Elke Barth
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe meine erste Rede im Hessischen Landtag zum Thema Vergabe und Tariftreue gehalten, und so, wie es aussieht, halte ich meine letzte Rede in dieser Legislaturperiode ebenfalls zu diesem Thema. Das ist kein Zufall; denn das aktuelle Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz ist ein schlechtes Gesetz.
Herr Al-Wazir, inzwischen glaube ich nicht mehr, dass es ein Zufall ist, dass Sie die für März 2018 im Gesetz angekündigte Evaluierung noch nicht vorgelegt haben. Im Gesetz steht nun einmal „März 2018“, nicht „Oktober 2018“ oder „November 2018“. Wie ich von verschiedenen Stellen erfuhr, wurde erst vor den Sommerferien damit begonnen, langsam Stellungnahmen einzuholen. Nein, das ist kein Zufall. Eher haben Sie wohl damals, als das Gesetz ge
schrieben wurde, einen Fehler gemacht und nicht gemerkt, dass der Zeitpunkt für die Evaluation nur sechs Monate vor einer Landtagswahl liegt. Zu diesem Zeitpunkt zugeben zu müssen, dass das Gesetz gravierende Fehler enthält, wollen Sie nun um jeden Preis vermeiden.
Der gravierendste Fehler ist, dass das Gesetz – außer im Falle von Beschwerden unterlegener Bieter – keine Überprüfung vorsieht, weil eine Prüfbehörde fehlt. Man kann es gar nicht oft genug sagen: Das beste Gesetz nutzt nichts, wenn es nicht kontrolliert wird.
Ein Indikator sind z. B. die Durchschnittslöhne im Baugewerbe in Hessen, die nach den Zahlen der SOKA-BAU 2017 mit 15,77 € weit unter dem Ecklohn von derzeit 20,63 € liegen. Immer wieder stoßen wir auf Fälle, gerade auf öffentlichen Baustellen, wo Arbeiter um ihren Lohn betrogen werden. Ende Juni stand ich gemeinsam mit 20 rumänischen Wanderarbeitern vor der Geschäftsstelle der GWH in Frankfurt-Rödelheim, weil die Arbeiter auf einer Baustelle der GWH und der gewobau in Neu-Isenburg um ihren Lohn betrogen wurden. Bei der GWH wusste man gar nichts davon, dass der Auftrag, den man an einen Subunternehmer weitergegeben hatte, nochmals weitergegeben worden war.
Bemerkenswert war übrigens auch, dass mir einer der Geschäftsführer der GWH in Frankfurt ausdrücklich erlaubt hat, dass ich seine Aussage in einem Gespräch in der Betriebskantine, er würde sich eigene Kontrollen durch das Land wünschen, zitieren darf. Es ist bestürzend, dass sich solche Fälle in Hessen immer und immer wieder ereignen – gerade auf Baustellen der öffentlichen Hand, die doch Vorbild sein sollte.
Bitte verweisen Sie hier nicht auf den Zoll. Der spielt dabei zwar eine wichtige Rolle, aber andere Bundesländer – das Saarland, Bremen und Nordrhein-Westfalen – haben erkannt, dass der Zoll mit seinen Vor-Ort-Prüfungen allein hier nicht zielführend handeln kann, und haben daher eigene Prüfbehörden eingerichtet.
Gestern las ich in der Zeitung, dass Herr Finanzminister Schäfer 50 neue Steuerprüfer eingestellt hat. „Steuerfahndung rüstet auf“, titelte die „FNP“. Ich zitiere weiter:
Finanzminister Schäfer hält den ganzen Aufwand für notwendig, um mit den immer neuen Maschen der Steuersünder Schritt halten zu können. „Wenn wir stehen bleiben, werden wir zurückfallen“, …
Ich wünschte, Herr Staatsminister Al-Wazir, Sie würden sich diese Einstellung Ihres Kollegen zu eigen machen.
Doch Sie bleiben stur. Vor allem: Sie bleiben passiv. Die Einrichtung einer Prüfbehörde wäre nach unserer Meinung keine Schikane, im Gegenteil. Ein ehrlicher Unternehmer – oft Mittelständler – hat nichts zu befürchten. Für den ehrlichen Unternehmer würde ein Mehr an Kontrollen einen Schutz vor Schmutz- und Billigkonkurrenz mit ihren Dumpinglöhnen bedeuten, bei denen er nicht mithalten kann, weil er sich gegenüber seinen Mitarbeitern anständig verhält. Das haben mir viele Mittelständler in den letzten Jahren im Gespräch bestätigt.
Leider ist das Thema Prüfbehörde auch in dem neuen Gesetzesänderungsvorschlag der LINKEN nicht ideal gelöst. Die Kontrollen werden nach dem Vorschlag der LINKEN von der Prüfbehörde lediglich angeordnet, sie sind aber dann von den öffentlichen Auftraggebern durchzuführen. Wir brauchen aber eine Behörde, die selbst prüft und nicht nur anordnet; denn Kompetenzwirrwarr ist zum einen nicht hilfreich, zum anderen dürfen wir den Kommunen nicht noch mehr Arbeit aufbürden.
Einer unserer Punkte wäre zudem ein Mehr an Unterstützung kommunaler Beschaffungsstellen bei Ausschreibungen; denn hier stellt sich das Problem, dass viele dieser Vergabestellen nicht in der Lage sind, das Vergaberecht richtig zu nutzen. Da ist der Vorschlag der LINKEN eher kontraproduktiv.
Die Ausgestaltung der Prüfbehörde ist einer unserer Kritikpunkte an diesem Gesetzentwurf, weshalb wir uns bei der Abstimmung enthalten werden, auch wenn wir vom Grundsatz natürlich absolut in dieselbe Richtung argumentieren.
Auch manches andere ist hier nicht sauber geklärt. So ist ein vergabespezifischer Mindestlohn von 12 € pro Stunde selbst dem DGB zu viel, wie wir in der Anhörung erfahren haben. Ich glaube, dass Sie damit auch das Tarifgefüge durcheinanderbringen würden.
Dritter Punkt. Öffentliche Ausschreibungen bereits ab einem Auftragswert von 500 € durchzuführen – wenn ich das richtig gelesen habe – ist im Übrigen, freundlich ausgedrückt, schwierig.
Das wollen Sie hoffentlich niemandem zumuten; denn das ist wirklich über das Ziel hinausgeschossen.
Noch einmal zurück zu der Anhörung. Herr Staatsminister Al-Wazir, auch hier müssten Ihnen doch die Ohren geklingelt haben; denn in den meisten Stellungnahmen der Anzuhörenden wurde Ihre noch immer fehlende Evaluierung bemängelt. Über die Gründe Ihrer Nachlässigkeit habe ich bereits zu Beginn meiner Rede gesprochen. Es wäre ehrlicher gewesen, wenn wir vor der Wahl hätten reinen Tisch machen können; denn auch das dürfte für manchen, der im öffentlichen Sektor tätig ist, wahlentscheidend sein.
Wir werden uns also bei diesem Gesetzesvorschlag enthalten, kündigen aber jetzt schon an, dass wir uns nach der Wahl umgehend wieder dieses Themas annehmen werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch die SPD-Fraktion ist nicht zufrieden mit dem aktuellen Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetz. Janine Wissler hat eben schon den DGB aus der Anhörung im Jahr 2014 zitiert: Es ist ein „zahnloser Tiger“.
Frau Kinkel, Sie haben eben angesprochen, es gebe doch Nachprüfungsstellen für das HVTG. Es gibt – das können Sie in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage von Januar 2016 nachlesen – nicht einmal eine Handvoll Menschen für ganz Hessen, verteilt auf die drei Regierungspräsidien, Hessen Mobil und die OFD, die sich um Vergabeverstöße kümmern. Es sind genau 3,2 Stellen, wenn Sie es zusammenrechnen.
Diese Stellen werden auch nur bei Beschwerden tätig, nach wie vor gibt es keine Stichprobenkontrollen.
Über die Arbeit etwas Genaues zu erfahren ist schwierig. Laut der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, Drucks. 19/2528, von Dezember 2015 würden weder bei den VOBStellen noch bei den Vergabekammern die Auftragswerte statistisch erfasst. Daher könnten nur die Fallzahlen genannt werden – übrigens auch nur bei zwei der drei Regierungspräsidien, da der Bearbeiter des RP Kassel zu diesem Zeitpunkt langfristig erkrankt gewesen sei. Die Vertretung werde daher vom RP Gießen übernommen, eine Auswertung sei für den oben genannten Zeitraum – wir sprechen von 2012 bis 2015 – nicht möglich. Weiter heißt es, für Hessen Mobil könnten keine Fallzahlen genannt werden, da keine Statistik über die Anzahl der Nachprüfungen geführt werde.
