Nach dieser individuellen Entscheidung erfolgt das Wie des Verbraucherschutzes. Wenn ich etwas aus der Hand gegeben habe, kann ich mir als Staat überlegen, ob und wie
Es ist viel gesagt worden zur Verpflichtung der Anbieter von digitalen Diensten. Diese handeln oft so, wie wir es nicht gerne haben. Sie versuchen auf dem Wege von Updates, von Angeboten, den Verbraucherschutz zu unser aller Lasten zu verändern. Der Gesetzgeber ist dort vielfältig tätig. Das ist auch angesprochen worden. Aber der Gesetzgeber wird immer nur einen relativ schwachen Hebel setzen, wenn dort ein Anbieter tätig ist, der unserer Gesetzgebungskompetenz, unserer Jurisdiktion entzogen ist, und bei den wesentlichen Portalen der Welt ist das leider der Fall. Die sitzen weder in Hessen noch in Deutschland und häufig auch nicht in der Europäischen Union.
Deshalb sind alle Bemühungen, dort mit gesetzgeberischen Maßnahmen heranzukommen, meistens zum Scheitern verurteilt. Viel wichtiger – darauf ist Frau Ministerin Hinz zum Glück sehr breit und qualitativ hochwertig zusammen mit ihren Kollegen eingegangen – ist die Prävention.
Frau Goldbach hat viel Richtiges hierzu gesagt. Repressive Maßnahmen können immer nur am Schluss und als Ultima Ratio greifen. Ob sie dann greifen, sei einmal dahingestellt.
Prävention fängt in der Schule an. Sie fängt in den Elternhäusern an. Frau Hinz, dazu haben Sie zum Glück schon sehr viel aufgezählt. Es gibt eine zunehmende Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen. Das erfolgt durch den Schulunterricht. Das erfolgt auch durch den Verbraucherschutz in Hessen. Auch das wurde erwähnt: Es gibt dort hervorragendes Anschauungsmaterial.
Aber auch hier können wir die Eltern und Elternhäuser nicht aus der Verantwortung entlassen. Es sind meistens die Eltern und Großeltern, die ihren Kindern oder Enkel die technischen Mittel erst zur Verfügung stellen, mit denen am Ende Gefahr für diese Kinder und Jugendlichen drohen kann. Deshalb gilt: Bei allen berechtigten Bemühungen auch der staatlichen Stellen, der Schulen, der Justiz und des Verbraucherschutzministeriums, der Verbraucherdatenschutz fängt zu Hause im Kinderzimmer und im Wohnzimmer an.
Wenn die Eltern nicht mit ihren Kindern über diese Fragen sprechen, dann sind alle anderen Bemühungen vergebens.
Die Internetkriminalität berührt den Bereich Innen, der auch einiges an Beiträgen zur Antwort beigebracht hat. Der Internetkriminalität wohnt die gleiche Dynamik wie dem Internet selbst inne. Der Wirkungskreis überschreitet auch hier häufig die Grenzen des Hoheitsgebietes des Landes Hessen ohnehin, aber auch der Bundesrepublik Deutschland.
Gleichwohl arbeiten die Polizeibehörden dort, wo sie können, ganz hervorragend. Es wurden vom Landeskriminalamt eigene Stellen eingerichtet, die seit vielen Jahren ganz hervorragende Arbeit machen, insbesondere hinsichtlich der Prävention und in der Fläche. Sie erbringen eine tolle Beratungstätigkeit.
Zur Arbeit der Verbraucherzentralen haben die Kolleginnen und Kollegen schon einiges gesagt. Hier ist aus dem vergangenen Jahr hervorzuheben, dass es Ihnen bei den Verhandlungen gelungen ist – Kompliment –, die Mittel dafür deutlich aufzustocken, sodass Ihre Wirkungsmacht als Verbraucherschutzministerin deutlich erhöht wurde.
