Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

Der einzige Vertreter von Maximalpositionen war in diesem Prozess der Hessische Ministerpräsident. Jetzt wird gelegentlich behauptet, es habe ja keine Angebote gegeben, es habe stattdessen einen Brief an den Ministerpräsidenten gegeben, in dem ich die Maximalforderungen der SPD aufrechterhalten hätte. Ich will Ihnen einmal den entscheidenden Satz zum Thema Ganztagsschulen vorlesen.

(Armin Schwarz (CDU): Lesen Sie den ganzen Brief vor!)

Zu dem Pakt für Nachmittagsbetreuung und die 100 Grundschulen habe ich geschrieben:

Wir wollen 500 Grundschulen in der Legislaturperiode 2014 bis 2019 zu Ganztagsschulen im Profil 3 machen. Das werden Sie so nicht mittragen, aber angesichts von fünf echten Ganztagsschulen im Grundschulbereich in Hessen muss es einen klaren Ausbauweg geben.

Das haben wir dem Ministerpräsidenten mitgeteilt. Das deckt sich im Übrigen mit dem, was ich Ihnen, Herr Lorz, am 20. Januar 2015 erstmals angeboten habe, nämlich eine klare Verständigung zu den Ganztagsschulen. Wir haben dabei auch konkrete Zahlen genannt. Deshalb habe ich neulich in der Debatte, als mir Mathias Wagner „Sag doch mal was!“ zurief, erklärt: Wir haben dazu eine Verständigung, weil wir uns beide in dieser Legislaturperiode auf den Weg gemacht haben, pro Jahr 50 Ganztagsschulen einzurichten. – Wir haben übrigens auch über den Masterplan Inklusion geredet, wie wir da weiterkommen. Gleiches gilt für die Schulsozialarbeit. Selbst bei der Frage des längeren gemeinsamen Lernens, bei der es allerdings schon schwieriger wurde, gab es kleine Korridore. Wenn Sie angesichts der konkreten Angebote, die Sie von uns bekommen haben, in der Pressekonferenz sagen, das sei „anschließend irgendwo versandet“, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist nicht „irgendwo“ versandet, sondern das ist bei Ihnen versandet.

(Beifall bei der SPD)

Es ärgert mich schon, wenn jetzt versucht wird, das Problem wieder bei uns abzuladen. In Wirklichkeit haben Sie das Problem, dass Sie an dem Stahlhelmflügel in der eigenen Fraktion gescheitert sind. Ich weiß sehr wohl, dass Sie versucht haben, Lösungen zu finden. Aber Sie können nicht uns dafür verantwortlich machen, dass die Betonmehrheit in Ihrer Fraktion Ihr Interesse an einem Schulfrieden – was auch das Interesse der GRÜNEN ist, denen ich

das ebenfalls ausdrücklich abnehme – an der Stelle zum Scheitern gebracht hat. Ich kann nichts dafür, dass Sie in den Verhandlungen nicht das Gewicht hatten, das in Ihrer Fraktion durchzusetzen, und ich kann auch nichts dafür, dass der Ministerpräsident Ihnen in den Verhandlungen öffentlich und konsequent immer wieder in die Kniekehlen getreten hat, damit am Ende kein Ergebnis zustande kommen konnte. Das ist Ihr Problem, nicht unseres. Verantwortlich ist dafür aber die Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Es gab Korridore, durch die Sie nicht gehen wollten, und wir haben am 27. April auch über den Verhandlungsweg geredet; dazu gab es am Ende aber keine Rückmeldung.

