Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

(Michael Boddenberg (CDU): Was sagen Sie zu dem Koalitionspartner der Kommunisten? – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Ich zitiere Sahra Wagenknecht:

Seit Jahren wird die deutsche Bevölkerung von Finanzminister Schäuble belogen. Die deutschen Steuerzahler haben nicht „den Griechen“ geholfen, wie Schäuble behauptet, sondern deutschen und internationalen Banken. Die Strukturanpassungsprogramme der Troika waren kein Erfolg, wie Schäuble beteuert, sondern eine Katastrophe für die griechische Wirtschaft. Auch die Frage von Entschädigungszahlungen für Naziverbrechen ist nach Überzeugung anerkannter Juristen keineswegs abschließend geklärt, …

DIE LINKE ist dem demokratischen Sozialstaat und der internationalen Solidarität verpflichtet.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Was für ein Blödsinn!)

Weil das so ist, freue ich mich über die verschiedenen Aufrufe, auch der Gewerkschaften, zur Solidarität mit Griechenland. Im Aufruf des Europäischen Gewerkschaftsbundes heißt es beispielsweise:

Mit der neuen griechischen Regierung muss ernsthaft und ohne Erpressungsversuche verhandelt werden, um dem Land eine wirtschaftliche und soziale Perspektive jenseits der gescheiteten Austeritätspolitik zu eröffnen … Europa darf nicht auf der Fortsetzung einer Politik zulasten der Bevölkerung beharren, die von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler unmissverständlich abgelehnt wird. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben.

So weit der EGB. – Die Griechen haben alles Recht der Welt, sich gegen diese Ausplünderung ihres Gemeinwesens zu wehren.

(Manfred Pentz (CDU): Alle sind schuld, nur die Griechen nicht!)

Die EZB ist eine öffentliche Institution mit öffentlichen Aufgaben und öffentlicher Verantwortung. Es ist doch absurd: Die EZB bedient die Banken mit billigem Geld zu Niedrigzinsen, und diese geben es als teure Kredite an die Staaten weiter.

(Manfred Pentz (CDU): Das stimmt doch gar nicht!)

Die Banken verdienen, und die Staaten bluten, und mit ihnen die Steuerzahler. Das muss aufhören.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU: Ach du meine Güte!)

Die EZB sollte die Staaten ohne die Zwischenschaltung der Märkte finanzieren dürfen – durch direkte Kredite und zu akzeptablen Bedingungen. Eine umfassende Demokratisierung der EZB ist unverzichtbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Die EZB muss verpflichtet werden, die Aufbaupolitik demokratisch legimitierter Regierungen zu unterstützen.

(Manfred Pentz (CDU): Soll DIE LINKE jetzt die Geldmarktpolitik bestimmen?)

Ja, natürlich. Das wäre natürlich ideal. Tsipras hat damit angefangen, ich hoffe, das macht in Europa Schule.

(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit wem koalieren denn die LINKEN in Griechenland? Können Sie darüber reden?)

Viele der Probleme in Griechenland sind sicherlich auch hausgemacht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit wem koalieren die LINKEN dort eigentlich?)

Sie sind Folge eines Systems, in dem die Eliten die wirtschaftlichen Reichtümer und die politische Macht untereinander aufgeteilt haben, jahrzehntelang.

(Anhaltende Zurufe des Abg. Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich frage: Warum sollen die Werftarbeiter, die Hotelangestellten, die Kranken, die Rentner und Arbeitslosen dafür zahlen? Und vor allem: Warum hilft man der neuen Regierung nicht, mit dieser Vergangenheit zu brechen?

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Wer die Vergangenheit in Griechenland beklagt, der muss den Neuanfang stützen. Alles andere ist Heuchelei.

(Beifall bei der LINKEN – Wortmeldung des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege van Ooyen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wagner?

(Michael Boddenberg (CDU): Da müsste er ja von seinem vorgeschriebenen Text abweichen; das geht doch nicht!)

Nein, das müsste ich nicht.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Nur, die GRÜNEN sind auf einem Pfad, den ich, was die Frage der Solidarität in Europa angeht, nicht mittragen würde. Deshalb will ich das nicht tun. Er kann sich ja

gleich zu Wort melden und sicherlich noch einmal ausführlich argumentieren.

(Michael Boddenberg (CDU): Aber jetzt sagen Sie doch etwas zur Koalition in Griechenland!)

Also warum sollen diese Menschen zahlen, und warum hilft man einer neuen Regierung nicht, mit dieser Vergangenheit zu brechen? Wer die Vergangenheit in Griechenland beklagt, der muss den Neuanfang stützen. Alles andere ist, wie gesagt, Heuchelei. Es ist doch offensichtlich: An Griechenland soll ein Exempel statuiert werden.

(Manfred Pentz (CDU): Ein Exempel ist an der DDR statuiert worden!)

Wer den Ausbruch aus dem Gefängnis der Austerität wagt, wird zur Strecke gebracht; ein Warnschuss für progressive Bewegungen in anderen Ländern, etwa in Spanien und Portugal.

Der Regierungs- und Politikwechsel in Griechenland ist keine Katastrophe, er ist vielmehr eine historische Chance. Nicht nur Griechenland und die sogenannten Schuldenstaaten, die ganze EU leidet unter dem Austeritätsregime.

(Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD) – Holger Bellino (CDU): Ich leide nur unter Ihrer Rede!)

Deshalb ist die Unterstützung der Griechen keine politische Wohltätigkeit, sondern Solidarität im legitimen Eigeninteresse.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb haben wir auch in Hessen angefangen, Griechenland-Solidaritätskomitees zu gründen. Ich lade Sie ein, da mitzudiskutieren.

(Michael Boddenberg (CDU): Mit den Rechtspopulisten zusammen, ja? Haben Sie die auch eingeladen?)

Meine Damen und Herren, wenn Sie mir schon nicht zuhören, dann will ich Ihnen ein Zitat von Papst Franziskus zu Gehör bringen, der im „Evangelii Gaudium“ dazu Folgendes geschrieben hat:

Heute wird von vielen Seiten eine größere Sicherheit gefordert. Doch solange die Ausschließung und die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft und unter den verschiedenen Völkern nicht beseitigt werden, wird es unmöglich sein, die Gewalt auszumerzen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn die lokale, nationale oder weltweite Gesellschaft einen Teil ihrer selbst in den Randgebieten seinem Schicksal überlässt, wird es keine politischen Programme noch Ordnungskräfte oder … [Geheimdienste] geben, die unbeschränkt die Ruhe gewährleisten können.

Das ist eine bedrückende und nüchterne Wahrheit, die uns Papst Franziskus hier ans Herz legt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Recht auf Widerstand ist ein demokratisches Grundrecht. Es gilt in Europa und auch gegenüber der Macht des großen Kapitals.