Auf unsere Frage, in wie vielen Fällen es in den letzten drei Jahren zu Beanstandungen kam, konnten ebenfalls keine Zahlen genannt werden, weil keine Statistik geführt worden sei. – In diesem Stil geht es dann noch weiter, ich erspare es Ihnen aber. So sieht die Kontrolle aus, die Sie veranlassen. – Meine Damen und Herren, das ist doch ein Witz.
Wir haben noch zwei weitere Anfragen gestellt, und zwar zu den Verkehrsdienstleistungen, bei wie vielen Betreiberwechseln auf Verlangen des Auftraggebers, also des Bestellers, die neuen Betreiber die Mitarbeiter des alten mit
ihren Ansprüchen und der Betriebszugehörigkeit aus ihren bisherigen Arbeitsverhältnissen übernommen hätten. Die Antwort war zunächst etwas dünn; immerhin erfuhren wir, dass es 28 Ausschreibungen seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes gegeben hat.
Die Antwort auf Detailfragen, wie oft z. B. Sozialkriterien Teil der Ausschreibung waren – also Ihre so oft gelobte Kannbestimmung –, lautete vielversprechend „teilweise“. In einer zweiten Anfrage haben wir nachgehakt und erfuhren – hören Sie gut zu –, dass bei keiner Ausschreibung ein vollständiger Personalübergang angeordnet worden sei. In Rheinland-Pfalz steht das übrigens verpflichtend in dem Vergabegesetz. Das aber ficht Sie wenig an. Sie schreiben, es sei strittig, ob dies rechtlich überhaupt zulässig sei. – In der privaten Wirtschaft ist das bei einem Betriebsübergang im Übrigen völlig normal. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Weisheit nehmen.
Nur bei zwei der 28 Ausschreibungen waren Sozialstandards Teil der Ausschreibung. So nutzen Sie, liebe GRÜNE, die Marktmacht, die Sie vorhin beschrieben haben, mit Ihrem ausgewogenen Gesetz: in zwei von 28 Ausschreibungen.
Herr Minister Grüttner – ich weiß gar nicht, ob er da ist –, jetzt frage ich mich natürlich, weswegen Sie gestern in der „Frankfurter Rundschau“ durch Ihre Sprecherin haben mitteilen lassen, dass wir erst in einem halben Jahr Ihre Auswertung für die Verkehrsdienstleistungen erhalten sollen. Viele Stellen und Tarifpartner müssten befragt werden, behaupten Sie – dabei gab es doch lediglich 28 Ausschreibungen, und die Ergebnisse müssten Sie doch nur ausformulieren. Ich verrate Ihnen, warum: Es wird nämlich herauskommen, dass das Gesetz nicht nur beim Nahverkehr völlig unzureichend ist – ob im Baubereich, bei Dienstleistungen oder in allen anderen Bereichen. Nur deshalb wollen Sie die Evaluation verzögern.
Nein, meine Damen und Herren, so einfach geht das nicht. Wir erwarten, dass Sie jetzt zeitnah eine Überprüfung vorlegen – jetzt, und nicht erst nach der Wahl –, und dann werden wir anhand von Fakten sauber mit Ihnen darum ringen, was an dem Gesetz verändert werden muss, damit es endlich wirkt.
Es müssen endlich wirkungsvolle Kontrollen durchgeführt werden. Diese unsäglichen Subunternehmerketten müssen beendet werden. Der Hauptunternehmer muss haften. Verstöße müssen mit empfindlichen Strafen belegt und Firmen, die Verstöße begangen haben, sanktioniert werden, damit endlich die Missstände bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wirkungsvoll bekämpft werden.
Es hat auch Auswirkungen. Aus dem Baubereich wissen wir, dass im Jahr 2017 der Baudurchschnittslohn der westlichen Bundesländer 16,68 € betrug. Und in Hessen? – Wir lagen mit 15,77 € auf dem letzten Platz in diesem Ranking.
Das ist ein Indikator, dass Tariftreue in Hessen nicht wirkt. Herr Lenders, Sie haben vorhin gesagt, es sei nicht geltende Praxis, dass automatisch der Billigste genommen werde.
Das ist aber die gültige Praxis, und nur deshalb ist der Mittelstand momentan komplett raus, obwohl Hessen übrigens auch ansonsten kein Niedriglohnland ist. Bremen und Hamburg – dort gibt es fortschrittliche Vergabegesetze – liegen hingegen auf Platz 1 und 2 in diesem Ranking. Die Regierungsfraktionen sagen wahrscheinlich, das habe nichts damit zu tun, aber das hat es doch. Legen Sie Ihren Evaluierungsbericht vor, damit wir eine Basis für eine fundierte Diskussion haben.
An die Adresse der LINKEN sage ich zu Ihrem Vorstoß: Damit, Ihren bisherigen Gesetzentwurf ein drittes Mal einzubringen, mit neuer Überschrift und Präambel,
ein halbes Jahr vor der Wahl und ohne die zuvor erfolgte Überprüfung, haben wir leider keinerlei Basis für Änderungen. Aber ich sage auch: Immerhin haben Sie die Diskussion wieder aufgemacht. Der SPD ist dieses Thema aber zu wichtig für populistische Rundumschläge.
An die Adresse von CDU und GRÜNEN sage ich: Für die SPD werden die schmutzigen Bedingungen und Dumpinglöhne, die Sie mit Ihrem löchrigen und schlechten Gesetz zulassen, ein zentrales Thema in den nächsten Monaten und auch in der anstehende Wahlkampfauseinandersetzung sein. Schaffen Sie endlich Ordnung, wenn Land, Kreise und Kommunen Aufträge an die Wirtschaft vergeben. Sorgen Sie für ordentliche Löhne und Arbeitsbedingungen.
Ein letzter Satz. – Aber zunächst muss die Regierung den Prüfbericht vorlegen, und zwar noch vor der Sommerpause. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der Novelle der Hessischen Bauordnung soll Bauen einfacher, schneller und kostengünstiger werden. Sie sollte entrümpelt werden. Das waren und sind auch heute wieder Ihre Ankündigungen gewesen. Entsprechend hoch sind jetzt natürlich auch unsere Erwartungen.
Die angekündigte Entrümpelung hat mit dem uns vorgelegten Entwurf allerdings dazu geführt, dass aus bisher 82 Paragrafen auf 57 Seiten 93 Paragrafen auf etwa 67 Seiten werden sollen. Es soll also elf Paragrafen mehr geben. Herr Minister, rein quantitativ werden Sie dieses Ziel schon einmal nicht erreichen. Im Einzelnen mag es Gründe geben. Generell ist das aber schon eine kleine Enttäuschung. Wie es qualitativ umgesetzt werden soll, werden wir in der Anhörung und auch im weiteren Prozess sehen.
Wichtig ist, dass alles, was wir jetzt neu regeln, nicht zu weiteren Kostensteigerungen beim Bau führen wird. Jede Änderung der technischen Baubestimmungen – aktuell gibt es allein 120 DIN-Normen und Europäische Normen für das Bauen – und auch die Regelungen zur Nutzfläche machen das Bauen immer teurer. Unabhängig von den Grundstückskosten halten Fachleute eine Senkung der Erstellungskosten um bis zu 15 % für möglich.
Positiv bewerten wir schon jetzt, dass Sie sich in vielen Teilen mehr an die Musterbauordnung anlehnen werden. Es ist wichtig, dass Bauvorhaben nicht in jedem Bundesland anders geregelt werden. Da muss mehr harmonisiert werden, um z. B. serielles Bauen zu erleichtern.
Auch die Möglichkeit, Büros in Wohnraum umzuwandeln und wieder zurück, wenn es benötigt wird, ist positiv zu bewerten, auch wenn viele Bürogebäude vermutlich eher
aus Gründen der Immobilienspekulation in Frankfurt leer stehen. Aber einen Versuch ist es immerhin wert.
Auch die Errichtung der Gebäude in Holzbauweise begrüßen wir. Das wird aber sicherlich nicht der landesweite Renner werden. Es wird den Wohnungsnotstand nur punktuell abmildern.
Wenn man mit den Vertreterinnen und Vertretern der Fachverbände spricht, sind es immer dieselben Themen, die sie bewegen. Es gibt zu starre Auflagen, die die Nachverdichtung im Bestand erschweren. Man kann geringere Grenzabstände mit Gestaltungssatzungen und Abstandsflächensatzungen auf kommunaler Ebene regeln. Das wird aber sehr selten gemacht. Da sollte man mit der Bauordnung schon entsprechende Lockerungen ermöglichen und damit auch die historischen Strukturen in den Ortskernen stärken.
