Der Wissenschaftsrat teilt die Auffassung, dass „im Rahmen einer beruflichen Ausbildung Studierfähigkeit erworben werden kann“. Der Wissenschaftsrat empfiehlt, „die Regelungen für den Hochschulzugang von Studieninteressierten ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung weiterzuentwickeln und Berufsabschlüsse formal als Hochschulzugangsberechtigung anzuerkennen“. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass „die zusätzliche Öffnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte … den Verlust an Bildungsoptionen, der bisher mit der Entscheidung für eine Berufsausbildung einhergeht, verringert. Auch Jugendliche, die nach der Sekundarstufe 1 zunächst eine Berufsausbildung aufnehmen, verzichten nicht mehr auf die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt ein Studium zu beginnen“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dem Aufbrechen dieses starren Entweder-oder sowohl das duale Ausbildungssystem als auch die akademische Ausbildung stärken. Das Aufbrechen dieses starren Systems stärkt beide; denn wir haben es bei den Betroffenen mit Persönlichkeiten zu tun, die eine hohe Motivation haben, die eine hohe Bildungsinspiration haben und die sich nach sehr sorgfältiger Abwägung der Chancen und der Risiken für den Schritt an die Hochschule entscheiden und dafür auch zu einem Verzicht auf einen bestimmten Lebensstandard und auf erworbene berufliche Sicherheiten bereit sind.
Insoweit kann man dem Resümee des Wissenschaftsrates in seinen Empfehlungen nichts hinzufügen. Dort heißt es:
Unabhängig davon, wie viele beruflich Qualifizierte … tatsächlich ein Studium aufnehmen, trägt bereits die Kenntnis dieser Möglichkeit dazu bei, das Attraktivitätsgefälle zwischen der beruflichen und der akademischen Bildung zu verringern.
Die hessischen Fachhochschulen leisten zumal im Bereich der anwendungsorientierten Forschung ausnahmslos – wirklich ausnahmslos – großartige Arbeit. Deswegen sollen sie, damit draußen steht, was drinnen passiert, ab sofort „Hochschulen für angewandte Wissenschaften“ heißen. Mir geht es aber nicht darum, was draußen steht, sondern mir geht es um das, was in den Hochschulen passiert. Daher will ich noch einmal sehr deutlich eine Lanze für die hessischen Fachhochschulen brechen. Unsere „Hochschulen für angewandte Wissenschaften“ sind die Spezialisten in den Bereichen praxisnahe Forschung, Anwendung und Transfer. Nicht ohne Grund haben wir im Hochschulpakt vereinbart, dass sie künftig einen hohen Prozentsatz der Anfänger an staatlichen Hochschulen ausbilden. So werden wir in Zukunft auch diesen Hochschulen ermöglichen, für ihre – ich betone das – forschungsstärksten Bereiche das Promotionsrecht zu beantragen.
Auch hier will ich sehr deutlich sagen: Es geht nicht darum, wichtige Qualitätsstandards infrage zu stellen, sondern es geht darum, formale Hindernisse und Einschränkungen dort abzubauen – auch hier wiederhole ich mich –, wo ihre Berechtigung mit gutem Grund in Zweifel gezogen werden kann. Wer, wie die „Hochschulen für angewandte Wissenschaften“, in Zukunft mehr Verantwortung für das gesamte System trägt, der soll auch mehr Rechte haben.
Aus Zeitgründen – wir gehen in den Ausschussberatungen und in den nächsten Lesungen bestimmt noch intensiv darauf ein; eigentlich wollte ich sie heute in die Diskussion einbringen – will ich die Themen „Transparenz“ und „Verbesserung der gemeinsamen Verantwortung der Organe der Hochschule“ heute aussparen.
Hören Sie einmal. Wenn Sie sich anschauen – – Aber ich wollte mich nicht darauf einlassen. Das machen wir in den Ausschussberatungen und in den nächsten Lesungen.
Zum Abschluss ist mir noch eines ganz wichtig: Die wahren Ideen- und Impulsgeber unseres Wissenschaftssystems sind junge Forscherinnen und Forscher, die neues Wissen aufbauen und es später an die Studierenden weitergeben. Wenn die Wissenschaft kluge und kreative Köpfe auf Dauer für sich gewinnen will, muss sie ein attraktiver Arbeitgeber sein, und sie muss sich auch der Konkurrenz mit der Wirtschaft und mit ausländischen Hochschulen stellen.
In dieser Auseinandersetzung ist der Fokus der öffentlichen Debatte auf das Thema befristete Verträge geraten. In der Tat gibt es Praktiken, die nicht in Ordnung sind. Wer daran etwas ändern will, darf sich allerdings nicht der Illusion hingeben, dass man das mit einfachen Lösungen angehen kann; denn befristete Beschäftigungsverhältnisse anzubieten liegt in der Natur der Wissenschaft, die flexibel und
offen für Neues bleiben muss. Über Promotionsvorhaben, die auf Zeit angelegt sind, will ich gar nicht sprechen.
Aber im Hessischen Hochschulpakt haben wir bereits grundlegende Regelungen mit den 13 Hochschulen des Landes geschaffen. Ich bin überzeugt, dass sie in Kürze Wirkung entfalten werden.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich komme langsam zum Ende meiner Rede. Ich will den Gedanken noch ausführen.
Die eigentliche Herausforderung in diesem Zusammenhang ist eine ganz andere: Die Zahl der Studenten hat sich seit 2005 – wir wissen das, wir diskutieren hier oft darüber – um rund ein Drittel erhöht. Seitdem sind bundesweit 6.000 neue Stellen für Professoren geschaffen worden, und ebenso viele Lehrbeauftragte sind eingestellt worden. Trotzdem werden weiterhin zu wenige reguläre Positionen für Professoren angeboten. Deswegen sage ich sehr deutlich: Der wissenschaftliche Nachwuchs braucht besser planbare, verlässlichere und transparentere Entwicklungsmöglichkeiten.
Was also tun? Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf den richtigen Weg gehen. Wir schaffen die Möglichkeit des sogenannten Tenure Tracks und lösen damit die bisherige Juniorprofessur ab, mit der keine gesicherte Perspektive an der jeweiligen Hochschule verbunden werden konnte. Es handelt sich um eine sogenannte Professur mit Entwicklungszusage – der Zusage der Übertragung einer Professur mit höherer Besoldung nach maximal sechsjähriger Bewährung.
Ich halte das für eine Offensive zugunsten junger Forscher. Sie eröffnet jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dauerhafte Karriereoptionen, und sie positioniert auch in dieser Frage Hessen an der Spitze der Bundesländer.
Ich weiß, dass ich die Redezeit überzogen habe. Allerdings habe ich mich bewusst auf die ersten Leitmotive beschränkt. Der Gesetzentwurf beinhaltet noch viel mehr wichtige, interessante und gute Regelungen, die wir aber heute aufgrund der Zeitvorgaben nicht ansprechen können. Frau Wissler, umso mehr freue ich mich auf die Debatte mit Ihnen allen im Ausschuss und in den nächsten Lesungen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, vielen Dank. Sie dürfen die Redezeit überziehen. Wenn einem das Herz voll ist, geht der Mund über. Das ist so. Jedenfalls haben Sie den Oppositionsfraktionen eine Minute Redezeit geschenkt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss gestehen, manchmal leide ich unter den Formalitäten dieses Hauses. Nachdem ich heute Vormittag zum letzten Mal den Gesetzentwurf gelesen hatte, bin ich heute Mittag durch die Stadt gegangen und habe vor einem Tiergeschäft haltgemacht. Im Schaufenster waren lauter kleine Mäuschen zu sehen. Ehrlich gesagt, ich hätte dem Herrn Minister gern ein Mäuschen mitgebracht; denn das ist es ungefähr, was nach einem Jahr Beratung herausgekommen ist: ein Mäuschen von einem Gesetzentwurf. Für eine minimale Veränderung haben Sie über ein Jahr gebraucht.
Ich finde das schon spannend. Modernstes Hochschulgesetz in Deutschland – Zeit für ganz wenige Änderungen und Zeit dafür, sich ein paar Fragen anders zu stellen. Welche Fragen haben Sie sich eigentlich in Bezug auf die Rolle der Hochschulen in Hessen gestellt? Welche Rollen sollen Hochschulen bei der Landesentwicklung, bei Innovationen und bei der Wirtschaftsentwicklung übernehmen?
Sie glauben, Sie haben mit diesem Punkt nichts zu tun. Wie ich es an dieser Stelle schon mehr als einmal gesagt habe: Ich halte das für grundlegend falsch.
Wenn es uns nicht gelingt, die Hochschulen als Träger von Innovationen zu mobilisieren, haben wir unsere Aufgabe als Landespolitiker nicht erfüllt. Sie erfüllen sie gerade nicht.
Ich will in der Zeit bleiben, und deswegen will ich die nächsten Punkte stichwortartig aufgreifen. Die nächste Frage ist: Welche Anforderungen haben wir an die Hochschulen? Ich habe hier in den vergangenen Jahren immer wieder gesagt, wir wollen, dass Forschung und Lehre an den Hochschulen zusammengehören.
