Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Alsfeld-Urteil des Staatsgerichtshofs schreibt für den Kommunalen Finanzausgleich einen Systemwechsel vor. Der Kommunale Finanzausgleich darf nicht mehr wie bisher aus pauschalen Zuweisungen bestehen, die über den Anteil an den Steuereinnahmen des Landes Hessen berechnet werden, sondern der Kommunale Finanzausgleich muss auf die Bedürfnisse, die Kosten der Kommunen eingehen und muss sich an diesem Bedarf orientieren.

Ob dieser Systemwechsel bei allen in diesem Hause angekommen ist, wage ich zu bezweifeln. Ich bin mir nicht sicher, dass das wirklich in dieser Form – es ist ein Systemwechsel – bei allen angekommen ist.

Wir haben nach der Vorgabe des Staatsgerichtshofs den Bedarf der Kommunen in einem abgestuften Verfahren ermittelt, wie es vorgeschrieben war. Dazu waren zunächst die Pflichtaufgaben zu ermitteln, die dann entsprechend auszugleichen sind. Der Staatsgerichtshof hat vorgeschrieben, dass ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben zu finanzieren ist. Diese beiden Dinge, die Pflichtaufgaben und das Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben, muss das Land finanzieren, und zwar unabhängig von der Finanzkraft des Landes. Es ist die finanzkraftunabhängige Mindestausstattung für die Kommunen.

Zusätzlich, hat der Staatsgerichtshof gesagt, muss es einen Zuschlag zu freiwilligen Leistungen geben, der finanzkraftabhängig ist, also orientiert an den Einnahmen des Landes, um so insgesamt, mit diesen drei Elementen, zu ei

ner angemessenen Ausstattung für die Kommunen in finanzieller Hinsicht zu kommen.

Genau diese Schritte haben wir in den letzten Wochen und Monaten gemacht und überprüft. Über 3.000 pflichtige Aufgaben wurden ermittelt. Die Defizite der pflichtigen und der freiwilligen Aufgaben wurden ermittelt, und dann wurde in einem weiteren Schritt – auch dies orientiert sich an den Aussagen und der Urteilsbegründung des Staatsgerichtshofs – festgestellt, was die angemessenen Defizite für die einzelnen Aufgaben bei den Kommunen sind.

Dazu wurde das sogenannte Angemessenheitsverfahren angewendet, um festzustellen, wie Kommunen auch wirtschaftlich orientiert arbeiten. Im Ergebnis haben wir bei dem Angemessenheitsverfahren die Defizite im Bereich der pflichtigen Kinderbetreuungskosten zu 100 % angerechnet. Ich will hier betonen, dass dies auf ausdrückliche Zustimmung der Kommunalen Spitzenverbände gestoßen ist.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Diese 100-prozentige Anrechnung macht über das, was nach dem Staatsgerichtshofurteil notwendig wäre, einen Betrag von 150 Millionen € aus. Insgesamt kommen wir zu einer 91-prozentigen Defizitabdeckung der pflichtigen Aufgaben der Kommunen – ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein paar Aussagen zu dem Angemessenheitsverfahren. Dieses Verfahren wurde grundsätzlich nicht infrage gestellt, sondern alle haben anerkannt, dass dies ein Verfahren ist, das angewendet werden kann. Andere Verfahren – das ist eine Anmerkung zur Position der SPD – wurden nicht vorgeschlagen, sodass am Ende das Angemessenheitsverfahren bleibt. Wenn es bessere Vorschläge gibt, dann machen Sie diese bitte. Der Vorschlag, dass die Ausgaben der Kommunen gleich dem Bedarf sind, ist kein Vorschlag, der mit dem Urteil des Staatsgerichtshofs konform geht und dem Urteil entspricht. Deswegen scheidet dieser Vorschlag aus. Ich bitte sehr darum, zusätzliche Vorschläge oder andere Vorschläge zu machen. Bisher leider Fehlanzeige.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch bei den freiwilligen Aufgaben haben wir zunächst die Defizite ermittelt. Dann haben wir festgelegt, dass die Ausgaben, die ermittelten Defizite für Sport, Kultur und Wissenschaft sowie Natur- und Landschaftspflege zu 100 % in die Berechnung eingehen und alle anderen freiwilligen Aufgaben zu 50 %. Dieses Vorgehen wurde auch und sehr deutlich von den Kommunalen Spitzenverbänden in unserem gemeinsamen Gespräch im Haushaltsausschuss in der letzten Woche begrüßt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nur bei den 100 %!)

Es wurde klar und ausdrücklich gesagt, dass damit die streitbehaftete Frage, ob z. B. Sport zu den Pflicht- oder freiwilligen Aufgaben gehört, ausgeräumt ist. Das sollten auch die sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, insbesondere von den LINKEN, einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie müssen die ganze Wahrheit erzählen!)

Alle anderen Defizite, außer den vier genannten, werden zu 50 % eingerechnet. Damit kommen wir zu dem Ergebnis der von der Finanzkraft des Landes unabhängigen Mindestausstattung. Zusätzlich haben wir die verbleibenden Defizite in den Bereichen, die von der Finanzkraft des Landes Hessen abhängig sind, noch einmal zu 50 % anerkannt. Auch das gibt der Staatsgerichtshof vor.

Insgesamt führt das Verfahren, wie ich es Ihnen in der Kürze geschildert habe, dazu, dass es bei allen freiwilligen Leistungen zu einer 88-prozentigen Defizitabdeckung kommt und im Gesamtergebnis der Betrag des pflichtigen Anteils im Kommunalen Finanzausgleich, den der Staatsgerichtshof in seinem Urteil festgelegt hat, sich auf der Höhe von 3,6 Milliarden € bewegt.

Dies zeigt sehr deutlich, dass die Höhe des Kommunalen Finanzausgleichs, wie wir sie bisher in unseren Haushaltsplänen und in der mittelfristigen Finanzplanung haben, angemessen war und angemessen ist. Auch das ist ein Fazit, das wir zusätzlich ziehen können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über das Urteil des Staatsgerichtshofs hinaus haben wir uns vorgenommen, einen zusätzlichen Stabilitätszuschlag zu bilden, um insgesamt den Kommunen das Geld zur Verfügung zu stellen, das sich auf der Höhe des jetzigen Kommunalen Finanzausgleichs bewegt. Damit erreichen wir eine Größenordnung, wenn wir das auf das Jahr 2015 berechnen, von 4 Milliarden € und für das Jahr 2016 von mehr als 4,2 Milliarden €.

Ich betone ausdrücklich, dass dies über das Urteil hinausgeht und dass dies eine Leistung des Landes ist, die natürlich den weiteren Entwicklungen angepasst werden muss.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Damit gelingt es auch, die Auswirkungen – das haben wir uns fest vorgenommen – des demografischen Wandels im Kommunalen Finanzausgleich zu berücksichtigen. Wir werden die notwendigen Maßnahmen in der Fortführung dessen, was wir in der letzten Legislaturperiode gemacht haben, für die Stärkung des ländlichen Raums und finanzschwacher Kommunen fortsetzen, und wir werden uns auch die zusätzlichen Belastungen der Metropolregion ansehen, um dort zu einem Ausgleich zu kommen. Die Kompensationsumlage fällt weg.

Dies alles zeigt in der gebotenen Kürze, dass der erste Schritt, dass die ersten Zwischenergebnisse gelungen sind. Alle sind eingeladen, den Weg zur Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs 2016 mit uns weiterzugehen, um das Ziel zu erreichen: Kommunaler Finanzausgleich 2016 – klar, fair und ausgewogen. – Vielen Dank.

Vielen Dank. – Als Nächster hat Kollege van Ooyen, DIE LINKE, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schork, es war doch ein bisschen Märchenstunde, oder?

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Günter Schork (CDU): Für Märchen in diesem Hause sind Sie zuständig!)

Das würden Sie gerne sehen. – Der hessische Finanzminister hat sich, allerdings getrieben vom Staatsgerichtshof, an die Aufgabe gemacht, den Kommunalen Finanzausgleich neu zu regeln. Angesichts der krachenden Niederlage, die die schwarz-gelbe Landesregierung vor dem Staatsgerichtshof erlitten hat, sicherlich eine Mammutaufgabe – das will ich durchaus zugestehen.

In der Tat ist schon jetzt absehbar, dass die Landesregierung an dieser Aufgabe scheitern wird, weil sie nicht gewillt ist, die Verfassung so zu verstehen, dass die Kommunen einen Anspruch darauf haben, tatsächlich ein Ort der Selbstverwaltung zu sein.

Diese Landesregierung will den Kommunen nicht mehr Mittel zukommen lassen. Unter anderem Herr Kaufmann weist immer wieder darauf hin und betont, dass er das Alsfeld-Urteil so versteht, dass die Kommunen keineswegs mehr Geld bekommen sollen.

Die schwarz-grüne Landesregierung setzt also nur das fort, was Schwarz-Gelb begonnen hat. Während Schwarz-Gelb noch die Kürzung des KFA mit dem dicken Daumen vorgenommen hatte, legt Schwarz-Grün jetzt Wert darauf, dass man Bedarfe genau bestimmen kann.

