Protokoll der Sitzung vom 23.07.2015

Ein Anstieg der politisch motivierten fremdenfeindlichen Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und anderes mehr sollten auch den Letzten aufhorchen lassen und uns allen bewusst machen, dass hier der Einsatz der gesamten demokratischen Gesellschaft gefordert ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da müssen wir uns entschieden all den Wegbereitern im politischen Raum entgegenstellen, die diesen Ausfällen ein Stück weit den inhaltlichen Hintergrund liefern. Wenn ich die vereinigte parlamentarische Rechte von AfD und CSU sehe, wie sie im Moment gegen Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten in Deutschland hetzt und das dann auch noch mit dem Hinweis salonfähig macht: „Das wird man doch noch sagen dürfen“,

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

dann ist das einer der Wegbereiter für diese Taten, die wir hier zu beklagen haben.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Dafür aber muss ich nicht nach Bayern, Thüringen oder sonst wo schauen, da kann ich mich auch in Hessen umsehen: Wenn der Kollege Tipi zum wiederholten Male auf dem rechtspopulistischen Portal blu-News deutlich macht, dass die Aushebelung rechtsstaatlicher, d. h. gerichtlicher Prüfungen von Abschiebungen in sogenannte sichere Herkunftsstaaten abgeschafft werden könne – nur so sei die angemessene Behandlung eigentlicher Flüchtlinge möglich:

(Günter Rudolph (SPD): Uiuiui! – Heike Hofmann (SPD): Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, das verbietet sich. Das ist inhaltliche Wegbereitung, auf die man sich nachher immer wieder berufen und sagen kann: „Wenn der das doch sagt – das unterstützen wir“.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Auch das will ich an dieser Stelle sagen: Vielleicht schafft es die Union irgendwann einmal, bei solchen wichtigen Themen ihre ideologischen Kinderspiele sein zu lassen, damit wir uns hier im Landtag alle gemeinsam mit einem Antrag diesen Taten entschieden entgegenstellen. Das wäre der Sache angemessen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe der Abg. Michael Boddenberg und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, Prävention und Aufklärung sind wichtig. Wer aber dabei nicht die Mitte der Gesellschaft anspricht, der bleibt auf halbem Wege stehen. In Teilen des Programms Ihres Antrags tun Sie genau das. Nach dem Versagen der Behörden ist die Aufklärung insbesondere in die Zivilgesellschaft hinein, damit aufrechte Aktive im Kampf gegen rechts und gegen Rechtspopulisten Unterstützung erfahren, notwendig und ein richtiger und guter Schritt. Wer aber auf der anderen Seite Teile der Rechtsextremen und der rechtsextremistischen Szene in Hessen gar nicht erst wahrhaben will, der greift auch in

seinen Bemühungen zu kurz. Wenn es die Landesregierung nicht nötig findet, die Identitäre Bewegung zu überwachen, dann hat sie es offenbar nicht verstanden, um welche rechtsextremen Gruppen es sich hier handelt.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen haben wir als Fraktion das nach unserer Großen Anfrage nun erneut aufgegriffen und erneut thematisiert. Hier muss ein Sinneswandel vorangetrieben werden, und die Sicherheitsbehörden müssen sensibilisiert werden.

Ja, in diesem Programm sind inhaltliche und qualitative Verbesserungen in Hessen zu verzeichnen. In wesentlichen Teilen leistet dieses Programm in Hessen die erforderliche Kofinanzierung von Bundesprogrammen. Das muss hier ganz deutlich sein, und deshalb geht auch unser Dank an den Bund und an die zuständige Ministerin, Manuela Schwesig, die dieses Programm, die Verstetigung und vieles andere mehr, mit auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei der SPD)

Vom Bund kommen vielerlei Konzepte: lokale Partnerschaften für Demokratie, Modellprojekte in den Bereichen Radikalisierungsprävention und andere mehr, die wir adäquat mitfinanzieren. Das ist richtig und notwendig. Das ist eine Selbstverständlichkeit im Kampf gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit.

Der Kollege Frömmrich hat es angesprochen: Auch die wichtige Verstetigung bei der Förderung der zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, weg von der einzelnen Aktionsförderung und hin zu einer Verstetigung, einer dauerhaften Unterstützung, ist ein Erfolg der Bemühungen der Bundesebene und ein wichtiger Baustein in der dauerhaften Arbeit so vieler Gruppen und Initiativen auch in unserem Land.

Sich diesem Fortschritt in Hessen nicht zu verschließen – in diesem Falle ist es ein Fortschritt –, sollte für uns alle eine Selbstverständlichkeit sein; denn das leistet einen unverzichtbaren Beitrag in unserer Gesellschaft.

Damit bin ich bei einem weiteren Akteur, dem es zu danken gilt – und das will ich für die SPD-Landtagsfraktion heute auch tun. Das übergroße Engagement der zivilgesellschaftlichen Kräfte in unserem Land, die Arbeit von vielen ehrenamtlich Tätigen in den Kommunen, die unzähligen Neben- und Hauptamtlichen in den verschiedenen Gruppen der Zivilgesellschaft – sie sind wesentliches Rückgrat und Träger der eigentlichen Präventionsarbeit im Kampf gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Und auch diese haben Einfluss auf die Arbeit des Landes Hessen, auf das Handeln des Landes Hessen: Unser Dank gilt auch der Initiative der Anne Frank Stiftung zur Beratung von Opfern und Betroffenen von rechtsextremen Aktivitäten.

Von der Landesregierung bisher fälschlicherweise als nicht notwendig dargestellt, hat es insoweit einen Sinneswandel gegeben. Sie werden jetzt unterstützt – mit der Begründung, sie seien kontinuierlich dabei gewesen. Das ist ein Fortschritt, das ist positiv – deswegen gar nicht erst zucken, es war lobend gemeint, dass dieser Sinneswandel endlich eingetreten ist und man das jetzt unterstützt. Für uns ist und war das selbstverständlich. Das war schon im

mer eine unsere Forderungen. Deswegen: Wenn dieser Fortschritt auch in Hessen kommt, dann soll uns das recht sein, dann begrüßen wir das.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, alle diese Initiativen der Zivilgesellschaft brauchen die finanzielle und tatsächliche Unterstützung durch die Landesregierung. Wenn die Landesregierung in der Antwort auf unsere Große Anfrage aber deutlich macht, dass sie die wissenschaftlichen Grundlagen des Handelns vieler Akteure, auch des Beratungsnetzwerks Hessen, anzweifelt und infrage stellt – nur so kann man das deuten –, dann ist das ein Schlag ins Gesicht der Aktiven. Diese Haltung der Regierung sollte dringend geändert werden; denn die Akteure brauchen inhaltliche Unterstützung und Begleitung statt ein Infragestellen der wissenschaftlichen Grundlagen ihres Handelns, wie das in der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage entsprechend dokumentiert ist.

Ob es richtig ist, all das als ein neues Programm zu preisen, sei dahingestellt. So richtig neu ist das alles nicht. Sie bündeln viele Maßnahmen, Hessen leistet die Kofinanzierung. Das ist richtig und notwendig. Das deswegen aber als neues Landesprogramm zu feiern, ist allein Ihre Einschätzung. Das ist bei diesem Thema durchaus kein Alleinstellungsmerkmal; das erleben wir häufiger. In diesem Bereich ist aber durchaus ein Fortschritt zu verzeichnen, auch wenn er in Hessen in Tippelschritten daherkommt.

Dass wir uns mit den beiden Anträgen, dem Antrag von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP und dem Antrag der Linksfraktion, gemeinsam und entschieden gegen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte wenden, dass wir deutlich machen, dass rassistisch motivierte Gewalt in unserer Demokratie keinen Platz hat, ist gut, ist richtig und, wie ich finde, auch ein eindrucksvolles Zeichen nach außen. Denen unsere Unterstützung zuzusagen, die sich in unzähligen ehrenamtlichen Gruppen in vorbildlicher Weise um die Flüchtlinge vor Ort kümmern, und uns bei ihnen – egal, welcher Parteifarbe – für diese großartige Arbeit im Dienst für unsere Gesellschaft zu bedanken, ist mehr als richtig und, wie ich hoffe, Ansporn für weitere gute Arbeit im Sinne der betroffenen Menschen, die wir in Hessen willkommen heißen, wenn sie bei uns Schutz vor Elend, Gewalt und Krieg suchen und erhalten. Das ist unser Anspruch. Das ist unsere Motivation. Daran werden wir auch weiterhin arbeiten.

Wir werden die Landesregierung bei ihren Bemühungen gegen extremistische Umtriebe in unserem Land weiterhin kritisch begleiten. Deswegen sollten wir alles dafür tun, dass wir als demokratische Parteien, die im Hessischen Landtag vertreten sind, gerade in diesen Zeiten aktiv Flagge zeigen. Lassen Sie uns das gemeinsam vorantreiben. Wenn ein Fortschritt in Hessen zu verzeichnen ist, und sei es auch nur die Kofinanzierung wichtiger Programme, dann begrüßen wir das; denn am Ende des Tages zählt das positive Ergebnis. Wir werden auch in den nächsten Jahren daran arbeiten, weitere Fortschritte zu erreichen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Eckert. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Bellino von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hessen und die Hessische Landesregierung sind aktiv für Demokratie und gegen Extremismus. Deshalb ist es richtig, dass das neue Landesprogramm zur Extremismusbekämpfung diesen Namen trägt. Die Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt damit die erfolgreiche Arbeit der Vorgängerregierung unter Führung der CDU in der Extremismusbekämpfung fort und hat angesichts bleibender und neu hinzukommender Bedrohungen die Anstrengungen, die in diesen Programmen gebündelt sind, verstärkt. Bei uns ist nämlich Platz für vieles – ich habe von dieser Stelle aus schon öfter darauf hingewiesen –, bei uns ist aber kein Platz für Gewalt gegen Andersdenkende, Andersgläubige oder anders Abstammende und auch kein Platz für Gewalt – leider muss man darauf hinweisen – gegen entstehende oder vorhandene Flüchtlingsunterkünfte, wie dies schon festzustellen und von dem einen oder anderen Ewiggestrigen angekündigt war.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben dabei – ich denke, auch darauf darf man hinweisen – jede Form des Extremismus im Blick: Extremismus von rechts genauso wie von links, Islamismus, Antisemitismus oder andere Formen des Extremismus.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie alle haben in Hessen nichts verloren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist mit Sicherheit richtig, dass wir dem Treiben von Extremisten, gleich welcher Couleur, nicht tatenlos zuschauen. Freiheit und Sicherheit sind nämlich unseres Erachtens zwei Seiten derselben Medaille. Unsere freiheitliche Demokratie ist Gott sei Dank, aber auch aufgrund entsprechender Beschlüsse gut gerüstet. Sie besitzt die Mittel, um sich gegen ihre Feinde zu verteidigen und die Menschen in unserem Land, egal, wo sie herkommen, zu schützen, auch wenn es bedauerlicherweise nie eine absolute Sicherheit geben kann.

Damit dies so bleibt, damit die Menschen in diesem Land geschützt sind, investieren wir viel Geld. Insgesamt stehen in Hessen 2,7 Millionen € zur Verfügung, um den Extremismus zu bekämpfen. Ein Großteil dieser Mittel geht bewusst in präventive Maßnahmen. Neue und bewährte Maßnahmen sind in dem von der Landesregierung neu aufgelegten Programm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ gebündelt. Damit schaffen wir die Grundlage für eine weitere erfolgreiche Bekämpfung des Extremismus. Mit über 1 Million € aus Landesmitteln wird dieses Programm jährlich hinterlegt. Hinzu kommen 1,7 Millionen € aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Darauf wurde hingewiesen. Aber wir sind – zu Recht – mit über 1 Million € dabei.

Das zeigt deutlich, dass wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. Es zeigt aber auch, dass wir die Kraft haben,

trotz großer Anstrengungen zur Konsolidierung des Haushalts neue Akzente zu setzen und den Extremismus zu bekämpfen.

Lassen Sie mich einige konkrete Maßnahmen nennen. Ein Schwerpunkt war und ist die Bekämpfung des Rechtsextremismus – schon seit Langem und durchaus erfolgreich. Wenn Sie sich die Antwort auf eine Anfrage im Bundestag bezüglich der Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund pro 100.000 Einwohner anschauen, dann sehen Sie, dass Hessen an drittletzter Stelle steht. Das ist in diesem Fall eine sehr gute Position. Wir arbeiten aber daran, dass wir Letzter werden.

Diese gute Position hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass hier in Hessen schon immer ein Betätigungsfeld gesehen wurde, den Rechtsextremismus einzudämmen, zu sanktionieren, wo es notwendig war, und präventiv tätig zu sein. Denn die Rechtsextremisten schaden mit ihrer Fremdenfeindlichkeit, ihrem Rassismus nicht nur den Opfern ihrer Taten, sondern sie schaden auch unserer Gesellschaft insgesamt. Das darf nie unterschätzt werden. Gerade die schreckliche NSU-Mordserie zeigte dies im negativen Sinn sehr anschaulich.

Das Beratungsnetzwerk Hessen bietet bereits seit dem Jahre 2007 professionelle und kostenlose Hilfe an – Beratungsangebote, die auch wahrgenommen werden. Mittlerweile wurden 369 Beratungsfälle gezählt. Das Beratungsnetzwerk ist auch Partner der Kommunen. Das ist gerade in der jetzigen Zeit von großer Bedeutung; denn die massiv steigenden Zuwanderungszahlen stellen – wie wir alle wissen – die Kommunen und das Land gemeinsam vor große Herausforderungen.

Wir haben bereits gestern darüber gesprochen, was dies beispielsweise für die Unterbringung bedeutet. Das ist einer der Schwerpunkte der Extremismusbekämpfung; denn mit der steigenden Zuwanderung werden auch Rechtsextreme auf den Plan gerufen. Das ist das Bedauerliche. Sie wollen die Herausforderungen, vor denen wir gemeinsam stehen, für ihre menschenverachtende Hetze missbrauchen. Das geht gar nicht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher haben wir einen weiteren Antrag eingebracht, mit dem wir ein unmissverständliches Zeichen setzen wollen. Wir wollen und dürfen nichts herbeireden. Wir haben in Hessen Gott sei Dank eine andere Stimmung als die, die vereinzelt aus anderen Bundesländern gemeldet wird. Deshalb wollen und müssen wir aber alles tun, damit wir in Hessen nicht solche Bilder sehen, wie wir sie woanders erleben müssen oder wie wir sie aus den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts noch in Erinnerung haben. Übergriffe und Gewalt dürfen keine Mittel der politischen Auseinandersetzung sein.

Das wirkungsvoll zu verhindern heißt auch, die berechtigten Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und die Weichen dafür zu stellen, dass wir denjenigen helfen, die unserer Hilfe wirklich bedürfen, nämlich denen, die aufgrund politischer Verfolgung zu uns flüchten und bei uns zu Recht Asyl suchen. Gibt es diese Asylgründe aber nicht, müssen wir genauso entschieden die Rückführung derer in ihre Heimat einleiten, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen.

Wir wissen, dass, trotz unserer Anstrengungen für Flüchtlinge, Extremisten bereit sind, Menschen gegeneinander aufzuwiegeln. Was den heute Morgen eingereichten Antrag der LINKEN betrifft, werden wir – das sei an dieser Stelle gesagt – an der Abstimmung nicht teilnehmen, da wir einen eigenen Antrag haben und dort bereits das Wesentliche dazu steht.