Ich habe es noch nie erlebt, dass die Regierungsfraktionen diese Debatte mit einem derart erkennbar nicht vorhandenen Engagement und mit einem erkennbar vorhandenen Desinteresse führen.
Aber das ist für die gesamte Debatte über den Haushalt bezeichnend, oder, um es noch etwas präziser zu sagen, es ist bezeichnend für diesen Haushalt. Er ist unambitioniert. Er ist auf Kante genäht. Er hat sich in keiner Weise dem Ziele genähert, die Schuldenlast für die nächste Generation der Hessinnen und Hessen bewusst zu senken. Er ist ohne strukturelle Einsparungen. Aus diesem Grunde kann ich nachvollziehen, dass sowohl Herr Kollege Kaufmann – er hat es eben mit seinen Farbspielen noch ein bisschen versucht – als auch Herr Kollege Schork so unambitioniert am Pult gestanden und irgendwie überhaupt nicht rübergebracht haben, dass das jetzt die Grundlage der neuen Politik der neuen Landesregierung von Schwarz-Grün sein soll. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Fehlstart par excellence, ein haushaltspolitischer Fehlstart par excellence.
Ich bedanke mich als Neuling bei den Finanzpolitikern für die sachliche Arbeit, die wir im Ausschuss durchgeführt haben. Ich bedanke mich bei unserem Vorsitzenden. Ich bedanke mich auch bei dem Minister und unserer Staatssekretärin dafür, dass wir im Haushaltsausschuss die fachlichen Informationen, die wir meinten zu brauchen, bekommen haben und die Auseinandersetzungen, die wir bewusst gesucht haben, auf einem hohen Wissensstand und damit auch auf einem hohen intellektuellen Niveau durchführen konnten. Das habe ich in anderen Ausschüssen – deshalb empfehle ich jedem von uns, einmal Finanzpolitiker zu werden – so nicht immer erlebt. Lieber Herr Kollege Schork, ich will jetzt nicht sagen, welche Ausschüsse mir da noch in Erinnerung geblieben sind.
Ich sage das sehr bewusst; denn die Kolleginnen und Kollegen, die hier sind und sich nicht mit Finanzpolitik beschäftigen, können sicher sein: Sie können Ihren Fraktionskollegen trauen, dass sie sich mit diesem Thema sehr ausgiebig und sehr tief auseinandergesetzt haben, trotz der verschiedenen politischen Auffassungen, die heute sehr zaghaft, aber bei den Debatten in der zweiten Lesung etwas intensiver auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt wurden.
Nach diesem Dank die Feststellung: bei rund 24 Milliarden € Gesamtausgaben eine Senkung der Nettoneuverschuldung von 960 Millionen € auf 730 Millionen €. Ich muss das den Gästen erklären, weil es so aussieht, als würde man sparen. Sie müssen sich vorstellen, es gibt einen Riesenhaufen Schulden. Man streitet sich noch darüber, wie man diesen großen Schuldenhaufen genau beziffern soll. Auf diesen Haufen Schulden kommt jetzt noch einmal ein neuer Haufen Schulden obendrauf. Das heißt, im nächsten Jahr gibt es noch einmal zusätzlich 730 Millionen € – jedenfalls wenn der Plan umgesetzt wird – Schulden. Wie Sie merken, hasse ich das Wort „Nettoneuverschuldung“, weil es so schön klingt, das klingt irgendwie solide.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das werden die Hessinnen und Hessen der nächsten Generationen alles noch bezahlen müssen. Wir als Freie Demokraten und Liberale sagen: Wieso ist diese Landesregierung eigentlich gerade einmal 3 Millionen € unter der verfassungsrechtlich zulässigen Höhe geblieben? Wo war denn das Ambitionierte, um deutlich zu machen – der Ministerpräsident hat das nach seiner Wiederwahl als CDU-Landesvorsitzender deutlich auf einem Parteitag der Unionschristen gesagt –, dass man sich für die Interessen der künftigen Hessinnen und Hessen einsetzt, dass man auch die Schuldenbremse und die Abstimmung zur Aufnahme in die Hessische Verfassung, die die Bürgerinnen und Bürger zu 70 % unterstützt haben, ernst nimmt? 3 Millionen € unter der Latte bei einem Haushalt von 24 Milliarden €. Ich habe Jura studiert, ich kann die Promillezahl kaum ausrechnen, die dort gerade einmal erreicht worden ist. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das hat doch nichts mit ambitionierter schwarz-grüner oder schwarz-gelber oder rot-rotgrüner, oder wie auch immer, Politik zu tun. Das ist einfach langweilig, und das ist nicht verantwortungsbewusst.
Lassen Sie es mich differenzieren, weil Kollege van Ooyen gesagt hat, es gebe überhaupt keinen Unterschied, ob da Liberale dabei seien oder GRÜNE. Sie haben Recht: Die CDU-Ministerien benehmen sich genauso wie in der letzten Legislaturperiode. Sie machen einfach weiter so.
