Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Ihnen in der Aussprache das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute nicht direkt um die Wurst,

(Heiterkeit bei der CDU)

aber um das Gesetz zur Neuregelung des Gebührenrechts im Bereich der Hygiene bei der Gewinnung von Frischfleisch. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werbe darum, dass wir in dieser dritten Lesung einen Verfahrensfehler aus der Vergangenheit korrigieren und hoffentlich mit einer ordentlichen Mehrheit für das Gesetz Rechtssicherheit für die Schlachtbetriebe, für die Landkreise, aber auch für unser Bundesland herbeiführen.

Zu dem Hintergrund des Gesetzentwurfs und den inhaltlichen Fragen haben wir uns in der ersten und in der zweiten Lesung ausführlich ausgetauscht. Deswegen will ich über das Heute sprechen.

Vor Gericht sind ca. 80 Klagen anhängig, die es mit sich bringen, dass Gebührenbescheide noch nicht rechtskräftig geworden sind. Die Klagen werden allesamt von einem einzigen Betrieb erhoben. Im Falle rechtskräftiger Entscheidungen auf der heutigen Rechtsgrundlage müsste der betroffene Landkreis, der Kreis Bergstraße, die von ihm erhobenen Gebühren, abgesehen von den EU-Mindestgebühren, zurückzahlen, obwohl die Kosten faktisch angefallen sind. Hier geht es um nicht mehr und um nicht weniger als 1,5 Millionen €. Das macht deutlich, wie groß der Handlungsbedarf ist.

Zur Klarstellung. Das Unternehmen des Klägers ist sowohl nach der bisherigen Definition im Veterinärkontroll-Kostengesetz ein Großbetrieb und bleibt auch nach der neuen Definition ein Großbetrieb. Das bedeutet: Im Falle rechtskräftiger Entscheidungen nach jetziger Rechtlage würde er von der Gleichheitswidrigkeit deutlich profitieren, obwohl der Landkreis tatsächlich Kosten in Höhe der erhobenen Gebühren hatte. Das Vertrauen des Betriebes auf den derzeitigen Rechtszustand ist deshalb nicht schutzwürdig. Das muss in der Deutlichkeit gesagt werden.

Ich danke sehr herzlich für die ausführlichen Beratungen im Rahmen der Anhörung. Im Zentrum der Beratungen standen zwei Aspekte, auf die ich an der Stelle in der gebotenen Kürze eingehen möchte: zum einen auf die Frage, ob es sich im vorliegenden Fall um ein verfassungswidriges Einzelfallgesetz handelt, und zum anderen auf die Frage der Rückwirkung.

Ich will ein paar Hinweise zu der Fragestellung geben, ob es sich um eine verfassungswidrige Einzelfallregelung handelt. Erstens. Es handelt sich um eine abstrakt-generelle Regelung, die das ganze Land und damit auch alle einschlägigen Betriebe betrifft. Zweitens. Die Zahl der anhängigen Klagen – nämlich 80 – ist deutlich größer als eins. Drittens. Selbst wenn es ein Einzelfall wäre, hätte der Gesetzgeber – hier: das Land Hessen – die Pflicht und das Recht, eine verfassungskonforme Regelung zu treffen, wenn ein Gericht an einer bestimmten Stelle Probleme erkennt.

Nun ein Hinweis zur Frage der Rückwirkung. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat Rückwirkungen grundsätzlich zugelassen, da kein Vertrauensschutz besteht. So heißt es in der Urteilsbegründung. Die anderen Rückwirkungen sind von den Kommunen vorzunehmen; dabei geht es um die jeweiligen Satzungen. So viel zu dieser Problemlage.

Jetzt rede ich von der Gegenwart und der Zukunft. Wir begrüßen es sehr, dass der Hessische Landkreistag unsere Vorgehensweise und damit auch den vorliegenden Gesetzentwurf begrüßt. Es wurde darüber diskutiert, ob eine landeseinheitliche Gebühr oder eine Rahmengebühr besser ist. Christian Engelhardt hat hier eine klare Sprache gesprochen. Er hat gesagt, die Strukturen in den Landkreisen seien so unterschiedlich – Zahl der Schlachtbetriebe, die Wegstrecken, die zurückzulegen sind, und die Rahmenbedingungen insgesamt –, dass eine einheitliche Gebühr zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich Sinn ergäbe.

Die Landkreise warten sehnsüchtig erstens auf Rechtssicherheit, zweitens auf eine Satzungsermächtigung und drittens auf eine rückwirkende Heilung der zuvor beschriebenen Schieflage, und natürlich erwarten sie zu Recht auch, dass Gebührenausfälle zukünftig vermieden werden. Dieser Einschätzung schließt sich der Landkreis Bergstraße unbedingt an.

