzubeziehen, sodass auch solche Gruppierungen gleichermaßen honoriert werden können. Das wür
Herr Minister, wo geht es denn hin mit der zukünftigen Forschung? Welches sind für Sie – vor dem Hintergrund der Hochschulplanung – die Felder, auf denen nach Ihrer Hochschulstrategie Forschung und Innovation betrieben werden? Ich habe eben leider keine Strategie erkennen können, nicht einmal für das kleine bisschen, das unmittelbar vor uns liegt. Wenn ich mir den Hessischen Hochschulpakt ansehe – Sie wollen bis Dezember fertig sein –: Wo ist da die Strategie? Aber auch zu den Feldern, die dahinter kommen, habe ich von Ihnen heute leider nichts gehört.