Protokoll der Sitzung vom 06.02.2014

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kollegin Dorn hat richtig ausgeführt, dass genau solche Projekte jetzt in Hessen gefährdet sind und damit na

türlich auch das 2-%-Ziel. Man muss noch hinzufügen: Hessen liegt nicht am Meer – zumindest noch nicht –, der Strom aus den erneuerbaren Energien wird sich also zukünftig im Norden ballen, während an windstarken Standorten im Süden die Förderung gekürzt wird. Das macht es dann natürlich wieder nötig, dass wir durch einen verstärkten Ausbau von Trassen die Windenergie vom Norden in den Süden transportieren müssen. Das heißt also, all dies führt nicht dazu, dass es günstiger wird, sondern es wird eher teurer.

Wer angesichts der Energiewende immer von Kosten redet, muss auch einmal gegenrechnen, was es kostet, wenn es keine Energiewende gäbe – das ist nämlich die teuerste Variante von allen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Vorschläge von Sigmar Gabriel würden nicht zu Strompreissenkungen führen, sondern vor allem zu einer Beibehaltung der bestehenden Marktstrukturen. Eine langsame, aber positive Entwicklung würde dann abgewürgt werden, und davon hat der private Stromkunde überhaupt nichts. Viel notwendiger ist es, dass endlich die Privilegien und Rabatte für die Großindustrie und die Ausnahmen von den EEG-Umlagen abgeschafft werden; denn das sind die eigentlichen Kostentreiber, und hier besteht dringend Reformbedarf, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die FDP mahnt in ihrem Antrag von gestern einmal mehr, dass der freie Markt es richten solle. Dabei muss man immer wieder sagen, dass gerade in diesem Land Strom und freier Markt nicht besonders viel miteinander zu tun haben. Wir haben über Jahrzehnte hinweg Gebietsmonopole gehabt. Wir haben die milliardenschwere Subventionierung der konventionellen Energieträger gehabt. Deshalb muss man sagen, dass sich der Ökostrom auch erst einmal gegen diese hoch subventionierte alte Energieversorgung durchsetzen muss. Deshalb ist es selbstverständlich notwendig, auch hier weiter auf Förderung zu setzen.

Herr Minister Al-Wazir – wo ist er? –

(René Rock (FDP): Das ist kein besonders wichtiges Thema für ihn!)

war in der letzten Woche in Berlin, wo er seine Kritik an den Reformplänen deutlich gemacht und auch die Windkraftziele des Hessischen Energiegipfels verteidigt hat. Das begrüßen wir ausdrücklich. Wir werden hier genau beobachten, was Sie in Hessen für das Ziel einer ökologischen, dezentralen und bezahlbaren Energieversorgung auf den Weg bringen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Kraft, das auch gegen den Koalitionspartner durchzusetzen. Ich denke, dass die Vorschläge der aus CDU und SPD bestehenden Bundesregierung für die EEG-Reform derzeit eher schädlich für die Energiewende sind und dass sie auch als Strompreisbremse unwirksam bleiben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Rock, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wie immer haben wir in dieser Debatte hier von vielen Rednern ideologiegesteuerte Beiträge jenseits der Realität und unter Ausblendung der eigentlichen Probleme gehört.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD)

Ich möchte einmal eine Lanze für Herrn Gabriel brechen. Herr Gabriel hat zumindest das Problem erkannt, auch wenn er sich in dem Rahmen, in dem er sich bewegt, das Problem nicht lösen kann, weil es nicht geht. Aber wir haben bei Herrn Schröder gesehen, dass, wenn die Probleme groß genug werden, die SPD in der Lage ist, auch mutige Entscheidungen für dieses Land zu treffen. Darum habe ich bei Herrn Gabriel die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Das trifft für den Wirtschaftsminister in Hessen aus meiner Sicht natürlich so nicht zu, weil er unter völliger Ausblendung der Realität immer weiter auf diesem ideologischen Weg marschiert.

Warum sage ich das? – Ich sage es, weil einer der wichtigsten Punkte beim Energiegipfel die Akzeptanz war. Sie tun immer so, als würde das, was heute schon gezahlt werden muss, von den Bürgern akzeptiert wird. Eine Familie aber muss 1.000 € im Jahr dafür bezahlen, dass wir Windund Solarstrom in diesem Ausmaß haben, hat aber keinen wirtschaftlichen Vorteil davon. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Diskussion bei den Sozialverbänden zu den 8 € Zuzahlung bei den Krankenkassen, also 96 € im Jahr – da ist das Abendland untergegangen. Wir befinden uns hier aber längst in ganz anderen Dimensionen. Alles, was Gabriel vorschlägt und was hier immer noch in Gänze oder zumindest in vielen Bereichen kritisiert wird, wird gar nichts daran ändern, dass die Strompreise weiter steigen. Dieser staatlich organisierte Anstieg der Strompreise wird die Energiewende ins Mark treffen.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Woran liegt denn das?)

Wenn man dieses Thema hier ununterbrochen negiert und einfach so tut, als gäbe es dieses Thema nicht, kann ich nur sagen, sind Sie es, die die Axt an die Wurzel legen. Sie werden die Verantwortung tragen, wenn Sie hier mit Mehrheiten und Händeheben Probleme ausblenden. Aber damit werden Sie nicht die Probleme der Bürgerinnen und Bürger lösen, und die werden Ihnen diese Probleme dann vor die Haustür tragen. Das ist die Wahrheit, und daran werden Sie nicht vorbeikommen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich kann Ihnen nur sagen, dass Sie dieses ewige „Wir beschließen 30 %, 70 %, 110 %, und wir werden 180 % erreichen, in drei Monaten, in 15 Monaten“, ja alles machen können; das war früher im Sozialismus auch so. Da hat man Wachstumsraten beschlossen, da hat man Erfolgspläne beschlossen, da hat man alles Mögliche beschlossen.

Aber es zählen die Realität und die Fakten. Und die Fakten sind nun einmal eindeutig: Die Kosten laufen davon. Keiner hat im System des EEG eine Chance, diese Kosten zu reduzieren. Die einzige Möglichkeit, die bestünde – das wurde vor der Wahl ja auch debattiert –, besteht darin, dass, ökonomisch gesehen, zurzeit der Staat der größte Profiteur der Energiewende ist.

(Beifall bei der FDP)

Er erzielt unglaublich erhöhte Steuereinnahmen durch die Energiewende. Bei jedem Windrad profitiert als Erster der Finanzminister, sonst niemand; das Klima kommt ganz, ganz am Ende bei dieser Debatte. Das möchte ich hier auch noch einmal hinterlegen.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn man hier weiter auf diese Art und Weise arbeitet, werden Sie das Vertrauen – das Sie für dieses Projekt zweifellos haben – gnadenlos verspielen. Jeder, der die Debatte vor Ort mitbekommt, hat doch schon gemerkt, dass das Ganze bereits an der Belastungsgrenze ist. Natürlich kann man sagen, dass jeder eine Eigenerzeugung zu Hause macht. Aber dann hat er noch immer einen Netzanschluss. Den braucht er dann natürlich weniger. Aber wie wird dieser Netzanschluss finanziert? – Der wird natürlich dadurch finanziert, dass es einen Anteil auf den Stromverbrauch gibt. Natürlich ist es so, dass, wenn weniger Leute Strom aus dem allgemeinen Netz beziehen, der Preis für diejenigen, die das Netzentgelt normal bezahlen, auch wieder steigen wird.

Wir haben von Ihnen gehört, dass Sie einen Kapazitätsmarkt betreiben. Das sind 6 Milliarden € Subventionen für Kohlekraftwerke und Gaskraftwerke, die gar keinen Strom liefern werden. Das ist doch kein Sparprogramm, was Sie machen, sondern es wird alles auf dem Rücken der Stromzahler abgearbeitet werden.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie glauben, dass die Leute so doof sind und es nicht irgendwann kapieren, wenn Sie glauben, Sie können hier die Hand heben und die Realität wegstimmen, dann werden Sie verlieren. Sie verlieren die Energiewende, und Sie verlieren die Zukunft in diesem Land. Sie werden dann Pate stehen müssen für soziale Ungleichheit. Ich habe es oft genug erklärt: Wer Geld hat, kann in der Energiewende ordentlich verdienen, und alle anderen bezahlen die Profite.

(Beifall bei der FDP)

Das wissen Sie, das können Sie nicht wegdiskutieren, und das wird am Ende dazu führen, dass Sie keinen Erfolg haben werden.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das von denen, die spätrömische Dekadenz vorwerfen!)

Immer weiter so, wie es von hinten rechts hier vorgetragen wird, und hier immer wieder die alten Reden zu führen, das wird nicht helfen. Darum ist es klar: Wir brauchen einen Systemwechsel. Das EEG muss unverzüglich auslaufen. Diese Bundesregierung wird sich den Fakten nicht widersetzen können. Am Ende wird Sigmar Gabriel dieses EEG beenden. Er wird es vielleicht anders nennen, aber faktisch wird er es beenden, weil es nicht mehr geht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung spricht Staatsminister Al-Wazir.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in den letzten drei Tagen viel über die Frage geredet worden, ob immer noch die gleichen Reden gehalten werden wie im letzten Landtag. Ich stelle fest: Herr Kollege Rock hält noch die gleichen Reden wie im letzten Landtag. Da hat es zwischendurch Wahlen gegeben, und das Ergebnis der FDP ist bekannt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben gestern Abend schon debattiert. Ich will noch einmal ausdrücklich bekräftigen: Die Energiewende ist eines der zentralen Vorhaben der Hessischen Landesregierung in dieser Legislaturperiode. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt – ich glaube, diesem Ziel müssten sich fast alle anschließen können –, dass das Ziel eine sichere, umweltschonende, bezahlbare und gesellschaftlich akzeptierte Energieversorgung für Bürgerinnen und Bürger, für Mittelstand und Industrie sein muss. Dass wir dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen müssen, das ist völlig klar. Dazu gehört eben auch eine grundlegende Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – René Rock (FDP): Jetzt die Fakten!)

Die Eckpunkte, die Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel im Bund vorgeschlagen hat, sind aus unserer Sicht eine durchaus interessante Diskussionsgrundlage. Sie enthalten prinzipiell durchaus geeignete Instrumente zur Optimierung der Marktintegration der erneuerbaren Energien. So weit stimmen wir mit der Bundesregierung ausdrücklich überein.

Herr Kollege Gremmels, wir wissen, dass viele Menschen an diesen Vorschlägen gearbeitet haben. Ich kenne auch einen grünen Staatssekretär, den Sie angesprochen haben, der auch an bestimmten Punkten gearbeitet hat. Ich kenne Sigmar Gabriel nun nicht so gut wie Sie, aber ich weiß, dass er am Ende schon Wert darauf legt, dass er das verantwortet, was er vorlegt, und dass er am Ende auch dafür gesorgt hat, dass die Eckpunkte so geworden sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich will hinzufügen, es ist unglaublich wichtig, dass die Regelungen bei den Ausnahmetatbeständen geändert werden. Sie wissen – Herr Kollege Rock, da waren Sie nicht ganz unbeteiligt –, dass wir inzwischen eine Situation haben, dass die EU das als Beihilfe ansieht, und dass die Gefahr droht, dass die gesamten Ausnahmetatbestände als Beihilfe angesehen werden.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wenn das passieren würde, hätten wir ein wirkliches Problem. Das muss auf jeden Fall verhindert werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir glauben, dass es richtig ist, sich auf die kostengünstigsten Technologien zu fokussieren – das sind die Windkraft und inzwischen auch die Fotovoltaik –, und dass das zu einer Stabilisierung der EEG-Umlage führen würde. Wir glauben aber, dass trotz dieser richtigen Grundansätze

der Vorschlag der Bundesregierung Punkte beinhaltet, die aus hessischer Sicht absolut kritisch zu bewerten sind und die zu Nachteilen für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien gerade in unserem Bundesland führen könnten.

Das betrifft insbesondere die Vergütung für Windkraftanlagen im Binnenland. Wenn die vorgeschlagene Vergütungsabsenkung so käme, dann würde dies dazu führen, dass insbesondere die Energiewende in den hessischen Mittelgebirgsregionen gebremst oder unterbunden wird. Die bisherige Ausbauplanung – das muss man in dem Zusammenhang auch sagen – für diese Gebiete erfordert in absehbarer Zeit keinen Netzausbau. Das würde zu einer signifikanten Kostenreduktion und auch zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit solcher Projekte führen. Ich sage Ihnen ausdrücklich: Diese Wirtschaftlichkeit wäre allerdings infrage gestellt, wenn die für eine Förderung maßgebliche Mindestwindgeschwindigkeit bzw. der sogenannte Referenzertragswert so weit abgesenkt würde, wie es das Eckpunktepapier der Bundesregierung bisher vorsieht.

Um das sehr deutlich zu machen: Wenn eine Beschränkung auf Standorte käme, die einen Referenzertragswert von 75 oder gar 77,5 % erfüllen, dann würde das bedeuten, dass von den derzeit in Mittelhessen diskutierten Vorrangflächen nur noch ungefähr 42 % realisiert werden könnten. Bei den in Nordhessen diskutierten Vorrangflächen wären es nur noch 30 %.

Was das an Entwertung der Arbeit bedeuten würde, die in den Regionen in den letzten zwei Jahren in die Erarbeitung genau dieser Vorrangflächen gesteckt wurde, das muss ich Ihnen, glaube ich, nicht deutlich machen.