Was sich im ersten Moment so anhört, als würden die Mittel zwischen Land und Kommunen jetzt endlich gerecht verteilt, entpuppt sich aber schon beim Blick auf die Zahlen als Taschenspielertrick.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Gerechtigkeit ist nicht nur eine Frage des Verfahrens, sondern auch immer eine Frage des Ergebnisses. Und da kann man Ihnen nur bescheinigen, dass Sie die gleiche kommunalfeindliche Politik wie Ihre Vorgängerregierung machen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Es nützt dann auch nichts, wenn Sie sich mit den Kommunen auf eine bestimmte Datenbasis verständigt haben. In der letzten Woche haben wir ja gehört, was die Kommunalen Spitzenverbände davon halten, was das Land hierzu vorschlägt. Herr Schork, da waren sicherlich die 100 % Wahrnehmung für Sport positiv bewertet. Alles andere ging dort natürlich in einen Negativkatalog ein. Die Kommunen haben sehr deutlich darauf hingewiesen, dass sie mit diesem Verfahren nicht einverstanden sind.

Im Ergebnis kommt die Landesregierung nämlich mit der Rechenmethode, die sie für die Aufteilung der Mittel zwischen Land und Kommunen vorschlägt, darauf, dass die Kommunen eigentlich jetzt schon mehr Geld bekommen, als ihnen zusteht. Dabei verschweigen Sie aber, dass Sie eben nicht nur ein objektives Verfahren anwenden.

Tatsächlich hat die Landesregierung Spielraum bei der Ausgestaltung des KFA; das hat der Staatsgerichtshof ausdrücklich festgestellt. Und Sie nutzen ihn ja auch. Sie nutzen ihn dazu, um etwa bei der Bedarfsermittlung so zu tun,

als seien Kommunen nur dann wirtschaftlich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, wenn sie für eine Pflichtaufgabe nicht mehr als den Durchschnitt ausgeben.

Das heißt aber auch, dass Sie damit einen Trend auslösen, bei dem die Kommunen versuchen, ihre Kosten auf den Durchschnitt und darunter zu senken. Wenn Sie dann zu einem späteren Zeitpunkt – und genau das müssen Sie nach den Vorgaben des Staatsgerichtshofs tun – die Istausgaben der Kommunen neu betrachten, um den Bedarf festzustellen, wird der Durchschnitt unter dem bisherigen liegen. Das ist so im Verfahren angelegt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass das von dieser Landesregierung der beiden Schuldenbremserparteien auch so gewollt ist. Offensichtlich wollen Sie, dass die Kommunen immer weiter ihre Leistungen einschränken und die Ausgaben auch für Pflichtaufgaben in Richtung der schwarzen Null bewegen.

Allerdings kommen Sie damit rechtlich über kurz oder lang in schwieriges Fahrwasser, denn in einem System, das darauf ausgelegt ist, die Istausgaben zu senken, können Sie diese nicht ewig als objektiven Bedarf annehmen. Denn an einem Punkt müssen Sie auch erklären, wie viel die Pflichtaufgaben der Kommunen tatsächlich mindestens kosten.

Jedenfalls ist die Ansage, die die Landesregierung mit den bisherigen Vorschlägen macht, klar: Die Kommunen bekommen kein bisschen Geld mehr – im Gegenteil, durch die Rechentricks. Ich will es einmal den umgekehrten Dreisatz nennen, der wie folgt geht: Man nehme statt 23 % Steuermasse, die den Kommunen zusteht, 21 %, rechnet dann hoch, dass die Pflichtaufgaben diesen anderen Betrag ausmachen, und kommt noch mit einem Sahnehäubchen obendrauf, um Imagegestaltung zu pflegen, und schon ist die Rechnung fertig. Man kommt dann auf knapp 4 Milliarden € anstatt, wie die Kommunen das gefordert haben, auf 4,5 Milliarden €.

(Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von Dreisatz verstehen Sie aber nicht so viel!)

Von hinten gerechnet, das ist der umgekehrte Dreisatz.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Weder von vorne noch von hinten! – Günter Schork (CDU): Jetzt wissen wir, warum das mit dem Sozialismus nicht geklappt hat!)

Es kümmert Sie offensichtlich nicht, dass die Kommunen weitere riesige Defizite machen. Und wenn es Sie kümmert, dann verweisen Sie darauf, dass die Kommunen selbst daran schuld sind, dass sie so dastehen.

Dabei ist doch eines völlig klar: Die hessischen Kommunen insgesamt hatten bis zum Beginn der Krise noch kein massives Problem. Im Jahr 2008 hatten die hessischen Kommunen zum letzten Mal einen positiven Finanzierungssaldo. Danach war er immer negativ.