Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Zusammen damit wird Tagesordnungspunkt 87 aufgerufen:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend unbegleitete minderjährige Flüchtlinge weiterhin vorbildlich betreuen – Drucks. 19/1023 –

Beide Anträge werden, federführend, dem Sozialpolitischen und Integrationspolitischen Ausschuss überwiesen. Beteiligt wird der Kulturpolitische Ausschuss.

Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 76:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (DDR war Unrechtsstaat – auch Hessens Linke muss sich klar positionieren) – Drucks. 19/1004 –

Als erster Redner spricht Herr Kollege Pentz für die CDUFraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Das kann nur schiefgehen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jedes Jahr entflammt die Debatte darüber, ob die ehemalige DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Denn ich frage mich: Was war die DDR denn sonst?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Wilken, Sie haben als langjähriger Landesvorsitzender der Linkspartei und Vizepräsident des Hessischen Landtags in einem Interview mit dpa den Begriff Unrechtsstaat als – ich zitiere – „zu diffus“ bezeichnet.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Aber nicht als Vizepräsident!)

Dabei handelt es sich bei dem Wort Unrechtsstaat um einen klaren und sachlichen Begriff, den man so unter anderem im Duden finden kann. Verehrter Herr Kollege, schlagen Sie es doch einfach einmal nach. Er wird so definiert: Ein Unrechtsstaat ist ein Staat, in dem sich die Machthaber willkürlich über das Recht hinwegsetzen und in dem die Bürger staatlichen Übergriffen schutzlos preisgegeben sind.

Bei dieser Definition stellt sich mir die Frage, ob es denn kein Unrechtsstaat ist, wenn seine Machthaber den eigenen Bürgern durch eine unmenschliche Mauer und durch Stacheldraht die Freiheit nehmen, und ob es kein Unrechtsstaat ist, wenn es einen Schießbefehl an der Grenze gibt und wenn Menschen wegen eines Fluchtversuchs festgenommen und im Gefängnis eingesperrt werden. Herr Dr. Wilken, handelt es sich nicht um einen Unrechtsstaat, wenn ein bis ins intimste Detail organisierter Spitzel-StasiStaat, wenn ein System den Menschen die Freiheit und das geistige Eigentum raubt?

Ich frage Sie: Ist es kein Unrechtsstaat, wenn es keine wirkliche Gewaltenteilung, keinen Pluralismus und keine freien Wahlen gibt – vor allem dann, wenn dem ein grotesker Personenkult in der SED als Vorgängerpartei der LINKEN gegenübersteht? Herr Dr. Wilken, auch wenn Sie sagen, dass es in der DDR eine Rechtsprechung gab, so war doch die Justiz dort nie unabhängig von den politischen Vorgaben von Staat und Partei.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Lothar Quanz (SPD))

Herr Kollege Dr. Wilken, ich rede hier nicht von Strafzetteln für Falschparker. Bringt man all diese menschenverachtenden Tatsachen auf einen Nenner, dann muss man doch im höchsten Maße ideologisch verblendet sein, wenn man die DDR nicht als undemokratischen Rechtsstaat bezeichnet.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Da hat jetzt ein „Un-“ gefehlt!)

Meine Damen und Herren der LINKEN, durch Ihre Aussagen über die DDR-Verhältnisse verhöhnen Sie die Opfer dieses Unrechtsstaates.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Wilken, Ihre Relativierungen sind ein Schlag ins Gesicht derer, die unter diesem System gelitten haben. Diese Debatte als „Stöckchen“ zu bezeichnen und auf diese Weise das Unrecht zu bagatellisieren, ist im höchsten Maße unwürdig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Er geht auf Gysis Spuren!)

Und wer dann, wie gestern bei den Staatsgerichtshofwahlen, mit den LINKEN gemeinsame Sache macht, liebe Kollegen von der FDP,

(Lachen bei der SPD und der LINKEN – Günter Ru- dolph (SPD): Schlimmer gehts nimmer! – Janine Wissler (DIE LINKE): Wie die GRÜNEN in Thüringen!)

der sollte sich einmal Gedanken machen, wie seine Zukunft aussieht und ob es sinnvoll ist, mit diesen Damen und Herren Seit an Seit in die Zukunft zu schreiten. Das sollten Sie sich tatsächlich einmal überlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Seit 1989 – liebe Sozialdemokraten, das ist auch für Sie nicht unwesentlich – hat die Linkspartei zwar mehrmals den Namen gewechselt, aber sie hat es bis heute nicht geschafft, sich von der SED als Motor des Systems zu distanzieren oder Anstrengungen zu unternehmen, die eigene Geschichte aufzuarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb fordern wir die hessische LINKE auf: Gestehen Sie sich ein, dass die DDR ein Unrechtsstaat war.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster hat Kollege Wilken, DIE LINKE, das Wort.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Er entschuldigt sich jetzt für die Bemerkung!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU fordert mich, uns zum wiederholten Mal auf, uns hier zu erklären. Ich glaube, zum wiederholten Mal wird es vergebliche Liebesmühe sein.

(Holger Bellino (CDU): Schade!)

Aber vielleicht gibt es aufmerksame Ohren und Herzen draußen im Land. Deswegen will ich es erneut probieren.

Die DDR war kein vollkommener Rechtsstaat.

(Lebhafte Unmutsäußerungen bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber sie war auch kein Unrechtsstaat.

(Weitere Unmutsäußerungen – Glockenzeichen der Präsidentin)

Der Begriff unterstellt, dass alles, was dort im Namen des Rechts geschehen ist, unrecht war.

(Holger Bellino (CDU): Schämen Sie sich! – Glockenzeichen der Präsidentin)

Jetzt bitte ich vielmals um Entschuldigung: Mir ist ein Manuskript verrutscht. Ich fange noch einmal neu an. Entschuldigen Sie bitte. –

Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich

(Holger Bellino (CDU): Setzen Sie sich hin!)

den letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, CDU, vor vier Jahren anlässlich des 20. Jahrestags des Volkskammerbeschlusses zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik.

(Manfred Pentz (CDU): Das ist unerhört! – Weitere lebhafte Zurufe von der CDU)

Ich zitiere:

Die DDR war kein vollkommener Rechtsstaat.

(Holger Bellino (CDU): Schämen Sie sich!)

Aber sie war auch kein Unrechtsstaat. Der Begriff unterstellt, dass alles, was dort im Namen des Rechts geschehen ist, unrecht war.

So Lothar de Maizière, CDU-Mitglied.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU: Sei- nerzeit! – Holger Bellino (CDU): Unerhört!)

Ich stimme auch Herrn Erwin Sellering von der SPD zu, wenn er formuliert: