Protokoll der Sitzung vom 25.06.2015

Handlungsfeld Waffen und Munition: Frau Kollegin Gnadl, völlig zu Recht haben Sie das gesagt. Die rechtsextremistische Szene in der Bundesrepublik verfügt über eine nicht unerhebliche Anzahl von Waffen und eine nicht unerhebliche Menge an Munition. Das ist erschreckend. Hier muss dringend nachgearbeitet werden. Hier müssen dringend Anstrengungen unternommen werden, damit Waffen nicht in die Hände von Rechtsextremisten geraten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Sicherheitsbehörden in Hessen nutzen natürlich die rechtlichen Möglichkeiten, die sie haben, z. B. waffenrechtliche Erlaubnisse; aber ich denke, dass man auch mit Maßnahmen, die in anderen Bereichen erfolgreich waren, arbeiten muss: Kontrolldruck erhöhen, die Leute nerven, öfter einmal auf der Matte stehen und schauen, was da eigentlich los ist.

Ich glaube, dass man sich diesen Bereich genauer anschauen muss. Wir hatten es in Deutschland mit rechtsextremistischen Morden zu tun. Über die NSU-Morde debattieren wir hier gerade, auch im Untersuchungsausschuss. Wir wissen, dass die Rechtsextremisten bereit sind, diese Waffen auch einzusetzen, und deswegen müssen wir genauer hinschauen und alle Anstrengungen unternehmen, damit die Waffen aus den Händen solcher Extremisten verschwinden.

Ein weiteres Handlungsfeld sind die Medien. Frau Kollegin Gnadl hat die Internetauftritte und anderes angesprochen. Wir haben es mit dem Problem zu tun, dass diese Server oft im Ausland stehen und wir keinen Zugriff dar

auf haben. Doch in den Fällen, in denen die Server in Deutschland stehen, wird einiges unternommen.

Aber auch da müssen wir mehr Anstrengungen unternehmen – wir müssen uns bilateral mit denen unterhalten, die diese Server betreiben –, und wir müssen öfter darangehen und unsere Behörden ermuntern, möglichst gegen diese Organisationen vorzugehen, die im Internet auftreten. Es sind eigentlich alle in Hessen bekannten Organisationen auch im Internet vertreten. Ich glaube, dieses Handlungsfeld müssen wir noch einmal besonders in den Blick nehmen.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Ein weiteres Handlungsfeld ist die Prävention. Frau Kollegin Gnadl, bei allen kritischen Anmerkungen, die Sie gemacht haben, sollten wir auch einmal feststellen, dass wir in Hessen neben der repressiven Säule gerade eine ganz starke Säule an Präventionsarbeit aufbauen. Es kommen Besucher aus vielen anderen Bundesländern, die sich das genauer anschauen.

Ich finde, wir sollten im Zusammenhang mit diesem Themenkomplex einmal sagen – vielleicht auch im Hessischen Landtag –: Wir sind uns einig, dass wir eine ganz starke Säule Prävention aufbauen; denn jeder Jugendliche, den wir daran hindern, überhaupt erst in solche rechtsextremistischen Szenen abzugleiten, ist ein Jugendlicher, der möglicherweise für die Demokratie gewonnen werden kann. – Das muss uns leiten, nicht aber das Herumkritisieren an den einzelnen Programmen.

Herr Kollege Frömmrich, bitte kommen Sie zum Schluss Ihrer Rede.

Ich komme zum Schluss. – Eine unserer großen Forderungen, auch in der Opposition, auch zusammen mit den Sozialdemokraten, war immer, dass ein eigenes Landesprogramm aufgestellt wird. Wir haben jetzt ein eigenes Landesprogramm Rechtsextremismus, und ich finde, das sollte man hier auch einmal würdigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Unter dem Strich danke ich den Kollegen von den Sozialdemokraten, die diese Große Anfrage gestellt haben. Ich finde es wichtig, dass wir dieses Thema immer wieder aufrufen, dass wir uns der Gefahren bewusst werden, mit denen wir es in Hessen zu tun haben, und dass wir als demokratische Parteien im Hessischen Landtag in dieser Frage möglichst an einem Strang ziehen. Wir sollten die Gemeinsamkeiten betonen und nicht das Trennende. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Frömmrich. Bei den Dankesbekundungen war ich jetzt etwas großzügiger, was die Redezeit be

traf. Aber Sie haben das schon ziemlich ausgenutzt. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Rentsch, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Rechtsextremismus beschäftigt den Hessischen Landtag auch, aber nicht nur in einem Untersuchungsausschuss, in dem wir uns mit den Taten des NSU-Terrortrios auseinandersetzen müssen. Dieser Untersuchungsausschuss zeigt, wie die Strukturen in der rechtsradikalen Szene aussehen und wie richtig es ist, dass die Kollegen von der SPD zum wiederholten Mal eine Anfrage dazu gestellt haben, mit der sie sozusagen einen Scheinwerfer auf das Thema Extremismus gerichtet haben.

