Protokoll der Sitzung vom 25.06.2015

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Papst Franziskus hat uns die Enzyklika „Laudato si“ vorgelegt, übersetzt „Gelobet seist du“. Sie befasst sich mit den verschiedenen Ebenen der Nachhaltigkeit, der Ressourcen auf unserer Erde, der Ökologie, aber auch mit dem menschlichen Zusammenleben.

Ich als Christ und auch als Katholik freue mich, dass diese Enzyklika eine große Resonanz erfährt. Ich glaube, das ist es, was Papst Franziskus eigentlich auch wollte. Er wollte mit dieser Debatte, die er angestoßen hat, mit dieser getätigten Veröffentlichung anregen, zu diskutieren und sich mit diesen Themen, die er in dieser wirklich umfassenden und vielseitigen Enzyklika beschrieben hat, zu beschäftigen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht alles, was er schreibt, teile ich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Grundrichtung dieser Enzyklika ist richtig: Es geht um mehr Nachhaltigkeit in unserer Welt. Es geht darum, dass wir unsere Schöpfung erhalten, dass wir dieser Schöpfung mehr Aufmerksamkeit schenken, dass wir den Menschen, die nach uns kommen, eine Erde hinterlassen, die genauso reich ist wie die Erde, die wir empfangen haben. Das ist eine zutiefst christliche Botschaft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es richtig und wichtig, die Anregung aufzunehmen, dass wir uns mit allen Facetten beschäftigen, auch mit denen, die Herr Lenders eben angesprochen hat.

Ich meine aber auch, dass wir in Deutschland wie auch in Hessen in diesen Fragen gar nicht so schlecht aufgestellt sind. In unserem Koalitionsvertrag ist das Thema Nachhaltigkeit und Ökologie sehr hoch bewertet und gewichtet. Das sollten wir zur Kenntnis nehmen und sagen, wir haben schon einen guten Weg eingeschlagen. Wir sollten aber auch daran denken, dass wir für andere Vorbild sein müssen; denn wir können es. Es gibt viele Länder, die aufholen müssen, und sie brauchen uns auch als Vorbild.

Womit beschäftigt sich die Enzyklika? Enthalten ist Naturund Artenschutz, das ist wichtig, Klimaschutz, auch das, was momentan global zu diesem Thema läuft. Nachhaltigkeit ist aber auch ein Finanzthema, auch das wird angesprochen. Umgang mit den Ressourcen, Nachhaltigkeit. Dritte Dimension ist der soziale Teil. Das Zusammenleben, das Miteinander, die Armut, die soziale Ausgrenzung – Letzteres wird vom Papst kritisiert, er nimmt sich auch anderer sozialer Themen an, Herr Lenders hatte es gesagt.

Wir müssen bei dieser Enzyklika auch berücksichtigen, dass es Gedanken dahin gehend sind, dass wir das, was wir als Einzelne tun, in ein globales Handeln einbringen müssen. Der Papst will gesamtheitliche und umfassende Lösungen. Er beschreibt diesen Wunsch zu Recht, weil viele von uns daran denken, dass wir nicht isoliert diese Welt verändern können – wir müssen alle Menschen mitnehmen.

Der Papst appelliert auch an uns, nicht nur darüber nachzudenken, was man tun kann, er fordert Taten von uns. Er ermahnt jeden Einzelnen, er ermahnt aber auch die gesamte Gesellschaft und die Organisationen. Die Herausforderung für uns ist, dieses Nach- und Umdenken auch aufzunehmen. Wir sollten die von ihm religiös begründete Aufforderung zur Nachhaltigkeit in praktische Politik übersetzen – eine Aufgabe, die nicht trivial ist. Das hat der Papst auch erkannt. Er fordert von uns, dass wir die Dinge, die zusammenhängen, zusammenhängend denken. Die Universalität seines Ansatzes ist für uns wichtig, die einheitliche Weltordnung, die er natürlich als Oberhaupt einer weltumspannenden Glaubensgemeinschaft einfordern muss. Er will echte politische Weltautorität.

Es ist richtig, dass Papst Franziskus sehr universale Ansprüche formuliert. Wir arbeiten daran, viele dieser Anregungen aufzugreifen und in politisches Handeln umzusetzen, lokal, national, vor allem aber global.

Franziskus betont aber auch mit Recht – ich zitiere aus der Enzyklika –: Die Kirche beansprucht nicht,

… die wissenschaftlichen Fragen zu lösen, noch die Politik zu ersetzen, doch ich fordere zu einer ehrlichen und transparenten Debatte auf, damit Sonderwünsche oder Ideologien nicht das Gemeinwohl schädigen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dies ist der Rolle des Papstes und der Rolle der Kirche angemessen. Insoweit ist diese Enzyklika nicht allein eine Umwelt-, eine Klima-Enzyklika, sie beschäftigt sich insgesamt mit der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft, unserer Welt, unseres gemeinsamen Hauses.

