Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Ich bin Herrn Merz außerordentlich dankbar dafür, dass er diese Herausforderung zu Beginn seiner Ausführungen in Bezug auf die vielen Ehrenamtlichen, die kommunale Seite, aber auch die Mitarbeiter in der Erstaufnahmeeinrichtung beschrieben hat. Zum Vergleich nur eine Zahl: Wir hatten im Oktober 2012 keine 500 Aufnahmen in der Erstaufnahmeeinrichtung; derzeit sind es knapp 3.500.

Momentan sind wir in der Situation, dass wir ab dem 22. Dezember – über die Weihnachtsfeiertage und über Silvester – aller Wahrscheinlichkeit nach keine Zuweisungen an die Landkreise und die kreisfreien Städte mehr vornehmen werden, was prognostisch gesehen bedeutet, dass wahrscheinlich zusätzlich 600 bis 700 Personen in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind. Welche Herausforderung das ist, können wir, glaube ich, alle ermessen.

Deswegen tun wir gut daran, an dieser Stelle eine Versachlichung der Diskussion unter dem Gesichtspunkt herbeizuführen, wo wir so früh wie möglich Integrationsmaßnahmen ergreifen können, um gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen. Wir tun auch gut daran, mit den Kommunen und mit denjenigen, die eine hohe Last zu tragen haben, in Gespräche einzutreten, wie die Finanzierung dargestellt werden kann.

Die Erhöhung der Pauschale im Landeshaushalt 2015 um 15 % – das sind 30 Millionen € – ist ein gewaltiger Schritt. Die Frage, wie diese 30 Millionen € verteilt werden, kann ich aber erst beantworten, wenn der Haushaltsgesetzgeber den Haushalt beschlossen hat. Das wissen auch Sie, Herr Merz. Ich kann nicht am 1. Januar Mittel verteilen, die in einem Haushalt stehen, der erst im Februar beschlossen wird. Insofern ist doch nachvollziehbar – auch unter dem Gesichtspunkt, dass vom Bund innerhalb von zwei Jahren 1 Milliarde € kommen, d. h. pro Jahr 500 Millionen € Bundesgeld und 500 Millionen €, die wir kofinanzieren –, dass ich erst einmal wissen muss, wie diese Mittel zu verwenden sind. Da gibt es schon große Fantasien. Das Land Rheinland-Pfalz mit einer Landesregierung, die Ihnen nicht fernsteht, wird den geringsten Teil der Mittel – so die Planungen – an die Kommunen weiterleiten. Das ist eine mögliche Entscheidung.

(Gerhard Merz (SPD): Eine falsche Entscheidung!)

Es mag eine Entscheidung sein, die in der Abwägung aus der Sicht der Rheinland-Pfälzer richtig ist. Ich persönlich muss sagen: Ich halte die Entscheidung für zumindest diskussionswürdig.

(René Rock (FDP): Ich auch!)

Deswegen würde ich abwarten, welche Vorgaben der Bund macht, wie die Verteilung bzw. Weiterleitung dieser Mittel zu geschehen hat. Erst wenn wir die Kriterien kennen, können wir uns darüber auseinandersetzen, wie wir es machen. Möglicherweise haben wir dann ja aufgrund einer anderen Schwerpunktsetzung andere Vorstellungen. Solange aber der Haushalt nicht beschlossen ist, der die genannte Erhöhung beinhaltet, und wir die Kriterien des Bundes nicht kennen, wie die Mittel zu verwenden sind, ist die Forderung, jetzt schon darzulegen, wie das Geld an die Kommunen kommt, verfrüht. Diese Diskussion werden wir nach Verabschiedung des Haushalts sicherlich intensiv führen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Damit ist die Debatte zum Einzelplan 08 beendet.

Ich rufe den

Einzelplan 09 – Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz –

auf. In Verbindung damit rufe ich Tagesordnungspunkt 16 auf:

Antrag der Abg. Siebel, Gremmels, Löber, Lotz, Müller (Schwalmstadt) , Schmitt, Warnecke (SPD) und Fraktion betreffend Hessen muss Städtebauförderung absichern – Drucks. 19/510 –

Das Wort hat Herr Kollege Gremmels, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schwarz-Grün ist seit einem Jahr im Amt. Das ist eine gute Gelegenheit, Bilanz bezüglich der Arbeit der grünen Umweltministerin Priska Hinz zu ziehen. Frau Ministerin, ich muss Ihnen für die SPD-Fraktion im Umweltausschuss zunächst einmal sagen: Ich danke Ihnen. Es war ein sehr kollegiales Miteinander. Die Zusammenarbeit im Umweltausschuss ist viel besser geworden. Die Kleinen und Großen Anfragen werden aus unserer Sicht viel ausführlicher und viel besser beantwortet, als das früher der Fall war. Wir werden in Obleutegesprächen frühzeitig informiert. All das kannten wir von Ihrer Vorgängerin, Frau Puttrich, so nicht. Frau Hinz, man merkt, dass Sie jahrelang Parlamentarierin gewesen sind und die Arbeit im Ausschuss kennen und würdigen. Insofern vielen Dank für dieses kollegiale Miteinander.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, dass ich Sie jetzt überrascht habe, indem ich mit einem Lob begonnen habe. Aber ich möchte auch sagen, dass es eine grüne Ministerin in diesem Amt nicht ganz leicht hat; denn Sie haben sehr viele Altlasten geerbt, die Ihnen Ihre Vorgängerin hingeschmissen hat: Biblis, die Abwasserentsorgung bei K+S, vermeintliche Kleinigkeiten wie die Fleischhygiene, die uns drei Sitzungen des Umweltausschusses gekostet hat, und die Heranziehung der Privatwaldbesitzer bei der Waldbewirtschaftung. Wir haben gehört, dass es da sieben Jahre lang keine Gebührenerhöhung gegeben hat. Die peitschen Sie jetzt durch. Das ist zwar der falsche Weg, aber auch da mussten Sie aufräumen.

Ein weiteres Beispiel, das ganz aktuell ist, wo Sie etwas geerbt haben, ist Woolrec. Wir hätten uns gewünscht, dass Sie sich distanzieren würden, auch einmal kritisch nacharbeiten würden, was da passiert ist, statt sich schützend vor Ihre Vorgängerin zu stellen. Frau Hinz, das sage ich Ihnen ganz deutlich.

Der heutige Tag wäre gerade in Sachen Woolrec eine gute Gelegenheit dafür; denn es läuft gerade die Meldung über den Ticker, dass die Staatsanwaltschaft Gießen Anklage gegen Prof. Gäth und gegen den Inhaber von Woolrec er

hoben hat. Prof. Gäth war jahrelang Chefgutachter des Regierungspräsidiums Gießen. Prof. Gäth saß im Technologiebeirat der Vorgängerregierung. Er ist derjenige, der Woolrec marktfähig gemacht hat. Dass jetzt Anklage gegen ihn erhoben wird, ist, so glaube ich, richtig. Ich denke, das wäre eine gute Gelegenheit, die Forderungen der Bürgerinitiative nochmals anzuhören, sich der Sache anzunehmen und einmal gründlich aufzuräumen. Frau Hinz, das erwarten wir von einer grünen Ministerin.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Die Kollegin Öztürk ist dieses Thema zusammen mit dem Kollegen Eckert und mir angegangen. Damals waren die GRÜNEN noch in der Opposition. Auf einmal hört, sieht und liest man von ihr bei dem Thema gar nichts mehr.

(Widerspruch der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Sein bestimmt das Bewusstsein – um an dieser Stelle einen berühmten Philosophen zu zitieren. Das ist bei den GRÜNEN ganz deutlich spürbar.

Ich möchte es an einem zweiten Beispiel deutlich machen, an den Vorgängen um die Stilllegung des AKW Biblis. Wir haben jetzt das Glück, im Rahmen eines Untersuchungsausschusses einmal intensiver in die Akten schauen zu können. Frau Hinz, Sie haben genau das Richtige gemacht, als Sie Ihr Amt übernommen haben. Sie haben – das können wir jetzt in den Akten nachlesen – die richtigen Fragen an die Fachabteilung, an die Experten gestellt. Nur haben Sie aus den Antworten nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Sie haben bei Ihrer Jungfernrede als Umweltministerin der schwarz-grünen Koalition hier im Hessischen Landtag mit voller Überzeugung das Handeln der Vorgängerregierung verteidigt. Damit machen Sie sich alles zu eigen, was jetzt auf uns zukommt. Das ist Ihre Verantwortung als Ministerin.

(Beifall bei der SPD)

Man hätte sich an der Stelle von der Vorgängerregierung auch kritisch distanzieren können. Ich glaube, das wäre der richtige Weg gewesen.

Ein weiteres Beispiel: K+S. Auch da haben Sie aus unserer Sicht vor der Wahl etwas anderes versprochen als das, was Sie jetzt machen wollen: Verpressung bis zum Jahr 2021, Erreichung von Süßwasserqualität in Werra und Weser erst im Jahr 2060. Und dann erklären Sie auch noch, das geschehe alles „zeitnah“. Auch das wird vor Ort anders gesehen – übrigens auch von den GRÜNEN im Landkreis Kassel, um das an dieser Stelle einmal deutlich zu sagen.