Abschließend meine ich Folgendes: In dieser kollektiv sehr positiven Debatte gab es nur einen negativen Einwurf aus Richtung der SPD. Ich glaube, es wäre vermessen, auf die 227 Antworten in 600 Sekunden abschließend einzugehen. Da blieben etwa 2,5 Sekunden für jede einzelne Antwort, wenn man so vertieft einsteigen wollte. Frau Löber, das sage ich mit einem Augenzwinkern aufgrund Ihres Vorwurfs gegenüber Frau Kollegin Goldbach. Denn Sie haben das vorhin eingefordert.
Alles in allem kann man feststellen, dass sich die Landesregierung auf einem sehr guten Weg befindet. Das zeigt die Beantwortung der Großen Anfrage. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind im Internet nicht schutzlos. Sie werden von der Landesregierung unterstützt und aufgeklärt, ihre Rechte geltend zu machen. Bei der Nutzung der personenbezogenen Daten setzen Sie sich auch auf Bundesebene generell für einen Einwilligungsvorbehalt ein. Das Widerspruchsrecht der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Löschungsmöglichkeiten sollen verstärkt werden. All das unterstützen wir.
Machen Sie weiterhin Ihre Arbeit so, wie es hier skizziert wird. Unseren Rückhalt haben Sie dabei. Wenn sich in zwei Jahren, wenn wir das Thema wieder behandeln, die Datenmengen vielleicht erneut verdoppelt haben, werden wir sehen, dass wir weiterhin im Sinne der Menschen in Hessen auf einem guten Weg sind.
Der Verbraucherschutz ist bei dieser Landesregierung in guten Händen. Die Antwort auf die Große Anfrage wird uns im Detail noch über die Wahlperiode hinweg in vielen Einzelfragen beschäftigen. Heute verbleibt mir erst einmal, Ihnen und der gesamten Regierung für diese gute Vorarbeit zu danken. Wir nehmen das dankbar auf. – Herzlichen Dank.
Herr Kollege Heinz, vielen Dank. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Hahn für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Kollege, bitte, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der Sozialdemokraten in diesem Haus zum Verbraucher- und Datenschutz im Internet gibt uns einen sehr umfassenden Überblick. Sie gibt uns z. B. einen Überblick über die Gefahren. Da geht es um Phishingangriffe, um Abofallen bis hin zu gezielten Cyberattacken auf private Unternehmen. Das geht von den Gefahren des Datenmissbrauchs, den Folgen des Vormarschs sozialer Netzwerke bis hin zu Cybermobbing und Kinderpornografie. Es geht um die Gefahren hinsichtlich der Verbraucherrechte beim Onlineshopping bis zum Cloudcomputing und der Analyse des Surfverhaltens.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bekommen einen Überblick über die Bedeutung der Teilhabe an der digitalen Entwicklung, wie etwa den weiteren Ausbau des Breitbandkabels und den Erhalt der Netzneutralität. Wir erhalten einen Überblick über Fragen der Medienkompetenz und die Reaktion des Bildungsstandortes Hessen auf die völlig veränderten Möglichkeiten durch die Digitalisie
rung. Wir bekommen einen Überblick über mögliche staatliche Maßnahmen repressiver Art, wie etwa die Einführung des Straftatbestandes der Datenhehlerei oder die Handhabung des Rechts auf Vergessen-Werden.
So vielfältig die Themen sind, über ihre Bedeutung für den Alltag der Menschen, ihr soziales Umfeld, ihre höchstpersönliche Lebensgestaltung, aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung und Zukunft unseres Landes besteht in diesem Haus insgesamt wenig Dissens. Das habe ich den Reden meiner Vorrednerinnen und Vorredner entnehmen können. Ebenso dürfte die Einigkeit darüber sehr groß sein, dass eine Landesregierung auf die Herausforderungen adäquat reagieren muss, wie etwa durch Verbraucherinformationen im Internet und die Bildung sogenannter Internetkommissariate bei der Polizei.