Lassen Sie mich noch auf zwei Punkte hinweisen. Für die Gespräche war es wenig hilfreich, dass Sie parallel zu den Verhandlungen auf dem Bildungsgipfel Kürzungen vorgenommen haben. Das war für viele Akteure schlicht eine Provokation.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Deswegen muss man am Ende sagen: Wir sind im Moment weiter vom Schulfrieden entfernt als je zuvor. Jetzt werden Sie sagen: Das stimmt nicht. – Das stelle ich aber jeden Tag fest, wenn ich mir den Posteingang bei uns in der Landtagsfraktion ansehe. Wir haben schon lange nicht mehr so viel Post aus Grundschulen und weiterführenden Schulen bekommen. Man schreibt uns: Leute, helft uns; das, was das Land gerade macht, macht unsere bildungspolitischen Optionen, die eingeschränkt genug sind, kaputt. – Das ist Ihre Verantwortung, und das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass viele Organisationen beim Bildungsgipfel ausgestiegen sind.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Deswegen fühle ich mich am Ende in einem Bündnis mit vielen Organisationen – vom Philologenverband, was wirklich nicht zu erwarten war, bis hin zur GEW –, die gemeinsam sagen: Das, was die Regierung und die sie tragenden Fraktionen vorgelegt haben, funktioniert nicht; es trägt nicht, weil es den wesentlichen bildungspolitischen Herausforderungen in Hessen nicht gerecht wird.

Die bildungspolitischen Debatten in Hessen werden weitergehen. Der Maßstab für unsere Politik war vor und nach der Landtagswahl der gleiche, dass nämlich die soziale Herkunft eines Kindes seinen Bildungsweg nicht mehr so stark beeinflussen darf, wie es zurzeit der Fall ist.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Ab- geordneten der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Schwarz, CDU-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Der Bildungsgipfel war ein Erfolg. Der Bildungsgipfel hat viele wertvolle Impulse und Anregungen geliefert, die auch in Zukunft Bestand haben werden.

Zunächst einmal möchte ich mich im Namen der CDUFraktion herzlich bei allen Akteuren bedanken, die kon

struktiv – ich betone: konstruktiv – an diesem Prozess teilgenommen haben und die konstruktiv, mit eigenen Impulsen, nicht verhindernd, sondern gestaltend, hieran mitgewirkt haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den Arbeitsgruppen – das war die erklärte Anlage des Prozesses – wurden Konsense und auch Dissense beschrieben. Das war auch wichtig, damit klar ist, welche Positionen vertreten werden, um die Arbeit an den entsprechenden Stellen aufzunehmen und die Konzepte weiterzuentwickeln.

Der Bildungsgipfel hatte zwei konkrete Ziele und ein übergeordnetes Ziel. Erstens wollten wir uns mit allen Akteuren, die auf dem bildungspolitischen Spielfeld unterwegs sind – Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Gewerkschaften, Schulen –, austauschen. Das haben wir erreicht. Das war ein Prozess, der in dem Kontext und in dem Zeitraum erstmalig stattfand. Des Weiteren wollten wir Expertisen einfordern und in den Gesprächen dann auch zeigen, was man daraus machen kann.

Das dritte, das übergeordnete Ziel war angesichts der Haltung mancher Akteure, die beim Bildungsgipfel an den Tischen saßen, augenscheinlich nicht gewollt und somit auch nicht zu erreichen. Dabei war, die Anmerkung sei mir gestattet, auch hier immer wieder vom sogenannten Schulfrieden die Rede. Frau Präsidentin, ich zitiere:

Wir wollen einen echten Schulfrieden anbahnen, mit Schulen, Gewerkschaften, Eltern und Kommunen. Gemeinsam soll beschlossen werden, welche Veränderungen anstehen.

Das sagte Thorsten Schäfer-Gümbel in einem Interview mit dem „Darmstädter Echo“ am 5. September 2013 – also vor der Landtagswahl.

Ich zitiere noch einmal:

Den Begriff Schulfrieden fand ich von Anfang an übertrieben.

Das sagte Kollege Christoph Degen in einem Interview mit der „FAZ“ vom 12. Mai 2015 – also nach der Landtagswahl.