Frau Ministerin, ich bitte Sie, Ihren Vertragspartner K+S in folgender Angelegenheit einmal zur Seite zu nehmen. Heute geht durch die Presse, dass K+S einen Kritiker sozusagen mundtot macht, indem das Unternehmen beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen die Werra-Weser-Anrainerkonferenz und ihren Vorsitzenden, Herrn Dr. Hölzel, erwirkt hat. Das finde ich von dem Unternehmen nicht okay. Ich denke, man muss sich mit Kritik auseinandersetzen, auch wenn ich nicht all das teile, was Herr Dr. Hölzel sagt. Aber die Werra-Weser-Anrainerkonferenz mit einer einstweiligen Verfügung zu überziehen, da ist – gerade vor dem Hintergrund des von Ihnen mit K+S ausgehandelten Vierphasenplans – eine Distanzierung aus unserer Sicht unabdingbar, Frau Ministerin. Wir wissen, dass die K+S-Entsorgungsproblematik schwierig ist und

dass die Vorgängerregierung viel versäumt hat. Meine Bitte ist aber, dass wir die Debatte ernsthaft führen und die Kritiker ernst nehmen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN – Vizepräsidentin Ursula Hammann über- nimmt den Vorsitz.)

Ich finde es völlig legitim, dass eine neue Regierung unter grüner Mitverantwortung eigene Schwerpunkte setzt. Den Verbraucherschutz zu stärken, ist richtig; im Ökolandbau mehr zu machen, ist auch richtig.

Man kann aber nicht an jeder Stelle nur neue Projekte aufziehen, sondern man muss sich auch von alten Projekten verabschieden. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, die Mittel für die Nachhaltigkeitsstrategie zu streichen. Das war das damalige schwarz-grüne Anbahnungsprojekt von Herrn Koch. Das war das Projekt, mit dem man sich die GRÜNEN sozusagen zum Freund machen wollte. Ich finde, Strategien haben wir genug erarbeitet, jetzt geht es an die Umsetzung. Deswegen haben wir gesagt, wir wollen die Mittel an dieser Stelle kürzen.

Wir haben aber nicht nur gesagt, wo wir kürzen wollen, sondern wir haben auch gesagt, wo wir eine Einnahmeverantwortung sehen, gerade im Umweltbereich. Da gibt es Möglichkeiten. Das haben die GRÜNEN noch im letzten Jahr genau so gesehen. Die GRÜNEN haben ja damals nicht nur – wie wir – einen Wassercent gefordert, sondern darüber hinaus eine Kies- und Sandabgabe gefordert, die wir Sozialdemokraten kritisch gesehen haben.

Jetzt stelle ich mir vor, wie das in Schlangenbad in der Praxis vor sich gegangen ist. Sie sind in die Verhandlung hineingegangen, haben das Maximum gefordert, nämlich eine Kies- und Sandabgabe – so macht man das ja –, um dann wenigstens mit dem Wassercent nach Hause zu gehen.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Genau!)

Aber die GRÜNEN haben beides nicht geschafft, weder ihre Kiesabgabe noch ihren Wassercent. Frau Dorn, da haben Sie anscheinend schlecht verhandelt.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Und Sie sitzen heute noch in der Opposition! – Gegenrufe von der SPD)

Ich sage Ihnen einmal ganz deutlich: In 13 der 16 Bundesländer gibt es eine Wasserabgabe. Wir wollen eine Wassergabe nicht für den privaten Verbraucher – denn der wird von dieser Landesregierung schon genug geknebelt –, sondern für die Industrie.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

In keinem anderen Bundesland ist die Industrie an einer Wasserabgabe zugrunde gegangen. Das nennen wir Einnahmeverantwortung. Da könnten wir bis zu 50 Millionen € pro Jahr für den Landeshaushalt gutmachen. Liebe Kollegen von den GRÜNEN, da haben Sie sich in die Büsche geschlagen, da haben Sie sich mit einer Umweltlotterie abspeisen lassen, die irgendwann eingeführt werden soll, von der wir noch gar nicht wissen, was sie bringen soll. Wir wissen auch noch nicht, ob sie zulasten der Destinatäre von Hessen-Lotto geht. Damit haben Sie sich abspeisen lassen. Ich finde, das geht nicht.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Beim Thema Wassercent kann man das Motto Ihrer Koalitionsverhandlungen sehr schön zusammenfassen: grüne Ressortbelohnung statt

grüner Ressourcenschonung. Das war Ihr Motto. Ihnen war es wichtiger, einen Ministersessel zu bekommen, als Inhalte durchzusetzen. Das kritisieren wir. In diesem Sinn: Glück auf.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Gremmels. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Dorn von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Gremmels, Sie haben jetzt viel darüber gesprochen, was wir nicht zu 100 % aus unserem grünen Wahlprogramm umzusetzen geschafft haben.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich habe auch das Lob wahrgenommen; vielen Dank dafür. Ich glaube, das hat Frau Hinz durchaus positiv wahrgenommen. – Ansonsten habe ich gerade bei Ihrer Rede verstanden, dass Sie enttäuscht davon sind, dass wir unser Wahlprogramm nicht zu 100 % umgesetzt haben. Schön, dass Sie unser Wahlprogramm so gern mögen. Wir mögen es auch sehr gern, sind aber auch sehr zufrieden mit den Kompromissen, die wir jetzt geschlossen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der SPD und der LINKEN: Ah!)