Ich will als ehemaliger Justizminister darauf hinweisen, dass es eine umfangreiche, gut ausgestattete Eingreiftruppe bei der Staatsanwaltschaft mit Sitz in Gießen gibt. Es geht auch um die Organisation innerhalb der HZD z. B. zur Verhütung des Datenklaus. All das haben uns die außerordentliche Fleißarbeit der Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie und – das unterstelle ich einmal – ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Fleißarbeit der Landesregierung und ihrer zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Antwort zutage gebracht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, zu sagen, dass wir uns etwas intensiver mit den Kernfragen und Herausforderungen beschäftigen sollten. Dabei geht es mir weniger um die Situationsanalyse als vielmehr um die grundsätzliche Frage, wie wir in der digitalisierten Welt des Jahres 2020 mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung umgehen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe das Gefühl – und mit mir mein Kollege Wolfgang Greilich –, dass wir uns in den letzten Jahrzehnten immer mit den Risiken auseinandergesetzt haben. Ich spreche da auch als Mitglied einer Partei, die sich mit dem Thema immer auseinandergesetzt hat. Das klingt leider auch immer wieder in der Großen Anfrage sowohl in der Fragestellung als auch in den Antworten durch. Wir lesen immer wieder: Gefahr, Gefahr, da kann etwas passieren, das geht doch nicht. Der gläserne Bürger wurde immer wieder auf das Tapet gestellt.
Ich habe das Gefühl, wir müssen uns einfach darüber im Klaren sein, dass es nicht mehr um die Frage der Datenerhebung, sondern schlicht und ergreifend um die Fragen geht: Wie können wir den Bürger und seine Rechte schützen? Wie können wir dies staatlicherseits durch Strukturen mit organisieren? Ich sage bewusst: mit organisieren.
Sie haben es gelesen: Herr Greilich und ich haben gemeinsam mit unserem Mitarbeiter, Herrn Hausmann, ein Papier erarbeitet. Die Fraktion hat unser Papier beschlossen. Der Landesvorstand der hessischen FDP hat es jetzt eingebracht für eine Diskussion auf dem Bundesparteitag, der in 14 Tagen in Berlin stattfinden wird.
Wir haben sogenannte Eckpfeiler für einen gesellschaftlichen Digitalisierungsprozess vorgelegt. Ich möchte hier mit wenigen Punkten dafür werben, dass wir uns auch in
diesem Haus künftig etwas anders aufstellen, als wir das bisher getan haben. Ich meine damit die mentale Aufstellung. Ich meine damit weniger die Aufstellung der Organisationsstruktur dieses Hauses. Dafür haben wir den Unterausschuss, der die Arbeit gemeinsam mit unserem hervorragenden Datenschutzbeauftragten Herrn Prof. Ronellenfitsch organisiert.
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage: Die Grundidee, wie man diese beiden Dinge, von denen ich gesprochen habe, zusammenführt, haben wir in Estland gesehen. Ich kann nur jedem von Ihnen empfehlen, sich mit dem Thema auch einmal vor Ort auseinanderzusetzen. Dort gibt es einen sehr viel höheren Digitalisierungsstand als hier. Die diskutieren auch nicht mehr darüber, sondern aufgrund von sozialen und anderen Gesichtspunkten ist es klar: Natürlich muss es jedem möglich sein, in vollem Umfang an den Systemen teilzunehmen.
Die organisieren ihren Staat z. B. so, dass jedenfalls ein normaler Arbeitnehmer überhaupt keine Steuererklärung mehr machen muss, weil die entscheidenden Daten beim Staat sind – und keiner findet das schlecht. Bei uns entstünde sofort eine Empörungsorgie: Was, was, der Staat hat die Unterlagen? – Ja, natürlich hat er die Unterlagen eines normalen Arbeitnehmers, wenn der vielleicht noch Kapitalerträge von der Bank, sei es von der Sparkasse oder der Volksbank, ganz geringe, hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb haben wir uns vorgenommen, einmal die Frage zu diskutieren: Wie gelingt es uns, dass die Menschen darauf vertrauen, dass mit ihren Daten nicht falsch umgegangen wird?
