Der Vorwurf kam, es sei zu viel Bürokratie. Ich möchte den Unternehmer erleben, der sich über eine Steuerprüfung bei sich im Hause freut. Dennoch brauchen wir diese Kontrollen und führen sie ohne Verdacht beim Finanzamt und auch beim Verkehr durch, was Sie bei den Vergaben für überflüssig halten. Und es wird auch immer etwas entdeckt.
Wir wären wirklich gesprächsbereit auf der Suche nach anderen Kontrollmechanismen gewesen. Aber eines ist klar: Alles beim Alten zu belassen, ist falsch.
Was Sie gebetsmühlenartig vortragen, dass sich die Wettbewerber gegenseitig kontrollieren würden, funktioniert nicht. Die Realität zeigt, dass derartige Mechanismen nicht ausreichen.
Allein die EU-Erweiterung, und damit verbunden die Freizügigkeit, schafft hier neue Herausforderungen. Dem werden Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht gerecht. Dies gilt insbesondere bei der Generalunternehmerhaftung.
Wenn derjenige, dem ich den Zuschlag für den Auftrag gebe, nicht mehr verantwortlich für das ist, was hinter ihm passiert, interessiert ihn das auch nicht. Im Gegenteil, er kann sich durch entsprechende Unternehmenskonstruktion sogar hinter Ihrer fehlerhaften Generalunternehmerhaftung verstecken.
Ich frage Sie auch: Warum gibt es denn die Generalunternehmerhaftung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz und nicht in Ihrem Gesetz? Dabei hat man sich doch etwas gedacht.
Leider haben Sie in Ihrem Gesetz sogar an einigen Stellen mit dem Änderungsantrag etwas aufgeweicht. Unangemessen niedrige Angebote hatten Sie zuvor konkret mit 10 % unter dem nächsthöheren Angebot definiert. Diese Definition ist nun raus. Das bedeutet, als Auftraggeber ist es mir nun selbst überlassen, wann ich eine solche Prüfung vornehme. Wollen wir raten? Wer macht sich denn freiwillig die Mühe, wo es mehr Arbeit ist? – Deshalb sagen wir, es sollte klar sein, wann eine Prüfung durchzuführen ist.
Wir sagen: Die öffentliche Hand als Auftraggeber hat eine Verantwortung und Vorbildfunktion, solchen Fällen nachzugehen. Sie sind hier leider wohl vor Ihren Kritikern durch den Änderungsantrag eingeknickt.
Frau Kailing vom DGB hat recht, wenn sie Ihren Gesetzentwurf in der Anhörung als zahnlosen Tiger geißelte. Sie nennt Ihnen Fälle, die die IG BAU fast monatlich aufdeckt:
Es ist keine Mär, sondern eine Tatsache, dass wir fast bei jeder Großbaustelle in Ballungsgebieten – und zwar landauf, landab –, die unter die Lupe genommen wird, feststellen müssen: Dort sind Arbeitnehmer beschäftigt, meist aus dem osteuropäischen Raum, die absolut minderentlohnt werden. Oftmals wird von diesen minimalen Stundenlöhnen, die ihnen auf dem Papier zugestanden werden, noch die Unterbringung und Verpflegung in Abzug genommen. Das ist menschenunwürdig, und das lassen wir zu.
Meine Damen und Herren, falsch. Das ist die Realität, die Sie zulassen, nicht in Katar, sondern bei uns um die Ecke in Frankfurt und in Wiesbaden. Da hatten wir erst kürzlich konkrete Fälle.
Wenn Sie weiter in erster Linie nur auf den Zoll und die Kontrolle durch unterlegene Wettbewerber setzen, wird das auch so bleiben. Frau Kailing wies in der Anhörung darauf hin, dass sich eine Prüfbehörde, wie sie z. B. in Hamburg existiert, quasi selbst finanziert.
Meine Damen und Herren von CDU und GRÜNEN, ich komme zum Schluss. Mit Ihrem Gesetzentwurf haben Sie sich nun zwischen alle Stühle gesetzt. Weder das Unternehmerlager noch das Gewerkschaftlager – um beide Pole zu nennen – goutiert Ihren Entwurf.