Die Anfrage, die im Jahr 2006 schon einmal gestellt worden ist, zeigt eine Entwicklung. Ich glaube – ich will das auch ausdrücklich sagen –, dass es zwischen den Vorrednern von damals und uns wenig bis keinen Dissens gibt und dass wir Parlamentarier alle ein wachsames Auge auf dieses Thema haben müssen.

Ich fühle mich auch bestärkt durch das, was wir im NSUUntersuchungsausschuss erfahren: dass es richtig ist, dieses Thema mit höchster Sensibilität zu beobachten. Wir stellen nämlich fest, dass diese Strukturen zum Teil so perfide und so gut organisiert sind, dass die staatliche Gewalt nur mit großen Schwierigkeiten diesen radikalen, extremen und rechtswidrigen Tendenzen entgegenwirken kann. Das ist es, was wir erleben.

Kollege Frömmrich, deswegen bin ich bei Ihnen. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen, die Sie zum Teil auch unterstützt haben. Wir haben immer darüber diskutiert, was der richtige Weg ist. Aber eine Reihe der Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, noch unter der alten Landesregierung, und vieles andere, was zuvor passiert ist, haben immerhin dazu geführt, dass die Zahl der Rechtsextremisten in Hessen von über 3.000 auf 930 gesunken ist. Bei den unter 25-Jährigen hat sich die Zahl allerdings nur halbiert, was zeigt, dass dort anscheinend eine besondere Affinität zu dieser Form des Extremismus besteht.

Die Zahl der NPD-Mitglieder ist ebenfalls gesunken: von 350 auf 250, wobei 2006 800 Personen, die in der DVU organisiert waren, in der NPD aufgegangen sind. Auch die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten ist nach den Antworten der Landesregierung von 750 auf 400 zurückgegangen.

Das heißt, dass wir schon Möglichkeiten und Stellschrauben haben, uns dieser Problemgruppe zu nähern: durch Aufklärung, durch Präventionsarbeit und durch Ausstiegsmodelle, deren Entwicklung wir forciert haben. Ich sage auch: Es lohnt sich, dass wir das dort machen; denn das, was wir bei dem NSU-Terrortrio erlebt haben – das ist für mich auch ein Stück weit die Begründung –, zeigt, was passieren kann, wenn man sich diesen Strukturen nicht frühzeitig entgegenstellt.

(Beifall bei der FDP)

Den Antworten der Landesregierung kann man entnehmen, dass sich die Strukturen in hoher Geschwindigkeit verändern, dass die Anpassungsfähigkeit der rechtsextremen Szene, auch an staatliche Kontrollen, sehr hoch ist und dass sehr viel Kreativität auf der Seite vorhanden ist. Insofern bleibt es dabei: Die Strukturen, die wir als Rechtsstaat

haben, nämlich die Forcierung der Überwachung und die Präventionsarbeit, müssen selbst immer wieder neu angepasst werden. Es geht eben nicht, dass man ein Standardmodell auf den Weg bringt, das dann ein Allheilmittel für alles ist. Im Gegenteil, auch der Staat muss höchst flexibel sein bei der Frage, wie er damit umgeht.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich einige Bemerkungen zum NPD-Verbotsverfahren machen. Die Zahl der NPD-Mitglieder ist zurückgegangen. Ich kann nur hoffen, dass das nicht alles V-Männer sind, die dort nicht mehr aktiv sind. Den kleinen Seitenhieb gestatten Sie mir.

Wir Freie Demokraten waren beim NPD-Verbotsverfahren von Anfang an skeptisch. Das neue NPD-Verbotsverfahren ist anscheinend wieder ein Verfahren – so bekommt man es mit –, das unter Verfahrensfehlern leidet. Das Bundesverfassungsgericht hat von den Antragstellern massive Nachbesserungen und Ergänzungen gefordert. Herr Kollege Boddenberg, wir haben damals nicht zugestimmt – das ist richtig, auch um auf die Debatte von gestern einzugehen –, weil wir damals als Freie Demokraten der Auffassung waren, das sei richtig so.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich habe mich übrigens damals enthalten!)

Durch das, worüber zurzeit diskutiert wird, fühlt man sich ein bisschen bestätigt: Man sieht – ich glaube, da sind wir einer Meinung –, dass möglicherweise ein zweiter Persilschein für die NPD ausgestellt wird. Das kann nicht das Ergebnis einer solchen Debatte sein.

(Beifall bei der FDP)

Wir erleben jetzt, dass wir durch eine politisch kontroverse Debatte mit denen, die sich dort engagieren, einigen Erfolg erzielt haben – ich glaube, zu Recht – und dass wir als Demokraten immer wieder alles daransetzen müssen, mit einer hohen Konfliktbereitschaft in die Kontroversen zu gehen, aber auch aufzeigen müssen, wohin bestimmte Entwicklungen in einer rechtsextremen Form letzten Endes führen können. Das betrifft auch die Themen, die wir in den letzten Tagen im Landtag hatten. Dazu ist einiges gesagt worden, auch im Zusammenhang mit der Regierungserklärung.

