Der Übergang von der Schule in den Beruf soll mehr Jugendlichen gelingen. Unser Ziel ist, dass wir bis 2020 höchstens noch 10.000 – 2013 waren es 17.270 – Schulabgängerinnen und Schulabgänger eines Jahrgangs im Übergangssystem haben. Ich will ausdrücklich sagen: Wir diskutieren auf dem Bildungsgipfel gerade darüber. Wir wollen bis zum Sommer 2015 ein mit dem Bildungsgipfel abgestimmtes Konzept zur Neugestaltung des Angebots von Übergangsmaßnahmen vorlegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich setze auch auf Ihre konstruktive Mitarbeit.
Das neue Programm zur Stärkung der Ausbildungsfähigkeit und -qualität von kleinen Unternehmen, das wir starten werden – Frau Kollegin Wissler, Stichwort: Ausbildungsverbünde –, soll ab Sommer 2015 Kleinstunternehmen, d. h. solche mit neun oder weniger Mitarbeitern, mit einem Zuschuss von maximal 4.000 € pro Unternehmen und Auszubildenden unterstützen, damit auch die wieder mehr ausbilden und in diesen Bereich gehen. Es ist ein großes Problem, dass in kleineren Unternehmen zum Teil gesagt wird: Wir bekommen die Ausbildungstiefe mit allem, was dazugehört, nicht hin. – Wir wollen sie dabei unterstützen.
Ich kann das ausdrücklich sagen. Auch ich war einmal Chef eines kleinen Unternehmens. Es hieß Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen. Wir haben heftig darüber diskutiert – das ist zehn Jahre her –, ob wir einen Ausbildungsplatz einrichten sollen. Da wurden genau die gleichen Argumente vorgebracht. Inzwischen haben wir die vierte Auszubildende. Drei haben die Ausbildung absolviert, alle haben die Prüfungen bestanden, und alle arbeiten. Auch da muss man also manchmal Widerstände überwinden, und nachher sind alle froh, dass man es gemacht hat.
Frau Gnadl, Sie haben vorhin die Arbeitslehre angesprochen: Wir wollen ausdrücklich einen Ausbau der Berufsund Studienorientierung in allen allgemeinbildenden Schulformen. Ob das dann „Arbeitslehre“ oder „PoWi“ heißt, ist völlig egal, denn es soll in allen Schulformen unterrichtet werden.
Das soll verbindlich gemacht werden, indem das Kultusministerium es in eine neue Verordnung aufnimmt. Das Kultusministerium hat das zugesagt. Die Berufs- und Studienorientierung soll dabei in allen Fächern verankert werden und ein Ankerfach haben, nämlich entweder Arbeitslehre oder PoWi.
Ganz wichtig: Es soll struktureller Bestandteil der Lehrerausbildung werden, wobei wir natürlich auf dem Bildungsgipfel im Detail darüber reden werden, wie das aussehen soll.
Letzter Punkt Ihres Vorwurfs – Stichwort: Schulsozialarbeit –: Wir stellen jetzt jedes Jahr – also in jeden Haushalt – 60 zusätzliche Stellen im Bereich des Kultusministeriums ein, die nach dem Sozialindex verteilt werden. Jedes Jahr werden es 60 Stellen mehr sein: in diesem Jahr 360 Stellen, im nächsten Jahr 60 mehr usw. So geht es bis zum Ende der Legislaturperiode weiter.
Überlegen Sie sich einmal, über welche vergleichsweise lächerlichen Beträge wir bei der sogenannten Drittelfinanzierung der Schulsozialarbeit gestritten haben, und vergleichen Sie das mit den 60 zusätzlichen Stellen pro Jahr nach dem Sozialindex. Sie merken, dass auch das ein Punkt ist, an dem wir dafür sorgen, dass es besser wird und nicht schlechter.
Vielen Dank. Ich bemühe mich. – Das Land hat seine Berufsorientierungsmaßnahmen im Rahmen von OloV mit der Initiative Bildungsketten verknüpft. Wir wollen die flächendeckende Anwendung eines einheitlichen Verfahrens zur Eignungsfeststellung wirksam mit der Berufsorientierung, der Akquise von Ausbildungsstellen und Praktikumsplätzen sowie dem sogenannten Matching und der Vermittlung nach einheitlichen Standards verzahnen.