Ein zweites heißes Thema sind die Stellplatzsatzungen. Sie sind ein enormer Kostentreiber beim Bauen. Ob und wie die Kommunen Stellplatzsatzungen erlassen, ist unterschiedlich und hängt davon ab, wie gut eine Kommune mit dem ÖPNV erschlossen und wie urban sie ist. Das hängt auch von der Bevölkerungsstruktur und dem Mobilitätsverhalten der Bürger ab.
Brauchen wir daher eigentlich in der Hessischen Bauordnung so ausführliche Vorgaben? Selbst Großstädte wie Hamburg verzichten schon ganz auf Stellplatzsatzungen. Wir meinen, das muss nicht sein.
Wir begrüßen, dass Sie für Dachaufstockungen explizit auf neue Stellplätze verzichten wollen. Das wird natürlich die Nachverdichtung erleichtern. Kfz-Stellplätze sollen durch Fahrradabstellplätze ersetzt werden können. Für die GRÜNEN ist das wohl ein Quantensprung für den Radverkehr. Das kann man dem von Ihnen vorgeschalteten Werbeblock für die Novelle der Hessischen Bauordnung entnehmen.
Leider wiehert hier der Amtsschimmel wieder besonders laut. Für einen Autostellplatz sollen vier Fahrradstellplätze geschaffen werden. Ich frage jetzt: Hat derjenige, der kein eigenes Auto hat, wirklich vier Fahrräder? – Solche Regelungen sind zum Glück nur Kannbestimmungen. Das kennen wir auch aus anderen Gesetzen. Sie gehören doch eher nach Absurdistan. Da wäre weniger wirklich besser gewesen.
Vor allem treibt die Dauer der Baugenehmigungsverfahren viele Bauherren um. Da Zeit Geld ist, macht das das Bauen teurer. Als man seinerzeit die Dreimonatsfrist für die Genehmigungsverfahren mit § 57 Hessische Bauordnung, also das Vereinfachte Baugenehmigungsverfahren, eingeführt hat, hat das wirklich erstmals zu einer schnelleren Bearbeitung geführt.
Für Sonderbauten soll es aber nach wie vor keine Fristen geben. Das soll auch für die neue Hessische Bauordnung gelten. Das ist verständlich, wenn es um große Bauvorhaben, wie z. B. Krankenhäuser oder Flughäfen, geht. Allerdings werden Sie nicht die Gunst der Stunde nutzen, um die überlange Liste der sogenannten Sonderbauten zu entrümpeln und auf einige wenige wirklich außergewöhnliche Gebäude zu beschränken. Die meisten sind eigentlich nur normale Funktionsgebäude.
Abgesehen von den echten Sonderbauten sollten Sie die dreimonatige Bearbeitungsfrist oder wenigstens überhaupt
eine Bearbeitungsfrist einführen. Das würde das Bauen wirklich beschleunigen.
So banal es klingt – das gilt im Übrigen auch und vor allem für die Vollständigkeitsprüfung der Antragsunterlagen. Unterhalten Sie sich einmal mit Architekten: Überraschend häufig werden erst spät oder gar kurz vor Ende der Dreimonatsfrist Unterlagen nachgefordert, was automatisch zu einer Fristverlängerung führt. Auch hier fehlt ganz dringend eine Regelung.
Sonst führt auch die durchaus sinnvolle Einführung des elektronischen Bauverfahrens, das Sie eben als Meilenstein bezeichnet haben, zu keiner weiteren Beschleunigung.
Barrierefreiheit ist ein wirklich schwieriges Thema, da hier verschiedene Interessen aufeinanderprallen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat hierzu z. B. ganz andere Vorstellungen als Architektenverbände. Was dem einen zu wenig ist, ist dem anderen zu viel. Grundsätzlich müssen wir in jedem Fall mehr barrierefreien Wohnraum schaffen. Das gibt im Übrigen auch schon die UN-Behindertenrechtskonvention vor. Auf der anderen Seite dürfen Regelungen auch nicht unlogisch und starr sein.
Wir sind gespannt auf die weiteren Beratungen zu der Novelle und hoffen, dass es uns gelingt, einen echten Fortschritt und nicht nur Fortschrittchen zu erzielen. Das können wir uns bei dem derzeitigen Mangel an bezahlbarem Wohnraum nicht leisten. In Ihrem Entwurf haben Sie zwar einige, aber leider bei weitem nicht alle Chancen, die die Novelle der HBO geboten hätte, genutzt. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich diesen Antrag las, bin ich zunächst nicht ganz schlau daraus geworden.
Auch wir freuen uns, dass nun mehr Geld in die Hand genommen wird, um den Städtebau voranzutreiben.
Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, das, was Sie hier auflisten, sind allerdings zum allergrößten Teil – bis auf eines, um es genau zu sagen – Programme des Bundes: Unsere Bundesbauministerin Barbara Hendricks hat diese zum Teil entscheidend ausgebaut oder sogar neue aufgelegt.
Es wurde der Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier“ beschlossen, und neu aufgelegt wurde das Programm „Zukunft Stadtgrün“. Frau Feldmayer, darauf sind Sie eben eingegangen. Sie haben gesagt, Sie hätten sich gefreut, wenn der Bund dieses Programm schon früher aufgelegt hätte. Da frage ich mich: Sie hätten diesbezüglich doch letztes oder vorletztes Jahr ein eigenes Programm des Landes auflegen können. Warum sind Sie denn nicht auf diese Idee gekommen?
Übrigens: Den Namen der Bundesbauministerin im Zusammenhang mit diesem Antrag nicht in den Mund zu nehmen grenzt eigentlich schon fast an Urheberrechtsverletzung.
790 Millionen € – Frau Hinz, Sie haben eben „Ha!“ gerufen – stellt der Bund im Jahr 2017 den Ländern und Kommunen für die Städtebauförderung zur Verfügung. Hinzu
kommen weitere 75 Millionen € für das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“.
Da das Land Hessen in den letzten Jahren nur einen Teil der Bundesfördermittel für den Städtebau abgerufen hat – Frau Ministerin Hinz, 2017 waren es z. B. nur 53 % der möglichen Fördermittel; einen sagenhaften zweistelligen Millionenbetrag haben Sie hier verfallen lassen, wie mein Kollege Michael Siebel ausgerechnet hat –, sollte der Titel dieses Antrags nicht „Städtebauprogramme finanziell deutlich gestärkt und breiter aufgestellt“, sondern besser „Städtebauprogramme – Hessen macht endlich mit“ heißen.
Das gleiche Drama spielt sich im Übrigen beim Verkehr ab. Verkehr und Städtebau lassen sich nicht wirklich trennen; das gehört zusammen. Auch hier haben Sie im vergangenen Jahr den wahnsinnigen Betrag von 37 Millionen € Fördermitteln, der uns noch zugestanden hätte, verfallen lassen, weil Sie mit der Umsetzung schlichtweg überfordert waren. Andere Länder sind beim Mittelabruf wesentlich effektiver. Sie listen hier also fast nur Komplementärfördermittel auf.
Alle Programme, die Sie auflisten – bis auf das Programm „Aktive Kernbereiche“ –, sind Bundesprogramme, die Sie lediglich flankieren. Da, wie ich eben beschrieben habe, der Bund seine Mittel bedeutend ausgeweitet hat, mussten Sie jetzt natürlich nachziehen, und dafür loben Sie sich. Innovative eigene Ansätze und Programme fehlen bei uns in Hessen. Uns in der SPD ist es z. B. nach wie vor unverständlich, weshalb Sie sich der Idee verweigern, eine IBA – eine Internationale Bauausstellung – in Hessen durchzuführen.
Eine Internationale Bauausstellung könnte wichtige Impulse setzen, um die Zukunftschancen gerade der RheinMain-Region zu verbessern. Mit einer IBA bekäme auch das Thema „Städtebau im Rhein-Main-Gebiet“ endlich einen Schub. In Hamburg hat man es uns vorgemacht. Die SPD hat sich während einer Fraktionsklausur zu Beginn der Legislaturperiode vor Ort noch einmal eingehend darüber informiert.
Wenn wir sehen, vor welchen Herausforderungen wir allein aufgrund des demografischen Wandels, der Schwierigkeiten mit unserer aus allen Nähten platzenden Verkehrsinfrastruktur, des eklatanten Mangels an bezahlbarem Wohnraum und des Themas Flüchtlinge stehen – um nur einige Teilbereiche zu nennen –, stellen wir fest, es ist dringend erforderlich, mit einer IBA neue Wege zu gehen, wenn wir Veränderungsprozesse nicht nur geschehen lassen wollen, sondern auch gestalten möchten.
