Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nirgendwo ist die Politik den Menschen so nah wie auf der kommunalen Ebene – in den Städten, Gemeinden und Landkreisen unseres Landes.

(Beifall bei der SPD)

Hier erleben sie Selbstverwaltung unmittelbar und direkt. Sogar die Landesregierung in Hessen sagt wenigstens in ihren Sonntagsreden: Hier ist die Basis unserer Demokratie. – Genau diese Ebene unseres Gemeinwesens trocknen schwarze Landesregierungen in Hessen aber seit Jahren kontinuierlich und – ich füge hinzu – mit Absicht aus, und zwar mit jeweils wechselnden Partnern von FDP oder BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Beifall bei der SPD)

Dass Sie von der FDP aus Sorge um die finanzielle Leistungsfähigkeit der hessischen Landkreise jetzt einen solchen Antrag vorlegen, entbehrt vor dem Hintergrund der Geschichte nicht einer gewissen Ironie. Es sollte auch nicht über die eigene Verantwortung in Ihrer Regierungszeit hinwegtäuschen. Denn der verfassungswidrige Griff in die kommunalen Kassen durch Finanzminister Karlheinz Weimar, CDU, erfolgte in der Zeit, in der auch die FDP an der Regierung beteiligt war.

Wenn ich Herrn Hahn eben noch einmal gehört habe, aus welchen Überlegungen die FDP diese Debatte angestoßen hat, dann würde mich noch einmal der Blick in das Protokoll von gestern oder die Zeitung über die gestrige Debatte zum Thema Frankfurt/Rhein-Main sehr interessieren, in

der der Kollege Hahn sehr deutlich etwas zur Strukturreform für die Region gesagt hat. Er hat gesagt, die Region habe es nicht nötig, weswegen sich Strukturdebatten in Hessen verbieten würden. Das passt allerdings nicht ganz zu dem, was Sie hier eben gesagt haben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Ja, es gibt Gründe, warum Kommunen in Hessen den gangbaren Weg des freiwilligen Zusammenschlusses prüfen. Im Antrag der FDP stehen auch einige Beispiele dazu, die Kollegen haben es schon genannt.

Aber schauen wir uns doch diese Beispiele einmal im Detail an. Warum wird denn überhaupt im Odenwald über einen möglichen Zusammenschluss von Beerfelden, Sensbachtal, Hesseneck und Rothenberg diskutiert? Doch nicht aus der Überzeugung der Menschen, wie Herr Kollege Bauer hier postuliert hat, dass größere Einheiten irgendwie besser für die Menschen in den Gemeinden seien. Es ist schlicht und ergreifend die blanke Not, die Kommunalpolitik dazu bringt, diesen Weg als Ultima Ratio zu diskutieren, weil die Landespolitik sie am langen Arm verhungern lässt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man schon Verwaltungsgemeinschaften gebildet hat, eine Kommune für alle gemeinsam das Finanzwesen betreibt, die Personalverwaltung eine andere, nun im aktuellen Beispiel EDV und Telekommunikation zusammenarbeiten, um Kosten zu sparen, dann gehen die Kommunen den Weg einer eventuellen Zusammenlegung einzig, um noch weitere Kosten zu sparen, wie z. B. für den Bürgermeister, den Gemeindevorstand und die Gemeindevertretung. Und da glaube ich nicht, dass dies der Wille der Menschen vor Ort ist, in diesem Bereich noch etwas zu sparen, Herr Bauer.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dies die einzige Lösung sein soll, wie wir unseren Kommunen im Bundesland helfen, dann ist wirklich etwas faul in diesem Lande; denn man muss hier Ursache und Wirkung beschreiben, und nicht nur die Ultima Ratio als selig machenden Weg des Zusammenschlusses feiern.

Wo durch gemeinsame Verwaltung bessere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu geringeren Kosten erbracht werden können, ist interkommunale Zusammenarbeit richtig und notwendig. Sie mit Druck herbeizuführen, weil es sonst keinen anderen Ausweg mehr gibt und weil sie mit dem Rücken zur Wand stehen, das ist falsch und würde auch von uns als SPD-Landtagsfraktion weder begrüßt noch unterstützt.

(Beifall bei der SPD)

Um aber bei der interkommunalen Zusammenarbeit zu bleiben: Ja, es ist richtig und wichtig, dass dort, wo Kommunalpolitiker in Stadt und Land gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern über Gemeindegrenzen hinweg zum Wohle der Region Aufgaben bündeln und bewältigen wollen, Landespolitik diese notwendigen Bestrebungen unterstützt.