Wir hätten uns gewünscht, nachdem Sie das Gesetz nach dem erst 2013 verabschiedeten doch noch einmal aufgerufen haben, um endlich die Tariftreue darin zu verankern – was wir begrüßen –, dass es jetzt der große Wurf wird. Sie sind mit Ihrem Gesetzentwurf als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet,
eine ganz weiche Matte, auf der sich diejenigen ausruhen können, die das Gesetz umgehen möchten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Barth. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Frau Kollegin, bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Hessen arbeiten mittlerweile über 300.000 Beschäftigte zu Niedriglöhnen. Die Bindekraft von Tarifverträgen lässt immer weiter nach. Wir erleben, dass durch einen Wettbewerb nach unten, durch den Abbau der sozialen Sicherungssysteme, durch die Liberalisierung des Arbeitsmarktes die Löhne ganz enorm unter Druck gekommen sind und die Position der Beschäftigten systematisch immer weiter geschwächt wurde.
Wir sind der Meinung, dagegen muss man etwas tun. Das Land kann etwas dagegen tun, indem es endlich ein wirksames Tariftreue- und Vergabegesetz verabschiedet, mit
dem klargestellt wird: Unternehmen, die Lohndumping betreiben, die Umweltstandards unterlaufen, die nicht ausbilden, dürfen nicht noch durch öffentliche Aufträge für dieses Handeln belohnt werden.
Hessen braucht ein neues Vergabegesetz, in dem endlich die Tariftreue verankert werden muss. Das bisherige Gesetz, das die vorherige schwarz-gelbe Landesregierung verabschiedet hatte, kann man nicht anders als ein Gefälligkeitsgesetz für die Unternehmen bezeichnen, weil es überhaupt nicht mehr festschrieb,
als ohnehin geltende Rechtslage war. Herr Lenders, mehr haben Sie nicht festgeschrieben. Sie haben in Ihr Gesetz hineingeschrieben: Wir erwarten, dass sich Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, an die bestehenden Gesetze halten. – Ich würde ohnehin davon ausgehen, dass man das erwartet. Aber Sie haben nichts darüber hinaus festgeschrieben. Sie haben auch nicht festgeschrieben, wie Sie das kontrollieren wollen.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass Hessen hier wirklich Nachholbedarf hat. Fast alle Bundesländer haben mittlerweile Tariftreueregelungen. Es gibt bisher nur drei Ausnahmen. Das sind Bayern, Sachsen und Hessen. Das sind die einzigen Bundesländer, die keine Tariftreueregelung haben.
Wir sind der Meinung, das muss sich dringend ändern. In einem Land wie Hessen muss klargestellt werden: Wer die Tarifverträge nicht einhält, wer Tarifflucht und Lohndumping betreibt, der darf keine öffentlichen Aufträge bekommen.
Da hat die öffentliche Hand eine enorme Machtposition. Da hat sie auch eine enorme Verantwortung. Die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber der Privatwirtschaft. Mehr als 15 % des Bruttoinlandsprodukts gehen auf Aufträge der öffentlichen Hand zurück.
Man muss sich das einmal überlegen. Es gibt immer mehr Konsumenten, die sehr genau hinschauen, was sie kaufen und was sie bestellen. Sie schauen, ob das Produkte sind, die Fair Trade gehandelt wurden, ob sie Bio sind und ob sie aus vernünftigen Arbeitsbedingungen stammen. Sie achten eben nicht nur auf den Preis, sondern genau auch auf solche Kriterien. Aber der größte Kunde, den wir in Hessen haben, nämlich die öffentliche Hand, hat bisher überhaupt keine sozial-ökologischen Kriterien. Das ist schon absurd.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher überlegen immer öfter, was sie kaufen und ob sie biologisch hergestellte Produkte haben wollen. Die öffentliche Hand nimmt einfach das scheinbar billigste Angebot, ohne irgendwelche Kriterien einzubeziehen.
Wir sind der Meinung: Wer in seinem Unternehmen ausbildet, wer fair einkauft, wer seine Mitarbeiter gerecht bezahlt, wer ökologisch nachhaltig arbeitet und das eben auch seriös einpreist, der wird derzeit aufgrund der gängigen Ausschreibungspraxis benachteiligt. Denn es wird einfach nur darauf geschaut, welches das scheinbar billigste
Angebot ist. Die Folgekosten, die eben aus Umweltschäden oder aus niedrigen Löhnen entstehen – die müssen nämlich von der Allgemeinheit wieder aufgestockt werden –, sind da überhaupt nicht mit eingerechnet.
Die öffentlichen Auftraggeber verschärfen damit die Situation für viele Menschen. Sie belohnen regelrecht schlechte Arbeitsbedingungen und das Umgehen der Umweltstandards noch.