Das wäre ein eigener städtebaulicher Akzent, bei dem wir seitens des Landes sagen könnten: Das tragen wir zum Städtebau bei. – Aus unserer Sicht gibt es in Deutschland keine Region, die hiervon mehr profitieren könnte als die Rhein-Main-Region – wobei wir hier einen großen Kreis ziehen sollten.
Aber Sie wollen das nicht. Vielleicht wollen Sie es auch noch nicht. Auf jeden Fall wollen Sie es so lange nicht, wie man es als ein Einlenken gegenüber der SPD ansehen könnte; denn wir sind diejenigen, die diese Idee vorantreiben.
Generell verdient es unsere Metropolregion, besser gemanagt zu werden. Auch hier lassen Sie sich treiben. Nachdem unter der Federführung des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann im April 2015, sehr zur Verärgerung der Landesregierung, ein längst überfälliger Schulterschluss der Region initiiert wurde, sind Sie auch hier hinterhergeeilt
und haben nun Ihrerseits, natürlich ohne die Oberbürgermeister von Frankfurt, Wiesbaden, Aschaffenburg oder Mainz einzubinden, zu einem schillernden „Zukunftsforum Metropolregion“ eingeladen.
Er hat die Einladung auch erst eine Woche vorher erhalten. Da wird es etwas schwierig.
Ich habe das Wort. Darf ich weitersprechen? – Er wurde also eine Woche vorher eingeladen. Ich habe dazu im Büro von Herrn Feldmann nachgefragt. Aber es macht auch nichts, dass er nicht dort war;
denn die Veranstaltung
hat nicht gehalten – ich war dort –, was der Titel versprochen hat, übrigens auch nach Meinung fast aller Kommentatoren. Die meisten sahen darin nur – hört, hört – eine teure Werbeveranstaltung der Landesregierung.
Mehrerer. – Meine Damen und Herren, das Thema „Städtebau und Wohnen“ gehört aus meiner Sicht zu den wichtigsten Punkten, an denen die Landespolitik gefragt ist, steuernd einzugreifen, damit wir die Herausforderungen durch die Bevölkerungsentwicklung in der Zukunft meistern können. Da erwarten wir mehr von Ihnen, als dass Sie nur den Projekten und Programmen hinterherhecheln, die in Berlin aufgelegt werden.
Wir können nur hoffen, dass sich wenigstens Ihre Abrufquote bei den Programmen verbessert. – Vielen Dank.
Ich frage die Landesregierung:
Ich kämpfe noch mit dem Mikrofon, Entschuldigung. – Herr Minister, wird dies denn noch so rechtzeitig erfolgen, dass der Oberstufenbetrieb zum kommenden Schuljahresbeginn, also nach den Sommerferien 2017, möglich ist?
Vielen Dank für die immerhin klare Auskunft.
Derzeit ist die Schulleiterstelle vakant. Ist dem Ministerium klar, dass an dieser Entscheidung auch die Ausschreibung der derzeit vakanten Schulleiterstelle hängt? Damit entscheidet sich auch, ob ein Schulleiter für eine normale Gesamtschule oder für eine Schule mit Oberstufe benötigt wird. Oder bleibt die Stelle jetzt so lange vakant, bis die Oberstufe eingerichtet wird?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In vielen Kommunen in Hessen, gerade im Rhein-Main-Gebiet, explodieren zurzeit aufgrund des knappen Angebots die Mieten und auch die Preise für Immobilien. Das gilt auch für Bestandsmieten. Dabei gibt es viele Berufsgruppen wie Verkäuferinnen, Polizisten und Krankenpfleger, die da kaum noch mithalten können, obwohl sie gerade dort, wo das Wohnen so teuer ist, verstärkt mit ihren Dienstleistungen gebraucht werden.
Nicht nur für viele untere Berufsgruppen, nein, inzwischen wird Wohnen auch für den Mittelstand in vielen Kommunen unerschwinglich. Es ist kein Zufall, dass die Hälfte der 16 hessischen Städte und Gemeinden, in denen die Mietpreisbremse gilt, zum Rhein-Main-Gebiet gehört. Viele Immobilienexperten warnen im Übrigen schon jetzt davor, dass der Brexit die Mieten im Rhein-Main-Gebiet noch weiter steigen lassen wird. 86 % aller Experten erwarten hier steigende Preise für Kauf und Miete.
Meine Damen und Herren, für die SPD ist Wohnen Grundrecht.
Deshalb werden wir alle Instrumente nutzen, die geeignet sind, schädliche Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt einzudämmen.
Dazu gehört auch die Mietpreisbremse. Ja, die Mietpreisbremse hat so, wie sie derzeit ausgestaltet ist, Konstruktionsfehler. Vor allem – das ist eine Forderung der Mieterverbände – sollte es für den Vermieter eine Offenlegungspflicht der Vormiete geben, die er bei einer Neuvermietung angeben muss. Welcher neue Mieter fragt schon nach, was der Vormieter bezahlt hat?
Noch ein Problem: Solange es keinen Mietspiegel gibt, wie z. B. in Kassel, ist es schwierig, die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln. Es ist eine Grenze, die man nicht kennt. Aber auch hier gibt es Möglichkeiten, die Städte und Gemeinden zu verpflichten, entsprechende Daten zur Verfügung zu stellen. Es gäbe auch Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit. Warum nicht einmal gemeinsame Mietspiegel für benachbarte Kommunen wie Bad Homburg und Oberursel erstellen? Beides sind Mietspiegelkommunen. Es gibt auch die Möglichkeit, Vergleichsmieten über Immobilienportale zu ermitteln.
Absurd finden wir zum Teil die Argumentation der Eigentümerverbände wie Haus & Grund. Dort war ich im letzten Monat bei einer Veranstaltung mit dem Vorsitzenden,
Herrn Conzelmann, in Frankfurt. Das erste Argument ist, die Mietpreisbremse wirke nicht. – Okay, hier sind wir zum Teil sogar noch einer Meinung.
Aber im zweiten Satz kommt die Behauptung, sie sei schädlich, sie verhindere Wohnungsbau. Herr Lenders, Sie haben es eben auch noch einmal gesagt. – Meine Damen und Herren, wie soll etwas schädlich sein, was überhaupt nicht wirkt?
Wie das funktionieren soll, müssten Sie mir bitte auch erklären; denn für Neubauwohnungen gilt die Mietpreisbremse gar nicht. Herr Lenders, ich weiß nicht, wo Sie wohnen. Aber im Rhein-Main-Gebiet wird gebaut wie verrückt. Es wird nur nicht günstig gebaut, sondern teuer. Schauen Sie sich doch einmal um.
Wenn Sie in Frankfurt eine Wohnung mit einem Quadratmeterpreis von 5.000 bis 7.000 € suchen, dann verspreche ich Ihnen, Sie werden fündig. Es gibt da kein Problem. Woran wir viel eher gehen müssten, um Wohnen günstiger zu machen – Herr Al-Wazir ist leider nicht da –: Was ist mit der Hessischen Bauordnung, die wir dringend entrümpeln müssten?
Wir haben seit 1990 inzwischen deutschlandweit 20.000 Bauvorschriften. Diese Zahl hat sich vervierfacht. Ich denke, dass eher die Befürchtung dahintersteckt, dass die Mietpreisbremse, wenn sie einmal entsprechend nachgeschärft und ausgestaltet wird, plötzlich doch wirkt, z. B. indem Vermieter, wie ich eben erwähnt habe, künftig die letzte Miete des Vormieters bereits im Vertrag angeben müssen und eben wirklich nur noch 10 % mehr verlangen dürfen, als die Miete zuvor betragen hat.
Die Mietpreisbremse funktioniert jetzt allerdings schon bei den Wohnungsbaugesellschaften. Derer gibt es gerade im Ballungsraum nicht wenige. Institutionelle Vermieter, die in der Regel auch kommunale Kontrollgremien haben, halten sich sehr wohl an diese Regularien.
Fazit. Es wäre nicht die erste gesetzliche Regelung in unserem Land, bei der es einer Nachbesserung bedarf. Die Mietpreisbremse ist gerade erst einmal eineinhalb Jahre alt. Man kann erst jetzt anfangen, Beurteilungen anzustellen, wo nachgebessert werden muss.
Ich bin fast am Ende. – Wohnen gehört für uns zur Daseinsfürsorge. Letzte Woche hat sogar der Landesverband des Bundes Deutscher Architekten die Forderung gestellt, Wohnraum als Staatsziel in unsere Landesverfassung aufzunehmen, da die aktuelle Wohnungsnot den sozialen Frieden gefährde.
