Aber ich halte vieles von dem für richtig, was Sie dort gemacht haben, weil die Prämisse immer klar war: Dieser Planfeststellungsbeschluss setzt voraus und will, dass der Flughafen weiter wachsen kann. – Das, was Sie jetzt machen, ist ein Kuhhandel, bei dem man den GRÜNEN entgegenkommen muss, nach dem Motto: Okay, T 3 kommt; aber dann kriegt ihr wenigstens den Lärmdeckel, damit ihr euer politisches Gesicht ein bisschen wahren könnt.
Herr Kollege Arnold, so kommt das rüber. Sie können heute erklären, dass es ganz anders ist. Aber bisher sieht es genau so aus; es entspricht auch dem, was Sie öffentlich publiziert haben.
Herr Kollege Rentsch, kann es sein, dass Sie vergessen haben, dass der Lärmdeckel seit 1999 ein wesentliches Instrument der Genehmigungsvoraussetzungen und der Mediation gewesen ist, der die FDP und auch Sie als Minister in der gesamten Zeit Ihrer Tätigkeit im Ministerium sowie Ihre Vorgänger zugestimmt haben?
Herr Kollege Reif, ich habe diesem Lärmdeckel gar nicht zustimmen können, weil ich damals dem Landtag noch nicht angehört habe. – Das ist der erste Punkt.
Zweitens. Ich finde – dabei bleibe ich auch –, dass Sie recht hatten; denn Sie haben einen Planfeststellungsbeschluss in Kraft gesetzt, der keinen Lärmdeckel, sondern eine Begrenzung auf 701.000 Flüge vorsieht. Bei aller Liebe, werfen Sie mir doch nicht immer vor, dass ich eine Meinung äußere, die die CDU bis vor einem Jahr vertreten hat. Das kann doch nicht so schwierig sein.
Herr Kollege Reif, ich bin und bleibe auf Ihrer Seite. Sie hatten damals recht. Ich kämpfe auch dafür, dass Sie weiterhin recht haben. Herr Kollege Reif, kommen Sie doch zu uns, wenn Sie der Auffassung sind, Sie können Ihre Position bei Ihren Kollegen nicht mehr vertreten. Das ist doch kein Problem.
Ich sehe in die Gesichter der Mitglieder meiner Fraktion und merke, dass sie geschockt sind. Herr Kollege Reif und Herr Kollege Arnold, deswegen werden wir genau darauf achten, was Sie jetzt machen. Wenn der Lärmdeckel bedeutet, dass Sie die Kapazität am Frankfurter Flughafen verringern wollen, werden wir mit aller politischen Kraft, die wir haben, gegen dieses Vorhaben kämpfen. Wir wollen auch wissen, wie Sie das machen wollen.
Abgesehen von der Tatsache, dass Sie schon für die Lärmpausen keine Rechtsgrundlage haben, was wir klären werden, würde ich gern wissen – Herr Kollege Al-Wazir hat das angekündigt –, wie die Rechtsgrundlage für das aussieht, was Sie jetzt planen. Werden Sie den Planfeststellungsbeschluss ändern – das will ich heute wissen; es wäre
schön, es würden auch Antworten gegeben und nicht immer nur Beschimpfungen seitens der Landesregierung kommen –, um den Lärmdeckel zu implementieren, oder wie wird das rechtlich so konstruiert werden, dass wir auch weiterhin Rechtssicherheit am Frankfurter Flughafen haben?
Das wollen die Bürgerinnen und Bürger von dieser Landesregierung wissen, und es soll nicht jeder Tag nach dem Motto vergehen: Wir wissen nicht, was wir machen, aber wir tun so, als ob wir einen Plan hätten. – Diesen Plan haben Sie, wenn es um den Flughafen geht, schon lange verloren.
Das Einzige, was in diesem Land geht, ist, dass Schwarz und Grün ihre Koalition sichern. Sie wollen diese Koalition in irgendeiner Form über die fünf Jahre retten. Immer mehr Probleme sind in den letzten Tagen und Monaten aufgetaucht, und deshalb muss beim Frankfurter Flughafen von der CDU ein Zugeständnis gemacht werden. Meine Damen und Herren, das ist nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, und deswegen werden wir alles dafür tun, dass der Kuhhandel in diesem Land aufgedeckt wird.
Lassen Sie mich deshalb abschließend sagen: Herr Kollege Boddenberg, ich glaube, Sie werden sich in der Öffentlichkeit dafür rechtfertigen müssen,
wie Sie Wahlversprechen, die auf sehr wackligem Boden stehen, umsetzen wollen, nur damit die GRÜNEN ihr Gesicht wahren können, was dazu führt, dass die Position, die die CDU vertritt, mittlerweile eine völlig andere ist.
Frau Präsidentin. – Die Leute haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum hier auf einmal eine Schubumkehr von 180 Grad eingetreten ist. Das wollen die Leute von Ihnen wissen. – Vielen Dank.
Danke, Herr Kollege Rentsch. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Wissler zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! DIE LINKE vertritt in Bezug auf das Terminal 3 und den Flughafenausbau eine ganz klare Position. Die haben wir auch in den letzten Jahren nicht geändert. Wir lehnen den Bau von Terminal 3 ab, weil der Flughafen inmitten eines Ballungsgebiets liegt und die Grenze der Belastbarkeit schon lange überschritten ist. Für uns stehen die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen an erster Stelle und nicht die Profite von Lufthansa und Fraport.
Deswegen sage ich vorneweg: Ich will mir gar nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie man die Kapazitäten am Frankfurter Flughafen erhöhen kann; denn ich bin der festen Überzeugung, dass diese Region schon so belastet ist, dass sie keine Zunahme von Flugbewegungen mehr verkraftet. Vielmehr müssen wir über eine Reduzierung der Zahl der Flugbewegungen reden und nicht über ein weiteres Wachstum am Frankfurter Flughafen.
Dennoch will ich auch etwas zu den betriebswirtschaftlichen Fragen sagen, über die in den letzten Wochen sehr viel diskutiert wurde, auch aufgrund all der Gutachten, die vorlagen. Ich finde nämlich, dass sich hier einige Widersprüche auftun, vor allem in den Gutachten, die Fraport vorgelegt hat, um die Notwendigkeit des Baus von Terminal 3 zu belegen. Sie liefern erstaunliche Zahlen zur zukünftigen Entwicklung, die den Zahlen im Planfeststellungsbeschluss von 2007 widersprechen. Ich finde es schon interessant, womit der Bedarf für den Bau des Terminals 3 eigentlich begründet wird.
Ich will das an der Prognose zum Passagieraufkommen für das Jahr 2020 deutlich machen: 2007 – im Planfeststellungsbeschluss – nannte Fraport die Zahl von 88 Millionen. Nach dem aktuellen Gutachten sind es im Jahr 2020 71 Millionen, also 20 % weniger. Oder schauen Sie sich die Prognose zu den Flugbewegungen im Jahr 2020 an: Fraport hat im Jahr 2007 von den berühmten 701.000 Flugbewegungen gesprochen. Laut dem aktuellen Gutachten sind es nur noch 526.300, also 25 % weniger als in der Prognose des Planfeststellungsbeschlusses.
Ich denke, diese Zahlen zeigen, dass die dem Planfeststellungsbeschluss 2007 zugrunde liegenden Prognosen pure Fantasie waren und schon damals völlig an der Realität vorbeigingen. Das sind keine Prognoseungenauigkeiten mehr, sondern das ist ein völliges Danebenliegen, und das kommt dabei heraus, wenn ein Unternehmen einen Flughafen ausbauen will und Gutachter beauftragt, genau das mit Zahlen und Daten zu unterlegen. Dann kommen genau solche Gutachten und solche Zahlen heraus, die der Realität überhaupt nicht standhalten.
Auch bei dem zugrunde gelegten Flugzeugmix gibt es offene Fragen und Widersprüche. Die Argumentation von Fraport ist, dass man mehr Gebäudepositionen für Großraumflugzeuge, sogenannte Widebodies, benötige, weil man sonst immer mehr Fluggäste per Bus vom Rollfeld zum Terminal fahren müsse.
Dem sind wir auf den Grund gegangen und haben dazu eine Kleine Anfrage, Drucks. 19/1255, gestellt. Der Antwort ist zu entnehmen, die Prognose im Planfeststellungsbe
schluss war, dass im Jahr 2020 der Anteil der Flugzeuge der Gewichtsklasse Heavy und Superheavy – also der sehr großen Flugzeuge – ungefähr 36 % betragen werde. Das Jahr 2020 ist gar nicht mehr so weit weg, und wir haben aktuell einen Anteil von ungefähr 23,5 %. Dieser Wert war in den letzten Jahren sogar rückläufig. Ich frage mich, warum man mehr Gebäudepositionen für die ganz großen Flieger braucht, wenn doch deren Anteil am Flugzeugmix rückläufig ist.
