Protokoll der Sitzung vom 04.11.2014

Sie haben aber vor allem etwas auf der Einnahmenseite getan. Sie haben die Gebühren erhöht. Sie mussten die Gebühren erhöhen. Das feiern Sie. Das können Sie feiern. Aber wir finden, dass an vielen Stellen das, was den Bürgerinnen und Bürgern an Steuererhöhungen und Gebührenerhöhungen auf kommunaler Ebene zugemutet werden kann, längst überschritten ist.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Vertrauensverhältnis: „Stadt und Land, Hand in Hand“ ist längst vorbei. Dieser Slogan galt einmal zu Zeiten, als Sozialdemokraten die Landesregierung gestellt haben. Diese Zeiten sind längst vorbei. Es gibt kein partnerschaftliches Verhältnis mehr zwischen Land und Kommunen. Viel eher ist es gestaltet als Herr-Knecht-Verhältnis. Der Herr sagt dem Knecht, was er zu tun hat bzw. tun soll.

Sie haben jetzt wieder zur KFA-Reform gesprochen. Diese KFA-Reform ist und bleibt ein mathematisch verbrämter Betrug an den hessischen Kommunen. Das ist und bleibt ein Betrug an den hessischen Kommunen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister, Sie sagen, die Defizite bei den Kommunen würden sinken. Ich frage Sie: Was nützt es einem Ertrinkenden, wenn er anstelle von 2 m nur noch 1 m Wasser über sich hat? – Es nützt ihm nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister, Sie haben kritisiert, ich würde zu der Frage der Kommunalfinanzen immer die gleiche Rede halten. Meine Damen und Herren, das müssen Sie so lange ertragen, solange Sie immer noch die gleiche kommunalfeindliche Politik machen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall der Abg. Willi van Ooyen und Barbara Cárdenas (DIE LIN- KE))

So lange müssen die Argumente hier vorgebracht werden. Denn sie sind richtig. Die hessischen Kommunen haben in Deutschland die höchsten Defizite. Solange das so ist, muss das und wird das hier auch kritisiert werden.

Ich komme jetzt wieder auf etwas ganz Aktuelles zu sprechen. Die finanzielle Unterstützung der hessischen Kommunen für die Unterbringung der Flüchtlinge ist völlig un

zureichend. Die Berechnungen besagen, dass die hessischen Kommunen im nächsten Jahr, also im Jahr 2015, mindestens 60 Millionen € mehr werden aufbringen müssen, als ihnen das Land zur Verfügung stellen wird. Da gibt es keine Spielräume. Das ist eine Aufgabe, die Sie den Kommunen übertragen haben. Deshalb ist nach dem Konnexitätsgesetz völlig klar, dass Sie die gesamten Kosten ersetzen müssen. Das tun Sie aber nicht. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Land schuldet den Kommunen in den letzten Jahren allein aus diesem Vorgang 200 Millionen €. Ich kann gut verstehen, dass die Kommunen sagen: Diese 200 Millionen € wollen wir haben. – Zumindest wollen sie haben, dass ab dem Jahr 2015 ein voller Kostenersatz stattfindet. Aber dazu sind Sie entweder nicht in der Lage oder nicht willens.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe eingangs gesagt, dass wichtige Politikbereiche unterfinanziert sind. Ich will das an ein paar Beispielen erläutern. Ich fange gern mit dem Straßenbau an. Denn ich glaube, beim Straßenbau ist es für jeden sichtbar, wie stark unterfinanziert er ist und wie stark die Problemlagen sind.

Der Investitionsbedarf beträgt für die hessischen Bundesund Landesstraßen 4 Milliarden €. Diese Aussage des Gutachtens, das es dazu gibt, wird, soweit ich weiß, von niemandem bestritten.

Die GRÜNEN und die CDU wollen aber für den Landesstraßenbau im Jahr 2015 lediglich 130 Millionen € zur Verfügung stellen. Das werden übrigens 3,5 Millionen € weniger sein, als noch im Nachtragshaushalt für das Jahr 2014 dafür vorgesehen waren. Da haben Sie also sogar noch zurückgefahren.

Der Stellenabbau bei Hessen Mobil passt in dieses Bild. Denn entweder müssen die Leistungen dann bei Privaten eingekauft werden, oder die Straßenpflege wird sich weiterhin verschlechtern. Meine Damen und Herren, das ist doch die Konsequenz aus dem Stellenabbau bei Hessen Mobil. Es ist und bleibt für die CDU peinlich, dass sie nur so völlig unzureichende Mittel für den Straßenbau zur Verfügung stellt.