Ich komme zu meinen letzten Sätzen. – Dieser Einschätzung schließen wir uns ausdrücklich an. Wir stehen auch weiterhin zur Mietpreisbremse als einem regulierenden Element, auch wenn noch Nachbesserungen erforderlich sind.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mir die Beantwortung Ihrer Großen Anfrage aufmerksam durchgelesen. Insgesamt ist das eine sehr informative und ausführliche Situations- und Markbetrachtung, für die ich mich bedanken möchte. Das will ich auch gleich zu Beginn sagen, damit die SPD hier klar verstanden wird: Die Inhalte der Pressemitteilung von Herrn Boddenberg, die das Handwerk als zentralen Motor für die hessische Wirtschaft beschreibt, mit einem uneingeschränkten Bekenntnis zum Meisterbrief als Garant für Qualität und Ausbildung sehen wir genauso und können das 1 : 1 unterschreiben.
Aber die Ausführungen der Landesregierung enthalten auch Erkenntnisse, die uns aufhorchen lassen. Wenn wir nur das Positive sehen, dann hätte sich die Landesregierung mit ihrer 49-seitigen Beantwortung umsonst bemüht. Insofern ist auch eine konstruktiv-kritische Lektüre angebracht.
Schon auf Seite 3 und 4 wird man stutzig. Während das Handwerk im Zeitraum von 2010 bis 2014 einen Umsatzzuwachs von insgesamt 5,3 % aufweist – zu Zeiten einer normalen Inflation würde man hier fast von Stagnation reden –, entwickelt sich das hessische Bruttoinlandsprodukt doppelt so stark, nämlich mit einer Steigerung von 10,4 %. Während im Handwerk der Beschäftigtenzuwachs in diesem Zeitraum, in diesen fünf Jahren, mit 1,1 % zu verzeichnen war, nahm die Zahl der Erwerbstätigen in Hessen insgesamt um 4,1 % zu.
Meine Damen und Herren, ich will das nicht schlechtreden, aber so rosig sieht das nicht aus. Zitat: „Beide gesamtwirtschaftlichen Kenngrößen“ – also BIP und Gesamterwerbstätigenzahl in Hessen – „zeigen für den Betrachtungszeitraum einen günstigeren Verlauf als die entsprechenden Daten beim Handwerk.“
Es scheint also Faktoren zu geben, die für das Handwerk Wachstumshemmnisse sind – obwohl die Binnenkonjunktur angezogen hat, obwohl die Auftragslage hervorragend ist, obwohl die Kaufkraft steigt und auch die Zuwanderung dem Handwerk neue Aufträge sichert und hoffentlich auch neue Mitarbeiter.
Zum Stichwort Mitarbeiter: Ausdrücklich dankbar sind wir an dieser Stelle für die Initiative des Handwerks – Herr Ehinger, ich meine, das ging auf Sie zurück –, nämlich die jetzt in das Asylpaket II eingeflossene Initiative, dass Asylbewerber, die eine Ausbildung begonnen haben, diese auch zu Ende bringen durften und darüber hinaus zwei Jahre in ihrem Beruf weiter arbeiten dürfen, unabhängig vom Stand des Asylverfahrens. Das ist eine Win-win-Situation für das Handwerk und diese jungen Menschen.
Das Thema passt aber auch zu dem, was ich jetzt als einen der Gründe nennen möchte, weshalb es dem hessischen Handwerk vielleicht doch nicht so gut geht, wie es ihm gehen könnte. Sie schreiben in der Beantwortung: „Bis zum Stichtag 31.12.2014 konnten 9.515 neue Lehrverträge … eingetragen werden.“ Es fehlt aber die Auskunft: Zum Stichtag 30.09.2015 – das ist traditionell der Stichtag, zu dem die eingetragenen Ausbildungsverträge und offenen Lehrstellen erstmals gemeldet werden – waren hessenweit etwa 2.000 Lehrstellen im Handwerk unbesetzt. Gleichzeitig gab es auch viele unversorgte Schulabgänger – deutschlandweit 81.200. Das sind Zahlen, die nachdenklich machen. Angebot und Nachfrage scheinen hier nicht gut zusammenzukommen. 65 % der Neuverträge im hessischen Handwerk konzentrieren sich zudem auf die zehn am stärksten besetzten Handwerksberufe – das ist in Ihrer Beantwortung zu lesen –, und das bei über 100 Ausbildungsberufen im Handwerk. Ich zitiere erneut: „Jugendliche orientieren sich sehr stark an Vorbildern und greifen auf bekannte Berufs- und Rollenbilder zurück.“ Das heißt: Hier hat das Handwerk einen Einfluss. Ich denke, dass wir diesen Einfluss stärker nutzen müssen.
Gerade MINT-Projekte an den Schulen werden von der Landesregierung hier hervorgehoben. Fast eine ganze Seite widmen Sie diesem Thema. Das finde ich jetzt aber geradezu zynisch. Denn solche Projekte leiden besonders unter Ihren derzeitigen Stellenkürzungen an den Oberstufen. Es hängt eben alles mit allem zusammen. Wenn wir die Berufsorientierung verbessern möchten, was gerade im Sinne des Handwerks dringend erforderlich ist, dürfen wir eben nicht bei der Bildung sparen.
Sorge machen muss uns auch die große Zahl an Handwerksbetrieben, bei denen in den Jahren bis 2018 eine Unternehmensübergabe ansteht. Das sind 10.600 Betriebe in Hessen. Jeder vierte Inhaber plant, in den nächsten fünf Jahren seinen Betrieb zu übergeben oder zu schließen. Die größte Hürde dabei ist die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Zu 26,8 % wird das als Grund genannt. Machen wir uns nichts vor: Ein Teil davon – wobei 6,6 % bereits explizit die Schließung angeben – wird den Markt verlassen. Hier kann man zwar beraten und unterstützen, wenn ein Nachfolger gefunden ist. Aber meist hängst es daran, dass keiner in Sicht ist. Hier müssen wir unbedingt mit dem Handwerk im Dialog bleiben.
In diesem Zusammenhang ist auch bedenklich, dass die Existenzgründungen im Handwerk schwächeln. Nur im Bereich – das haben Sie, Herr Boddenberg, auch erwähnt – der zulassungsfreien Gewerke, den B1-Handwerken ist das gestiegen. Dort ist aber leider die Überlebensrate auch am geringsten. Über die Gründe sind wir uns einig.
Acht Förder- und Beratungsmöglichkeiten werden hier aufgeführt. Oft ist es aber auch die Unübersichtlichkeit – ich nenne es einmal „Förderdschungel“, und das gilt auch an anderen Stellen der Ausführungen der Landesregierung –, die Unternehmen abschrecken, gerade wenn es um kombinierte Förderungen mit Förderungen von der EU geht.
Interessant sind auch die Ausführungen zum Sektor öffentlicher Aufträge. Normalerweise sind die Aufträge im Handwerk gedrittelt: ein Drittel gewerblich, ein Drittel privat und ein Drittel öffentliche Aufträge. Das letzte Drittel aber schwächelt. Die Kommunen, so der Hessische Handwerkstag in seinen Forderungen zur Kommunalwahl, sind wichtige Auftraggeber für das Handwerk. Da ist doch klar, dass das Fehlen öffentlicher Investitionen durch die schlechte Finanzlage der Kommunen auch das Handwerk schwächt.
Ja, das hilft sehr viel, vor allem denen, die unter dem Schutzschirm stehen.
Die Ausschreibungen nach Fach- und Teillosen zur Sicherung einer angemessenen Beteiligung kleiner und mittlerer Betriebe – auch dies ist eine Forderung der hessischen Handwerksbetriebe – scheitert oft daran, dass in den Kommunen die Fachabteilungen so ausgedünnt sind, dass man dann doch auf Generalunternehmer ausweicht. Ihre kommunalfeindliche Politik, meine Damen und Herren von CDU und GRÜNEN, ist mittelstandsfeindlich und damit auch handwerksfeindlich.
Es sind der starke gewerbliche und der private Bereich, die viel herausreißen. So viel zu Ihrer mittelstandsfreundlichen Handwerkspolitik. Auch die Verkehrsinfrastruktur spielt eine Rolle – zum einen natürlich, weil sich das Handwerk hier Aufträge erhofft, aber auch weil eine leistungsstarke Verkehrsinfrastruktur wichtig ist, damit das Handwerk seine Kunden schnell erreichen kann und erreichbar ist. Das ist ein Zitat aus den Forderungen zur Kommunalwahl.