Das zeigt, dass sich die hauptbetroffenen Akteure sehr einig sind. Das Land Hessen hat Interesse an Rechtssicherheit, alle Landkreise, die möglicherweise in Zukunft betroffen sein könnten, haben Interesse an unverzüglicher Rechtssicherheit – und alle Schlachtbetriebe selbstverständlich auch.

Das Gesetz, das wir hier und heute, so hoffe ich, beschließen werden, schafft Rechtssicherheit und heilt einen Formfehler. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werbe daher dafür, diesen Gesetzentwurf mit großer Mehrheit in dritter Lesung anzunehmen. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen in Richtung aller Landkreise. So schaffen wir Rechtssicherheit und lösen ein Problem, das in der Vergangenheit zu verorten ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung, Frau Abg. Löber für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen nun zur dritten Lesung des Artikelge

setzes zur Neuregelung des Gebührenrechts im Bereich der Hygiene bei der Gewinnung von Frischfleisch.

Eigentlich sollte es nur die Änderung eines formalen Mangels werden; also alles kein Problem. Die öffentliche Anhörung hat jedoch eindringlich gezeigt, wie wichtig eine dritte Lesung und ein ordnungsgemäßer Ablauf sind. In allen Stellungnahmen – außer der des betroffenen Landkreises – wird der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form ausdrücklich abgelehnt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)

Darüber setzten Sie sich aber einfach hinweg. Warum machen wir überhaupt Anhörungen, wenn nicht einmal die Vorschläge der Kommunalen Spitzenverbände berücksichtigt werden? Glauben Sie mir, ich könnte mir vorstellen, in dieser Zeit etwas Sinnvolleres zu tun.

Die Forderung nach landeseinheitlichen Gebühren findet keine Berücksichtigung, obwohl Zeit gewesen wäre, die Höhe dieser Gebühren zu ermitteln. Wir erwarten daher von der Landesregierung weiterhin die Umsetzung landeseinheitlicher Gebühren mit einer zeitnahen gesetzlichen Regelung.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts datiert vom 10. September 2014. Mit der Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs Rechtskraft erlangt. Damit stand das Urteil bereits während der ersten und zweiten Lesung des Gesetzentwurfs fest.

Sollen wir nun eine rückwirkende Änderung im Gebührenrecht beschließen, um Ersatzansprüche von Schlachtbetrieben gegenüber kommunalen Gebietskörperschaften abzuwenden, oder sollen wir eher finanziellen Schaden für das Land durch Schadenersatzansprüche aufgrund fehlerhafter Gesetze verhindern? Leider konnten die Ungereimtheiten in dem Gesetzentwurf und die Fragen dazu auch im Ausschuss bisher nicht beseitigt werden. Fundierte neutrale Rechtsauskünfte konnten in der Kürze der Zeit nicht eingeholt werden.

Gibt es hier ein Rückwirkungsverbot, da nun ein rechtskräftiges Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vorliegt? Gibt es ein Rückwirkungsverbot, da das Vertrauen des Bürgers schutzwürdig ist? Ob hier eine Rückwirkung möglich ist, hat selbst der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil offengelassen. Wenn eine Rückwirkung so einfach und unproblematisch wäre, hätte sich der Gerichtshof wohl dazu geäußert.

Handelt es sich um ein Einzelfallgesetz, weil nur ein Betrieb und ein Landkreis betroffen sind? Herr Schwarz, auch hierzu gab es unterschiedliche Auffassungen.

Welche Auswirkungen hat die Aufhebung des Veterinärkontroll-Kostengesetzes? Besagtes Gesetz besteht nicht nur aus einem Paragrafen, auch bezieht es sich auf verschiedene andere Gesetze und dient der Umsetzung mehrerer Rechtsakte. In der Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf wird aufgeführt, dass die Regelungen des Veterinärkontroll-Kostengesetzes entbehrlich geworden sind. Hier habe ich große Zweifel, dass alle Abhängigkeiten geprüft wurden.

(Beifall bei der SPD)

Ich zitiere erneut aus dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs:

Allerdings sind einige der Bestimmungen des Veterinärkontroll-Kostengesetzes … inzwischen obsolet geworden. Dies hindert allerdings nicht die Fortgeltung der weiterhin sinnvoll anwendbaren Vorschriften.