Lassen Sie mich neben den Beispielen von eben auch noch ein weiteres erwähnen, das Beispiel des Breitbandausbaus. Wenn in interkommunaler Zusammenarbeit Städte, Gemeinden und der Landkreis gemeinsam eine Nachfrage schaffen, damit der Breitbandausbau wie bei uns im Land

kreis Limburg-Weilburg weiter gemeinsam geschultert und vorangetrieben wird, dann ist das ein guter und richtiger Weg, den wir vor Ort – ich gehöre selbst dazu – aufseiten der Kommunalpolitik mit unterstützen und vorantreiben. Wir tun dies aber nicht aus finanzieller Not, sondern aus der Überzeugung heraus, gemeinsam mehr für die Menschen in der Region zu erreichen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Dann kann interkommunale Zusammenarbeit ein Schlüssel zum Erfolg im ländlichen Raum sein, und dann ist dieses Ansinnen finanziell auch seitens des Landes zu unterstützen.

Wenn aber nun die FDP mit der Forderung kommt, Landkreise mögen sich zusammenschließen können, und sich dann auch noch als Kronzeugen auf den amtierenden Landrat des Landkreises Bergstraße beruft, will ich Ihnen eines sagen: Der örtliche Fraktionsvorsitzende der CDU auf Kreisebene hat die Initiativen zum Zweckverband Starkenburg Regionale, der Lob-Runde und Ähnliches im Sinne der interkommunalen Zusammenarbeit unterstützt und gefördert, aber dann, plötzlich Landrat, auf einmal genau diese Bestrebungen blockiert und verhindert, sodass ein weiteres Zusammengehen in dem Bereich gar nicht vorangehen konnte. Jetzt, am Ende seiner politischen Laufbahn, fordert er entsprechend das, was er in seiner Amtszeit hätte vorantreiben und eigentlich längst hätte tun können. Wer fordert, was er vorher nicht gefördert hat, bevor er es selbst im Amt ohnehin nicht mehr umsetzen muss, der ist nicht gerade der beste Zeuge für Ihr Anliegen, meine Damen und Herren der FDP.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Wenn der Kollege Bauer sagt, Bergstraße und Odenwald könnten sich zusammenschließen, wenn sie wollten, dann interpretieren Sie das Ergebnis der Landratswahl im Odenwald doch einfach so: Der Odenwald will selbstständig bleiben, so, wie das der neu gewählte Landrat im Odenwald auch gesagt hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Dass solche Forderungen aus den Reihen der Union auch mal laut werden, verwundert mich nicht, stellt doch die Sozialdemokratie in Hessen 14 von 21 Landrätinnen und Landräten. Dass dies vielleicht auch einmal seitens der Union die Überlegung nahelegt, ob man die zusammenlegen und einzelne Landratsposten abschaffen kann, kann ich mir lebhaft vorstellen – zeigt doch das Ergebnis eigentlich nur eines sehr deutlich: Die Kommunalpartei in Hessen ist die SPD.

(Beifall bei der SPD)

Dezent am Rande: Als in Nordhessen die Diskussion rund um mögliche Strukturveränderungen um Kassel geführt wurde, wer war denn eigentlich in der Landesregierung und hat sich offensichtlich nicht gegen seinen großen Koalitionspartner, die CDU, durchgesetzt? Da waren Sie dabei, meine Damen und Herren von der FDP, und am Ende ist es am Widerstand der Union und des Ministerpräsidenten gescheitert.

Deswegen zur Union: Wer sonst in anderen Politikbereichen gerade das Thema der sogenannten Wahlfreiheit wie

eine Monstranz vor sich herträgt, der sollte dann bei Fragen, die die Akteure vor Ort wirklich beschäftigen, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort wirklich interessieren, ihnen entsprechend auch eine Wahlmöglichkeit geben, ob sie sich zusammenschließen möchten oder nicht. Das sollte ein Land dann nicht von oben herab beschließen oder verhindern, wie Sie es getan haben – auch, wenn das manchmal CDU-Landräte, -Ministerpräsidenten oder andere gern hätten.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch zu einem zweiten Aspekt kommen, der in diesem Zusammenhang wohl nicht ganz unwichtig ist. Wir alle beklagen auf Landkreisebene besonders die sinkenden Wahlbeteiligungen bei Direktwahlen von Landrätinnen und Landräten. – Ja, wer glaubt denn ernsthaft, dass wir das Interesse der Menschen am besten damit wecken können, indem wir sagen, wir machen größere Einheiten, legen zusammen, und das am besten noch mit freundlichem Gruß aus Wiesbaden? Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer dies aber forciert und sozusagen von oben herab diktieren möchte, der fördert sicherlich eher Desinteresse, als der Sache zu helfen.