Die GRÜNEN müssen gar keine Streichlisten für Neubauten vorlegen, denn es ist gar kein Geld mehr da. Infolge von zu geringen Sanierungsmitteln wird jetzt wahrscheinlich bald auf einigen Landesstraßen und Brücken Tempo 30 als Spitzengeschwindigkeit eingeführt.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren von der CDU, das lassen Sie sich bieten? Das ist ein ziemlich trauriger Aspekt einer schwarz-grünen Regierung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Timon Grem- mels (SPD))

Dächte man jetzt, dafür gibt es mehr Mittel für das grüne Leib-und-Magen-Thema, für den ÖPNV, dann würde man enttäuscht: Kein Euro eigener Landesmittel für den ÖPNV, sondern auch hier werden nur Bundes- oder kommunale Mittel eingesetzt, kein einziger eigener Euro.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, das ist ein trauriges Bild.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Damit komme ich zurück zu der Frage: Was bringt eigentlich Schwarz-Grün? Wo ist eigentlich das schwarz-grüne Projekt? Anscheinend besteht es darin, dass man sich von beiden Seiten her auf dem niedrigsten Niveau geeinigt hat. Das scheint beim Straßenbau so zu sein und ebenso beim ÖPNV.

Der Minister hat es dargestellt: Insgesamt verringern sich die Investitionen um 60 Millionen € – und das in einer Situation, in einer Zeit, in der es einen erheblichen Investitionsstau gibt, sowohl auf der kommunalen Ebene – das ist völlig klar – wie auch auf Landesebene. Wir halten diese Kürzungen für falsch. In Zukunft werden sie teuer zu bezahlen sein.

Ich komme zu den finanzpolitischen Rahmendaten. Dazu muss man sagen: Bisher hatte der Finanzminister schlicht Massel. Die Zahlungen für den Länderfinanzausgleich verringern sich um 100 Millionen €, die Zinsausgaben reduzieren sich um 50 Millionen €, und die Steuereinnahmen steigen – nach der Zahlung in den Länderfinanzausgleich – um 950 Millionen €. Das ist eine fast unglaubliche Summe: Steigerung der Steuereinnahmen nach Abführung in den Länderfinanzausgleich um 950 Millionen €.

(Günter Rudolph (SPD): Das wird nicht bestritten, kein Widerspruch!)

Ob allerdings diese Steuermehreinnahmen tatsächlich so kommen werden, bleibt mehr als fraglich. Diesem Haushaltsansatz liegen die Zahlen vom Mai zugrunde. Damals gingen die Steuerschätzer noch von einem Wachstum von 2,0 % aus. Mittlerweile musste die Bundesregierung die Wachstumszahlen auf 1,3 % zurückschrauben. Die Steuerschätzer sitzen heute zusammen. Wir können jetzt lange darüber diskutieren und streiten, möglicherweise auch wetten, welche Steuereinnahmen zu erwarten sind – aber am Donnerstag werden wir alle klüger sein.

Ich muss Ihnen aber sagen: Wir erwarten schon – und ich fordere Sie auch dazu auf –, dass Sie es uns schon heute sagen, wenn Sie Erkenntnisse dazu haben, dass nach den gerade jetzt stattfindenden neuen Steuerschätzungen und aufgrund des aktuellen Konjunkturverlaufs die Steuereinnahmen für das Jahr 2015 erheblich einbrechen werden. Einen dreistelligen Millionenbetrag halten wir schon für erheblich. Das gehört zur Wahrheit und zur Ehrlichkeit dazu.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das stimmt!)

Aus unserer Sicht wären nämlich solche Entwicklungen ebenfalls in den Haushaltsplan einzustellen, und das hätte sicherlich Folgen für die Beratung dieses Etats. Im Falle von Steuerausfällen stellt sich die Frage, ob nicht der Finanzminister zu sofortigem Handeln verpflichtet ist, zumal bei einem Haushaltsentwurf – ich habe das eingangs benannt –, bei dem nur ein Püfferchen von 3 Millionen € bis zur Verschuldungsgrenze besteht. Schon jetzt ist klar, dass dieses Pölsterchen ohne Gegensteuern schnell weg sein wird.