Das geltende Vergaberecht zwingt die Unternehmen sogar dazu, nicht langfristig zu schauen, was sinnvoll ist und wie sie vernünftig produzieren können und welche volkswirtschaftlichen Folgekosten entstehen, wenn ökologische und soziale Standards nicht eingehalten werden. Vielmehr führt die öffentliche Auftragsvergabe, so wie sie als Ausschreibungspraxis läuft, dazu, dass es einen Unterbietungswettbewerb gibt, der auf Kosten der Beschäftigten ausgetragen wird.
Das führt dann eben zu der Situation, dass die Busunternehmen im ÖPNV-Vergabeverfahren de facto um den niedrigsten Lohn konkurrieren. Das führt dazu, dass in hessischen Kommunen Pflastersteine aus indischen und chinesischen Steinbrüchen verlegt werden, die unter schlimmsten Umweltstandards und zum Teil sogar in Kinderarbeit geklopft werden.
Deswegen sagen wir: Wenn sich die öffentliche Hand in Hessen mit ihrem hohen Auftragsvolumen soziale und ökologische Mindestregeln gibt, dann kann sie aufgrund ihrer Marktmacht die Wirtschaft effektiv beeinflussen. Damit könnte sie die sozialen und ökologischen Standards in der gesamten Wirtschaft ein Stück weit anheben.
Damit könnten wir nicht alle Probleme lösen. Aber das wäre ein wichtiger Beitrag, den das Land Hessen dazu leisten könnte, dass klar ist: Wir wollen gute Arbeit, und wir wollen ökologische Produktion. Darauf legen wir bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Wert.
All das muss man im Vergabegesetz festlegen. Das Entscheidende ist – das ist meine Kritik am schwarz-grünen Gesetzentwurf –, dass es dann keine Schlupflöcher geben darf und dass es effektive Kontrollen geben muss.
Genau das ist das Problem beim schwarz-grünen Gesetzentwurf. Das war auch ein Thema in der Anhörung. In der Anhörung war ein großer Kritikpunkt, dass die Kontrollen völlig unzureichend wären, wenn man sie den Kommunen überlässt und ihnen sagt: Ihr müsst das irgendwie kontrollieren.
Es gibt gute Beispiele aus der Praxis, beispielsweise in Hamburg. Da hat man Vergabestellen eingerichtet. Da gibt es die Möglichkeit, das zu kontrollieren. Daran krankt der Gesetzentwurf. Deswegen ist die Bezeichnung der DGBVorsitzenden Gabriele Kailing sicherlich zutreffend, die sagte, dass es sich um einen „zahnlosen Tiger“ handeln würde.
Ein weiteres Schlupfloch wäre die fehlende Generalunternehmerhaftung. Das ist ein Problem. Wir erleben, dass gerade Bauunternehmen, die einen öffentlichen Auftrag bekommen, diese Aufträge an ein Subsubsubunternehmen abgeben. Am Ende der Kette haben wir dann solche skandalösen Zustände wie auf einer Baustelle in Wiesbaden, auf der Bauarbeiter für 1,02 € die Stunde gearbeitet haben.
Da wird doch das Problem deutlich. Die Auftragnehmer entziehen sich der Verantwortung und geben die Aufträge einfach an Subunternehmen ab. Die Generalunternehmer verpflichten sich dann darauf, das alles einzuhalten. Sie sind aber gar nicht gezwungen, das zu kontrollieren.
Mit dem Fehlen der Generalunternehmerhaftung sprechen Sie doch geradezu eine Einladung aus, diese Regelung zu umgehen. Das ist doch logisch. Der Unternehmer braucht seine Aufträge nur weiterzuvergeben. Er wird am Ende gar keine Verantwortung dafür tragen. Er wird gar nicht haftbar gemacht werden können, wenn er die Aufträge an Subunternehmen weitergibt, die diese Standards unterlaufen. Deswegen ist die fehlende Generalunternehmerhaftung ein ganz dickes Schlupfloch in diesem Gesetzentwurf. Alleine das ist schon ein Grund, weshalb wir diesem Gesetzentwurf leider nicht zustimmen können.
Während der Ausschusssitzung wurde sehr kurzfristig ein Änderungsantrag vorgelegt. Ich finde den Gesetzentwurf nicht nur inhaltlich bedenklich. Man muss auch einmal sagen, dass das, was Sie hier gemacht haben, handwerklich eine ziemliche Stümperei ist.