Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion kritisiert und dramatisiert im vorliegenden Antrag die Höhe der Jugendarbeitslosigkeit und die Ausbildungssituation in Hessen, und Frau Gnadl hat uns heute noch die Lebensgeschichte von Marvin erzählt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, wenn Sie dies tun, darf man allerdings erwarten, dass Sie zumindest korrekte Zahlen verwenden und keine politischen Spielereien auf Kosten der Betroffenen betreiben.
Bewusst haben Sie in Ihrem Antrag die Jugendarbeitslosenquote des Monats August mit 6,6 % gewählt – in dem Wissen, dass diese, bedingt durch das Ende des Ausbildungsjahres im Sommer, immer etwas höher als der Jahresdurchschnitt liegt. Zu Ihrer Ehrenrettung muss ich sagen, dass Frau Gnadl in ihrem Redebeitrag hier vorne die tatsächlichen 5,8 oder 5,9 % genannt hat.
Auf das letzte Ausbildungsjahr bezogen, lag die Jugendarbeitslosigkeit in Hessen bei 5,9 % und damit unter dem Jahresdurchschnitt der westdeutschen Länder in Höhe von 6,2 %.
Damit ist die Jugendarbeitslosigkeit in Hessen von 1999 bis heute – man höre gut zu – um rund 26,5 % zurückgegangen.
Auch die Anzahl der Jugendlichen, die sich in einer Maßnahme des sogenannten Übergangssystems befinden, haben Sie mit 30.000 zu hoch angegeben. Tatsächlich sind es derzeit weniger als 24.000.
Frau Gnadl, unabhängig davon aber sind wir uns alle einig, dass jeder der betroffenen Jugendlichen ein Jugendlicher zu viel ist.
Daher stellen uns diese Zahlen auch nicht zufrieden. Vielmehr spornen sie uns an, noch intensiver und zielgerichteter an der Problemlösung zu arbeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die besten Mittel zur Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit sind eine gute schulische Bildung, die die Stärken und Fähigkeiten jedes
Einzelnen fördert, eine umfassende Berufsorientierung mit dem Ziel einer optimalen Vorbereitung der Berufswahlentscheidung, das duale Ausbildungssystem sowie eine gute Wirtschaftslage mit einem starken und stabilen Arbeitsmarkt.
Neben der zweifelsohne positiven Entwicklung der Wirtschaftslage haben aber gerade die richtigen bildungspolitischen Weichenstellungen der CDU-geführten Landesregierungen in den vergangenen 15 Jahren ganz entscheidend mit zu diesem Rückgang beigetragen.
Das hat unter anderem dazu geführt, dass heute nur noch deutlich unter 3 % der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Zu Zeiten einer SPD-geführten Landesregierung sahen diese Zahlen noch ganz anders aus.
Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich einige dieser richtungweisenden bildungspolitischen Entscheidungen stichpunktartig aufführen, damit sie auch in den Reihen der SPD-Fraktion in Erinnerung bleiben.
Wir haben die 105-prozentige Lehrerversorgung im Landesdurchschnitt eingeführt und setzen diese Politik trotz der erfolgreichen Anstrengungen der Landesregierung zur Konsolidierung der Landesfinanzen unter Einhaltung der Schuldenbremse auch in Zukunft unbeirrt fort.
Wir haben die Mittelstufenschule geschaffen, in der insbesondere die Berufsorientierung und die Förderung der Ausbildungsreife wesentliche Bestandteile des Unterrichts sind.
Seit dem Schuljahr 2004/2005 gibt es in Hessen an ausgewählten Standorten mit dem Bildungsgang Hauptschule sowie an Förderschulen die sogenannten SchuB-Klassen. Wie Sie wissen, wurde dieses Projekt für Schülerinnen und Schüler initiiert, bei denen in der 7. Klasse erkennbar war, dass sie unter den gegebenen Bedingungen in der Regelklasse nicht in der Lage sein würden, den Hauptschulabschluss zu erreichen.
Durch die enge Verknüpfung von Theorie- und Praxisanteilen, durch kleinere Lerngruppen und intensive sozialpädagogische Begleitung konnte die Zahl der Schulentlassenen ohne Abschluss in den vergangenen Jahren deutlich reduziert werden.
Lassen Sie mich, um dies zu untermauern, einige Zahlen erwähnen. Im vergangenen Jahr haben in den SchuB- und Praxisabschlussklassen in Hessen 394 Schülerinnen und Schüler einen Hauptschulabschluss, 514 Schülerinnen und Schüler einen qualifizierten Hauptschulabschluss und 93 Schülerinnen und Schüler einen berufsorientierten Förderschul- bzw. einen Förderschulabschluss erworben. Das sind ganz, ganz enorme Zahlen im Vergleich zu dem, was angekündigt worden war. Entgegen allen zuvor getroffenen Prognosen erreichen rund 90 % aller SchuB-Schüler am Ende der Jahrgangsstufe 9 mit Bravour einen Schulabschluss.
Wenn man auch noch berücksichtigt, dass bereits im Verlauf der Maßnahme deutlich mehr als ein Drittel der Schülerinnen und Schüler eine verbindliche Zusage für einen Ausbildungsplatz erhalten hat, belegt dies eindrucksvoll den Erfolg des Modells SchuB. Aus den genannten Gründen werden wir diese erfolgreiche Initiative fortführen und flächendeckend ausweiten.
Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreichen Schulen die Selbstständigkeit eingeräumt. Die ersten berufsbildenden Schulen haben zwischenzeitlich sogar die Rechtsfähigkeit erlangt. Bei einer noch stärkeren Förderung nach sozialen Kriterien im Rahmen des Sozialindex haben wir 60 Stellen zusätzlich geschaffen und liegen in diesem Schuljahr bereits bei 360 Lehrerstellen. Bis zum Ende der Legislaturperiode werden wir die Zuweisung auf 600 Stellen anheben.
In den verschiedenen Schulformen haben wir den praxisnahen Berufsorientierungsunterricht massiv ausgebaut. Zahlreiche Schulen haben zwischenzeitlich ein umfangreiches Berufsorientierungs-Curriculum entwickelt und widmen sich diesem Thema außerordentlich kreativ. Wir stärken so die Ausbildungsreife und fördern die Berufswahlentscheidung, damit die Schülerinnen und Schüler übergangslos, ohne unnötige Warteschleifen in einem Übergangssystem in ein Ausbildungsverhältnis eintreten können.
Im Rahmen der landesweiten Strategie zur „Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang Schule – Beruf“, auch OloV genannt, sind verbindliche Qualitätsstandards in der Berufsorientierung definiert worden. Bedingt durch die demografische Entwicklung und den aufkommenden Fachkräftemangel werden wir alles daransetzen, Frau Gnadl, junge Menschen möglichst umgehend nach ihrem Schulabschluss in eine Ausbildung zu übernehmen. Aus diesem Grund werden wir uns auch die derzeitigen Übergangssysteme gut anschauen und diese, wenn notwendig, neu strukturieren und neu gestalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in Deutschland und auch in Hessen die mit weitem Abstand niedrigste Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen in Europa. Einen ganz entscheidenden Beitrag zum Abbau und zur Vermeidung der Jugendarbeitslosigkeit in unserem Land leistet das duale Ausbildungssystem.
In der Verbindung von beruflicher Praxis in den Ausbildungsbetrieben und der theoretischen Ausbildung in den beruflichen Schulen liegt der große Erfolg dieses dualen Ausbildungssystems, das gerade für Schülerinnen und Schüler mit Haupt- oder Realschulabschluss umfangreiche Perspektiven bietet. Neben ihrer erfolgreichen Berufsausbildung können Auszubildende, die den Hauptschulabschluss besitzen, parallel zur Ausbildung den mittleren Bildungsabschluss erwerben. Mit diesem mittleren Bildungsabschluss können sie die Fachoberschule besuchen, die Fachhochschulreife erwerben und anschließend an einer Fachhochschule studieren. In der gewerblichen Wirtschaft können sie nach dem Abschluss der Berufsausbildung erfolgreich als Facharbeiter tätig sein. Sie können Meisterkurse besuchen, die Meisterprüfung absolvieren, den Meisterbrief erwerben und sich selbstständig machen. Mit dem Meisterbrief erhalten sie die Hochschulzugangsberechtigung und können sogar studieren. Nach einigen Berufsjahren können sie eine Technikerausbildung absolvieren und
Wie Sie aus den Beispielen erkennen können, bietet eine Berufsausbildung jungen Menschen vielfältige Aufstiegschancen. Die Auszubildenden von heute sind die gefragten Fachkräfte von morgen. Gerade die jungen Menschen ohne Abitur sind keine Verlierer, sondern im Gegenteil zentrale Leistungsträger unserer Gesellschaft, denen wir unseren Wohlstand und unsere Wirtschaftskraft verdanken. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, bei uns Christdemokraten fängt der Wert eines Menschen nicht erst an, wenn er Abitur hat. Diese Diskussion haben wir hier aber schon geführt.
Zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen haben wir zahlreiche Programme initiiert, z. B. die qualifizierte Ausbildungsbegleitung in Berufsschule und Betrieb. Ich könnte das noch ergänzen; aus Zeitgründen kann ich das aber leider nicht tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der Vergangenheit zahlreiche richtungweisende Entscheidungen getroffen und die richtigen Weichenstellungen vorgenommen, um jungen Menschen einen erfolgreichen Start in ihr Berufsleben zu ermöglichen.
Wir werden auch in der kommenden Zeit zielorientiert weiterarbeiten, um unsere bisherigen Bildungserfolge zu festigen und weiter auszubauen. Wir wollen jungen Menschen eine Perspektive für ihr weiteres Leben bieten. Wir wollen ihnen die Selbstgestaltung ihrer Zukunft ermöglichen, und wir wollen damit ihr Selbstwertgefühl steigern. Wir wollen möglichst allen jungen Menschen, die nicht studieren, eine Berufsausbildung anbieten, bevorzugt im dualen System – rein schulisch, Frau Gnadl, nur in absoluten Ausnahmefällen. Wir wollen diesen jungen Menschen bestmöglich bei ihrer Berufswahlentscheidung behilflich sein. Wir wollen ihnen das Rüstzeug für eine erfolgreiche Berufsausbildung mit auf den Weg geben.
Frau Gnadl, wir stehen für Chancengerechtigkeit und haben das Ziel, allen jungen Menschen eine erfolgreiche Zukunftsperspektive zu eröffnen. Ich darf Sie alle herzlich dazu einladen, daran mitzuwirken. Frau Gnadl, Sie haben recht: Das Thema eignet sich nicht für parteipolitische Spielereien.
Herr Kollege, sachlich und fachkompetent habe ich die Situation dargestellt, nicht mehr und nicht weniger.