Meine Damen und Herren, wie blauäugig man an diese Entwicklung herangeht, ist aus dem Finanzplan ersichtlich. Er wurde am 13. Oktober beschlossen und ist mehr als blauäugig. Drei Tage vor dem Kabinettsbeschluss hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute eine deutliche Korrektur bei der Prognose für das Wirtschaftswachstum vorgenommen. Zwar haben Sie einige Risiken be

nannt, aber in der Schlussfolgerung heißt es in dem am 13. Oktober beschlossenen Finanzplan:

Aus heutiger Sicht dürfte das tatsächliche Wirtschaftswachstum den Wert der Frühjahrsprojektion daher lediglich moderat unterschreiten.

Meine Damen und Herren, jetzt sieht das natürlich ganz anders aus. Ich befürchte, so blauäugig, wie das aufgeschrieben wurde, werden am Ende auch die Haushaltszahlen sein.

Ich komme zum Finanzplan zurück. Dort wird erläutert, ob und inwieweit die geplante Nettoneuverschuldung von der neuen Verschuldungsgrenze entfernt ist. Sie haben gesagt, ein Sicherheitsabstand sei gewahrt. Schauen wir uns also diesen Sicherheitsabstand einmal näher an.

Im nächsten Jahr beträgt er 3 Millionen €, im Jahr 2016 beträgt er 13 Millionen € und im Jahr 2017 116 Millionen €. Ein Windhauch bei der Konjunktur – eigentlich hat der schon eingesetzt – wird diese Zahlen völlig durcheinanderhauen. Das prophezeie ich Ihnen schon jetzt. Sie werden keinen Sicherheitsabstand mehr haben. 3 Millionen € oder im Jahr 2016 13 Millionen €, das ist wie eine Fahrt mit Tempo 200 und einem 3-m-Abstand zum Vordermann. Das wird schiefgehen. Eine kleine Unvorhersehbarkeit – und schon wird es knallen.

Deshalb ist der Finanzplan auf der Grundlage der neuen Steuerschätzung zu überarbeiten. Meine Damen und Herren, er kann schnell Makulatur sein. Schneller, als er gedruckt worden ist, kann dieser Finanzplan Altpapier sein.

Herr Finanzminister, in Ihrer Rede haben Sie oft die Metapher vom Fundament, Grundriss und ersten Stockwerk bemüht. Da fällt einem natürlich der Neubau des Finanzministeriums ein – das war eher ein Schlag ins Wasser.

(Heiterkeit des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Mit viel Aufwand musste das neu gegründet werden und war nicht ganz billig. Gut, das musste nicht das Land tragen, sondern andere, aber dennoch war der Aufwand nicht ohne. Ich befürchte, angesichts der aktuellen konjunkturellen Entwicklung kann das gleiche Schicksal auch diesem Finanzplan drohen.

Herr Minister, eben haben Sie betont, unsere Behauptung sei falsch, die Landesregierung würde gar nicht selbst sparen, sondern von den guten Einnahmen profitieren. Zwar ist unsere Kritik verkürzt dargestellt – Sie haben auch bei der Redezeit gekürzt –, aber im Kern ist diese Darstellung richtig.

Sie benennen Ihren Sparbeitrag mit 12 Millionen € durch Stellenstreichungen – 270 gestrichene Stellen mal einer Bepreisung von, wie Sie sagten, 45.000 €. Dazu kommen insgesamt 50 Millionen € Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen, den sächlichen Verwaltungsausgaben und den Investitionen. Das macht einen Betrag von 62 Millionen € aus. Diesen Betrag haben Sie an Kürzungen ausgemacht.

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich über diese 62 Millionen € an Kürzungen freuen und sagen, das sei ein wesentlicher Beitrag zur Haushaltskonsolidierung – und Sie würden nicht von der Einnahmeseite profitieren –, dann wollen wir doch einmal die Blöcke einander gegenüberstellen: 950 Millionen € an Steuermehreinnahmen – Ihr Sparbeitrag 62 Millionen €. Angesichts dieser Dimensionen finde ich unsere Behauptung, dass Sie vor allem

von den Steuermehreinnahmen profitieren, wirklich nicht falsch, sondern, ganz im Gegenteil, völlig richtig.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Argumentationslinie ist auch sehr durchsichtig. In keinem Punkt Ihrer Rede haben Sie einmal die riesige Dimension der Steuermehreinnahmen genannt. In Ihrer Rede haben Sie das wunderschön umschrieben: