Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

gesordnungspunkt 85. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion.

Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun Tagesordnungspunkt 66 auf:

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Bildungsgipfel ist gescheitert – Drucks. 19/2214 –

Dazu rufe ich die mündliche Frage 333 der Abg. Kerstin Geis auf.

Ferner rufe ich Tagesordnungspunkt 53 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend kein Bildungsabbau in Hessen – geplante Kürzung der 105-prozentigen Lehrerversorgung zurücknehmen – Drucks. 19/ 2181 –

Er wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 61 aufgerufen:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Stellenkürzungen können keine Verhandlungsgrundlage für einen Schulfrieden sein – schulpolitische Errungenschaften bei der Lehrerversorgung nicht infrage stellen – Drucks. 19/2205 –

Außerdem rufe ich Tagesordnungspunkt 78 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend keine Kürzung bei den Stundenzuweisungen – Drucks. 19/2267 –

Hinzu kommt Tagesordnungspunkt 80:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bildungsgipfel liefert zahlreiche wertvolle Impulse und Anregungen zur künftigen Ausgestaltung der hessischen Bildungspolitik – Drucks. 19/2269 –

Zuerst kommen wir zur mündlichen Frage 333 der Abg. Geis. – Frau Kollegin.

Ich frage die Landesregierung:

Stellt sie Schulen für Erwachsene für die in § 20 Oberstufen- und Abiturverordnung – OAVO – vorgesehenen Aufbaukurse Ressourcen in Form von Lehrerstellen zur Verfügung?

Frau Abg. Geis, die Oberstufen- und Abiturverordnung regelt in § 20 Abs. 2, dass Aufbaukurse eingerichtet werden können. Hierbei handelt es sich nicht um ein Pflichtangebot.

Vor diesem Hintergrund werden in den Abendgymnasien und Hessenkollegs keine gesonderten Ressourcen für Aufbaukurse in Form von Lehrerstellen zur Verfügung gestellt. Das ist aber keine neue Regelung, sondern so ist das schon seit einigen Jahren.

Die weiter gehende Begründung hierfür besteht darin, dass die Abbruchquote gerade bei Bewerberinnen und Bewerbern mit erheblichem Kompensationsbedarf an Abendgymnasien und Hessenkollegs in der Vergangenheit trotz Be

suchs eines Aufbaukurses relativ hoch war. Um die eingesetzten Ressourcen zielgerichtet und effizient einzusetzen, wird vor der Aufnahme mithilfe von Eignungsprüfungen überprüft, ob hinreichende Aussichten bestehen, dass Bewerberinnen und Bewerber das Ziel des Bildungsgangs erreichen können. Somit werden die eingesetzten Mittel erfolgsorientiert verwendet.

Schon jetzt setzt die Aufnahmeentscheidung für alle Bewerber voraus, dass sie in einem Deutschtest nachgewiesen haben, dass sie Deutsch als allgemeine Unterrichtssprache beherrschen. Somit sind Aufbaukurse „Deutsch als Zweitsprache“ in diesem speziellen Bereich nicht mehr erforderlich.

Ähnliches gilt für die allgemeinen Aufbaukurse. Hier ist für alle Bewerber, denen die inhaltlichen Qualifikationen für einen erfolgreichen Besuch der Einführungsphase noch fehlen, verpflichtend ein halbjähriger Vorkurs vorgesehen, um die Berufstätigen auf die schulische Arbeit in der Einführungsphase vorzubereiten. Dieser Vorkurs wird auch gesondert budgetiert.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Geis.

Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie der Meinung sind, dass Aufbaukurse an Schulen für Erwachsene nicht zielorientiert sind und durch Eingangsprüfungen ersetzt werden sollen?

Nicht ganz, Frau Abg. Geis. Aufbaukurse sind nicht durch Eignungsprüfungen zu ersetzen. Aber die bisherige Erfahrung zeigt, dass der Besuch von Aufbaukursen zusätzlich zu den Vorkursen keine signifikante Steigerung der Erfolgsaussichten zur Folge hat.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Cárdenas.

Herr Minister, es ist Ihnen doch klar, dass diese ersten Kurse nicht ausreichen, um, erstens, die Fachsprachen im Deutschen zu beherrschen und, zweitens, bezogen auf den Satzbau, komplexen Gedankengängen vernünftig folgen zu können. Nicht umsonst fordern wir seit Längerem, auch Mittel für das Fach Deutsch als Zweitsprache bis zum 12. Lebensjahr bereitzustellen. Diese Forschungsergebnisse können Ihnen doch nicht unbekannt sein.

Frau Abgeordnete, wir setzen Mittel in erheblichem Umfang für die Förderung von Deutsch als Zweitsprache ein, die wir in den letzten Jahren noch massiv gesteigert haben. Es geht hier ausschließlich um einen spezifischen Aufbaukurs Deutsch als Zweitsprache für diesen besonderen Zweck am Abendgymnasium bzw. am Hessenkolleg. Da

von unberührt bleiben unsere breit gefächerten und immer weiter ausgebauten Angebote zur Deutschförderung in den anderen Bereichen, die dann auch beispielsweise auf eine solche Eignungsprüfung hinführen können.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Geis.

Herr Minister, welche Möglichkeiten und Ressourcen bekommen denn diejenigen Abendgymnasien in Hessen, die die Aufbaukurse durchführen möchten, weil sie sie aufgrund ihrer Schülerschaft als sinnvoll erachten?

Frau Abgeordnete, das ist nach der derzeitigen Regelung der Oberstufen- und Abiturverordnung in der Tat den Schulen überlassen. Wenn eine Schule es im Einzelfall für sinnvoll erachtet, muss sie das auch aus den vorhandenen Ressourcen bestreiten. Eine gesonderte Zuweisung – vor dem Hintergrund der nicht besonders günstigen Erfahrungen mit diesen Aufbaukursen – ist auf breiter Fläche nicht vorgesehen.

Damit ist die mündliche Frage besprochen, und wir kommen zur Debatte über die vorliegenden Anträge. Als Erster hat Kollege Schäfer-Gümbel das Wort.

Frau Vizepräsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister Lorz, Herr Vizeminister Mathias Wagner, Herr Schattenminister Irmer! Zunächst will ich an den Anfang der Debatte stellen, was unstrittig sein sollte. Das ist nämlich der Dank an alle diejenigen, die in langen zehn Monaten gemeinsam um die Frage gerungen haben, welchen Weg das hessische Bildungssystem gehen soll. In diese Angelegenheit ist extrem viel Arbeit investiert worden, von den Fraktionen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Ministerien, aber vor allem auch von den zahlreichen Organisationen und Institutionen, die mit großen Hoffnungen und Erwartungen in den Hessischen Bildungsgipfel eingetreten sind, Herr Minister Lorz – auch angesichts des Versprechens, das die schwarzgrüne Regierungskoalition zu Beginn dieses Bildungsgipfels gegeben hat. Damals wurde nur ein einziges Ziel definiert. Ich finde, dass der Dank an den Anfang gehört.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das einzige Ziel, das die schwarz-grüne Koalition für diesen Bildungsgipfel hatte, ist auf Seite 29 des Koalitionsvertrags präzise definiert. Dort heißt es:

Wir werden ihn damit beginnen, dass wir alle an Schule Beteiligten sowie die Fraktionen im Landtag zu einem Bildungsgipfel einladen, um mit ihnen eine Vereinbarung über die Schulentwicklung in Hessen für die nächsten zehn Jahre zu erreichen. Uns ist es wichtig, auf diese Weise den Schulen, Schulträgern und Eltern Planungssicherheit zu geben.

Punkt, Ende der Durchsage. Andere Ziele gab es nicht. – Gemessen an diesem Ziel ist der Bildungsgipfel in Hessen definitiv gescheitert.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Was hätte der Bildungsgipfel aus unserer Sicht bringen müssen? Das zentrale Problem der hessischen Bildungspolitik und vieler anderer – dass nämlich die soziale Herkunft den Bildungsweg von Kindern so sehr beeinflusst wie in nahezu keinem anderen industrialisiertem Land der Welt – muss beendet werden. Ganztagsschulen müssen ausgebaut werden. Ich werde nicht müde, es vorzutragen: Von den 1.200 Grundschulen in Hessen sind fünf – fünf – echte Ganztagsschulen.

(Günter Rudolph (SPD): So viele doch? Das ist eine Handvoll!)

Wir müssen bei der Inklusion verlässlich weiterkommen, bei der Schulsozialarbeit, der beruflichen Bildung und auch der Berufsorientierung. Dazu will ich ausdrücklich sagen: Das ist der einzige Punkt, zu dem es auf dem Bildungsgipfel eine substanzielle Verständigung gab. Aber, Herr Minister Lorz, die müssen Sie jetzt auch mit Leben füllen. Denn nur den Spiegelstrich aufzuschreiben, dass wir beim Übergangssystem und bei der Berufsorientierung bei gymnasialen Bildungsgängen etwas erreichen wollen, ist noch nicht die Umsetzung dessen, was da formuliert wird. Das gilt aber auch für das längere gemeinsame Lernen sowie für die Lehrerbildung und -ausbildung.

Das alles hätte der Bildungsgipfel bringen müssen. Dabei rede ich nicht über die Art und Weise, aber es hätte dazu etwas Substanzielles geben müssen, jenseits des Abnickens des Koalitionsvertrags von Schwarz-Grün.

Inzwischen wird als wesentliches Ziel dieses Bildungsgipfels das Ziel ausgegeben, dass man einmal miteinander geredet hat: Gut, dass wir beieinander waren, dass es einen Austausch gab. Denn bisher hat das nicht stattgefunden. – Dazu will ich zwei Anmerkungen machen.

Die Notwendigkeit, in der Bildungspolitik miteinander ins Gespräch zu kommen, ist vielleicht ein Versäumnis der hessischen Union, exemplarisch zu sehen an dem Desaster um die Einführung der Schulzeitverkürzung G 8, die Sie brachial von oben gegen jeden Hinweis durchgesetzt haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Jetzt zu erklären: „Es war gut, dass wir einmal darüber geredet haben“, ist aber auch ein Zeichen der Ignoranz gegenüber der Gesetzeslage in Hessen. In § 99a des Hessischen Schulgesetzes heißt es nämlich, dass es einen Landesschulbeirat geben soll, der sich aus Vertreterinnen und Vertretern nahezu aller Organisationen, die jetzt zehn Monate lang zusammensaßen, zusammensetzt, die regelmäßig an den Entwicklungen und an der Schaffung der Grundlagen der Bildungspolitik zu beteiligen sind. Der Landesschulbeirat ist nicht dafür da, Ihre Berichte entgegenzunehmen und Ihre Verkündigungen zu akzeptieren, sondern er soll genau das tun, was auch der Bildungsgipfel getan hat. Insofern empfehle ich Ihnen dringend, Ihre eigenen Reden ernst zu nehmen und anschließend auch zu tun, was Sie gesagt haben, statt nur darüber zu fabulieren.

(Beifall bei der SPD)

Warum ist der Hessische Bildungsgipfel gescheitert? Die zur Begründung angeführten Legenden sind inzwischen ja

mannigfaltig. Ich will es ganz klar sagen: Der Bildungsgipfel ist am Ende deswegen gescheitert, weil sich der wesentliche Akteur der hessischen Landespolitik, nämlich Ministerpräsident Volker Bouffier, in die Debatte nicht nur nicht eingelassen hat – anders als in anderen Ländern, wo das immer Chefsache war –, sondern den Prozess sogar torpediert hat, und zwar in übelster Weise, z. B. in seiner Grundsatzrede auf dem JU-Landestag, wo er erklärt hat, mit ihm werde es keinen Millimeter an Kompromiss in irgendeiner Frage geben, die bildungspolitischen Vorstellungen der SPD seien inhuman. Das wird auch noch mit der Erklärung verteidigt, „man müsse für Identität in den eigenen Reihen sorgen“. Dazu muss man sagen: Man kann für Identität in den eigenen Reihen auch dadurch sorgen, dass man sagt, was man will. Man braucht dafür den politischen Gegner nicht zu denunzieren und zu beschimpfen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der einzige Vertreter von Maximalpositionen war in diesem Prozess der Hessische Ministerpräsident. Jetzt wird gelegentlich behauptet, es habe ja keine Angebote gegeben, es habe stattdessen einen Brief an den Ministerpräsidenten gegeben, in dem ich die Maximalforderungen der SPD aufrechterhalten hätte. Ich will Ihnen einmal den entscheidenden Satz zum Thema Ganztagsschulen vorlesen.