Dann muss in einem Gesetz aber auch geklärt sein – nicht nur in einem winzigen Halbsätzchen –, dass die Lehre an den Hochschulen eine qualifizierte Rolle erhält, so, wie es von den Hochschulangehörigen, d. h. Professoren und anderen, erwartet wird, und dass dies eine Voraussetzung dafür ist, dass an den Hochschulen bestimmte Menschen eingestellt werden. Das fehlt in Ihrem Gesetz schon lange, und ich finde, an der Stelle hätte man ordentlich nachbessern können.
Nächste Frage. Wer hat welche Rolle bei der Steuerung der Hochschulen? Auch das ist eine spannende Frage. Die Regierung nimmt jetzt Berichte entgegen und leitet sie an den Landtag weiter. Was hindert Sie eigentlich daran, dafür zu sorgen, dass eine klassische parlamentarische Situation hergestellt wird, in der Berichte direkt an den Landtag geleitet werden – Sie sie also nicht mehr zensieren können –, und dass wir bestimmte Grundentscheidungen im Landtag treffen können?
Sie erstellen mit den Hochschulen Fünfjahrespläne – zwar unter Haushaltsvorbehalt, aber es sind Fünfjahrespläne –, und wir dürfen sie im Laufe der Haushaltsberatungen abnicken.
Ich denke, so etwas muss im Landtag beraten, im Landtag beschlossen und im Landtag verabschiedet werden.
Das hat auch Konsequenzen für den Umgang. Wenn Sie Transparenz wollen – das finde ich eine blendende Idee –, sollten Sie dafür sorgen, dass alle Hochschulen ihre Haushaltsdaten offenlegen: Was kostet ein Seminar? Was kostet eine Vorlesung? Was kostet ein Forschungsprojekt? Dann wissen wir im Landtag, worüber wir überhaupt entscheiden, und müssen nicht einen großen Sack kaufen, mit der Folge, dass wir Steuerungsfunktionen im finanziellen Bereich – das ist ohnehin das Einzige, was wir noch dürfen – überhaupt nicht wahrnehmen können. Auch das wäre eine spannende Debatte gewesen, um die Sie sich aber gedrückt haben.
Ehrlich gesagt, ich bin auch ganz interessiert, zu erfahren, auf welche Evaluation Sie sich eigentlich berufen, wenn Sie sagen, es hat sich alles bewährt. Ich hätte den Text gern einmal gelesen. Das, was wir im Ausschuss vorgelegt bekommen, lief immer darauf hinaus, die Hochschulen erklären selbst, dass sie gut sind. Die wären bescheuert – Entschuldigung –, wenn sie etwas anderes täten. Evaluation bedeutet eine Überprüfung von außen, und ich erwarte, dass der Landtag, wenn er über ein Gesetz berät, das in der Vergangenheit angeblich evaluiert worden ist, diese Geschichten vorgelegt bekommt. Auch das hat etwas mit Transparenz zu tun.
Damit komme ich zu dem Standardthema: Wer Autonomie gibt, muss Demokratie haben. Die Hochschulräte haben wir immer wieder thematisiert: Kein Hochschulrat vertritt einen Teil der Gesellschaft, sondern sie vertreten nur sich selbst. Das ist kein angemessener Umgang innerhalb einer demokratischen Struktur.
Wenn Sie sagen, das seien die Vertreter der Landesregierung, antworte ich: Es ist spannend, zu sehen, wie Sie sich selbst aus der Verantwortung stehlen. – Es geht darum – da haben Sie sich nicht getraut –, auf der Grundlage der Debatte des Verfassungsgerichts die Senate zu stärken; denn natürlich brauchen wir auch in der Hochschule mehr Demokratie, und natürlich müssen alle Menschen, die dort arbeiten, eine Chance haben, sich daran zu beteiligen. Das gilt für den Senat, aber das gilt ebenso für die Studierenden, die in einer Reihe von Fragen, die mit der Lehre zu tun haben, zum Teil sachverständiger sind als diejenigen, die in den Ministerien darüber reden. Auch darum haben Sie sich gedrückt.
Forschung an Fachhochschulen im Rahmen einer Promotion: Das ist keine Grundsatzfrage. Die Frage ist: Wie verhindern wir, dass es Promotionen erster und zweiter Ordnung gibt, dass also jemand den Zusatz „Dr. Fachhochschule“ durchsetzen kann? Das wollen wir nicht, und das müssen wir durch vernünftige Strukturen verhindern.