Hierzu ist es erforderlich, den Investitionsstau in der kommunalen Infrastruktur konsequent abzubauen und ausreichende Haushaltsmittel für Verkehrsinvestitionen in Instandhaltung und einen bedarfsgerechten Ausbau des Straßennetzes sicherzustellen.
Meine Damen und Herren von CDU und GRÜNEN, einen Investitionsstau sehen Sie ja derzeit nicht. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Diesem Arbeitsauftrag des Handwerks kommt die Landesregierung derzeit leider kaum nach.
Ich fasse zusammen: Die SPD steht voll hinter dem hessischen Handwerk als Antriebsmotor der Wirtschaft und für den Mittelstand. In Richtung Brüssel sagen wir: Hände weg vom Meisterbrief. – Aber wir lesen aus der Beantwortung der Landesregierung auf die Große Anfrage, dass wir uns mitnichten zurücklehnen dürfen und dass es noch eine Menge Handlungsbedarf gibt: Fachkräfte- und Nachwuchsmangel, der schwächelnde öffentliche Auftragssektor und das nach wie vor verbesserungswürdige Vergabegesetz.
Nicht nachlassen dürfen wir vor allem bei der Berufsorientierung junger Menschen, die immer noch meinen – meine Damen und Herren oben auf der Besuchertribüne, das auch an Sie –, mit Studium, egal welchem, hätte man mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt als mit einer soliden Ausbildung im Handwerk, was falsch ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Staatsminister Al-Wazir, da ich irgendwie schon ein bisschen geahnt habe, was Sie sagen,
konnte ich auch schon vor Ihrer Rede meinen Beitrag anmelden. Ich denke, der Punkt der Kontrolle des Vergabegesetzes verdient doch noch einmal eine besondere Betrachtung. Warum stellen wir heute erneut einen Antrag? – Wir haben Ende des letzten Jahres eine Anfrage darüber gestellt, wer in Hessen überhaupt mit der Kontrolle öffentlicher Aufträge betraut ist, wie viele Stellen das sind und wie oft kontrolliert und beanstandet wurde.
Das Ergebnis war für uns niederschmetternd: gerade eine Handvoll Sacharbeiterstellen – hier einer mit 10 %, dort einer mit 20 % – leisten, alles zusammengezählt, in Hessen im Bereich der VOB diese Aufgabe. Die Zahl der untersuchten Vergaben war minimal. Bei der Oberfinanzdirektion gab es zehn Vergabeüberprüfungen in den letzten drei Jahren.
Keine Fallzahlen konnte uns Hessen Mobil nennen, und bei den drei Regierungspräsidien – wobei in einem derzeit eine Stelle unbesetzt ist –: gerade einmal 150 Kontrollen im Jahr.
Herr Arnold, gerade einmal 23 Unternehmen sind hessenweit auf der Sperrliste für öffentliche Aufträge. Ich glaube, in den letzten zwei Jahren sind drei hinzugekommen. Es ist ja nicht so, dass Sie gar nicht kontrollieren, auch wenn Sie heute plötzlich sagen, dass Sie nicht zuständig sind.
Aber glauben Sie bei der Zahl an Aufträgen, die hessenweit jährlich vergeben werden, wirklich, dass das eine angemessene Kontrolldichte ist?
Meine Damen und Herren, das wäre, als ob wir in Hessen insgesamt vielleicht fünf Blitzgeräte für Geschwindigkeitskontrollen aufstellen.
Herr Staatsminister Al-Wazir, das zeigt aber auch: Ihre Argumentation, es sei ausreichend, nur bei Beschwerden unterlegener Bieter zu kontrollieren – Sie haben damals gesagt, der Markt kontrolliert –, hat sich nicht bewahrheitet. Fazit: Wer betrügen will, hat vor allem in Hessen die besten Möglichkeiten. Das sagen auch die Gewerkschaften.
Dass in Hessen, wie wir durch Statistiken der SOKA-BAU jetzt wissen, die niedrigsten Durchschnittsstundenlöhne aller westdeutschen Flächenländer gezahlt werden, obwohl
wir eher ein Hochlohnland sind, ist ein weiterer Indikator für diese Missstände.
Aber auch diese Tatsache beirrt Sie nicht im Geringsten. Die neueste Argumentation, Sie wollen keine Doppelstrukturen aufbauen, war in der Presse zu lesen. Wie gesagt, als Sie das Gesetz verabschiedet haben, haben Sie noch gesagt, der Markt kontrolliert. Jetzt, wo es nicht funktioniert, sagen Sie, Sie sind nicht zuständig, das muss allein der Zoll machen. – Falsch, meine Damen und Herren.
Das passiert nicht nur in Hamburg, sondern auch im kleinen Bremen, wo allein – warten Sie, ich habe es aufgeschrieben – über 100 Kontrollen pro Jahr durchgeführt werden. In 17 % aller Fälle werden Vertragsverletzungen vorgefunden – eine Quote, die zeigt, dass es sich lohnt nachzuschauen.
Sie können Einsicht in Lohnunterlagen und in Arbeitsverträge nehmen. Ich kann Ihnen auch Sachen nennen, die Sie dort finden. Wenn da plötzlich Verträge mit Bauarbeitern sind, deren Arbeitszeit 30 Stunden die Woche beträgt – glauben Sie wirklich, dass ein Bauarbeiter einen Vertrag hat, in dem 30 Stunden festgehalten sind, und er auch nur 30 Stunden die Woche arbeitet? – Das glaube ich nicht.
Zum einen finanzieren sich übrigens die Mitarbeiter durch ihre Arbeitsergebnisse bei den Kontrollen von selbst, und es sorgt natürlich auch für mehr Ordnung auf dem Arbeitsmarkt; denn es gibt das Risiko, erwischt zu werden – leider im Gegensatz zu Hessen, einem Eldorado für Betrüger, was das anbelangt. Aber für Sie ist alles in Ordnung, und jetzt sind Sie ja auch nicht mehr zuständig.
Die SPD sagt nochmals, an dieser Stelle muss das Gesetz geändert werden. Deswegen sagen wir, wir müssen Stichproben durchführen. Da nutzt auch ihr Antrag heute nichts, der nichts ändern will, weder an dem Gesetz noch an den Modalitäten. Sie sagen nur: Ja, eine sorgfältige Auswahl muss getroffen werden. – Aber Sie sagen nicht, was passiert, wenn z. B. Auftraggeber eben nicht so sorgfältig arbeiten, die Sorgfalt nichts genutzt hat oder die Nachunternehmer trotzdem betrügen.
Meine Damen und Herren, erst im letzten Monat war ich in Wiesbaden bei der IG BAU, wo fünf bosnische Angestellte eines slowenischen Subunternehmers saßen. Die Mitarbeiter hatten seit Ende Oktober keinen Lohn gesehen. Auch die Sozialkassenbeiträge hatte das Unternehmen nicht abgeführt. Wieso ist es die Aufgabe der Gewerkschaften, dies nachzuprüfen?
Ist das nicht, auch wenn es eine private Baustelle war, eine hoheitliche Aufgabe? Derselbe Generalunternehmer baut übrigens gerade in Riedstadt Sozialwohnungen. Glauben Sie wirklich, dass bei diesem öffentlichen Auftrag dann andere Subunternehmer ausgewählt werden? – Ich glaube das nicht. Tun Sie endlich etwas gegen diese Zustände. Wir fordern die Landesregierung auf, zu handeln. Sie sind ver
pflichtet, die Einhaltung Ihrer Gesetze sicherzustellen. Ob Sie personell aufstocken oder anderweitig umstrukturieren, sollte geprüft werden. In jedem Falle fordern wir, dass Sie endlich handeln und eine effiziente Kontrolle vorhalten. Den Zoll wollen wir dabei wirklich nicht aus der Verantwortung für öffentliche Aufträge nehmen, auch im Sinne ehrlich arbeitender Unternehmen.
Wir haben gerade beim letzten Tagesordnungspunkt über das Handwerk gesprochen. Gerade das kleine und mittelständische Handwerk leidet unter diesen Praktiken auf dem Bau, die häufig von Großunternehmen, die mit Subunternehmerketten arbeiten, begangen werden. Hierunter leiden die ehrlichen Unternehmer im Handwerk. Deshalb: Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Lenders, ich möchte noch einmal auf Sie eingehen. Habe ich Sie richtig verstanden, die FDP will Menschen subventionieren, die es gar nicht mehr nötig haben? – Da habe ich Ihre Partei bisher anders verstanden.
Wir sind schon dieser Meinung: Wer das Glück hat, seine Lebenssituation zu verbessern, aber in einer subventionierten Wohnung wohnen bleiben möchte oder muss, weil anderer Wohnraum nicht vorhanden ist, kann eine Mieterhöhung verkraften.
Sie haben gesagt, dabei würde kaum etwas rumkommen. – Bis zum Jahr 2011 haben wir die Fehlbelegungsabgabe erhoben, auch in meiner Heimatstadt Bad Homburg, und wir haben dort zwischen 80.000 und 110.000 € pro Jahr eingenommen, wobei die Verwaltungskosten, die zur Erhebung der Fehlbelegungsabgabe abzuziehen sind, schon einbezogen sind. Also für uns sind das keine Peanuts. Wenn ich das jetzt einmal auf eine gut zehn- bis zwölfmal größere
Stadt wie Frankfurt hochrechne, dann dürften das durchaus rund 800.000 € sein. Auch das ist ein wichtiger Beitrag.
Wir freuen uns darauf, die Fehlbelegungsabgabe wieder einführen zu dürfen. Wir von der SPD sind bereit, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Dazu ist auch die Fehlbelegungsabgabe ein wichtiger Beitrag.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine Bemerkung zu dem machen, was Sie gestern in den Haushaltsberatungen gesagt haben: Wir würden mit unseren regulierenden Instrumenten – Sie haben unter anderem die Mietpreisbremse genannt – den Wohnungsbau einschränken oder abwürgen. Ich glaube, so haben Sie sich ausgedrückt. Nach unserer Beobachtung ist es doch so, dass ein Teil des Wohnungsmarkts boomt, nämlich der hochpreisige. Lofts und Wohntürme in Frankfurt, die Flucht ins Betongold haben wir im kompletten Rhein-Main-Gebiet. Dort brauchen Sie keine Anreize zu schaffen, und dort würgen Sie auch sicherlich nichts ab.
Aber ein Segment des Wohnungsmarkts, das dringend der Unterstützung bedarf, weil hier einfach nicht genügend Angebote vorhanden sind, ist eben der Wohnraum für Menschen, die dafür nicht so viel bezahlen können. Deshalb werden wir uns auch weiterhin für Instrumente wie die Mietpreisbremse und die Fehlbelegungsabgabe einsetzen. Wir hätten uns auch Mehrausgaben für den geförderten Wohnungsbau im Rahmen des Haushalts gewünscht. Auch wünschen wir uns noch eine Milieuschutzsatzung. Dafür, dass hierzu noch ein Gesetzentwurf kommen wird, werden wir uns weiterhin einsetzen. – Vielen Dank.
Ich frage die Landesregierung:
Wann wird die Rechtsverordnung über die Einrichtung eines Beirats zur Feststellung der Repräsentativität von Tarifverträgen und deren entgeltrelevanten Bestandteilen nach § 4 Abs. 7 des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes veröffentlicht, damit der Beirat sich anschließend konstituieren kann?
Ist es nicht so, dass der Beirat zwingend gegründet werden musste, um die ab 1. September für Verkehrsdienstleistungen zugrunde zu legenden maßgeblichen Tarifverträge festzulegen? Oder, anders gefragt: Sind wir denn damit nicht schon weit im Verzug?
Haben Sie einen Überblick, wie viele Ausschreibungen von Verkehrsdienstleitungen von Kommunen oder Kreisen seit Monatsbeginn bereits laufen oder gelaufen sind, ohne dass das neue Gesetz angewendet werden konnte?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute beraten wir abschließend den Entwurf des Tariftreuegesetzes für die öffentliche Auftragsvergabe. Wir hätten die dritte Lesung nicht gebraucht. Denn es deutete sich leider schon in der zweiten Lesung an, dass sich die Koalition weigert, die elementaren Schwachpunkte des Gesetzentwurfs zu ändern und ihn zu verbessern.
Meine Damen und Herren, Sie weigern sich weiterhin, an den Kontrollmechanismen nachzuarbeiten, obwohl es einem gerade in den letzten Monaten ins Auge gesprungen ist, dass es für alle, die es möchten, möglich ist, das Gesetz zu umgehen. Sie haben es doch miterlebt, wie im Frühjahr 2014 bulgarische Wanderarbeiter im Frankfurter Europaviertel in den Ausstand gingen. Sie mussten klauen, da sie über Wochen keinen Lohn gesehen hatten.
Am Tag der Anhörung zu den Gesetzentwürfen im Mai 2014 geschah etwas keine 5 km von hier entfernt im Wiesbadener Künstlerviertel auf einer Baustelle der Nassauischen Heimstätte. Das war also eine Baustelle der öffentlichen Hand. Auch hier lag der Lohn bei etwa 1 bis 2 € pro Stunde.
Dann möchte ich noch die Rumänen von der Baustelle in Frankfurt nennen, die im Juni 2014 zu uns in den Landtag
kamen. Sie waren im Hungerstreik, da sie von dem Subsubsubunternehmer, der sie beschäftigte, kaum Lohn sahen. Das sind wirklich nur die dicken Fische, die den Gewerkschaften ins Netz gegangen sind.
Aufgedeckt wurden diese Skandale von den Gewerkschaften, nicht etwa von staatlichen Stellen. Deshalb gab es von uns im Sommer 2014 den Änderungsantrag für eine verstärkte Unterstützung der Beratungsstelle „Faire Mobilität“, die gerade den Wanderarbeitern wirkungsvolle Unterstützung bietet.
Herr Wagner von den GRÜNEN, vorgestern haben Sie gesagt, dass Sie sich uns nun doch noch mit einem Änderungsantrag zum Haushalt anschließen. Da sage ich nur: Endlich, darauf mussten wir lange warten. Wir hatten das schon im Sommer gefordert.
Was mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz passiert, wird auch mit unserem Tariftreuegesetz passieren. Warum also ziehen Sie aus all diesen Situationen keine Schlüsse?
Wenn Sie bessere Vorschläge als die von der SPD geforderte Prüfbehörde haben, dann sind wir gerne bereit, uns diese anzuhören. Aber alles beim Alten zu belassen, ist ein gravierender Fehler.
Auch die fehlende Generalunternehmerhaftung ist eine Einladung zum Missbrauch, ein Schlupfloch, das viele nutzen werden. Das erleben wir schon jetzt durch die EUOsterweiterung.
An einem Punkt aber haben Sie nachgearbeitet. Bei Ihnen gilt nun auch die Tariftreue schon ab dem ersten Euro und nicht erst ab einem Wert von 10.000 €. Geändert wurde das, nachdem wir Ihnen das in Ihrem Gesetzentwurf vorgelesen haben.
Sie dürfen das ruhig glauben, das ist so. Sie können das nachlesen.
Allerdings sind Sie auch hier gleich wieder zurückgerudert und haben bei einem Wert von unter 10.000 € auf die Nachweispflicht verzichtet.
Damit basieren 80 % aller öffentlichen Aufträge – denn so viele sind das mit einem Wert unter 10.000 € – auf dem Prinzip Hoffnung.
Sie hoffen also, dass die Betriebe nach Tarif bezahlen. Sie verzichten auf Nachweise. Wenn der Missbrauch nicht völlig offensichtlich ist, kontrollieren Sie auch nicht.
Meine Damen und Herren von CDU und GRÜNEN, Ihr Gesetz ist nicht nur auf einem Auge blind, sondern auf beiden.
Stellen wir uns doch einmal ein Fußballspiel vor. Genauso gut könnte doch der DFB demnächst auch auf Schiedsrichter verzichten: Spielen wir halt Fußball ohne Schiedsrich
ter, und hoffen wir, dass es keine Fouls und kein Abseits gibt. Nur wenn die gegnerische Mannschaft sagt, es hätte ein Foul gegeben, dann schauen wir nach. – Das ist Ihr Gesetz, übertragen auf den Fußballplatz.
Dieses Beispiel habe ich mir übrigens nicht selbst ausgedacht, denn von Fußball habe ich keine Ahnung. Das war ein mittelständischer Unternehmer aus meiner Heimatstadt, der 200 Mitarbeiter beschäftigt, der nach Tarif bezahlt,
der ausbildet, der umweltzertifiziert ist – und der Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Mitte ist. Ich glaube, Herr Bellino weiß, von wem ich rede.
Dem ist nämlich Ihr Gesetz auch zu lax, und das hat der sogar im Fernsehen gesagt.
Schade, so sehr wir es begrüßen, dass wir jetzt überhaupt eine Tariftreueregelung bekommen – aber Ihr Gesetz ist leider halbherzig. Man merkt, der Grund ist: Die CDU hat dieses Gesetz von Anfang an nicht gewollt.