In Estland gibt es eine Reihe von diesbezüglichen technischen Maßnahmen. Zum Beispiel ist es dort überhaupt keine Frage mehr, dass der Personalausweis elektronisch ist und zu einer ID-Karte ausgebaut werden kann, natürlich mit den erforderlichen Passworten. Damit ist es vollkommen klar – wenn man sich nicht besonders dappig anstellt und die Zahlen in seinem Geldbeutel direkt neben dem Personalausweis liegen hat; aber das sollte man nie tun –, dass jeder nur auf die Daten zurückgreifen kann, die ihm gehören. Andererseits hinterlassen alle diejenigen, die aus beruflichen Gründen – seien es der Finanzbeamte, der Polizist oder auch der Mediziner – auf diese Daten Rückgriff nehmen, einen Fußstapfen auf meinem Datensatz. Wenn ich Lust und Laune habe, könnte ich dann jeden Abend nachschauen, wer auf meinen Datensätzen war.
Kollege Greilich und ich haben mit dem Staatssekretär für Informationstechnologie in Estland gesprochen und gesagt: Wir als Deutsche können es uns überhaupt nicht vorstellen, dass so etwas funktioniert.
Nehmen Sie einmal das Beispiel von Tugce; Sie können auch Uli Hoeneß sagen, und ich könnte jetzt noch 25 andere Namen nennen. Da müssen offensichtlich nicht Berechtigte in die Gesundheitsakten – im Fall Tugce – oder in die Steuerakten – im Fall Hoeneß – hineingeschaut haben. Unsere Frage war: Sagen Sie einmal, wie hoch ist bei Ihnen der Missbrauch? – Da sagte er, im letzten Jahr bei der Polizei in vier Fällen. Unsere Frage war: Wieso denn das? Das kann doch gar nicht richtig sein. Das ist unvorstellbar. – Da sagte er: Doch, weil wir natürlich – und das ist auch unser Vorschlag – ein System von Sanktionen aufgebaut haben, die ganz schön brutal sind.
Die vier Polizeibeamten, die unberechtigterweise in Akten hineingeschaut haben, sind fristlos gekündigt worden.
Ich kann mich daran erinnern, dass uns Prof. Ronellenfitsch gesagt hat, dass vom Offenbacher Klinikum bisher interne Überprüfungen durchgeführt werden. Das wäre in Estland vollkommen undenkbar. Wir müssen – Liberale fordern das – daraus ein Offizialdelikt machen. Wir müssen sicherstellen, dass es nicht in der Hand von wem auch immer ist, wenn man merkt, dass auf persönliche Daten eines Bürgers unberechtigt zugegriffen wurde: dann muss die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen beginnen, egal, ob dazu ein Antrag vorliegt oder nicht.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich merke gerade, dass ich Ihnen zu diesem Thema noch viel mehr erzählen könnte. Frau Präsidentin, deshalb rege ich an dieser Stelle an, dass wir versuchen – jedenfalls der Unterausschuss Datenschutz –, eine Reise nach Estland zu organisieren, vielleicht auch in Zusammenarbeit mit dem Rechtsausschuss, um uns einmal über dieses Thema zu informieren.
Frau Präsidentin, lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Wir sollten uns auch intensiv darüber unterhalten, wie der Widerspruch – ich sage bewusst: der Widerspruch – zwischen Datenschutz auf der einen Seite und Verbraucherschutz auf der anderen Seite ist.
Stellen Sie sich vor, die Gesetzesinitiative von Herrn Billen findet tatsächlich Eingang in das Bundesgesetzblatt. Und stellen Sie sich vor, ein Abmahnverein sagt: Das ist datenschutzrechtlich nicht korrekt; aber die Datenschutzbeauftragten haben beschlossen, das ist korrekt. – Das ist ein sehr großer Widerspruch und viel zu diskutieren. – Frau Präsidentin, vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Hahn. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsministerin Hinz. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist wirklich eine Große Anfrage im wahrsten Sinne des Wortes. Sie ist fast identisch mit einer anderen Großen Anfrage, die – allerdings zeitlich doch um etliches früher – in Nordrhein-Westfalen eingebracht wurde, und zwar von der Fraktion, die eher meiner Parteifarbe zugehörig ist.
So, wie sie jetzt beantwortet ist – sowohl in NordrheinWestfalen wie auch jetzt hier in Hessen –, ist das ein Lexikon, ein guter Sachstand von dem, was heute digitaler Verbraucherschutz ist.