Wir wollen diese Vereinbarung verlängern. Wir setzen auf die Förderung der vertieften Berufsorientierung in MINTBerufen für Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Klasse. Wir wollen Maßnahmen für 4.000 Schülerinnen und Schüler durchsetzen.
Letzter Punkt, der mir ganz besonders wichtig ist: Es muss völlig klar sein, dass es eine tatsächliche Gleichwertigkeit von beruflichem und schulischem Bildungsweg gibt, dass also berufliche Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, damit sich mehr Jugendliche für eine berufliche Ausbildung entscheiden, damit eine berufliche Ausbildung die gleichen beruflichen Entwicklungschancen bietet und dafür auch die Durchlässigkeit durch einen angemessenen Hochschulzugang gegeben ist. Wir werden das im Rahmen der Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes überprüfen. Völlig klar, das Ziel muss sein: Es gibt keine Sackgassen. „Egal, für welchen Weg du dich entscheidest, es gibt keine Sackgassen mehr“ – das muss am Ende bei den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern ankommen.
Deswegen zum Schluss: Wir werden diese und weitere Maßnahmen bis 2019 umsetzen. Wir werden gegebenenfalls noch zu erarbeitende weiterführende Ergebnisse des Bildungsgipfels berücksichtigen. Wir wollen gemeinsam mit unseren Bündnispartnern auf eine flächendeckende Versorgung mit Ausbildungsstellen in Hessen hinwirken. Wir schaffen damit faktisch eine Ausbildungsgarantie; nur so sichern wir unseren Fachkräftenachwuchs auch in Zukunft und schaffen berufliche Chancen für alle Jugendlichen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Staatsminister Al-Wazir. – Es liegen uns keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb treten wir in die Abstimmung ein.
Ich lasse abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bündnis Ausbildung Hessen – sichert Chancengleichheit, Wohlstand und Fachkräfte in Hessen, Drucks.
19/1744. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das sind die anderen Fraktionen. Damit ist dieser Entschließungsantrag angenommen worden. Herzlichen Dank.
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Pakt für den Nachmittag – Landesregierung verwirklicht freiwillige, vielfältige und bedarfsgerechte Bildungs- und Betreuungsgarantie für alle Grundschulkinder – Drucks. 19/861 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Als Erste hat sich Frau Kollegin Wiesmann von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit ungefähr zehn Jahren mobilisieren Parlamente deutschlandweit Milliardenbeträge für ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot, das den Erfordernissen der gestiegenen Berufstätigkeit von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht wird und darüber hinaus einen ernsthaften Anspruch auf frühkindliche Bildung und Erziehung erfüllen kann.
Wir erleben und gestalten erfolgreich – viele hier im Raum gestalten diese mit – eine gigantische neue Infrastruktur, die das Leben und Arbeiten von Millionen Familien stark verändert und zumeist erleichtert. Das soll hier zu Beginn einmal gewürdigt werden. Dies verdient auch die Arbeit der Landesregierung – ich muss in diese Richtung schauen –, die diese Politik seit vielen Jahren mit der CDU an der Spitze vorantreibt, und das verdienen die für die Kinderbetreuung originär zuständigen Kommunen sowie die Bürgerinnen und Bürger, deren Steuergeld auf allen Ebenen dafür ausgegeben wird.
Jetzt zum Pakt für den Nachmittag, die Erweiterung einer Großbaustelle auf den Bereich der Grundschulkinderbetreuung. Was ist das Ziel? Wir wollen die schon erheblichen Bemühungen in der Nachmittags- und Ganztagsbetreuung nochmals intensivieren und zusammenführen und so flächendeckend ein Betreuungsangebot für Grundschulkinder bereitstellen, die dies nach dem Willen ihrer Eltern haben sollen, auch am Nachmittag bis 17 Uhr sowie in den Schulferien.
Warum ein Pakt? Weil die Bemühungen bislang schon – ich nenne nur noch einmal die 1.700 Lehrerstellen des Landes in der Ganztagsbetreuung – zu oft erheblich dadurch erschwert wurden, mitunter auch daran scheiterten, dass es diese Schnittstelle zwischen Schule und kommunaler Kinderbetreuung gab, die mitunter ein treffliches Pingpongspiel erlaubte. Damit soll nun Schluss sein. Es soll ein gemeinsamer Weg entwickelt werden, und dafür bietet der Pakt den Rahmen.
Was heißt „gemeinsamer Weg“? Wir wollen die Betreuungs- und Bildungsangebote in gemeinsamer Anstrengung von Schule einerseits und Trägern nicht schulischer Nachmittagsangebote andererseits zusammenführen, von der Kinder- und Jugendhilfe, einschließlich der klassischen Horte, über Vereine und Musikschulen bis hin zu Kirchen
gemeinden und freien Initiativen. Was gut funktioniert und nachgefragt wird, soll beibehalten, einbezogen und gerade nicht einer vermeintlich allumfassenden Lösung von oben untergeordnet werden.
Wir wollen ein vielfältiges Angebot, das den vielfältigen Interessen, Bedürfnissen, Neigungen höchst unterschiedlicher Kinder entspricht. Dazu sind kluge Überlegungen vor Ort notwendig, die wir nun einfordern. Das ist auch anstrengend. Das wissen wir. Aber dafür stellen wir von Landesseite auch weitere Ressourcen zur Verfügung, in Form von zunächst 145 zusätzlichen Lehrerstellen oder den entsprechenden Finanzmitteln für die sechs Pilotregionen, die zum kommenden Schuljahr starten, aber natürlich auch in Form von Beratung dabei, wie die Paktvereinbarungen vor Ort konkret ausgestaltet werden können. Der Gesamtumfang dieser Ressourcen ist von einer ganz anderen Dimension: 1.400 Stellen und 70 Millionen € bis zum Ende der Legislaturperiode. Das ist das größte familien- und bildungspolitische Projekt dieser Koalition in dieser Legislaturperiode.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Grundprinzip Freiwilligkeit sagen. Warum? Die SPD, zuletzt Kollege Degen, hat hier und anderswo immer wieder deutlich gemacht, dass die verbindliche Ganztagsschule in ihren Augen das Vehikel schlechthin für mehr Bildungsgerechtigkeit ist und dass man diese perspektivisch überall braucht. Das ist so nicht unsere Vorstellung.
Wir wollen ein gutes Bildungsangebot über den ganzen Tag machen. Aber wir wissen auch um die Chancen frei verfügbarer Zeit für Kinder, nicht nur am Wochenende.
Wir wissen, dass Bildung beileibe nicht allein Sache einer – noch so guten – Institution Schule ist, sondern in der Familie beginnt und auch noch während des Schulbesuchs zu erheblichen Anteilen im familiären Kontext stattfindet. Erstens sind Kinder unterschiedlich. Zweitens brauchen viele von ihnen auch immer wieder die Möglichkeit des Rückzugs ins Private, in die heimischen Gefilde, wo sie anders und manchmal auch unbedingter geliebt und angenommen sind als in der Peergroup ihrer Schulklasse. Sie brauchen die Freiheit, selbst und spontan über Betätigungen, über Geselligkeit und manchmal auch nur über Alleinsein und Ruhe an einem Teil des Tages zu entscheiden. Daran wachsen sie auch. Das gilt für den einen mehr und die andere weniger und manchmal für den Erstklässler noch mehr und für den Viertklässler schon weniger.
Deshalb ist Freiwilligkeit ein Grundprinzip des Paktes. Sie entspricht im Übrigen auch den Wünschen der Eltern. Das nur ganz am Rande; aber das ist uns sehr wichtig. Freiwilligkeit gilt des Weiteren – damit komme ich zum letzten Gedanken – auch für die Beteiligung von Schulen und Schulträgern. Der Pakt für den Nachmittag wird in sechs hoch interessierten Pilotregionen erprobt werden.
Wenn die Schulen da oder dort noch zurückhaltend sind, sich zu beteiligen, liegt das nicht zuletzt an der Neuartigkeit des Wegs.
In Frankfurt – das möchte ich hier noch sagen – spielt z. B. eine Rolle, dass es in dieser wachsenden Stadt vielerorts bauliche Bedingungen gibt, die das Projekt nicht erleichtern.
Gleichwohl: Information, Beratung und Hilfestellung des Landes werden fortgeführt, sodass es am Ende ein Privileg gewesen sein wird, zu den Pilotschulen der ersten Stunde gezählt zu haben.