Dieser Debatte, die Papst Franziskus angeregt hat – ich sage hier noch einmal, wir sollten ihm sehr dankbar dafür sein –, müssen und wollen wir uns stellen, jederzeit und überall. Der Anstoß ist geliefert. Der Anstoß wird uns helfen, uns selbst neu für unsere eigene Verantwortung zu sensibilisieren und den Facetten der Nachhaltigkeit, der Ökologie, des Finanziellen und auch der Mitmenschlichkeit einen weiteren höheren Stellenwert zu geben. Das ist unsere Aufgabe.

Ich betone noch einmal: Wir strengen uns heute schon an. Doch es reicht noch nicht aus, und wir müssen diejenigen, die sich im Sinne von Franziskus noch nicht genügend anstrengen, motivieren und dazu bringen, dass auch sie die

Ziele, die er in seiner Enzyklika formuliert hat, aufnehmen und darüber nachdenken – mit dem Ziel, dass wir diese Welt in einem Zustand an unsere Nachfolger weitergeben, wie wir sie selbst bekommen haben. Ich glaube, diese Botschaft sollten wir uns alle gemeinsam vornehmen. Wir sollten daran arbeiten. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Roth.

(Norbert Schmitt (SPD): Der stellvertretende Papst vom Hessischen Landtag! – Günter Rudolph (SPD): Jetzt kommt jemand vom Fach!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich habe die Enzyklika, alle 107 Seiten, gelesen. Das ist die erste Feststellung.

(Allgemeiner Beifall – Günter Rudolph (SPD): Das haben nicht alle!)

Die zweite Feststellung. Das war nicht die erste Enzyklika, die ich gelesen habe.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die dritte Feststellung. Ich habe diese Enzyklika sehr gerne gelesen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar aus verschiedenen Gründen. Einiges von dem ist in der Rede von Herrn Stephan deutlich geworden.

Kollege Merz rief mir eben zu: Ich will eine ordentliche Exegese. – Das ist in fünf Minuten nicht machbar. Aber wenn man eine ordentliche Exegese macht, muss man nach den Hauptaussagen eines Textes fragen. Das bekommt man in aller Regel heraus, indem man anfängt zu zählen. 97-mal – das ist am häufigsten in dieser Enzyklika – kommt das Wort Technik vor, und 67-mal wird das Wort Technik in Verbindung gesetzt mit dem Wort Macht oder Machtkritik.

Spätestens an der Stelle wird deutlich, dass diese Enzyklika, die nicht nur im Antrag der GRÜNEN, sondern auch in dem einen oder anderen Kommentar als Umwelt-Enzyklika apostrophiert wurde, dies nicht ist. Sie ist – das war erklärtes Ziel des Papstes und all derer, die sie bewerten – eine Sozial-Enzyklika.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Das historische Verdienst des Papstes ist es, dass er zwei große Themen, die Umwelt und die soziale Frage, zusammenbindet.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer das eine abtrennt und losgelöst betrachtet, wird dem anderen in keiner Weise gerecht, dem einen wie dem anderen nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie soll die soziale Frage dieser Welt gelöst werden in einer völlig desolaten und kaputten Umwelt? Das ist undenkbar.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU)

Aber was soll eine funktionierende Umwelt, die die soziale Frage ausblendet?

(Beifall bei der SPD – Jürgen Lenders (FDP): Die den Menschen ausblendet!)

Ich komme auf einen Hinweis vom Kollegen Lenders – ich teile diesen Hinweis –: Ich muss in dieser Enzyklika nicht jeden Satz unterschreiben, weiß Gott nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, die Sinnspitze des Textes zu erfassen, und die ist eindeutig. Er redet von einer Humanökologie, von einer integralen Ökologie und deshalb von einer universalen Solidarität. Darum geht es, und von daher bin ich dankbar – die meisten haben heute Morgen ihre Umweltexperten ins Geschäft geschickt –,

(Günter Rudolph (SPD): Wir nicht!)

dass ich dank des Kollegen Gremmels das große Glück hatte, dass mir das heute zugefallen ist.

Ich will es an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich machen: Wir versuchen nicht, in dieser Debatte den Papst für uns zu vereinnahmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Er lässt sich nicht vereinnahmen. Da setzt er sich deutlich von Vorgängern ab. Er lässt sich nicht vereinnahmen. Aber das Thema, das er innerhalb der ältesten Organisation, der Katholischen Kirche, setzt, ist in der zweitältesten Organisation, der Sozialdemokratischen Partei,

(Heiterkeit)

immerhin ein Kernthema gewesen: Wie geht das – deshalb ist die Partei damals gegründet worden – mit dem sozialen Zusammenhalt in dieser Welt, nicht nur bei uns?