Um zum NDP-Verbotsverfahren zurückzukommen: Ich glaube, dass wir Dummheit nicht verbieten können, aber dass wir sie weiterhin politisch bekämpfen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb lautet meine Bitte: Verlassen wir uns nicht auf ein Verbotsverfahren, das anscheinend unter denselben Problemen leidet wie das letzte Verbotsverfahren, sondern lassen Sie uns weiterhin den politischen Diskurs, ja, den politischen Kampf gegen diese Extremen forcieren; denn das ist die einzige Möglichkeit, dieses Problems Herr zu werden.

Ich finde, die Landesregierung hat die einzelnen Aspekte der Großen Anfrage unterschiedlich beantwortet, auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Dieses Recht hat die Landesregierung natürlich.

Es gibt aus unserer Sicht einige Entwicklungen, die durch den NSU-Untersuchungsausschuss an den Tag gekommen sind und die sich zum Teil nicht in den Arbeiten wiederfinden. Ich denke, deshalb ist es auch richtig, die Arbeit des Untersuchungsausschusses, bei der wir viele Erfahrungen

bezüglich der Fragen machen, welche Gruppierungen es gibt und welche Strukturen es gibt, auch in die Arbeit des Innenministeriums und seiner angegliederten Organisationen mit einbauen.

Zum Beispiel die Band „Oidoxie“, die Thema war, aber in der Frage 19 o nicht auftaucht, ist eine der zentralen Gruppen und soll anscheinend im Jahr 2006 auch im Raum Kassel gespielt haben. Das sind Erkenntnisse, die wir aus dem Untersuchungsausschuss haben. Ein Teil der Mitglieder dieser Band stammt aus Hessen. Das ist sicherlich ein Thema, das man unter besonderes Augenmerk nehmen sollte, wenn man die Ergebnisse aus dem Untersuchungsausschuss ernst nimmt. Genauso beeinflusst die in Deutschland verbotene „Blood & Honour“-Bewegung Rechtsextremisten in Deutschland bis heute.

Es zeigt sich erneut, dass ein Verbot einer Gruppierung – sosehr ich mir das wünschen würde – nicht dazu führt, dass Menschen sich von dieser Gruppierung abwenden, sondern im Gegenteil: Es scheint fast den Reiz auszumachen, einer Gruppierung anzugehören, die auch nach ihrem Verbot weiter besteht, und deren Inhalte – wie rechtsextreme Lieder –, die dort aktuell sind, gerade durch den Einsatz von neuen Medien weiter zu verstärken. Deshalb zeigt sich auch, Verbote helfen uns an dieser Stelle nicht weiter – nur ein aufmerksamer Staat, der weiter mit hoher Sensibilität seiner Aufgabe in diesem Bereich nachkommt, kann dort helfen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Horst Klee (CDU))

Ich kann mich vielem anschließen, was die Kollegen Vorredner gesagt haben, und will das nicht alles wiederholen. Aber eines ist sicherlich mit der Anfrage der SPD verbunden: höchste Sensibilität und Aufmerksamkeit des hessischen Parlaments.

Es gibt in Hessen und in Deutschland insgesamt verschiedene Formen des Extremismus. Aber man sollte die verschiedenen extremen Formen nicht gegeneinander aufwiegen oder sie relativieren. Ich glaube, das tut auch keiner hier im Landtag. Jede Form für sich ist inakzeptabel für eine Demokratie und von einer Demokratie zu bekämpfen. Das sollten wir gemeinsam tun. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung lebt davon, dass es Demokraten in diesem Land gibt, die mit aller Kraft, mit ihrem persönlichen Einsatz und ihrem Leben diese Grundordnung schützen; sie ist der Garant für Freiheit in unserer Gesellschaft.

Diesem Auftrag werden wir als Demokraten weiter nachkommen. Die aktuellen Bestrebungen – ob salafistischer oder anderer Organisationen –, die immer wieder das Ziel haben, diese freiheitliche Grundordnung zu unterlaufen, zu unterwandern und ihre eigene Sichtweise der Dinge zum Maßstab des Lebens aller Menschen in Deutschland zu machen, sind die Bedrohungen für unsere Demokratie. Gegen diese wenden wir uns.

Herr Staatssekretär, deshalb werden wir als Freie Demokraten den Kampf des Landes gegen diese Strukturen, die etabliert werden sollen, auch massiv führen. Unsere Unterstützung haben Sie. Über den Weg muss immer wieder neu diskutiert werden. Dafür ist der Landtag auch der richtige Ort. Aber ich glaube, es gibt hier einen Konsens aller Demokraten, dieses Thema gemeinsam anzugehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße auf der Tribüne eine Delegation aus Vietnam, die sich in den letzten zwölf Tagen mit den Verwaltungsstrukturen in Hessen und in Berlin beschäftigt hat. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort hat Staatssekretär Koch für die Landesregierung.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs feststellen, dass wir alles in unserer Macht tun müssen, um den Rechtsextremismus zu bekämpfen. Wir wollen rechtsextremistische Gewalttaten im Keim ersticken, und Rechtsextremismus darf auch in weniger gewaltbereiten Teilen unserer Gesellschaft keinen Platz finden oder haben. Das ist Aufgabe der Landesregierung.