Die CDU-Ministerinnen und -Minister, in der letzten Legislaturperiode so wie heute, da breche ich kein Verhandlungsgeheimnis, haben in ihren Häusern nicht die Dynamik gezeigt, strukturelle Veränderungen vorzunehmen, nicht eine einzige.
Herr van Ooyen, der Unterschied zwischen den GRÜNEN und den Liberalen ist: Wir haben in der letzten Legislaturperiode strukturelle Veränderungen in den von uns verantworteten Häusern vorgenommen.
Herr Kaufmann, ich habe Ihnen ein bisschen mehr Intellekt zugetraut, und ich weiß, Sie haben ihn auch, dann nutzen Sie ihn auch. Das Landesschulamt ist eine Einsparung von Bürokratie. Sie machen wiederum eine Aufblähung von Bürokratie.
Das sieht man an Ihrem Haushalt. Sie haben auf einmal wieder 2,5 Millionen € obendrauf gesattelt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Geld hätte man nicht gebraucht. Sie haben ganz bewusst einen Schritt der Entbürokratisierung der strukturellen Aufgaben, die in einem Haushalt vorhanden sind, zurückgenommen. Das ist der Unterschied zu den Liberalen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was haben denn die GRÜNEN in ihren Haushalten gemacht? – Es ist doch aufgebläht worden. Es ist doch nicht so, dass strukturelle Veränderungen durchgeführt worden sind. Ich will nur daran erinnern, was Sie allein für Ihre grüne Klientel an neuen Aufträgen generiert haben, von Werbekampagnen über Ausstellungen bis hin zu neuen Aufträgen, beispielsweise im Bereich des Waldes.
Klassischer kann man Klientelpolitik nicht machen, und das auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger und der Kinder unseres Landes. Das ist grüne Zukunftspolitik. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da kann man nur Tränen in die Augen bekommen.
Wir haben Ihnen strukturelle Einsparungen in Höhe von 52 Millionen € zur Abstimmung gestellt. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass Sie jedem dieser Vorschläge nicht zugestimmt haben.
Herr Kollege Schork, Sie können sich gerne noch einmal melden, wenn irgendetwas in meinem Vortrag nicht gestimmt haben soll. Es gibt auch Kurzinterventionen. Ich glaube, das parlamentarische Spiel ist Ihnen genauso bekannt wie mir.
Ausdrücklich wird die FDP-Landtagsfraktion den Antrag von Schwarzen und GRÜNEN zum Thema Flüchtlingsbetreuungseinrichtungen und zur Einrichtung weiterer Außenstellen – oder wie auch immer Sie sie nennen – der in Gießen ansässigen Erstaufnahmeeinrichtung unterstützen. Das ist vernünftig, da stehen wir dahinter.
Meine Kolleginnen und Kollegen, verehrte Mitglieder der regierenden Fraktionen, wieso kommen Sie eigentlich nur auf die Idee, dort zusätzlich Gelder aufzunehmen, wo Sie auch die eigene politische Verantwortung haben? Wieso kommen Sie nicht auch auf die Idee, und das ist doch natürlich, wenn die Erstaufnahmeeinrichtungen erweitert werden müssen, dass auch mehr Flüchtlinge aus den Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Kommunen heruntergegeben werden? Wieso machen Sie nicht auch gleich den zweiten Schritt und geben den Kommunen zusätzlich 60 bis 70 Millionen €? Damit könnten die Kommunen ihren Aufgaben gerecht werden. Sie können doch nicht auf der einen Seite von den Kommunen verlangen, dass sie ihre Haushalte in Ordnung bringen sollen, und zwar viel schneller, als das Land Hessen es vorhat – wie wir gestern erfahren haben: die Kommunen im Jahr 2017 und das Land Hessen erst im Jahr 2019 –,
und auf der anderen Seite geben Sie den Kommunen Aufgaben, aber Sie unterstützen sie dabei nicht ordentlich. Das ist keine vernünftige, übrigens auch keine christliche und auch keine grüne Politik.
Wir haben deshalb noch ein, zwei Beispiele aufgenommen, die ganz aktuell mit der Situation in unserem Bundesland zu tun haben: Ich hatte das Gefühl, dass sich die Regierenden nicht ganz wohl waren, dass wir hier zwei Tage lang eine Anhörung zum Thema Salafismus, dessen Ursachen und dessen Bekämpfung in unserem Bundesland durchgeführt haben. Ich sage ausdrücklich Dankeschön an meinen Kollegen Wolfgang Greilich, der das mit einer mittelhessischen Beharrlichkeit, man könnte auch oberhessisch etwas anderes dazu sagen, in diesem Hause letztlich durchgedrückt hat.
Herr Bellino, am Anfang haben wir keine Zustimmung bekommen. Das ist bei dem vielen Papier vielleicht ein bisschen untergegangen. Am Anfang gab es keine Zustimmung, es gab schon ein bisschen Reserve, und wir wissen auch, woher sie kommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt nehmen wir bitte auch die Anhörungen ernst. Wenn an diesem Ort, im Plenarsaal des Hessischen Landtags, Fachleute erklären, dass wir insbesondere im Bereich der muslimischen Gefangenenseelsorge, aber auch im Bereich der personellen Ausstattung von Polizei und Sicherheitsbehörden mit dem Ansatz, den Sie im Haushalt stehen haben, nicht auskommen, wenn die Fachleute aus Hessen oder nicht aus Hessen sagen: „Ihr macht das in Hessen schon ganz gut, aber ganz gut ist nicht gut, und ihr müsst noch das und das drauflegen“, wieso sind Sie dann eigentlich nicht in der Lage – oder, altmodisch ausgedrückt: nicht Manns genug –, diese Vorschläge, die das Ergebnis dieses Kongresses sind, die von der FDP eingebracht worden sind, zu übernehmen?
50.000 € mehr für muslimische Gefangenenbetreuung, das ist doch lächerlich, das kann ich wiederum in Promille gar nicht ausrechnen bei 24 Milliarden € Gesamtvolumen. Ich will es auch gar nicht ausrechnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer da nicht zustimmt, der kann – wie es gerade die Christdemokraten alle
Lassen Sie mich deshalb abschließend für die FDP sagen: Polemik ist Ihnen inne, Herr Kaufmann. Das ist auch nicht schlimm. Nur, auf der einen Seite Polemik gegenüber Kommunen zu formulieren und auf der anderen Seite nicht zu merken, wie man mit seiner eigenen Situation umgeht, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.
Sie haben sich vor ungefähr 20 Minuten hierhin gestellt und erklärt, sie könnten sich die Verelendung der Kommunen nicht länger anhören, weil die Kommunen dieses Jahr die höchsten Einnahmen in Hessen bekommen würden. – Lieber Herr Kollege Kaufmann, in diesem Jahr wird das Land Hessen die höchsten Einnahmen in der Geschichte erhalten, und trotzdem sind Sie nicht einmal bereit, 50.000 € z. B. für die Salafismusbekämpfung in die Hand zu nehmen.
Wie kann man eigentlich einen solchen Unsinn von diesem Pult aus sagen? Ich kann das nicht nachvollziehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist aber typisch für die Verteidigungshaltung der GRÜNEN gegenüber diesem Haushalt. Stimmen Sie ihm meinetwegen zu, wir jedenfalls werden es nicht tun. – Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Hahn. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Schäfer. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will es gern den Vorrednern gleichtun und mich zu Beginn bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller beteiligten Ressorts, des Landtags, der Fraktionen und darüber hinaus sehr herzlich für die Vorbereitung und Umsetzung des Landeshaushaltsplans wie auch seiner Beratung bedanken. Es war wie immer ein sehr produktiver Diskursverlauf, der heute mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Abschluss finden wird.
Gestatten Sie mir noch einige den Rahmen beschreibende Hinweise, weil ich den Eindruck habe, dass in der sich zuweilen sehr auf Details konzentrierenden Debatte manches ein Stück zu kurz gekommen ist.
Lassen Sie uns den Haushalt noch einmal ein Stück weit einordnen. Die letzte mittelfristige Finanzplanung der alten Koalition aus CDU und FDP sah für das Jahr 2015 noch eine Nettokreditaufnahme von 860 bis 870 Millionen € vor. Dieses Ergebnis haben wir bereits im alten Haushaltsjahr, im Jahr 2014, erreicht, also ein Jahr früher, als es die Finanzplanung vorsah. Wir sind sehr viel schneller und konsequenter auf dem Konsolidierungskurs unterwegs, als es die damalige Regierung geplant hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ja, das hat etwas mit äußeren Umständen zu tun. Es hat aber auch etwas mit einer konsequenten
Konsolidierungspolitik dieser Landesregierung zu tun. Das muss an dieser Stelle deutlich hervorgehoben werden.
Herr Kollege Hahn, Sie brauchen sich um Promillerechnungen keine Gedanken zu machen, weil wir die nach dem Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse zulässige Nettokreditaufnahme nicht um 3 Millionen € unterschreiten, sondern um ziemlich genau 25 %. Nach dem Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse wäre nämlich eine Nettokreditaufnahme von 988 Millionen € zulässig, wir aber machen nur 730 Millionen € Schulden. 730 Millionen € sind immer noch zu viel, deshalb müssen wir auch von diesen Schulden runter. Aber wir sind ein Viertel besser, als die gesetzliche Grundlage vorgibt, und darauf sind wir stolz.