Auch zur Nutzung der Flugsteige haben wir eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Auch hier spricht die Statistik einfach eine andere Sprache als die Angaben von Fraport. Trotz steigender Fluggastzahlen werden weniger Passagierflüge über eine Vorfeldposition abgefertigt. Auch das geht aus der Antwort des hessischen Verkehrsministeriums hervor. Einen wachsenden Bedarf belegen diese Zahlen nicht. Wegen sieben angeblich fehlender Gebäudepositionen will Fraport nun unbedingt das Terminal 3 bauen; das ist ja eine der Argumentationen. Das würde bedeuten, dass der Bedarf an Abfertigungspositionen für die Großmaschinen innerhalb von acht Jahren um 25 % steigen müsste. Wie realistisch das ist, kann sich jeder selbst überlegen.
Auch die Prognosen zur Entwicklung der Arbeitsplätze – das wissen wir; darüber haben wir häufig geredet – waren vollkommen fehlerhaft. Es war die Rede von 40.000, 60.000 oder 100.000 neuen Arbeitsplätzen, die entstehen sollten, die es aber nicht – –
(Michael Boddenberg (CDU): Dann gibt es also gar keine Arbeitsplätze! Das ist so was von naiv und inkompetent, was Sie hier sagen!)
Doch, Herr Boddenberg, dort gibt es sehr viele Arbeitsplätze. Die Frage ist nur: Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze werden durch die neue Landebahn und den Flughafenausbau geschaffen? Auf diese Zahlen warten wir bis heute.
Nun hat das grün geführte Ministerium auf der Grundlage der Fraport-Zahlen eine Bedarfsprüfung durchgeführt, die zu dem Ergebnis kommt – ich mache es einmal kurz –, dass die Annahmen im Fraport-Gutachten optimistisch seien, aber irgendwie dem üblichen Vorgehen bei der Erstellung von Luftverkehrsprognosen entsprächen. Das hat das Land schlappe 100.000 € und Fraport ein Schulterzucken gekostet. Dass Sie jetzt allen Ernstes in Ihren Antrag schreiben, dass der Landtag anerkennen solle, dass der Fraport-Vorstand die von der Landesregierung durchgeführten Überprüfungen „positiv gewürdigt“ und als „durchaus überlegenswerte Maßnahmen“ gewertet habe, ist für den größten Anteilseigner der Fraport AG peinlich. Herr Schulte hat Sie mit Ihren Ideen und Vorschlägen vollkommen auflaufen lassen. Eine solche Formulierung zu verabschieden, dass sich das Land Hessen als größter Anteilseigner freue, dass man die Vorschläge als „überlegenswerte Maßnahmen“ seitens der Fraport AG bewerte, ist doch wirklich ziemlich daneben.
Das Terminal 3 soll gebaut werden, und Schwarz-Grün spricht von Lärmschutz und davon, dass es leiser werden soll. Gestern, am Tag des Lärms, erklärte Herr Minister Al-Wazir, Hessen leiste Pionierarbeit in der Fluglärmbekämpfung. Herr Minister, das klingt für Menschen, die jeden Morgen um 5 Uhr aus dem Bett geworfen werden, weil der erste Flieger fliegt, und die überhaupt kein Fenster
mehr aufmachen können, weil die Lärmbelastung einfach zu hoch ist, ein Stück weit wie Hohn. Dieser Flughafen – das muss man immer wieder sagen – wird jetzt weiter ausgebaut. Das heißt, es wird nicht leiser werden, sondern es soll noch lauter werden. Und es ist Ihnen auch nicht zu blöd, den Landtag darüber abstimmen zu lassen, dass der Landtag „zur Kenntnis [nimmt], dass Fraport wiederholt betont hat, dass ein neues Terminal allein keinen zusätzlichen Lärm verursachen wird“. Eine Autobahn allein verursacht auch keinen zusätzlichen Lärm; es müssen schon Autos drauf fahren.
Aber deshalb baut man für gewöhnlich eine Straße; und ein Terminal baut man, um mehr Passagiere abfertigen zu können, die danach in ein Flugzeug steigen, das dann allerdings Lärm macht.
Meine Damen und Herren, natürlich ist es richtig, dass der Bau der Nordwestlandebahn ohne Terminal 3 ziemlich sinnlos gewesen wäre. Aber genau das ist in den letzten Jahren die Strategie: Man baut zuerst eine neue Bahn, dann baut man ein neues Terminal, das dann aber völlig überdimensioniert ist; dann baut man wieder eine Bahn und dann das nächste Terminal. Das ist genau die Strategie der letzten Jahre gewesen. Deswegen wäre es vernünftiger, diese Schlussfolgerung zu ziehen: dass das Terminal nicht gebaut werden muss und dass die Nordwestlandebahn stillgelegt werden muss.