Möglichkeiten vor Ort, wo Zusammenarbeit gewünscht ist, unterstützen: ja. Aber wir wollen es den Menschen eben nicht von oben herab vorschreiben. Deswegen muss am Ende des Tages der Bürger oder die Bürgerin das abschließende Wort haben.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Dabei ist dann auch das Land in der Verantwortung. Wir sollten als Land den Städten, Gemeinden und den Landkreisen überhaupt die Möglichkeiten geben, damit sie gestalten können. Gestaltungsspielräume schaffen, statt Kommunalpolitik zu strangulieren – das wäre sicherlich die richtige Antwort der Landespolitik für eine gute Politik vor Ort.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle – das möchte ich zum Abschluss sagen – beschreiben Sie als FDP sehr Richtiges, indem Sie sagen, hinsichtlich Effizienz, Synergien, E-Government und anderen Bereichen ginge eigentlich noch mehr, und da könnte man noch etwas besser machen. Aber mit dieser Beschreibung doktern Sie an Symptomen herum, ohne eigentlich den wahren Kern und den Hintergrund für die Probleme kommunaler Ebenen anzusprechen.

Da das nicht nur Städte, Gemeinden und Landkreise, sondern auch das Land selbst betrifft, haben wir bereits vor der letzten Landtagswahl als hessische SPD sehr klar und deutlich gesagt, wir müssen uns gemeinsam partei- und fraktionsübergreifend zum Thema Staatsmodernisierung hinsetzen. Deshalb auch unser Vorschlag der Enquetekommission „Staatsmodernisierung“; denn nur, wenn wir uns im Detail anschauen, welche Aufgaben der Staat übernimmt, wer es am Ende des Tages machen soll, wo wir mit unseren Ansätzen näher bei den Menschen sind, um öffentliches Handeln entsprechend darstellen zu können, finden wir eine Lösung, die wirklich eine Antwort auf die Probleme bietet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Dieser Ansatz ist etwas umfassender und intensiver als eine bloße Ermöglichung von Zusammenschlüssen der Landkreise. Das allein kann nicht die Lösung der Landespolitik sein, um Kommunen zu helfen. Kommunen und Landkreise brauchen etwas anderes: eine gute Unterstützung der Kommunalpolitik, die aber bei der derzeitigen Landesregierung alles andere als gut aufgehoben ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Vielen Dank, Herr Kollege Eckert. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Goldbach von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Herren Kollegen und Frau Kollegin von der FDP, tatsächlich stehen in Ihrem Antrag viele richtige Aussagen. Wir sehen alle, dass die hessischen Städte, Gemeinden und Kreise neue Formen der effektiven Zusammenarbeit suchen und auch finden. Beispiele: Kreise fungieren als Servicestellen für die kreisangehörigen Gemeinden, machen beispielsweise deren Personalabrechnung und Lohnbuchhaltung, Kreise erfüllen zusammen kreisübergreifende Aufgaben wie z. B. den Ausbau des Breitbandnetzes, oder die Aufgaben von zwei oder mehreren Kommunen werden in einer gemeinsamen Verwaltung gebündelt, und es werden dennoch beide Verwaltungsstandorte erhalten. Das haben wir aktuell bei den Gemeinden Bromskirchen und Allendorf (Eder). Dort werden Mitarbeiter in beiden Verwaltungen spezialisiert, und die erledigen für die jeweils andere Verwaltung spezielle Aufgaben mit.

Wir wissen, dass in Hessen über 60 %, eher ungefähr 70 % aller Kommunen in irgendeiner Form interkommunale Zusammenarbeit betreiben. Sie werden dabei auch sehr stark vom Land Hessen unterstützt, das – Herr Bauer hat es schon erwähnt – das Kompetenzzentrum für Interkommunale Zusammenarbeit gegründet hat und unterstützt. Träger ist das Innenministerium, und – das ist wichtig – Kooperationspartner sind der Hessische Städte- und Gemeindebund, der Hessische Landkreistag und der Hessische Städtetag.

Dieses Zentrum berät die Kommunen, hilft bei der Vorbereitung und Durchführung von Infoveranstaltungen. Hier kommen wir zum Thema Bürgerwillen. Es geht um die Infoveranstaltungen, die dazu dienen, erst einmal zu ermitteln, wie der Bürgerwille überhaupt ist. Die Bürger werden eingeladen, können sich dazu äußern, ob eine Zusammenarbeit stattfinden soll, wer welche Aufgaben übertragen bekommt.

Schließlich – auch sehr wichtig – hilft dieses Zentrum bei der Beratung in Sachen Fördermittel; denn das Land Hessen fördert das in immenser Höhe. Im Moment ist es so,

dass, je nach Anzahl der beteiligten Kommunen, bis zu 100.000 € pro Kooperation an Fördermitteln gezahlt werden. Das sind ordentliche Beträge.

Der Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit liegt ein Leitgedanke zugrunde, der in der „Rahmenvereinbarung zur Förderung der Interkommunalen Zusammenarbeit“ formuliert ist und der lautet: