Protokoll der Sitzung vom 05.03.2015

Wenn Milliarden Euro ausgegeben werden, die für wichtige Energiewendeprojekte fehlen, und erhebliche Eingriffe in die Landschaft nötig sind, dann muss man schon sehr genau hinschauen, ob ein solches Projekt wirklich notwendig und sinnvoll ist. Das tun auch die Bürgerinitiativen, und ich denke, dass sie gute Argumente haben.

Es sind sehr viele Legenden und schiefe Sprachbilder im Umlauf, die von den meisten hingenommen und als Fakten dargestellt, aber sehr selten begründet werden. SuedLink wird oft als „Hauptschlagader“ oder als „Rückgrat“ der Energiewende bezeichnet, als ein „zentrales Projekt“. Wer das als gegeben ansieht, der kommt natürlich zu dem Schluss, dass man, wenn man dieses Trassenprojekt ablehnt, auch die Energiewende ablehnt.

Ich möchte ein paar Argumente nennen, warum ich glaube, dass das nicht zwangsläufig der Fall ist, und warum die SuedLink-Trasse kein Beitrag zur Energiewende ist, sondern eher hinderlich.

Die Energiewende ist mehr als ein Wechsel der Energieträger. Sie muss auch ein Bruch mit den bisher vorherrschenden Erzeugerstrukturen sein, hin zu einer Dezentralisierung und Demokratisierung der Energiewirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Netzausbau muss sich an den Energieerzeugungsstrukturen orientieren. Wir haben große Zweifel daran, dass für den dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien eine Transittrasse hilfreich ist, die quer durch das Land führt, ohne dass Strom zwischendurch ein- oder ausgespeist werden kann. SuedLink steht unserer Meinung nach für alte und zentralistische Strukturen – also eigentlich ein Projekt, dass die FDP total klasse finden müsste.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Das AKW Grafenrheinfeld wird abgeschaltet. Jetzt werden Mega-Windparks in die Nordsee gebaut. Anschließend soll eine Trasse quer durch Deutschland bis zum Standort des alten Atomkraftwerks gelegen werden, um letztendlich in den alten Strukturen weiterzumachen wie bisher.

Wir hingegen wollen das Generationenprojekt Energiewende nutzen, um nicht nur Atom und Kohle zu überwinden, sondern um die Energieerzeugung dezentral und demokratisch zu gestalten. Wir wollen das intransparente Oligopol der alten Energiekonzerne brechen und die Menschen vor Ort an der Stromerzeugung beteiligen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei dem Begriff Beteiligung ist es wichtig, dass man nicht ein paar Informationsveranstaltungen macht, sondern dass die Menschen vor Ort mitentscheiden dürfen. Ich kann gut nachvollziehen, dass die Betroffenen den angedachten Trassenverlauf nicht willkommen heißen, weil sie dahinter

Profitstreben vermuten und weil sie Fragen zu Sinn und Zweck dieser Trasse haben.

Meine Damen und Herren, ich denke, die Energiewende ist ein jahrzehntelang dauernder Prozess. Dafür werden neue Technologien entwickelt, und zwar rasend schnell. Beispielsweise wird die Frage sein, wie schnell die Entwicklung der Speichertechnologien vorangeht, um Wind- und Sonnenstrom speicherfähig zu machen. Dann wird ein Punkt erreicht sein, an dem zu fast jedem Zeitpunkt ein ausreichender Grundsockel an Strom aus erneuerbaren Energien im Netz eingespeist ist, und die milliardenteure Leitung wird sehr schnell überflüssig sein.

Gerade die Entwicklung der Speichertechnologien ist in all den Planungen nicht ausreichend berücksichtigt. Jede Windspitze von Norddeutschland in den Süden transportieren zu wollen und dafür eine extra Leitung zu bauen, ist unserer Meinung nach nicht sinnvoll. Vorher müsste der unflexible Kohlestrom aus den Leitungen herausgenommen werden; denn er verstopft die Netze, wenn es genug Wind gäbe, um die Windräder am Laufen zu halten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb sagen wir: Das Stromnetz muss auf jeden Fall ausgebaut werden. Die Einschätzung von Experten – auch bei unserer Anhörung im letzten Sommer – war, dass auch dieses sehr gut als Übertragungsnetz dienen kann und Megatrassen nicht sinnvoll sind. Nun sind wir uns der außergewöhnlichen Situation bewusst, dass wir mit unseren Zweifeln an dem Projekt scheinbar an der Seite von Horst Seehofer, Volker Bouffier und der FDP stehen.

(Lachen des Ministers Tarek Al-Wazir)

Allerdings hoffe ich, dass wir deutlich gemacht haben, dass wir aus anderen Gründen Zweifel haben. Wir sehen SuedLink kritisch; denn wir meinen, dass das für die Energiewende nicht hilfreich ist – egal, wo sie gebaut wird: ob in Bayern, in Hessen oder in Thüringen. Es geht uns nicht darum, sie möglichst weit von uns wegzuschieben, sondern es geht darum, ob man sie überhaupt braucht.

Der Ministerpräsident stellt die Trasse mittlerweile auch infrage, zumindest hat er das in Fulda getan. Das empfinden wir als einen erfreulichen Moment von politischer Klarheit. Wir würden natürlich auch gern wissen, wie die gesamte Landesregierung dazu steht.

Kollegin Wissler, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Aber nachdem CDU und CSU – damit auch Herr Seehofer und Herr Bouffier – in Berlin für die Trasse gestimmt haben, befürchten wir, dass das nur ein durchsichtiges Manöver ist und nichts damit zu tun hat, dass man die Energiewende will, bzw. dass man jetzt den Argumenten der Anwohner nachgeht. Von daher haben wir große Zweifel. Ich denke, wir sollten nicht auf die Behauptung hereinfallen, dass man die Trasse unbedingt für die Energiewende braucht. Da besteht kein Zusammenhang. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Staatsminister Al-Wazir.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss Kollegin Wissler meine Heiterkeit von vorhin erklären,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich freue mich ja, wenn Sie sich freuen!)

als Sie gefordert haben, die Energieversorgung

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die Energiewirtschaft! – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

die Energiewirtschaft – müsse demokratisiert werden. Demokratisierung heißt bei Ihnen Verstaatlichung. Ich darf einmal darauf hinweisen: RWE gehört mehrheitlich den nordrhein-westfälischen Kommunen, Vattenfall dem schwedischen Staat und EnBW dem Land Baden-Württemberg.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das stimmt überhaupt nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies hat nicht immer alles besser gemacht.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): RWE gehört nicht mehrheitlich den Kommunen! – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

In wesentlichen Teilen, habe ich gesagt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nächster Punkt. Ich finde, das muss ich für die Landesregierung jetzt einmal sagen: Wir bemühen uns, den Gegebenheiten und Wünschen des Parlaments nachzukommen. Aber wenn der Ministerpräsident draußen auf den Präsidenten des französischen Senats wartet, ist das keine Missachtung der ersten Gewalt, sondern Respekt gegenüber einem Gast.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD) – Gegenrufe von der CDU)

Wir sind seit einigen Jahren – –

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Kollege Günther Rudolph, ich versuche gerade, mich mit der Sache zu beschäftigen. Ich hoffe, ich habe Ihre Aufmerksamkeit. – Ich und auch der Ministerpräsident bekommen seit über einem Jahr, seitdem diese Regierung im Amt ist, Tag für Tag Briefe zum Thema SuedLink. Der erste Punkt, auf den ich hierzu hinweisen will: Das Land Hessen ist in diesem Prozess formal lediglich ein sogenannter Träger öffentlicher Belange. Diese Leitung wird von der Bundesnetzagentur in Verantwortung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie geplant, das nach meiner Kenntnis vom SPD-Bundesvorsitzenden geleitet wird. Darauf wollte ich einmal hinweisen, weil das hier in der öffentlichen Debatte manchmal in Vergessenheit gerät.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Trotzdem weisen wir immer wieder darauf hin, dass die Bundesnetzagentur, die die Planung macht, den spezifi

schen Bedarf für diese Trasse natürlich darstellen muss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sie das nicht kann, hat jeder, der gegen diese Trasse klagt, vor Gericht sehr gute Chancen. Ich kann einen Landschaftseingriff nämlich nur dann rechtfertigen, wenn ich den spezifischen Bedarf nachweisen kann. Das ist keine Besonderheit, das ist eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir beteiligen uns konstruktiv am Verfahren. Darauf weisen der Ministerpräsident und ich alle Bürgerinnen und Bürgern, denen wir antworten, immer wieder hin.

(Zurufe der Abg. Nancy Faeser und Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD))

Wir legen großen Wert darauf, dass die Abstände zu den Siedlungen eingehalten werden. Wir legen großen Wert darauf, dass die Belange des Naturschutzes abgewogen werden, und wir legen großen Wert darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an einbezogen werden.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

In jedem Antwortschreiben weisen der Ministerpräsident und ich darauf hin, dass sich die Bürgerinnen und Bürger schon jetzt in den stattfindenden Antragskonferenzen mündlich äußern können und dass wir sie – Achtung – ausdrücklich dazu ermuntern; denn wir haben ein Interesse daran, dass sich die Bürgerinnen und Bürger dort einbringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt: Wir betonen, dass wir keinen Zweifel daran haben, dass die Fachleute der Bundesnetzagentur sorgfältige Arbeit leisten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich hoffe, Sie haben daran auch keinen Zweifel. Die Bundesnetzagentur überprüft den energiewirtschaftlichen Bedarf. Die vier Übertragungsnetzbetreiber müssen jedes Jahr aufs Neue Netzentwicklungspläne vorlegen. An dieser wiederkehrenden Überprüfung sind auch unabhängige wissenschaftliche Institute und damit externer Sachverstand beteiligt.

Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesnetzagentur vom Vorhabenträger TenneT verlangt, dass er das nicht nur materiell nachweist, sondern auch allgemein verständlich darstellt. Ich werde heute einen Brief an den Bundeswirtschaftsminister, den Kollegen Sigmar Gabriel, schreiben und ausdrücklich sagen, dass wir wollen, dass die Bundesnetzagentur das so darstellt, dass es nicht nur für Fachleute verständlich ist, sondern auch für Bürgerinnen und Bürger; denn Lastflussdiagramme versteht hier im Parlament vielleicht der Diplom-Physiker Frank Kaufmann. Aber die meisten Abgeordneten sind da schon etwas überfordert.

(Zurufe der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Herr Staatsminister, ich darf darauf hinweisen, dass die Redezeit der Fraktionen abgelaufen ist.