Welche Auswirkungen die Aufhebung des Veterinärkontroll-Kostengesetzes hat, konnte bisher nicht beantwortet werden. Das ist sehr schade.

Der rechtswidrige Zustand besteht seit dem 1. Dezember 2008 – mit Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags Fleischuntersuchung seit fast sechs Jahren. Schon sechs Jahre lang besteht ein rechtswidriger Zustand. Der erste Heilungsversuch der Landesregierung erfolgte im Dezember 2013 durch eine Änderung der Verwaltungskostenordnung. Die damalige Regierung verpasste aber eine gleichzeitige Anpassung des Veterinärkontroll-Kostengesetzes.

Nun startet die Landesregierung einen zweiten fragwürdigen Heilungsversuch – fragwürdig, weil nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob dieses Gesetz vor Gericht Bestand haben wird.

Eine erneute Klage gegen dieses Gesetz ist mehr als wahrscheinlich. Wie wird diese ausgehen? Schon seit Jahren ist das Streitverfahren vor Gericht anhängig. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt liegt bereits seit über eineinhalb Jahren vor, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs seit dem 7. Dezember letzten Jahres.

Schade, dass diese Zeit nicht genügte, einen durchdachten Gesetzentwurf vorzulegen. Dieses Artikelgesetz weiterhin ohne eingehende rechtliche Prüfung und ohne Berücksichtigung der Stellungnahmen zu verabschieden beinhaltet erhebliche Risiken.

(Beifall bei der SPD)

Hoch ist die Gefahr einer Fehlentscheidung, von der Ignoranz gegenüber den Anzuhörenden ganz abgesehen.

Aus den genannten Gründen können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN sowie des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Das Wort hat Herr Abg. Lenders für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles hat Kollegin Löber zu diesem durchaus bemerkenswerten Gesetzgebungsverfahren schon gesagt. Ich bin sehr froh, dass die FDP-Fraktion die dritte Lesung beantragt hat. Was wir im Ausschuss erlebt haben, nämlich dass innerhalb einer Woche eine mündliche Anhörung durchgeführt worden ist, ist durchaus bemerkenswert,

(Florian Rentsch (FDP): Aber nicht positiv!)

am Ende aber nur eine Randnotiz wert. Nur so viel: Wir, CDU und FDP, haben nämlich selbst in einem Gesetz Fristen für Anhörungen festgelegt. Wenn sich der Gesetzgeber nicht an die Fristen hält, die er selbst in einem Gesetz festgeschrieben hat, ist das ein deutliches Zeichen.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt komme ich aber zu den Inhalten, die durchaus schwerwiegender sind. Wir haben uns zunächst gewundert, warum in der Regierungsanhörung keine Stellungnahmen der Anzuhörenden eingegangen sind. In der Anhörung haben wir dann doch erfahren müssen, dass es erhebliche Kritik gibt. Ausdrücklich: Für uns ist nicht so sehr der Teil des Gesetzentwurfs kritikwürdig und erhebliche Fragen aufwerfend, der sich mit der Zukunft befasst. Dieser Teil ist durchaus berechtigt.

Wir haben uns vielmehr von Anfang an mit dem Punkt beschäftigt, der die Rückwirkung anbelangt, und damit, ob es sich um ein Einzelfallgesetz handelt. Die Anhörung hat an diesen Punkten nicht zur Ausräumung unserer Bedenken beigetragen. Wir müssen heute feststellen: Es hat einen echten Rückwirkungseffekt für einen einzelnen Betrieb. Herr Kollege Schwarz hat von 79 weiteren Fällen berichtet, die nicht mehr ruhen, sondern bereits aufgerufen sind. Diese 79 Klagen sind von einem einzigen Unternehmen eingereicht worden und beschäftigen sich alle mit dem gleichen Sachverhalt. Somit ist es nach unserer Auffassung ein Einzelfallgesetz.

(Beifall bei der FDP)

Es handelt sich nicht um eine unechte Rückwirkung, wie man in der Vergangenheit meinte, sondern tatsächlich um eine echte Rückwirkung. Das ist in der Anhörung deutlich und klar geworden.

In der Ausschusssitzung hat das Ministerium sehr deutlich gemacht, dass man sich durchaus bewusst ist, sich auf ganz dünnem Eis zu bewegen, und dass man dieses dünne Eis trotzdem betreten will, um Schaden von dem Landkreis Bergstraße abzuwenden.

In der Anhörung ist zum Ausdruck gekommen, dass das Unternehmen keinen Vertrauensschutz geltend machen kann, und es trifft auch kein Unternehmen, das wirtschaftliche Schwierigkeiten hätte.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))