Das merkt man bei der Umsetzung. Sie hätten auch schon 2013, mit Ihrem bisherigen Koalitionspartner, die Tariftreue einführen können.
Herr Arnold, Sie haben das nicht gewollt, und die GRÜNEN haben sich leider über den Tisch ziehen lassen.
Ich habe Ihr Gesetz gelesen. Das letzte Mal habe ich es sogar besser gelesen als Sie.
Meine Damen und Herren, es bleibt also wieder an der SPD und an den Gewerkschaften, Ihnen in einem Jahr nachzuweisen
und die Fälle zu präsentieren, in denen Ihr Gesetz nicht wirkt. Das werden wir auch tun. Sie haben die Chance, ein wirkungsvolles und gutes Tariftreuegesetz zu schaffen, leider verpasst. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass es jetzt wieder etwas ruhiger geworden ist. Das uns heute vorliegende Gesetz zur Aufhebung handwerksrechtlicher Vorschriften ist sicherlich unstrittig. Es handelt sich um eine reine Rechtsbereinigung und verbessert die Übersichtlichkeit von Rechtsvorschriften. Damit ist auch dem Handwerk gedient, denn es dient dem Abbau von Bürokratie.
Lassen Sie mich aber die Gelegenheit nutzen, um ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Handwerk zu machen. Die 76.000 hessischen Handwerksbetriebe bilden auch in diesem Jahr mit einer Ausbildungsquote von über 8 % wieder mehr aus als jede andere Wirtschaftssparte. Was uns aber aufhorchen lassen sollte, ist, was uns der Präsident der Handwerkskammer Rhein-Main, Bernd Ehinger, anlässlich seines runden Geburtstags ins Stammbuch schrieb: Das Handwerk könnte mehr ausbilden, aber es fehlen geeignete Bewerber.
Es gab Ende September bundesweit noch mehr als 10.000 offene Lehrstellen. Er warnte vor einer fatalen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Zum einen ist es eine Tatsa
che, dass es für viele junge Menschen nach wie vor offensichtlich noch immer attraktiver ist, zu studieren, obwohl der Konkurrenzdruck immer größer wird. Die Gefahr, als Akademiker in manchen Studienzweigen in gering bezahlten Berufen zu landen, ist hoch. Trotzdem ziehen dies viele Bewerber z. B. einer Ausbildung im Handwerk vor. Hier müssen Schule, Gesellschaft und Politik gemeinsam werben, erklären und Überzeugungsarbeit leisten. Auch erwarten wir von der Landesregierung Impulse und Lösungsvorschläge.
Wir müssen die vorhandenen Bewerber auf dem Markt und die Stellen zusammenbringen – Angebot und Nachfrage. Die Verdienstmöglichkeiten in vielen Handwerksberufen sind gut, nirgends gibt es eine bessere Möglichkeit für eine spätere Selbstständigkeit als im Handwerk. Wer sich für den Meister entschließt, kann sich damit später die Möglichkeit zum Studium eröffnen, auch wenn er kein Abitur gemacht hat. Das Handwerk eröffnet also Perspektiven.
Übrigens belohnen wir mit dem Tariftreuegesetz, welches wir heute auch noch auf der Tagesordnung haben, unser örtliches Handwerk; denn es sind in der Regel gerade diese Betriebe, die ausbilden und nach Tarif bezahlen.
Der zweite Schuh, den das Handwerk drückt – wir haben schon im März mit dem Antrag „Meisterbrief als Qualitätssiegel erhalten“ den richtigen Weg eingeschlagen; darauf wurde hingewiesen –, ist der durch die EU drohende weitere Wegfall der Meisterpflicht, auch wenn dies nur in einigen der 41 Gewerke mit Meisterpflicht, die noch vorhanden sind, sein sollte. Die Bedenken und Ängste bei den Handwerkern sind noch immer vorhanden. Wenn dies einträte, ginge dies nicht nur zulasten der Qualität, sondern auch der Ausbildung. Hier müssen wir weiter am Ball bleiben. Einer Aushöhlung der dualen Ausbildung und des Meisterbriefs treten wir von der SPD entschieden entgegen.
Im Gegenteil, wir sollten für diesen Weg werben. Die duale Ausbildung taugt zum Exportschlager, doch ohne Meisterbrief funktioniert auch die duale Ausbildung nicht mehr. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten heute ein neues Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz in zweiter Lesung. Im Laufe der Diskussion haben sich für die SPD drei zentrale Punkte herauskristallisiert: erstens die Vergabegrenzen, zweitens die Kontrollund Sanktionsmechanismen und drittens der Nachunternehmereinsatz, und – dies war vor allem in der Anhörung am 11. September ein Thema – dass beim Verkehr, welcher erstmals Teil des Vergabegesetzes ist, noch Nach
steuerungsbedarf besteht. Das haben CDU, GRÜNE und SPD mit zum Teil ähnlichen Punkten in ihren Änderungsanträgen vollzogen.
Zu den Vergabegrenzen. Es ist schon erstaunlich, meine Damen und Herren der Koalition, wie hartleibig sich die Koalition hier zeigt. Alle Untersuchungen beschreiben die öffentliche Ausschreibung als das beste Mittel gegen Korruption. Sie sollte daher das Mittel der Wahl sein. Sie sind aber nicht bereit, sich hier auch nur um einen Zentimeter zu bewegen und die Vergabegrenzen, die vor dem Jahr 2008 in Hessen niedriger waren und in fast allen Bundesländern inzwischen wieder niedriger sind, endlich herunterzusetzen.
Meine Damen und Herren, freihändige Vergaben bis 100.000 € und öffentliche Ausschreibungen erst ab 1 Million € – das ist einfach zu hoch.
Erst in der letzten Woche war im „Handelsblatt“ ein großer Artikel zur neuen EU-Richtlinie, wo der Wegfall des Zwangs zur öffentlichen Ausschreibung als Schlupfloch zur Korruption bezeichnet wird. Im Zwang zur öffentlichen Ausschreibung sehen zahlreiche Vergabejuristen und Korruptionsexperten eine wesentliche Säule der Korruptionsprävention und ein probates Mittel gegen die Behinderung des Wettbewerbs.
Was haben Sie gegen Wettbewerb, meine Damen und Herren von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN?
Herr Arnold, ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimatstadt nennen. Dort hatten die Stadtwerke bei einer bestimmten Dienstleistung mehrfach dieselben drei Unternehmen in freihändiger Vergabe angefragt. Die Revision hat dies nach einiger Zeit bemängelt und verlangte nach einer öffentlichen Ausschreibung. Bei dieser reichten wieder nur dieselben drei Unternehmen ihre Angebote ein. Aber plötzlich waren die Preise niedriger. Allein das Wissen, es könnte ein anderer niedriger anbieten, hat dazu geführt, dass schärfer kalkuliert wurde.
Nicht öffentliche Vergabearten – das ist erwiesen – haben im Schnitt Mehrausgaben von bis zu 13 % zur Folge. Der Wirtschaftsrechtler Christian Heuking sagte daher:
Die Verengung des Marktes führt oft zu engeren persönlichen Kontakten, wodurch das Korruptionsrisiko steigt.
Aber ich sehe schon, leider beiße ich hier bei Ihnen auf Granit.
Herr Arnold, ich habe mich sehr gefreut, dass Sie zu Ihrer Ankündigung gestanden haben und dass tatsächlich die Tariftreue nach dem nun vorliegenden Änderungsantrag zu Ihrem Gesetzentwurf auch unter 10.000 € gilt. Natürlich bin ich auch etwas stolz, denn ich habe Sie in meiner letzten Rede im Plenum erst darauf aufmerksam gemacht.
Allerdings – und da war die Freude schnell wieder vorbei – verzichten Sie, so Ihr Änderungsantrag, unter 10.000 € auf den Nachweis. Meine Damen und Herren der Koalition, nach dem Verzicht auf wirkungsvolle Kontrollen nun auch
noch der Verzicht auf Nachweise? Wie tief wollen Sie die Hürde denn noch hängen?
Zur Kontrolle. In der Anhörung am 11. September hat selbst die Vertreterin des BDI, die gleich zu Beginn ihrer Rede darauf hinwies, dass sie sämtliche Vergabegesetze eigentlich für überflüssig hält, später in ihrem Redebeitrag ausgeführt:
Auch die Kontrolle – das wurde angesprochen – halten wir für immens wichtig, denn wenn man etwas nur fordert, was man anschließend nicht kontrollieren kann, dann sind das alles nur schöne Lippenbekenntnisse.
Meine Damen und Herren, Originalton BDI. Dem ist, glaube ich, nichts hinzuzufügen.