Was geht denn nun? Wollen Sie Schulfrieden, oder wollen Sie keinen Schulfrieden? Sie sitzen nebeneinander; Sie müssen sich entscheiden. Das ist ein Zickzackkurs, der im Übrigen mit Umfragewerten von 27 % honoriert wird. Darüber brauchen Sie sich nicht zu wundern.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, die Traumatisierung der SPD scheint, wie die Kollegin Goldbach gestern feststellte, nicht nur im Zusammenhang mit dem KFA zum Tragen zu kommen, sondern auch in der Bildungspolitik. Mit solchen Umfragewerten, die die Einschätzung Ihrer bildungspolitischen Ansätze wiedergeben, finden Sie keine Mehrheiten – seit über 16 Jahren nicht.

Deswegen bin ich auch froh, dass die Menschen wahrnehmen, wie Sie im bildungspolitischen Umfeld agieren. Das ist Oppositionsarbeit, und das ist auch in Ordnung, aber es wird entsprechend bewertet. Darüber bin ich froh.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Kollege, der Bildungsgipfel in Hessen hat im Übrigen, von der Anlage her, erstmalig so stattgefunden. Wir haben es im Koalitionsvertrag versprochen; wir haben es gehalten. Wir haben immer den Grundsatz „Die ausgestreckte Hand ist da“ verfolgt. Wir haben immer wieder sehr konstruktiv gesagt: Wir gehen auch über das hinaus, was wir im Koalitionsvertrag geschrieben haben. – Ich werde das gleich sehr konkret machen. Aber wo waren denn die Vorschläge der Opposition?

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Herr Schäfer-Gümbel, in Gesprächen und bei Telefonaten im Hintergrund mögen Sie irgendetwas beredet haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wenn ich mit dem Minister rede, hat das ein anderes Niveau! Das ist anders, als wenn ich mit Ihnen da draußen Kaffee trinke!)

Aber sobald es ernst wurde und Sie auf dem Bildungsgipfel ein Papier vorlegen sollten, kam nichts. Daran müssen Sie sich messen lassen.

Ich will einmal deutlich sagen, woran wir unsere Position erkennbar machen – das tun wir jenseits dessen, was wir im Koalitionsvertrag stehen haben –: beispielsweise die Ausweitung des Ganztagsschulausbaus im Rahmen des Pakts für den Nachmittag; weitere gebundene, rhythmisierte Ganztagsschulen dort, wo es gewünscht ist; was die Schulstruktur betrifft, die Weiterentwicklung von Hauptund Realschulen – wobei immer klar ist, dass es weiterhin Hauptschul- und Realschulabschlüsse geben wird und dass auch die Gymnasien Bestand haben.

Meine Damen und Herren, besonders beeindruckend sind die Ergebnisse, die in der AG 4 des Bildungsgipfels erzielt wurden: Die Grundbotschaft, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertig sind und dass das Übergangssystem durchlässiger wird, bedeutet nämlich einen Konsens, der allein den Bildungsgipfel wertvoll machen würde.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage es noch einmal: Wo haben Sie sich bewegt? Wo waren die Kompromisssignale der Opposition? Ich habe dort nichts erkennen können.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was?)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite des Hauses, wir lassen es nicht zu, dass die Verhinderer aus strategischen Gründen am Ende des Tages die Deutungshoheit in diesem Prozess haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt habe ich aber Angst!)

Ich will Ihnen eines sagen: Von vornherein war es für Sie doch klar, zu sagen, Sie würden mit friedlichen Absichten und auf der Suche nach Kompromissformeln hineingehen, um zum Schluss zu erklären: Warum sollten wir denn unterschreiben? Da geht uns doch unser großes Wahlkampfthema verloren. – Sie wollten es nicht machen. Meine Damen und Herren, Sie wollten aus wahlstrategischen Überlegungen nie ein Konsenspapier unterschreiben. Das muss man einmal festhalten. Das wollten Sie nie.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Jetzt machen wir weiter. Im Übrigen gibt es auch konstruktive Oppositionsarbeit.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)